Geschichten aus Absurdistan - Wolfgang Brenneisen - E-Book

Geschichten aus Absurdistan E-Book

Wolfgang Brenneisen

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Beschreibung

Schräge Geschichten aus einem Land namens Absurdistan, das verblüffende Parallelen zur Bundesrepublik Deutschland aufweist. Dazu passende Comics.

Das E-Book Geschichten aus Absurdistan wird angeboten von Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
absurd, Deutschland heute, Comic

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 59

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Wolfgang Brenneisen

hat Bücher geschrieben und Ausstellungen gemacht.

Weitere Informationen unter:

https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Brenneisen

Inhalt

Was heißt da schon absurd?

Der Dirigent

Der Feinschmecker

Buch und Wein

Verloren und errettet

In unserem Dorf

Das Nichts

Die Windsbraut

Liebender Kampf

Etwas Besonderes

Über das Verschwinden

Nullbock

Grieselchen

Der Chinese

Herrn K.s Lieblingstier

Das Spiegelei

Die Kunst der Verpackung

Die Auszeichnung

Freundlichkeit

Beim Schwammerlsuchen im Wald

Die Beine von Herrn Kurz

Die letzte Wahrheit

Das Märchen vom Intermus

Die Saugkletterer

Das Land der Seligen

Die Richtigkeit

Inkarnationen

Und doch noch

Der Dorsch

Die Pandemie

An der Promenade

Exit Mr. Hyde

Das Niesen

Landschaft mit Blaulicht

Das linke Ohr

Die gute alte Zeit

Nachts

Rottfohrn

Der Perfektionist

Der Mythos von Sisyphos

Der Buchhändler N.

Das Eselsohr

Ein schönes Alter

Lügen haben lange Nasen

Die heiligen drei Könige

Das Verreckerl

Die Nachtigall

Der Hörkünstler

Die Zuckerdose

Der Angeklagte

Sein oder Nichtsein

edition imme

Was heißt da schon absurd?

Die Texte hier nenne ich „absurd“, ohne den Anspruch, dass alle Fein-, Scharf- und Großgeister damit einverstanden sind. Zweifellos ist der Begriff dehnbar, und man kann allerlei in ihn hineinlegen, absurderweise aber nicht alles, sonst wäre die Grenze zum Blöd- und Irrsinn überschritten.

Ich fange ganz seriös an mit Kluge, „Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache“. Dort erfahren wir, dass das Wort aus dem Lateinischen kommt und ursprünglich „misstönend“ bedeutete. Es könnte sich von „susurrus“ mit der Bedeutung „Zischen“ ableiten. Die Bedeutung heute ist „widersinnig“. Kluge fügt hinzu: „Früher vor allem üblich in der Sprache von Philosophie und Logik (vgl. ad absurdum führen).“

Da sind wir schon mal auf festem Boden. Wenn wir an der Hand von Philosophen und Logikern ad absurdum geführt werden, dann erreichen wir das Ende einer Sackgasse und sind froh, wenn wir dergestalt belehrt (und auch belämmert) wieder um- und zurückkehren dürfen in die helle, klare Welt des Sinns. Vereinfacht ausgedrückt: Absurd ist nichts Gutes, lasst die Finger davon.

Nun hat es aber ausgerechnet von Seiten der Philosophie eine Häresie gegeben, durch die das Absurde beträchtlich aufgewertet wurde. Ich meine die französische Existenzphilosophie mit ihrer Speerspitze Albert Camus. Die menschliche Existenz sei absurd, aber der Mensch habe die Freiheit, sich gegen diese Absurdität aufzulehnen und so sein Leben sinnvoll zu gestalten. Von Camus stammt der Satz, der mit Vorliebe von Kassiererinnen in Supermärkten und Palettenträgern auf Bauhöfen zitiert wird: „Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“

Das mag so sein. Es ist sozusagen ein heroischer Umgang mit dem Absurden. Ich dagegen betrachte die ganze Sache etwas entspannter. Was heißt schon „widersinnig“? Was für den einen widersinnig ist, erscheint dem anderen wenn nicht gerade sinnvoll, so doch immerhin möglich, also irgendwie existenzberechtigt. Man denke nur, um ein Beispiel zu geben, an die Geschichte der Kunst, als sich vor mehr als hundert Jahren die „Fauves“ der akademischen Malerei entgegenstellten. Erst geschmäht, dann akzeptiert – und heute unbezahlbar. Ein zweites Beispiel aus einem anderen Gebiet: Zweiundzwanzig erwachsene Männer (oder Frauen), die anderthalb Stunden lang auf einer kleinen Fläche einem kleinen runden Gegenstand nachrennen – wenn das nicht absurd ist! Und ist doch für Millionen Menschen (die nicht mitrennen, was noch absurder ist) die sinnvollste Sache der Welt.

Womit ich bei meiner eigenen Einstellung bin: Absurdität kann das Spiel mit dem Möglichen sein. Eine Geschichte stellt etwas dar, was es so in der (gewohnten) Wirklichkeit nicht gibt. Insofern ist sie widersinnig – aber nur wider den augenblicklichen, aktuellen, allgemein abgesegneten Sinn. Vielleicht steckt in ihr aber eine noch nicht bedachte Möglichkeit, ein Keim Zukunft. Es gibt sogar Philosophen, die behaupten, wenn etwas gedacht werden könne, dann sei es schon dadurch wirklich. Das wiederum klingt in meinen Ohren ziemlich absurd. Doch wer weiß? Wenn wir uns vergegenwärtigen, welche Geschichten uns die heutigen Physiker und Kosmologen auftischen, dann fällt es schwer, eine Grenzlinie zu ziehen.

Aber Schluss mit dem Theoretisieren! Eine gute Geschichte, ob absurd oder realistisch, ob fromm oder zynisch, steht für sich, aus eigener Kraft. Wenn sie unterhält, hat sie ihren Sinn erfüllt, sage ich. Wer darüber hinaus einen Tiefsinn oder Weisheitskern in ihr erkennen will, tue sich, bitteschön, keinen Zwang an. Doch das heitere Spiel mit Worten, Gedanken, Bildern ist mir allemal wichtiger.

Dankbar nenne ich ein paar erlauchte Namen, Autoren, deren Stil mir gefällt und die mir vermutlich gezeigt haben, wo es langgeht, in alphabetischer Anordnung: Klaus Birkenhauer, Bertolt Brecht, Lewis Carroll, Daniil Charms, Robert Gernhardt, Heinrich Heine, Ernest Hemingway, Franz Kafka, Horst Krüger, Kurt Kusenberg, Edward Lear, Alan Alexander Milne, Marcel Reich-Ranicki, Damon Runyon, Michail Soschschtenko, Tomi Ungerer, Robert Walser und andere, deren Namen mir bestimmt bis zur nächsten Auflage wieder einfallen.

Der Dirigent

Warum der Dirigent eigentlich gebraucht wird, warum ein Orchester ohne ihn nicht spielen kann, vermag der Laie kaum einzusehen. Die Violonisten sind Könner ihres Fachs, die Oboisten nicht minder, und selbst der Mann am Triangel hat viele Semester an der Musikhochschule studiert, bis er seinem Instrument die feinsten Nuancen zu entlocken vermochte. Alle Orchestermitglieder können zählen, Noten lesen, Noten umblättern, und überdies stützen sie sich sozusagen gegenseitig, das heißt, die zweite Violine lehnt sich an die erste, die dritte an die zweite und so fort. Selbst wenn ein Musiker einmal den Faden verloren hat, kann er sich mit seiner jahrelangen Erfahrung an das aktuelle Geschehen heranfiedeln, bis alles wieder im Lot ist. Wozu wird der Dirigent also gebraucht? Man stellt ja auch nicht neben die Bahnhofsuhr einen Dirigenten, der taktierend die Zeiger vorantreibt!

Die Antwort auf unsere Frage ist: Man braucht den Dirigenten für das Publikum, nicht für die Musiker. Diese – das wird ja jeder Beobachter schon festgestellt haben – schauen kaum hin und versuchen nur, sich durch das wilde Gefuchtel nicht von ihrer Arbeit ablenken zu lassen. Das Publikum dagegen schaut eigentlich nur auf den Dirigenten. Die Leute auf den billigen Plätzen können sowieso nicht sehen, was die Musiker treiben. Und die Aficionados in den ersten Reihen, die an den richtigen Stellen frenetisch Beifall klatschen, kämpfen ansonsten mit der Müdigkeit. Da ist es von Vorteil, wenn wenigstens das Auge auf interessante Art beschäftigt wird.

Der Dirigent schwankt das eine Mal wie eine Birke im Wind und reckt seine Arme wie zarte Ästchen in den Konzertsaalhimmel, dann wieder scheint er ein wolliges, weiches Lämmchen ausgiebig zu streicheln, und nun muss er offensichtlich einen widerspenstigen, zähen Ochsen umbringen. Das regt die Fantasie an, das reißt mit, das ist wahrer Kunstgenuss! Nein, auf den Dirigenten möchte man nicht verzichten.

Der Feinschmecker