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Aron Olin

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Beschreibung

Wer gegen scheinbar übermächtige Gegner kämpft, muss immer alles geben. Und darf sich niemals in Sicherheit wiegen. Oder darauf verlassen, dass Gott es schon regelt und man selbst nichts mehr tun muss. Selbst, wenn der Erfolg sich scheinbar schon eingestellt hat, muss man wachsam bleiben. Denn nicht immer ist wirklich alles so, wie es scheint. Geraldine und ihre Freunde erkennen dies leider zu spät. Was katastrophale Konsequenzen mit sich bringt.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Kapitel 68

Kapitel 69

Kapitel 70

Kapitel 71

Kapitel 72

Kapitel 73

Kapitel 74

Kapitel 75

Kapitel 76

Kapitel 77

Kapitel 78

Kapitel 79

Kapitel 80

Kapitel 81

Kapitel 82

Kapitel 83

Kapitel 84

Kapitel 85

Kapitel 86

Kapitel 87

Kapitel 88

Kapitel 89

Kapitel 90

Kapitel 91

Kapitel 92

Kapitel 93

Kapitel 94

Kapitel 95

Kapitel 96

Kapitel 97

Kapitel 98

Kapitel 99

Kapitel 100

Kapitel 101

Kapitel 102

Kapitel 103

Kapitel 104

Kapitel 105

Kapitel 106

Kapitel 107

Kapitel 108

Kapitel 109

Kapitel 110

Kapitel 111

Kapitel 112

Kapitel 113

Kapitel 114

Kapitel 115

Kapitel 116

Kapitel 117

Kapitel 118

Kapitel 119

Kapitel 120

Kapitel 121

Kapitel 122

Kapitel 123

Kapitel 124

Kapitel 125

Kapitel 126

Kapitel 127

Kapitel 128

Kapitel 129

Kapitel 130

Kapitel 131

Kapitel 132

Kapitel 133

Kapitel 134

Kapitel 135

Kapitel 136

Kapitel 137

Kapitel 138

Kapitel 139

Kapitel 140

Kapitel 141

Kapitel 142

Kapitel 143

Kapitel 144

Kapitel 145

Kapitel 146

Kapitel 147

Kapitel 148

Kapitel 149

Kapitel 150

Kapitel 151

Kapitel 152

Kapitel 153

Kapitel 154

Kapitel 155

Kapitel 156

Kapitel 157

Kapitel 158

Kapitel 159

Kapitel 160

Kapitel 161

Kapitel 162

Kapitel 163

Kapitel 164

Kapitel 165

Kapitel 166

Kapitel 167

1

Annie schrak hoch. Panisch tastete sie mit der Hand nach rechts. Konstantin war da. Er lag friedlich auf der Seite und schlief. Sollte sie ihn wecken? Nein – dafür war er nicht der Richtige. Aber sie musste jemanden wecken. Sie konnte nicht bis zum nächsten Morgen warten. Leise stieg sie aus dem Bett, versuchte einen Moment lang vergeblich, ihre Hausschuhe anzuziehen, ließ es dann bleiben und tappte barfuß ins Wohnzimmer, wo sie ihr Handy zuletzt gesehen hatte. Es lag neben der Couch, auf die sie sich schwer fallen ließ. Sie wählte eine Nummer, doch es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sich jemand meldete:

„Hallo?“ hörte sie eine schlaftrunkene Stimme am anderen Ende.

„Geraldine?“ fragte sie aufgeregt.

„Annie?“ Die Müdigkeit in Geraldines Stimme war wie weggeblasen, „was ist los? Ist was passiert?“

„Geraldine, ich hatte eine Vision. Eine schlimme Vision. Von Rosalindes Mutter.“

„Bitte was? Annie – du hast schlecht geträumt.“

„Nein, Geraldine. Das habe ich nicht.“

„Warum flüsterst du?“

„Ich will Konstantin nicht wecken. Der würde mir gleich das Handy wegnehmen.“

„Wäre vielleicht auch besser so.“ Geraldine gähnte, „Annie...“

„Geraldine, hör mir zu.“ unterbrach Annie sie sofort, „ich hab nicht geträumt. Ich weiß es 100%ig. Es war die gleiche Frau. Wie damals, als...“

Sie ließ den Satz in der Luft hängen.

„Bist du dir sicher?“ fragte Geraldine skeptisch.

„Das habe ich gerade gesagt. Der Dämon – er hat zu mir gesprochen.“

„Annie, wir haben den Dämon besiegt.“

„Ihr habt was?“ gab Annie viel zu laut zurück, schlug sich auf den Mund und wiederholte es dann noch einmal leiser.

„Wir haben ihn besiegt. Claudia ist gesund. Komplett. Es ist alles weg. Der Dämon und der Krebs.“

„Aber ich habe ihn gehört. Er hat zu mir gesprochen.“

„Annie, beruhige dich.“ versuchte Geraldine, sie zu beschwichtigen, kam damit allerdings nicht weit:

„Geraldine, das kann ich nicht.“

„Hör zu. Es ist alles in Ordnung. Es...“

„Ist Heike schwanger?“ fuhr Annie dazwischen.

„Bitte?“

„Heike. Ist sie schwanger?“

Geraldine schwieg einen Moment. Dann sagte sie langsam: „Woher soll ich das wissen?“

„Finde es heraus. Der Dämon hat gesagt, Heike wäre die vierte Generation.

Und die fünfte wäre schon unterwegs. Das kann nur ihr Kind sein.“

„Generation? Annie, wovon...“

„Das, was damals passiert ist.“ erklärte Annie eindringlich, „es hat dem Dämon die Tür geöffnet, sie sieben Generationen lang zu verfolgen.“

„Aber das ist doch ein Mythos.“

„Es gibt in der Bibel Geschichten, wo...“

Geraldine seufzte leise: „Im Alten Testament. Das gilt doch heute bestimmt nicht mehr. Wir haben Jesus für sowas.“

„Frag Z, frag seine Eltern, frag...“

„…Christopher.“ vollendete Geraldine, als Annie nicht weitersprach.

„Christopher?“ kam es verwirrt zurück, „wer ist Christopher?“

„Der Pfarrer, in dessen Haus wir uns treffen. Er macht jetzt bei uns mit.“

„Prima.“ Erneut wurde Annie lauter, fing sich aber sofort wieder: „das ist gut. Frag ihn. Und finde heraus, was mit Heike ist. Dann weißt du, dass ich Recht habe.“

„Und wenn sie nicht schwanger ist – kriegst du dich dann wieder ein?“

„Ja, das tue ich. Solange du mich ernst nimmst.“

„Versprochen, Annie, versprochen. Und jetzt geh wieder ins Bett. Genau wie ich.“

„Danke Geraldine, das...“

Aber Geraldine hatte bereits aufgelegt. Aufgewühlt kroch Annie zurück ins Bett und kuschelte sich an Konstantin, der einen grunzenden Laut von sich gab, ansonsten aber weiterschlief. Annie konnte nicht mehr schlafen in dieser Nacht. Sie hatte Angst vor weiteren Visionen. Und sie hatte Angst, was Geraldine ihr berichten würde.

2

Auch Geraldine fand keinen Schlaf mehr und am nächsten Tag fuhr sie vor der Uni direkt zu Claudia. Heike öffnete ihr die Tür und sie brauchte gar nicht zu fragen – sie sah es auf den ersten Blick.

„Geraldine, schön dass du vorbeikommst.“ Zumindest wirkte Heike wieder einigermaßen hergestellt.

„Ja, ich wollte doch mal sehen...“ Was sie hatte sehen wollen, hatte sie bereits gesehen. Doch natürlich konnte sie nicht einfach wieder gehen.

„...wie es euch geht.“ setzte sie daher hinzu.

„Meiner Mutter geht es gut. Ich denke, sie schläft noch. Sonst wäre sie sicherlich selbst an die Tür gekommen. Mir...“

„Ja, da sind Glückwünsche angebracht, oder?“

Heikes Gesicht verfinsterte sich. „Wie man’s nimmt.“

„Was meinst du?“

„Ich war noch nie so viel krank wie im Laufe dieser Schwangerschaft. Und der Vater hat sich auch aus dem Staub gemacht.“ Sie schlug sich auf den Mund und es war ganz offensichtlich, dass sie so ehrlich nicht hatte sein wollen. Tränen traten ihr in die Augen und Geraldine beeilte sich, sie in den Arm zu nehmen:

„Das tut mir wirklich total leid.“

„Danke. Willst du reinkommen?“

Geraldine schüttelte den Kopf: „Nein, ich muss zur Uni. Ich dachte nur, ich schaue auf dem Weg mal vorbei. Kann ich dir irgendwie helfen?“

„Danke, das ist lieb, aber nein.“ Heike tat es ihr gleich, „ich habe ganz viel

Unterstützung von Freunden und Leuten aus der Kirche. Und meine Mutter ist ja auch noch da. Wieder da. Dank dir.“

„Wie meinst du das?“ Geraldine spürte, wie sie leicht errötete.

„Du hast unsere Familie so begleitet durch all diese Tragödien. Das musste sich ja irgendwann auszahlen.“

„Oh, ja, dann... gern geschehen.“ Sie verabschiedete sich und Heike schloss die Tür. Der Verkehr hielt sich glücklicherweise in Grenzen und so kam sie früh genug an, dass sie noch bei Christopher anrufen konnte, bevor die Vorlesungen begannen. Michelle nahm ab, doch Geraldine war so in Gedanken, dass sie das gar nicht bemerkte und direkt zu erzählen begann.

Erst, als Michelle „Ich geb dich weiter.“ sagte und selbiges dann tat, fiel es ihr auf, und bei ihrem hastigen „Entschuldigung.“ war Christopher bereits dran. Er reagierte mit einem vergnügten Kichern und sie wiederholte ihr Anliegen: „Kannst du die anderen anrufen? Wir müssen uns treffen. Heute Abend. Es ist dringend. Ach und... wir werden eine Person mehr sein.“

3

„Hi, ich bin Annie.“ Sie streckte Christopher die Hand entgegen.

„Äh... wir haben uns durchaus schon mal gesehen...“ antwortete dieser, als er sie schüttelte.

„Ach, ja, richtig, stimmt. Hatte ich vergessen. Oder verdrängt. Oder beides.“

„Schön, dass du da bist. Kommt rein. Wir sind schon alle sehr gespannt.“

„Die anderen sind schon da? Das ist gut. Dann kommen wir gleich zur Sache.“ Annie hatte nicht mal das Wohnzimmer erreicht, da war sie schon voll in Fahrt.

„Annie.“ entfuhr es Z, als sie die Tür aufstieß.

„Annie?“ schloss sich Yannik fragend an. Was wiederum dazu führte, dass Annie die beiden Männer verunsichert ansah.

„Geraldine hatte gesagt, dass sie jemanden mitbringt.“ klärte Z sie auf,

„aber nicht, dass du es sein würdest. Schön dich zu sehen, wie geht es dir?“

Sie winkte ab. „Das ist jetzt erstmal unwichtig.“

„Okay...?“ Yannik und Z wechselten einen vielsagenden Blick.

„Geraldine hat mir erzählt, dass ihr den Dämon besiegt habt.“ fuhr Annie unbeirrt fort.

Z nickte: „Ja, das stimmt.“

„Nein, das stimmt nicht.“ widersprach Annie sofort.

„Bitte?“ machte Yannik alarmiert.

„Ich hatte eine Vision.“

„Wolltest du damit nicht aufhören?“ fragte Z grinsend.

„Sehr witzig. Als ob man das einfach abstellen könnte. Wenn das ginge, hätte ich es schon vor Jahren gemacht.“

Er hob abwehrend die Hände: „Sorry.“

„Schon okay. Gott hat mich damit verschont in den letzten Monaten und da war ich ihm sehr dankbar für. Aber anscheinend war das nur eine Erholungsphase und jetzt ist er der Meinung, dass ich wieder an die Arbeit muss. Also – hier bin ich.“

Yannik runzelte die Stirn: „Heißt das, du bist richtig wieder dabei?“

„Äh, nein. Das wollte ich damit nicht sagen. Aber ich habe etwas gesehen, was wichtig für euch ist.“

„Dann raus mit der Sprache.“ forderte Z sie auf.

Annie erzählte ihre Vision in aller Ausführlichkeit, war jedoch sehr verärgert, dass sie von den drei Männern äußerst skeptisch beäugt wurde:

„Was schaut ihr mich so an? Glaubt ihr etwa, ich irre mich? Habe ich mich jemals geirrt?“

„Nun... keiner von uns hat eine Vision von dir mitbekommen. Wenn dann nur Geraldine.“ überlegte Z laut.

„Ja, das ist auch wieder wahr.“ gab Annie zu.

„Und wir waren da. Wir haben gesehen, wie der Dämon verschwunden ist.“ fügte Yannik hinzu.

„Ähm...“ machte Geraldine daraufhin, „ich habe gesehen, wie der Dämon verschwunden ist. Ihr habt nur gehört, wie ich gesagt habe, dass der Dämon verschwunden ist.“

„Also hast du dich geirrt.“

„Wir haben noch nie zuvor einen Dämon besiegt. Woher soll ich wissen, wie das aussieht?“ rechtfertigte sie sich.

Z starrte sie entgeistert an: „Das hast du damals aber nicht gesagt.“

„Weil ich doch auch dachte, dass es nicht anders sein kann. Wenn ein Dämon erstmal festsitzt...“

„...kann er sich jederzeit freiwillig wieder ablösen.“ vollendete Christopher ganz anders als Geraldine das vorgehabt hatte.

„Bitte?“ fuhr Z auf, „damit kommst du jetzt?“

„Geraldine hat mir diesen Fragenkatalog aufgebrummt bei unserem letzten Treffen. Und seitdem war Pause. Ich habe inzwischen die Antworten, aber keine Notwendigkeit gesehen, euch deswegen extra zusammen zu rufen. Auch ich habe mich auf das verlassen, was ihr erzählt habt. Beim Recherchieren habe ich natürlich auch noch andere Sachen herausgefunden. Wie diese.“

„Wir haben uns also geirrt.“ Yannik blickte unglücklich drein, „es gibt ihn noch.“

Z jedoch war nicht überzeugt: „Halt mal – das ist doch reine Spekulation.

Nur weil Annie eine Vision hatte...“

„Heike ist schwanger.“ ging Geraldine dazwischen.

„Ist nicht dein Ernst.“ kam es von Z zurück.

„Doch. Ich habe sie heute Morgen gesehen. Eindeutiger gings gar nicht.

Deswegen habe ich ja auch dieses Treffen hier eruiert.“

„Ihr trefft euch gar nicht mehr?“ erkundigte sich Annie verwundert.

„Nun... wir...“ begann Z und brach wieder ab.

„...haben eine Pause eingelegt.“ führte Geraldine aus, „nach unserem Erfolg. Wir hätten schon wieder damit angefangen.“

„Halt erst in ein paar Wochen.“ ergänzte Yannik.

Annie rollte mit den Augen: „Ja, dann Entschuldigung, dass ich euch eurer freien Zeit beraube.“

„Annie, nicht so stürmisch. Es fällt halt schwer, das zu glauben.“ versuchte

Yannik, sie zu beschwichtigen.

„Mit anderen Worten: Ihr wollt es nicht wahrhaben.“

„So könnte man das durchaus auch ausdrücken.“ brummte Z.

„‘Der Lügner wird mich nicht aufhalten.‘ Das hat er gesagt.“

Yannik wurde blass: „Ich...“

„Wir sind alle Lügner. Jeder einzelne Mensch.“ ging Z dazwischen.

„Also...“ begann Yannik erneut, wurde allerdings wieder von Z unterbrochen:

„Mach dir keine Sorgen. Wir kriegen das hin. Wenn nicht beim letzten Mal, dann halt beim nächsten Mal. Wenn das wirklich alles so stimmt.“

Geraldine, die sah, wie Annie sich erneut zur Attacke bereit machte, wechselte schnell das Thema:

„Sag mal Christopher – was hast du denn sonst noch so an Antworten?“

„Nun... die Frage nach ihrem Vorgehen haben wir ja schon angerissen: Sie nehmen eine Person für sich ein, können aber ohne Probleme jederzeit von selbst wieder verschwinden, wenn sie zum Beispiel Gefahr wittern oder etwas Besseres finden.“

„Gefahr wittern...“ sinnierte Yannik.

„Wie gesagt: Ich habe mich auf eure Aussagen verlassen, die alle sicher davon sprachen, dass ihr es geschafft habt. Auch ich habe keine praktischen Erfahrungen hiermit.“

„Schon gut, schon gut. Weiter.“ winkte Geraldine schnell ab.

„Können Dämonen sterben? Das ist eine Frage, die sich nicht eindeutig beantworten lässt. Ich tendiere zu ‚Nein‘. Allerdings gibt uns die Bibel die Geschichte von Legion und den Schweinen, die...“

„Was?“ unterbrach Yannik.

„Kannst du nachlesen.“ kicherte Z.

„Red weiter.“ grummelte Yannik.

„...die darauf hindeutet, dass Dämonen Angst davor haben, ausgetrieben zu werden. Eine Theorie dazu ist, dass Satan – ihr Boss – nicht sonderlich erpicht ist, wenn sie versagen. Und dass sie daher von ihm bestraft werden, wenn das passiert. Und dass diese Strafe eher langfristig angelegt ist.“

„Es könnte also durchaus sein, dass wir wirklich Erfolg hatten und er trotzdem wiedergekommen ist.“ folgerte Geraldine nicht sonderlich begeistert.

„Unter Umständen... ja. Allerdings...“

„Allerdings?“

„...halte ich das im Zusammenhang mit eurer Arbeit für sinnlos. Nein – andersrum. Ich halte eure Arbeit in diesem Zusammenhang für sinnlos. Es kann nicht sein, dass es eure Lebensaufgabe ist, immer wieder den gleichen zu verscheuchen. Daher würde ich aus dem Bauch heraus sagen, dass sie – bitte nicht anklagend verstehen – wenn ihr euren Part wirklich richtig erfüllt, auch wirklich richtig weg sind. Ob man das nun Tod nennt oder Gefangenschaft oder sonstwie.“

„Also haben wir es falsch gemacht.“ seufzte Z.

„Wäre meine spontane Vermutung, ja.“ stimmte Christopher zu und fuhr dann schnell fort: „Nächstes: Bringen sich Dämonen gegenseitig um? Nun – die Frage nach dem Tod beantwortet sich da natürlich genauso. Aber sie haben definitiv die Fähigkeit dazu, sich gegenseitig etwas anzutun. Sie sind böse Wesen und haben daher voreinander oft genauso wenig Respekt wie vor uns. Dann: Können Dämonen uns töten? Definitiv: Nein. Das sagt uns die Bibel. Ganz eindeutig. Aber sie können uns etwas anhaben – auch da ist sie ganz eindeutig. Der Gemeindeleiter wurde also nicht von einem Dämon umgebracht. Aber... tja... da...“

Er sprach nicht weiter und alle sahen ihn an. Bis Geraldine schließlich wiederholte: „Aber? Tja? Da?“

Christopher seufzte: „Das Problem mit vielen Dingen des Lebens ist, dass es eine Hintertür gibt. Wie auch in diesem Fall. Dazu muss ich erst noch etwas anderes sagen, was ihr vielleicht so nicht wisst: Dämonen können einen Menschen nicht komplett umpolen. Einen liebevollen Familienvater verwandeln sie nicht in einen psychopathischen Massenmörder. Aber sie können an den unschönen Gefühlen und Eigenschaften andocken, die wir in uns tragen – jeder von uns – und diese verstärken. Sehr extrem verstärken. Sie können also aus einem Familienvater mit aggressiven Tendenzen einen Massenmörder machen. Indem sie ihn dazu bringen, seinen schlimmsten Impulsen zu folgen. Und somit sind sie natürlich auch in der Lage, über einige Ecken doch genau das zu erreichen, was ich eben ausgeschlossen habe.“

„Der Dämon in dem Gemeindeleiter hat also nichts gemacht. Aber ein anderer Dämon in einer anderen Person hat diese Person dazu gebracht, etwas zu machen.“ fasste Z es düster zusammen.

„Das ist meine Überlegung dazu, ja.“ Christopher blickte unglücklich von einem zum anderen, „es tut mir leid, dass ich euch da nichts Positiveres bieten kann. Aber so ist es nun mal. Sie haben Einfluss. Sie nehmen Einfluss.“

„Es gibt noch eine weitere Hintertür.“ flüsterte Geraldine.

Yannik schüttelte sich: „Die da wäre?“

„Krankheiten. Du hast gesagt, sie könnten uns etwas anhaben. Wie Krebs. Der zum Tod führt.“

„Ja... auch das.“ stimmte Christopher traurig zu, „sie können keinen Tod aktiv herbeiführen. Aber sie können etwas in Gang treten, was das tut.“

„Also können sie es im Grunde doch.“ Geraldine schlug resigniert mit den Händen auf die Oberschenkel, „was soll dann dieses ganze ‚geht nicht‘ aus der Bibel?“

Christopher ließ sich Zeit, bevor er antwortete. Dann sagte er leise:

„Vielleicht sollte man verbessern: …zum Tod führen kann. Denn die letztendliche Entscheidung über Leben und Tod liegt bei Gott. Wie er sie trifft und warum... Rätsel. War es immer, wird es immer sein. Er könnte jeden heilen. Tut er aber nicht. Stattdessen legt er es in unsere Hände. Wir haben die Möglichkeit, einzugreifen. So wie ihr das tut. Wenn sie uns einfach auslöschen könnten, hätten wir nie eine Chance. Bei Krankheiten gibt es immer eine Chance. Und bei Angriffen durch dritte auch. Man muss nur im richtigen Moment da sein. Und dann die richtige Gegenmaßnahme parat haben. Und genau da sehe ich euch. Das ist es, was ihr tun müsst. Ihre Pläne durchkreuzen. Leben retten.“

Das zeigte Wirkung: Mehrere Minuten saßen sie alle schweigend da und verdauten Christophers Worte. Schließlich blickte Geraldine auf:

„Was heißt das denn jetzt?“

Christopher setzte zu einer Antwort an, doch Yannik kam ihm zuvor – mit einer weiteren Frage:

„Was ist denn mit dem Teufel?“

„Was soll mit ihm sein?“ fragte Geraldine zurück.

„Nun... er ist der Boss – oder nicht? Dachte ich vorher schon – und

Christopher hat es grad bestätigt. Also: Kann er mehr? Ist er stärker?

Mächtiger? Schneller? Besser? Böser? Äh... mehr fällt mir nicht ein.“

„Reicht auch.“ erwiderte Christopher und tippte sich dann eine ganze Weile ans Kinn. Dann machte er „Hm...“ und begann anschließend langsam zu sprechen: „Ich würde alle diese Fragen mit ‚Ja‘ beantworten. Aber... Grenzen gibt es für ihn auch. Weil Gott immer noch stärker ist. Auch als er.“

„Aber sind es die gleichen Grenzen?“ schaltete sich Annie ein.

„Auch darauf: ‚Ja‘.“

Yannik runzelte die Stirn: „Zweimal ‚Ja‘. Nicht gerade das, was ich von dir gewöhnt bin. Mir gefällt die ‚Ich erklär‘s mal ausführlich‘-Variante irgendwie besser.“

„Schließe ich mich an.“ kam es von Z und da auch Geraldine und Annie nickten, blieb Christopher nichts anderes übrig, als sein Kinn noch ein bisschen mehr zu bearbeiten, einige weitere ‚Hm’s‘ von sich zu geben und schließlich zu einer weiteren Antwort anzusetzen – von der er hoffte, dass sie die allgemeine Wissbegier zufriedenstellte:

„Ich bringe mal ein Beispiel. Ein Fußball-Beispiel. Ich weiß: stöhn, seufz.

Aber keine Angst – es hat nichts mit Abseits oder Rückpassregel zu tun. Es geht mir um die Mannschaft. Stellt euch das so vor: Gott war der Trainer und die Engel die Mannschaft. Und einer war der Kapitän. Und der Kapitän sagt: ‚Ich will meine eigene Mannschaft. Ohne den ollen Trainer. Wer macht mit?‘ Und ein Teil von ihnen geht. Jetzt lege ich die Gewichtung zu sehr auf den Ablauf. Er... sie soll auf die Figuren. Satan ist der Mannschaftskapitän. Eigentlich einer von ihnen – mit dem gleichen Können und dem gleichen Wissen. Aber halt auch mit einer Sonderrolle. Die erstmal nicht so wahnsinnig viel bedeutet. Zumindest nicht innerhalb des Spiels. Sie ist mehr... politischer Natur. Bei einem Sport, wo es nur selten ‚politische‘ Momente gibt. Ach... es gibt Situationen, da kann er das nutzen – das will ich sagen. Im Alltag – auf dem Spielfeld – hat man nichts davon gemerkt. Aber er konnte das Privileg des Vorstehers für sich in Anspruch nehmen und daraufhin... ist er hingegangen und hat diese Rolle neu definiert. Nicht mehr: ‚Ich bin der Chef auf dem Platz und über mir steht nur der Trainer.‘ Sondern: ‚Ich bin der Chef – Punkt. Und über mir steht gar keiner mehr.‘ Tja... und so sind sie gegangen. Und der Trainer hat gesagt ‚Okay – dann geht. Und hier – der Schüssel zur... Umkleidekabine. Und zum Bälleschrank. Und zu den Duschen. Und zum Kühlraum, wo das Bier...“

„Ähem.“ machte Annie laut und Christopher schüttelte sich kurz:

„Okay, okay – wieder da. Ich meine einfach: Gott hat dem Satan seine...

Hilfe, ihr seid ansteckend… Satans Entscheidung akzeptiert und ihn nicht etwa vom Gelände gejagt, sondern gesagt: ‚Du kannst den Platz nutzen, wie du willst. Wir nutzen ihn auch. Aber mach du, wie du denkst. Wir werden uns dabei zwar des Öfteren ins Gehege kommen, denn es gibt nun mal nur diesen einen Platz, aber das wird schon. Nur muss ich dir halt sagen, dass ich als Trainer nach wie vor der echte Chef bin und das auch immer bleibe und dein Aufmucken daher zeitlich begrenzt ist. Aber innerhalb dieser Zeit – geh deinen Weg. Mach dein Ding.‘“

„Und was soll das mit dem Schlüssel?“ fragte Yannik dazwischen.

„Es heißt, der Teufel besitzt den ‚Schlüssel zur Welt‘. Den hatte Gott – und hat ihn den Menschen gegeben – also... den allerersten – und die wiederum... nun – die Geschichte kennt ihr: Baum, Schlange, Apfel. Darauf wollte ich hinaus. Er führt ja kein Schattendasein irgendwo in der Ecke. Er ist präsent. War es immer, wird es... nicht immer sein. Aber eben so lange, bis Gott es beendet. Er hat auf dem Gelände überall Zugang und kann machen, was er will. Mit Grenzen eben. Er kann nicht den Rasen umpflügen oder das Vereinsheim abbrennen, aber...“

Annie hob die Hand: „Wofür steht das?“

„Ehrlich gesagt...“ Christopher verzog das Gesicht, „keine Ahnung. Aber ich hoffe mal, ihr könnt es übertragen.“

„Er ist genauso, nur ein bisschen besser.“ fasste Z es zusammen.

„Ja.“

„Das hättest du auch kürzer sagen können.“

„Das habe ich.“ erwiderte Christopher leicht genervt, „wie du dich vielleicht erinnern kannst, denn es ist gerade mal ein paar Minuten her. Ihr wolltet es länger.“

„Oh. Ja. Stimmt.“ Z hüstelte verlegen – und Annie hob erneut die Hand:

„Aber irgendwie klingt das so... zahm.“

„Ja – Gut und Böse habe ich da raus gelassen.“ erklärte Christopher, „weil das beim Fußball nur bedingt greift. Aber ich schätze einfach mal, dass ihr das selbst einfügen könnt, oder? Im Notfall ein Satz: Der Trainer ist weise, erfahren, gesetzt, vernünftig. Ihm liegt seine Mannschaft am Herzen. Der Kapitän ist all das nicht. Und ihm liegt nur er selbst am Herzen.“ Er blickte in die Runde. Seine Gegenüber sahen nun deutlich zufriedener aus. Umso mehr bereute er es, dass er nun derjenige war, der das Bedürfnis hatte, noch weiterzureden. Doch er hatte den Eindruck, dass es wichtig war, also tat er es: „Eine Sache geht mir gerade durch den Kopf, die da schon öfter war und vor der ich jetzt gerade gar nicht mehr weiß, ob ich sie schonmal laut ausgesprochen habe.“ Wieder blickte er sie an – diesmal erwartungsvoll.

Womit leider keiner etwas anfangen konnte.

„Äh...“ machte Geraldine, „fragst du uns?“

„Ja.“

„Woher sollen wir das wissen?“

Christopher seufzte: „Wenn ihr es euch gemerkt hättet...“

„Du hast die Sache doch noch gar nicht genannt.“ kam es von Annie, „wie sollen wir wissen, ob du...?“

„Schon verstanden.“ wiegelte Christopher hastig ab, „und logisch irgendwie. Also: Ihr beschäftigt euch – bisher – ausschließlich mit Fällen, bei denen der Dämon wirklich in einem Menschen ‚festsitzt‘. Wobei ‚wir von der Kirche‘ der Meinung sind, dass es dabei einen Unterschied macht, ob man gläubig ist oder nicht. Und bei Gläubigen sagen wir dann ‚belastet‘ anstatt ‚besessen‘. Aber das nur am Rande, denn so wie ich das einschätze, ist der Ablauf für euch trotzdem immer derselbe: Sünde istgleich offene Tür – Dämon kommt, sieht, freut sich, geht hinein und macht es sich gemütlich – Mensch leidet – die Checker tauchen auf und vertreiben ihn.“

Z runzelte die Stirn: „Checker?“

„Öh... ja. Vergesst es. Klar soweit?“

„Ja. Schon.“

„Gut. Aber es geht natürlich auch anders. Weil jeder Mensch – neben den großen Dingern, die Türen öffnen – auch kleine Dinger hat, die nicht zwangsläufig Türen öffnen, aber... kleine Spalten, nenne ich es mal. Durch die ein Dämon nicht hineinkann, an denen er sich aber quasi festkrallen kann. Das ist praktisch unvermeidbar, weil wir eben alle sündigen – Tag für Tag. Angriffsfläche – äußerlich – bieten wir ihnen also immer. Und auch die nutzen sie. Nicht so stark oder so intensiv wie anders, aber durchaus auch zu unserem Nachteil. Vor allem auf der Gefühlsebene. Viel von dem ‚Dafür bin ich zu schwach, zu schlecht, zu arm, zu hässlich‘ kommt genau da her.

Weil sie unsere Emotionen vergiften. Uns ins Ohr flüstern. Oder ins Herz.

Wie auch immer man das nennen mag. Auch klar?“

Z nickte: „Soweit.“

„Hm?“

„Ja.“

„Fein.“ freute sich Christopher und lehnte sich zufrieden zurück. Und gleich darauf wieder vor, als Annie ansetzte:

„Also...“

„Ja?“

„...wenn du das mal gesagt hattest, wusste ich es nicht mehr.“

Er lächelte: „Dann ist es ja gut, dass ich es nochmal gesagt habe.“

„Genau.“ stimmte Annie ihm zu, „und wenn es dir das nächste Mal durch den Kopf geht...“

„...sag ich es einfach ein drittes Mal?“

„Oder zweites. Das wissen wir ja nicht genau.“

„Fantastisch.“ Christopher rollte mit den Augen, „dann sage ich am besten alles, was mir durch den Kopf geht.“

Annie hob abwehrend die Hände: „Bitte nicht.“

„Ja.“ schloss Geraldine sich ihr an, „da sind bestimmt schlimme Sachen dabei.“

„Und eklige. Mit Michelle.“

„Michelle ist nicht eklig.“ schoss Christopher getroffen zurück.

Annie schüttelte den Kopf: „Nein. Sie nicht. Aber die Gedanken, die du zu ihr hast.“

„Nun...“ Er schnippte mit dem Finger in Annies Richtung, „…du auf jeden

Fall solltest deine Gedanken auf jeden Fall nicht immer aussprechen. So wie jetzt gerade zum Beispiel nicht.“

Annie begann zu kichern: „Auf jeden Fall.“

„Hm?“

Und ließ es fließend in ein Räuspern übergehen: „Auf keinen Fall.“

„Hm?“

„Nochmal zurück bitte.“ unterband Yannik Annies dritten Versuch, „der

Teufel. Kriegen wir es mit dem irgendwann auch mal zu tun?“

Annie blieb jegliches weitere Geräusch im Hals stecken. Doch Geraldine und Z waren ja auch noch da:

„Bitte was?“

„Schreck lass nach.“

„Nein, ernsthaft.“ beharrte Yannik, „wenn er so ist wie sie nur ‚ein Bisschen besser‘, dann steht das doch zu befürchten, oder? Dass er Menschen genauso angeht wie seine Mitspieler und wir seinen Weg kreuzen.“

Geraldine keuchte auf: „Das will ich nicht erleben.“

„Das will ich nicht mal hören.“ fand auch Annie ihre Sprache wieder.

„Aber ich will eine Antwort hören.“ Yannik sah Christopher herausfordernd an und dieser wandte den Blick ab:

„Und ich will keine... Quatsch… ich kann keine geben. Ich weiß es nicht.

Rein von der Logik her hast du Recht. Aber... nein – keine Ahnung.“

„Würden wir ihn denn überhaupt erkennen?“ ließ sich nun auch Geraldine auf dieses Thema ein.

„Nun...“ kam die Antwort von Z, „ich schätze doch mal, dass er stärker ist, oder?“

Christopher nickte bedächtig: „Wahrscheinlich. Bestimmt.“

„Also würden wir ihn wahrscheinlich nicht wegkriegen.“

„Wir kriegen bisher noch nicht mal die Stinknormalen weg.“ schnaubte Geraldine und Z wurde rot:

„Naja... das... nur... weil der Eine jetzt doch noch da zu sein scheint...“

„Es ist müßig, darüber nachzusinnen.“ ging Christopher dazwischen, „wir werden auch in stundenlanger Diskussion keine Antwort finden. Und am Ende sind wir alle nur entmutigt und entnervt. Lassen wir die Frage also bleiben. Wenn... das wirklich mal... es wirklich so weit... vertrauen wir auf Gott. Er wird uns schützen vor allem, was wir nicht schaffen können. Und uns Kraft geben für alles, was wir schaffen können. Einverstanden?“

Anni rümpfte die Nase: „Die Standard-Beruhigung.“

„Findest du sie falsch?“

„Nein. Nur nicht beruhigend.“

Auch die Mienen der drei anderen sprachen Bände, doch Christopher fiel nichts ein, womit er das hätte ändern können. Glücklicherweise war Geraldine sehr erpicht darauf, ihren eigenen Faden weiterspinnen zu können:

„Um auf meine Frage zurückzukommen...“

„Ja.“ Christopher schüttelte sich kurz, „ist Claudia nach wie vor gesund?“

„Heute Morgen war sie es noch.“

„Dann müssen wir damit rechnen, dass der Dämon zurückkommt.“

„Zurückkommt.“ Z machte ein undefinierbares Geräusch, „das ist schlecht.

Können wir da etwas gegen tun?“

Christopher nickte: „Ja, klar. Sie beschützen.“

„Im Sinne von...?“

„Im Sinne von genauso, wie wir uns beschützen. Wir wissen ja jetzt, wo das

Problem liegt. Damit müssen wir sie konfrontieren. Damit sie es ablegen kann.“

„Sie weiß halt nicht, wo das Problem liegt.“ schaltete sich Annie mit ein, „sie war zur Zeit des Problems nicht mal in Planung.“

„Das ist vollkommen egal.“ entgegnete Christopher ein wenig zu schroff.

„Egal?“

„Liebe Annie.“ versuchte er, seinen Fehler schnell zu revidieren, „die

Geschichte, die der Dämon dir verkauft hat – oder besser: seinem Kumpanen verkauft hat – während du zugehört hast… das mit den sieben Generationen – das ist vollkommener Humbug.“

„Aber in der Bibel...“ fuhr Annie auf.

„...gibt es Stellen, die etwas Vergleichbares beschreiben. Aber das gilt für uns nicht mehr. Jesus ist für uns gestorben. Das hat das Verhältnis zwischen uns und der Sünde verändert.“

„Das habe ich auch schon versucht, ihr zu erklären...“ begann Geraldine, was Annie dazu brachte, sie wütend anzufunkeln:

„Na danke.“

„So war das nicht gemeint.“ sagte Geraldine schnell.

„Aber es stimmt.“ griff Christopher wieder ein, „was auch immer vorgefallen ist, als Hannelore und Rosalinde noch Kinder waren – es hat nur ihre Mutter betroffen und sonst niemanden. An ihr konnte sich der Dämon deswegen festsetzen.“

„Aber... das ergibt keinen Sinn.“ ereiferte sich Annie.

„Weil?“

„Er es doch trotzdem tut. Er ist jetzt bei der dritten Generation, das ist Fakt.“

„Ja, das ist es.“ Christopher überlegte einen Moment, „er hat sich diese Familie ausgeguckt. Aber das kann sonstwas für Gründe haben. Die beiden Frauen, die ihr noch kennengelernt habt, waren in deiner Vision Kinder.

Vielleicht haben sie gewusst, was ihre Mutter getan hat. Dann hätte der Dämon theoretisch noch die Chance, das für sich zu nutzen. Wenn sie es verheimlicht haben. Aber spätestens mit Claudia ist das alles hinfällig.

Selbst wenn sie es ihr erzählt hätten, hätte es mit ihr nichts mehr zu tun.“

„Also haben sie einfach das Pech, dass...“

„...sich da ein Dämon auf sie eingeschossen hat. Ja. Wohl. Leider. Wie gesagt: Es gibt bestimmt einen Grund. Wir kennen ihn nur nicht. Vielleicht hatten sie jemanden in der Familie, der Dämonen ausgetrieben hat. Und werden jetzt dafür bestraft.“

„Das ist dann aber auch eine Art Generationengeschichte.“ überlegte Yannik.

„Ihr dürft den Begriff nicht falsch verstehen. Das, was in der Bibel beschrieben wird, ist wirklich eine Sünde, die jemand begeht und die dann – von Gott wohlgemerkt – bis in die vierte – Ausrufezeichen – Generation gerächt wird. Da geht es um eine spezielle Sache, die eine Familie lange verfolgt. Aber das war damals. Das, was wir hier haben, mag ebenfalls ein Rachefeldzug sein. Denn auch hier werden scheinbar die Nachkommen für etwas bestraft, was in der Vergangenheit passiert ist. Aber nicht, weil diese Sache sie dafür angreifbar macht. Dass sie angreifbar sind, hat mit Sicherheit komplett andere Gründe. Vielleicht ist Hannelore mal fremdgegangen, vielleicht hat Rosalinde Fahrerflucht begangen – ganz egal. Sie hatten einen wunden Punkt und der Dämon, der aus einem vollkommen anderen – uns unbekannten – Grund Gefallen daran gefunden hat, diese Familie zu quälen, hat diese Sachen genommen und sich daraufhin dort eingenistet. Langfristig.“

„Das heißt, wenn wir Claudia beschützen wollen, müssen wir also nur ihren eigenen wunden Punkt finden.“ kam es von Geraldine.

Christopher nickte: „Ganz recht.“

„Das ist sehr beruhigend.“

„Aber... warum hat der Dämon das dann gesagt?“ gab Annie sich nicht geschlagen.

„Tja... das ist eine Frage, deren Antwort davon abhängt, wie wir deine Vision werten.“ Christopher sah sie nachdenklich an – sie ihn fragend:

„Hä?“

„Es gibt mehrere Möglichkeiten: Manche Visionen sind Einblicke in die Realität – sowohl auf unserer Ebene als auch auf anderen Ebenen. Es könnte also sein, dass die Szene, die du gesehen hast, wirklich stattgefunden hat und das Gespräch zwischen den Dämonen auch. Du hattest quasi ein Fenster in die Vergangenheit. In diesem Fall würde ich sagen, dass der Dämon vor dem anderen Dämon einfach angeben wollte.“

„Angeben?“ Annie lachte bitter, „wie menschlich.“

„Sie haben eine Menge unserer schlechten Eigenschaften.“ brummte Z.

„Das ist allerdings wahr.“ stimmte Geraldine zu.

Annie war damit jedoch nicht zufrieden: „Aber am Ende hat er direkt mit mir geredet.“

„Das stimmt.“ erwiderte Christopher, „daher denke ich auch eher, dass deine Vision komplett fiktiv war. Eine Nachstellung der damaligen Gegebenheiten sozusagen, speziell für dich. Da wiederum könnte es theoretisch sein, dass er dir einfach Angst machen wollte. Aber das glaube ich nicht. Denn das hieße ja, dass Gott den Dämonen in deine Vision gelassen hat. Was er niemals tun würde. Nein – deine Visionen kommen von Gott und wenn wir davon ausgehen, dass er dir nicht die echte Vergangenheit mit Audiokommentar gezeigt hat, dann hat er die Stimme des Dämons eingebaut. Ihn sagen lassen, was er wollte, dass du hörst. Und dafür kann es nur einen Grund geben.“

„Nämlich?“ Annie drehte die Zeigefinger umher, um ihm anzuzeigen, wie ungeduldig sie war.

„Er wollte dir bewusst machen, dass es absolut wichtig ist, dass wir uns nicht nur auf Claudia konzentrieren.“

„Auf so eine verschlungene Art und Weise?“ wunderte sich Geraldine.

„Das, was du verschlungen nennst, nennt er unter Umständen einfach nur intensiv oder eindrücklich. Was musste er erreichen? Dass Annie – die hier nicht mehr mitmacht – trotzdem wieder auf uns zukommt. Dass zuerst du und dann jetzt auch wir sie damit ernstnehmen. Und, dass wir uns eingehend damit beschäftigen. Da hilft solch eine Szene sicherlich mehr als nur ein paar ernste Worte.“

Geraldine nickte, wenn auch verhalten: „Na gut – nehmen wir das mal so hin. Heißt also?“

„Heike ist auch in Gefahr. Wenn wir hingehen und Claudia unter Gottes

Schutz stellen, kann er im Grunde mit ihr weitermachen. Und dem Kind natürlich auch.“

„Nicht, solange es nicht sündigt.“ widersprach Z.

„Richtig. Aber damit muss man irgendwann halt rechnen.“

Z schürzte die Lippen: „Klartext: Claudia und Heike müssen geheilt werden. Von ihren Sünden. Richtig?“

„Richtig.“ stimmte Christopher zu.

„Anderer Vorschlag: Warum machen wir den Dämon nicht einfach platt?“

„Weil das beim ersten Mal schon nicht funktioniert hat.“ seufzte Yannik.

„Weil wir gar nicht wissen, wo er ist.“ seufzte Geraldine.

Z sah sie streng an: „Übst du nicht gerade...?“

„…Dämonen sehen, ja. Dämonen sind schwarze Schatten. Wie soll ich ihn denn erkennen?“

„Auch wahr.“ winkte Z ab, „das hieße also, wenn wir ihm an den Kragen wollten, müssten wir warten, bis...“

„...er sich wieder festgesetzt hat.“ vollendete Yannik, „und dieses Risiko sollten wir nicht eingehen.“

„Sehe ich genauso.“ sagte Christopher bestimmt, „Also: Schutz. Geraldine, machst du das?“

„Mit ihnen reden?“ fragte sie.

„Ja.“

„Kann ich versuchen.“ Sie zuckte leicht mit den Schultern.

„Gut.“

„Und was machen wir anderen?“ hakte Z nach.

„Nichts.“

Yannik grinste. „Das ist immer gut.“

„Wüsstest du etwas zu tun?“ wandte sich Geraldine an ihn. Er schüttelte den Kopf:

„Nicht wirklich.“

„Na also, dann haltet euch einfach bereit.“

4

Auf dem Nachhauseweg kam Geraldine nicht umhin, Annie nochmals auf die Gruppe anzusprechen: „Wir könnten dich wirklich gut gebrauchen.“

„Das hast du früher schon immer gesagt.“

„Weil es stimmt. Du bist die Einzige, die das nicht sieht.“

„Weil euch meine Visionen nichts nützen.“ erwiderte Annie heftig, „ich sehe nur Menschen.“

„Diesmal nicht. Diesmal hast du einen Dämon gesehen.“ widersprach Geraldine.

„Soll heißen?“

„Christopher hat mir erklärt, dass Gaben sich verändern. Stärker werden können. Ich arbeite schon daran, dass meine stärker wird.“

„Wie denn stärker?“ fragte Annie zweifelnd.

„Dass ich Dämonen auch sehen kann, wenn sie nicht an einem Menschen sind. Und dass ich es an- und abstellen kann.“

Annie zog die Brauen hoch: „Das klingt krass.“

„Ja.“ nickte Geraldine, „und vielleicht ist das bei dir auch so. Vielleicht waren deine Visionen bisher nur auf Stufe 1. Und jetzt kriegst du Stufe 2.“

„Dämonen.“ Annies Gesicht verdüsterte sich schlagartig.

„Würde Sinn machen. Für unser Team.“

„Du glaubst immer noch, dass ich da mitmachen soll.“

„Ich glaube, dass Gott dich da haben will. Habe ich immer geglaubt. Ich konnte deiner Argumentation halt nichts entgegensetzen. Aber jetzt...“

Geraldine sah sie vielsagend an.

Annie seufzte: „Reicht es dir, wenn ich sage, dass ich darüber nachdenken werde?“

„Wenn du es ernst meinst.“

Annie sagte ziemlich lange nichts. Dann nickte sie langsam und Geraldine ließ es dabei bewenden.

5

Auch Christopher machte sich genau zu diesem Thema Gedanken, die er am darauffolgenden Abend schließlich Michelle mitteilte: „Ich glaube, dass Gott uns vorsichtig in unsere Aufgaben einführt. Sie hat früher nur böse Menschen gesehen, weil sie niemanden hatte, der ihr mit darüber hinaus gehenden Dingen hätte helfen können. Jetzt ist das anders, jetzt hat sie uns.“

Michelle lächelte: „Das klingt gut. Aber mach ihr das klar, nicht mir.“

„Von dir wollte ich nur den ersten Teil hören.“

„Das es gut klingt.“

Christopher lächelte ebenfalls: „Ja. Wenn du gesagt hättest, es klingt dumm, hätte ich es vergessen. Aber jetzt kann ich versuchen, es auch ihr klarzumachen.“

„Wenn sie nochmal herkommt.“

„Das wird sie. Sie hat nicht mitten in der Nacht bei Geraldine angerufen, um es bei uns abzugeben und dann zu verschwinden. Sie fühlt die Verantwortung, die sie hat und die wird sie annehmen – mindestens mal bei dieser einen Sache. Die Zukunft... das werden wir sehen.“

Das Telefon klingelte und Christopher griff danach. Michelle wandte sich ab – davon ausgehend, dass es entweder mit der Gruppe zu tun hatte oder anderweitig geschäftlich war. Nachdem Christopher aufgelegt hatte, durfte sie feststellen, dass sie mit ersterem richtig gelegen hatte. Denn er lächelte und seufzte:

„Ich hätte zwar keine weitere Bestätigung gebraucht, aber… warum nicht?“

Dabei beließ er es. Und das war ihr durchaus recht.

6

Drei Tage lang versuchte Geraldine vergeblich, bei Claudia jemanden ans Telefon zu bekommen. Sie musste zur Uni und arbeiten, daher konnte sie nicht vorbeifahren. Erst am Samstagvormittag schaffte sie das und da öffnete ihr niemand die Tür. Am Nachmittag versuchte sie es erneut – diesmal war Heike da. Sie hatte ganz eindeutig geweint und schien nicht wirklich mit Geraldine sprechen zu wollen.

„Ist alles in Ordnung?“ fragte diese vorsichtig.

„Nein.“ kam es knapp zurück.

„Das Baby?“

Wieder: „Nein.“

„Claudia?“

Heike stieß einen Schluchzer aus: „Ja.“

„Ist... ist sie wieder...?“

„Ja.“

„Kann ich sie sehen?“

„Nein.“

„Ist sie im Krankenhaus.“

„Ja.“

Geraldine merkte, dass mit Heike momentan nicht viel anzufangen war und beschloss daher, sie nicht weiter zu stören. Sie verabschiedete sich und machte sich sofort auf den Weg ins Krankenhaus. Es kam ihr wie ein grausamer Scherz vor, als sie schon wieder am Bett einer schlafenden Frau stand, die krank und schwach aussah. Und der Schatten war wieder da. Sie blieb nicht lange, sie wollte das nicht mehr alleine machen müssen.

Stattdessen rief sie vom Parkplatz aus Christopher an und anschließend Annie. Erfreulicherweise brauchte sie gar keine großen Überredungskünste anwenden, um sie dazu zu bewegen, mitzukommen. So saßen sie zwei Stunden später wieder alle bei Christopher auf der Couch und Geraldine erzählte, was sie gesehen hatte.

„Also hatte Annie Recht.“ stellte Z trocken fest.

„Ja, leider.“ bestätigte Geraldine.

„Hättet ihr mir mal von Anfang an geglaubt.“ mischte sich Annie ein.

„Wir hätten es nicht mehr verhindern können.“ entgegnete Geraldine ungehalten.

„Sicher?“

„Zwischen deinem Anruf bei mir und meinem ersten vergeblichen Anruf bei Claudia sind gerade mal etwas über 30 Stunden vergangen. Zwischen unserem Treffen und dem Anruf sogar nur 8. Ich glaube nicht, dass wir da große Chancen gehabt hätten.“

„Acht Stunden sind acht Stunden.“ beharrte Annie.

„In denen wir Claudia hätten aus dem Bett klingeln, ihr alles erklären und nach dem wunden Punkt suchen müssen. Ganz abgesehen davon, dass sich diese Rechnung auf deine Vision bezieht. Aber… du hast Claudia gesehen… glaubst du wirklich, dass ihr Zustand binnen weniger Tage von ‚komplett gesund‘ auf ‚komplett krank‘ gewechselt hat?“

„Du etwa nicht?“

„Nun… ich bin kein Experte – weder für Medizin noch für Dämonen – aber…“

„…aber wir haben für beide Bereiche einen Experten hier.“ fiel Z ihr ins Wort, worauf sowohl Christopher als auch Yannik leicht zusammenzuckten:

„Ähm…“ begann letzterer, „da… gibt es eigentlich nicht wirklich einen festen Verlauf, der… das kann durchaus schon mal passieren, will ich sagen.

Wenn es auch eher die Ausnahme als die Regel ist. Aber so pauschal…“

„Toll, danke, der nächste.“ brummte Geraldine leicht genervt.

„Also erstmal: bitte durchatmen.“ setzte Christopher an, „und dann gleich nochmal: bitte durchatmen. Denn meine Antwort wird genauso vage ausfallen. Ich habe keine Ahnung, wie schnell so etwas gehen kann, wenn ein Dämon mitmischt. Tut mir leid.“

Geraldine atmete wirklich durch: „Ist schon okay. Wir wissen es also nicht.

Belassen wir es dabei. Ich glaube trotzdem, dass unsere Chancen nicht sonderlich hoch gewesen wären.“

„Nun gut.“ Yannik blickte Annie ernst an: „Dann stellt sich mir jetzt eine ganz entscheidende Frage: Warum hast du die Vision zu einem Zeitpunkt bekommen, wo die Verhinderung allem Anschein nach gar nicht mehr möglich war?“

Annie sah traurig zu Boden – Christopher nahm ihm die Antwort ab: „Das ist leider ganz einfach. Weil wir nicht für die Verhinderung zuständig sind.

Sondern für die Austreibung. Gott will, dass wir den Dämon besiegen.

Nicht, dass wir ihn fernhalten. Letztes Mal waren wir uns einig, dass wir Claudia der Gefahr nicht aussetzen wollen, nur um an ihn ranzukommen.

Jetzt wissen wir, dass das nicht unser Weg ist – so löblich er auch erscheinen mag. Die Vision zeigt uns also den Weg, den wir stattdessen gehen sollen.“

Daraufhin herrschte erst einmal Schweigen.

7

Gesprochen wurde erst wieder, als Annie auf die Uhr schaute und einen leisen Schrei ausstieß: „Ich muss nach Hause.“

„Termine?“ erkundigte sich Geraldine ein wenig angesäuert.

„Konstantin.“ erhielt sie als Antwort.

„Ist er ein Termin?“ bohrte Z weiter nach.

„Ich habe gesagt, ich bin um 10 Uhr wieder da.“

„Bist du nicht erwachsen? Kannst du das nicht selbst entscheiden?“

„Sei froh, dass er mich überhaupt hat gehen lassen.“ fauchte Annie, doch Z blieb unbeeindruckt:

„Ich wiederhole meine Frage.“

„Was meinst du, was er für einen Aufstand gemacht hat, als ich gesagt habe, dass ich wieder hierherkomme?“

Yannik runzelte die Stirn: „Du warst doch letzte Woche schon hier.“

„Das meine ich doch.“

„Aber das war doch deine Idee. Du bist von dir aus...“

„Ach Mensch, ihr versteht das alle nicht.“ Sie machte eine ungeduldige

Geste, „als ich damals ausgestiegen bin, ging es mir schlecht. Wegen allem, was passiert war. Und eben weil ich ausgestiegen bin. Ich hatte Angst. Und habe mich für diese Angst geschämt. Das kam alles zusammen. Und Konstantin... nun, er war für mich da. Die ganze Zeit. Er hat mich umsorgt, mich wieder aufgebaut. Aber ich konnte es halt nicht wirklich erklären. Und sein einziger Anhaltspunkt war nun mal die Gruppe hier. Also hat er meinen Zustand – verständlicherweise – daran festgemacht.“

„Er gibt uns die Schuld.“ schnaubte Geraldine.

„Nicht euch persönlich. Aber der Gruppe als solche. Er sagt, es hätte mir nicht gutgetan, mich hier zu beteiligen. Und ich konnte ihm das Gegenteil nicht beweisen.“

Geraldine war immer noch sauer: „Und was heißt das jetzt?“

„Ich bin erwachsen. Und ich treffe eigene Entscheidungen. Weswegen ich letzte Woche hier war und heute hier bin. Das konnte und kann er mir nicht ausreden. Aber er macht sich Sorgen um mich.“

„Gut, das ist nicht das Schlechteste.“ versuchte Christopher, ein wenig Ruhe hineinzubringen, was allerdings nur bedingt gelang, denn Geraldine schien keine Geduld mehr zu haben. Sie stand auf:

„Dann bringe ich dich jetzt nach Hause.“

„Sollten wir vorher nicht noch...?“ begann Annie unsicher, doch Geraldine ging nicht darauf ein:

„Wir wollen doch Konstantin nicht verärgern, oder?“

Christopher zuckte leicht zusammen, da er das als spitze Bemerkung ausmachte, doch Geraldines Gesicht war ganz und gar neutral. Z dagegen nahm es wörtlich – und war damit nicht zufrieden:

„Ist das wirklich unsere Priorität?“

„Nein.“ Geraldine blickte an Annie vorbei, während sie antwortete, „unsere Priorität – neben Claudia, um die wir uns heute sowieso nicht mehr kümmern können, ganz einfach, weil sie uns im Krankenhaus nicht mehr reinlassen um diese Uhrzeit – ist, dass wir Annie wieder in der Gruppe haben wollen. Oder?“

Das Erstaunen in ihren Gesichtern zeigte nur zu deutlich, dass sich Yannik und Z dazu bisher rein gar keine Gedanken gemacht hatten. Z bestätigte das auch gleich:

„Ich war mir nicht bewusst, dass das überhaupt zur Debatte steht.“

„Tut es auch bisher nicht. Aber ich habe die Hoffnung, dass sich da etwas machen lässt.“

„Äh... du weißt schon, dass ich direkt neben dir stehe und alles höre, was du sagst.“ Annies Tonfall schwankte irgendwo zwischen Überraschung und Ärger. Nun sah Geraldine sie doch an:

„Ja, das weiß ich. Deswegen sage ich es ja auch. Das ist für dich bestimmt.“

„Okay...“

„Warum hast du aufgehört?“ fragte Geraldine bestimmt.

„Weil ich Angst hatte.“

„Und?“

„Weil ich dachte, dass ich nutzlos bin.“

„Genau.“ Geraldine schnippte mit den Fingern, „letzteres hat sich erledigt, würde ich sagen. Du magst zwar erst eine Vision gehabt haben, die etwas mit Dämonen zu tun hatte, aber es wäre schon seltsam, wenn das nur ein Ausreißer war und die Einzige bliebe. Ich denke, das ist ein Zeichen.“

„Bleibt die Angst.“

Christopher sah sie fragend an: „Hast du denn noch Angst?“

Annie überlegte einen Moment. „Nun... jetzt gerade nicht.“

„Nein, jetzt habe ich auch keine Angst.“ stimmte Geraldine zu, „hier sind wir sicher. Da draußen unter Umständen nicht. Aber: Unsere Gruppe ist stärker geworden. Wir haben Christopher, wir haben ein komplettes Gebetsteam, wir haben Prophetieteam...“

„Das wir jetzt eigentlich gar nicht mehr brauchen.“ fiel Z ihr ins Wort.

„Oder ihr braucht mich nicht.“ konterte Annie.

„Oh, du bist mir lieber als das Team.“ schaltete sich Yannik ein.

„So?“ Annie Tonfall war deutlich kritisch.

Geraldine nahm ihre Hand und drückte sie: „Auf jeden Fall. Allein schon, weil du eine von uns bist.“

„Danke... glaube ich...“

„Worauf ich hinauswill: Wir sind weitergekommen, wir sind stärker geworden, wir sind besser geworden. Wir mögen den Dämon zwar nicht besiegt haben, aber wir haben ihn zur Aufgabe gezwungen – zeitweise zumindest. Das ist ein Fortschritt zu unserer ersten Begegnung mit ihm.“

Z ließ ein spöttisches Kichern vernehmen: „Sehr positiv ausgedrückt, aber... ja, stimmt schon.“

„Gut, okay, ich höre euch alle.“ Annie hob abwehrend die Hände, „es ist nett, dass ihr mich noch mögt und dabeihaben wollt. Aber ich habe Geraldine bereits gesagt, dass ich darüber nachdenken werde und heute lautet meine Antwort da nicht anders.“

„Du hast also noch nicht nachgedacht.“ folgerte Z.

„Doch, schon, aber ich bin noch nicht fertig damit.“

„Dann jetzt also wirklich erstmal nach Hause mit dir.“

Geraldine, die immer noch ihre Hand hielt, nutze dies, um sie von der Couch hoch zu ziehen: „So sehe ich das auch.“

8

Auf der Rückfahrt sprachen sie über andere Sachen. Annie hatte noch sehr abwehrend reagiert, als Geraldine das erste Mal ansetzte, doch als diese lediglich fragte, wie es ihr in den letzten Monaten ergangen war, entspannte sie sich und sie tauschten sich einfach eine Weile aus, bis Geraldine sie schließlich absetzte. Nachdenklich stieg sie die Stufen zu ihrer Wohnung hinauf, wo Konstantin sie bereits erwartete.

„Ich weiß, ich bin zu spät.“ begann sie schuldbewusst, doch er lächelte nur schief:

„Du bist erwachsen. Da gibt es kein zu spät.“

„Aber wir hatten ausgemacht...“

„Ja, natürlich. Aber ich bitte dich – denkst du wirklich, ich schaue auf die Uhr und fange um Punkt an, hier Rillen in den Teppich zu laufen? Mir ist schon klar, dass dir diese Leute am Herzen liegen und du daher eventuell ein bisschen länger weg bist. Ich stehe nur hier im Flur, weil ich A – gerade auf die Toilette wollte und B – sichergehen wollte, dass du in einem guten Zustand nach Hause kommst.“

„Dann kannst du beruhigt auf die Toilette gehen. Ich bin auf der Couch.“

Fünf Minuten später gesellte sich Konstantin zu ihr, fragte allerdings nichts. Das fand Annie komisch und so sprach sie ihn darauf an:

„Du willst mir nicht weismachen, dass es dich nicht interessiert, wie es war.“

„Ich wollte nicht, dass du dich bedrängt fühlst. Und meine Meinung dazu kennst du.“ erwiderte er.

„Du findest es nicht gut.“

„Es hat dich kaputt gemacht.“

„Das ist ein wenig übertrieben, meinst du nicht?“

Konstantin schüttelte den Kopf: „Nein.“

„Okay – vielleicht nein. Aber: Damals habe ich mich da mehr oder weniger blindlings reingestürzt. So wie wir alle. Wir haben gedacht, das klappt schon irgendwie. Und das hat es nicht. Jetzt sind wir alle klüger.“

„Gut. Schön für euch. Was mich wundert ist, dass das alles ganz anders klingt als das, was du die letzten Wochen zu dem Thema gesagt hast.“

„Das stimmt. Aber es hat sich etwas Grundlegendes geändert.“

„Dein Traum.“ vermutete er.

„Meine Vision.“ korrigierte sie.

„Von mir aus auch das. Was verändert sie denn?“

„Einer der Gründe, weswegen mir der Ausstieg und das Fernbleiben so leicht gefallen ist war, dass ich dachte, die anderen kommen ohne mich genauso gut klar wie mit mir. Aber jetzt hat es den Anschein, dass sie wirklich meine Hilfe brauchen. Ich habe also eine Verantwortung.“

Konstantin zog die Augenbrauen hoch: „Verantwortung? Ihnen gegenüber?“

„Nein, Gott gegenüber.“

„Gott?“

„Er hat mir diese Visionen gegeben.“ erklärte Annie ein wenig ungeduldig.

„Schönen Dank auch.“ Konstantin klang nun ziemlich maulig. Doch maulen konnte Annie auch:

„Ich muss damit leben, nicht du.“

„Na, irgendwie schon auch.“

„Glaub ja nicht, dass das vergleichbar ist. Er hat eine Aufgabe für mich.

Damals konnte ich das leugnen, weil es sich nicht so deutlich gezeigt hat.

Jetzt kann ich das nicht mehr.“

„Dein Entschluss steht also fest. Du machst da wieder mit.“

„Also...“ Annie stockte – und Konstantin ging ein Licht auf:

„Oh... ich verstehe. Das ist wieder eine von den Geschichten, wo du die

Argumente, die du mir entgegensetzt, dafür nutzt, dich selbst zu überzeugen.“

„Ähm... ja.“ gab Annie zu.

„Und ich bin wieder drauf reingefallen.“

„Ähm... ja.“ wiederholte sie.

„Wun... der... voll!“

„Konstantin, nimm‘s mir nicht übel.“ flehte sie, „ich habe versprochen, dass ich darüber nachdenke, ob ich wieder mitmache. Das wollte ich wirklich tun. Und laut geht das besser. Sie denken auch alle, dass ich dazugehöre.

Und es ist ja nicht so, als müsste ich dieses Mal einen 5-Jahres-Vertrag unterschreiben. Ich kann jederzeit wieder aufhören.“

„Das wird alt irgendwann.“ grollte Konstantin.

Annie stieß laut hörbar die Luft aus: „Das ist ja ein dummer Spruch.“

„Ich bin einfach nicht glücklich damit.“

„Es ist ja auch noch nicht entschieden. Ich bin noch nicht überzeugt.“

„Das klang aber anders.“

„Es waren Argumente – wie du schon festgestellt hast. Aber da gehört mehr dazu. Ich muss es auch fühlen. Bisher ist es eine Kopfsache. Es muss noch zur Herzenssache werden.“

„Also kann ich es dir noch ausreden.“ Konstantin sah sie skeptisch an. Und erntete Kopfschütteln:

„Nein.“

„Nein?“

„Ich meine... ja, das kannst du.“ verbesserte sich Annie und setzte dann hinzu: „aber du wirst es nicht tun.“

„Bitte? Warum?“

„Weil das meine Entscheidung ist. Meine ganz allein. Und das wirst du respektieren.“

Konstantin schaute unglücklich drein, nickte aber: „Das werde ich wohl.“

Annie lächelte ihn dankbar an, dann wechselte sie das Thema. Sie wollte nicht im Streit ins Bett gehen. Natürlich wusste sie, dass Konstantin es nicht wirklich abhakte – allein schon, weil er wusste, dass sie es nicht abhakte.

Doch das ging nicht anders. Denn um Gegensatz zu dem, was sie in den letzten Monaten immer wieder laut geäußert hatte, war ihr der Rückzug aus der Gruppe ganz und gar nicht leichtgefallen – zumindest nach einiger Zeit.

Am Anfang hatten all die negativen Erlebnisse ihr Denken noch genug bestimmt, um ihre Entscheidung richtig wirken zu lassen. Doch je mehr Abstand sie gewonnen hatte, desto öfter hatte sie darüber nachgesonnen, wie es den anderen wohl ging, wie sie ohne sie klarkamen und was sie alles erreichten. Mehr als einmal hatte sie kurz davor gestanden, bei Geraldine anzurufen und nachzufragen. Hatte es dann aber doch jedes Mal bleiben lassen. Das, was am schwersten wog, war allerdings der Gedanke, der ihr am Morgen nach ihrer Vision gekommen war: ‚Endlich bin ich nützlich.‘ lautete er und seit er sich an jenem Tag ganz spontan in ihren Kopf geschlichen hatte, wanderte er dort hin und her und tauchte zwischendurch immer wieder aus dem Hintergrund auf. Sie empfand Freude dabei. Freude darüber, dass nach alle den Jahren endlich der Punkt erreicht schien, an dem das, was sie – im positiven wie im negativen Sinne – besonders machte, endlich einen Sinn ergab. Einen Zweck erfüllte. Das war etwas Wundervolles.

Und sie konnte es nicht einfach beiseiteschieben. Angst hin oder her.

Das Einzige, was wirklich dagegensprach – denn von ihrer Angst wollte sie sich definitiv nicht weiter vereinnahmen lassen – war im Grunde die Frage, die Geraldine zwar voller Vertrauen mit ‚Ja‘ beantwortet hatte, für die es bisher aber keinen Beweis gab: War diese Vision nicht nur eine einmalige, besondere Angelegenheit sondern das erste Anzeigen einer grundlegenden Veränderung? Im Grunde war dies sogar die entscheidende Frage, von der sie ihre Antwort komplett abhängig machen konnte. Wenn ihre Visionen in Zukunft etwas nützten, stand es außer Frage, dass sie sich wieder einklinken musste. War dies aber nicht der Fall, hatte sie dort auch nichts verloren.

Sie fand den Gedanken beruhigend, einen Anhaltspunkt zu haben, auf den sie sich stützen konnte. Und den sie zudem nicht über Tage und Wochen im Kopf umherwälzen musste auf der Suche nach einer Lösung. Sie musste einfach abwarten, was geschah. Und je nachdem, was das war, wusste sie, was sie tun musste.

Konstantin hatte durchaus bemerkt, dass sie von ihrem Gespräch weggedriftet war, doch das nahm er ihr nicht übel. Sie hatte es ihm zuliebe angefangen, das wusste er, und er hatte von Anfang an keine übermäßig große Lust darauf gehabt. Und es war ihm auch lieber, dass sie ihre Entscheidung – wenn sie sie schon ohne sein Zutun treffen wollte – ausgiebig überdachte, anstatt einfach ein paar Argumente durch die Gegend zu schleudern und sich dann nach diesen zu richten. So ließ er sie in Ruhe, bis sie schließlich aufschreckte und ihn schuldbewusst anblickte:

„Ich war weg.“

Er nickte: „Ja, das warst du.“

„Sorry.“

„Kein Problem.“

„Wirklich?“

Wieder nickte er: „Wirklich.“

„Sollen wir ins Bett gehen? Ich bin müde.“

„Gerne.“

So legten sie sich hin und obwohl sie beide dachten, dass sie mit all dem, was sie beschäftigte, noch lange wach liegen und nachdenken würden, waren sie binnen fünf Minuten eingeschlafen.

9

„Geraldine.“ begrüßte Christopher selbige, „welch großartige Fügung, dass du als erste da bist.“

Geraldine runzelte die Stirn: „Warum?“

„Weil ich etwas zu besprechen habe. Eventuell mit allen, eventuell auch nicht. Du sollst mir helfen, das zu beurteilen.“

„Nun gut. Was gibt es?“

„Komm erstmal rein.“ Er führte sie ins Wohnzimmer und ließ sich – anders als gewöhnlich – neben ihr auf die Couch sinken, „Monique hat mich angerufen. Drei Leute aus ihrem Team hatten gestern ein Bild. Von dem sie sehr sicher sind, dass es für euch ist. Sie wollte es mir erzählen, damit ich es weitergebe. Ich fand es aber besser, wenn sie es aufschreibt und mir schickt.

So haben wir beim ‚Stille Post‘ spielen eine Station weniger.“

„Okay…“

Christopher holte einen Zettel aus der Tasche, faltete ihn auf und begann zu lesen:

„Da ist eine Ebene, die in zwei Bereiche unterteilt ist: Auf der einen Seite Erdboden – matschig, kahl, braun. Auf der anderen Seite Wiese – saftig und grün. In der Mitte ist ein Zaun, der die Bereiche trennt. Mit einem großen Tor an einer Stelle. Auf der braunen Seite stehen Schafe – sehr viele. Die meisten davon schwarz, einige weiß. Mittendrin sind zwei Gestalten. Menschen. Aber nur als Umrisse zu erkennen. Trotzdem ist klar, dass es eine Frau und ein Mann sind. Die Frau ist weiß, der Mann ist schwarz. Dann kommt eine dritte Gestalt hinzu – ebenfalls eine Frau, ebenfalls weiß. Die Gestalten beginnen, die schwarzen Schafe zu scheren. Aber kaum sind sie fertig, kommt die Wolle direkt wieder – weiterhin schwarz. Dann ver-schwindet die männliche Gestalt und taucht nur Sekunden später wieder auf – weiß. Sie scheren weiter die Schafe. Und jetzt kommt die Wolle in weiß zurück. So geht es einige Zeit und die Anzahl der schwarzen Schafe sinkt und die der weißen steigt. Dann öffnet sich das Tor und die weißen Schafe gehen auf die Wiese. Die schwarzen bleiben zurück, die Gestalten ebenfalls. Das Tor schließt sich wieder. Die Gestalten schweren weiter und weitere Schafe werden weiß.“

Christopher faltete den Zettel wieder zusammen und steckte ihn ein: „Was denkst du?“

„Ich denke…“ sinnierte Geraldine nachdenklich, „dass du mir am besten gleich sagst, was es bedeutet. Raten finde ich da nicht angebracht. Und meine Chancen, auf die richtige Lösung zu kommen…“

„Ich habe keine richtige Lösung. Nur eine Idee.“

„Äh? Und Monique?“

„Monique hatte gar nichts. Nicht mal eine Idee. Und ihre Leute auch nicht.

Sie haben es nur weitergegeben.“

„Aber…“ Geraldine schürzte die Lippen, „ist das nicht der Sinn… Teil des Sinns ihrer Aufgabe?“

„Normalerweise, ja.“ bestätigte Christopher, „aber in diesem speziellen Fall meinte sie, dass sie zu wenig von unserem Tun weiß, um vernünftige Aussagen treffen zu können. Daher hat sie es uns überlassen. Sie würde uns natürlich unterstützen, wenn wir gar nicht weiterkommen. Aber ich denke…“

„Dann sag du deine Idee.“

„Du hast gar nichts?“ bohrte er stattdessen nach.

„Nun… vielleicht. Aber ich würde lieber zu dem, was du sagst, nicken, als selbst etwas zu sagen.“

„Fein. Dann hier, was ich denke: eine Frau und ein Mann – Yannik und du.

Eine weitere Frau kommt hinzu – Annie. Das ist der erste Punkt: Annie muss wieder mitmachen. Natürlich müssen wir das vorsichtig angehen, aber…“

„Da kann ich dich gleich unterbrechen.“ tat Geraldine genau das, „sie macht wieder mit.“

Christopher bekam große Augen: „Echt?“

„Ja. Hat sie mir vorhin am Telefon erzählt. Nachher will sie es offiziell verkünden.“

„Na klasse – Punkt 1 abgehakt. Wenn Punkt 2 nur auch so einfach wäre…“

„Welcher ist das denn?“

„Yannik.“ erklärte Christopher und Geraldines Miene verriet ihm, dass sie damit gerechnet hatte, „so wie ich das sehe, steht ‚schwarz‘ für ungläubig und ‚weiß‘ für gläubig. Das heißt, Yannik muss sich bekehren, damit euer

Dienst funktioniert. Was allerdings…“

„…nicht weiter überraschend ist. Und wirklich genau das, was ich auch dachte.“

„Dann sind wir uns einig. Das ist schonmal gut.“

„Ja. Weniger gut ist diese Tatsache an sich.“ Geraldine rieb sich über die Wangen.

„Ich will ihm damit keinen Druck machen.“ stellte Christopher hastig klar.

„Besser ist das. Wie stellst du dir das vor?“

„Durch eine Erklärung. Die ich nachschiebe. Und die in etwa so lautet: Es gibt immer Leute, die versuchen, andere zur Bekehrung oder zur Mitarbeit zu zwingen oder zumindest zu drängen. Hier wird das nicht passieren. Aus einem ganz einfachen Grund: Wir entscheiden uns dagegen. Wir wollen so nicht sein. Beziehungsweise kann ich auch einfach sagen: Wir sind so nicht.

Keiner von uns. Solch einer Entscheidung geht ein natürlicher Prozess voraus. Der einfach passiert. Und den wir auch passieren lassen. Annie ist dafür der beste Beweis: Dieses Bild heißt nicht: ‚Das müsst ihr so machen – also macht es gefälligst‘. Es heißt: ‚Das muss geschehen – also lasst es geschehen‘. Es verlangt von euch keine Aktivität, nur Offenheit. Zunächst, natürlich. Wenn euch diese Offenheit dann an Punkte führt, wo ihr bereit für Veränderung seid, kommt natürlich Aktivität. Um die Veränderung umzusetzen. Aber das ist ja etwas, das ihr dann wollt. Wie jetzt bei Annie:

Sie hat sich Gedanken gemacht und entschieden. Und ‚Schwupps‘ ist die erste Bedingung erfüllt. Bei Yannik liegt die andere Bedingung. Aber auch das wird wenn dann von alleine geschehen – so wie bei ihr. Ohne Druck.

Nicht von unserer Seite, nicht von Gottes Seite. Wenn ihr Druck verspürt,