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Die überraschende Veränderung, mit der sich Geraldine und ihre Freunde konfrontiert sehen, erscheint ihnen kurzfristig wie eine Strafe, langfristig allerdings wie eine Belohnung. Doch der Sinn liegt nicht darin, dass einen neuen Weg beschreiten. Sondern darin, dass sie auf den alten Weg zurückfinden. Wofür sie zunächst ihr Denken ändern müssen.
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Seitenzahl: 809
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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Kapitel 66
Kapitel 67
Kapitel 68
Kapitel 69
Kapitel 70
Kapitel 71
Kapitel 72
Kapitel 73
Kapitel 74
Kapitel 75
Kapitel 76
Kapitel 77
Kapitel 78
Kapitel 79
Kapitel 80
Kapitel 81
Kapitel 82
Kapitel 83
Kapitel 84
Kapitel 85
Kapitel 86
Kapitel 87
Kapitel 88
Kapitel 89
Kapitel 90
Kapitel 91
Kapitel 92
Kapitel 93
Kapitel 94
Kapitel 95
Kapitel 96
Kapitel 97
Kapitel 98
Kapitel 99
Kapitel 100
Kapitel 101
Kapitel 102
Kapitel 103
Kapitel 104
Kapitel 105
Kapitel 106
Kapitel 107
Kapitel 108
Kapitel 109
Kapitel 110
Kapitel 111
Kapitel 112
Kapitel 113
Kapitel 114
Kapitel 115
Kapitel 116
Kapitel 117
Kapitel 118
Kapitel 119
Kapitel 120
Kapitel 121
Kapitel 122
Kapitel 123
Kapitel 124
Kapitel 125
Kapitel 126
Kapitel 127
Kapitel 128
Kapitel 129
Kapitel 130
Kapitel 131
Kapitel 132
Kapitel 133
Kapitel 134
Kapitel 135
Kapitel 136
Kapitel 137
Kapitel 138
Kapitel 139
Kapitel 140
Kapitel 141
Kapitel 142
Kapitel 143
Kapitel 144
Kapitel 145
Sebastian war seit mehr als 20 Jahren blind und es daher gewohnt, sich nur durch seinen Tastsinn und sein Gehör fortzubewegen. So schaffte er es, der erste zu sein, der die Bühne erreichte. Obwohl sich um ihn herum eine große Anzahl an Menschen von ihren Plätzen erhob, um nach vorne zu strömen.
Der Prediger ergriff seine Hand:
„Wie heißt du, mein Sohn?“
„Sebastian.“
„Sebastian, was fehlt dir?“
„Ich kann nicht sehen.“
„Doch, Sebastian, das kannst du.“ widersprach er und legte ihm eine Hand auf das Gesicht, „schließe deine Augen.“
„Ja.“ Sebastian tat wie geheißen.
Er nahm die Hand weg: „Öffne deine Augen.“
Wieder befolgte Sebastian die Anweisung – und riss die Augen mit einem Schlag ganz weit auf: „Ich... ich... ich sehe.“ stotterte er.
„Du siehst.“ Der Prediger lächelte ihn an – und Sebastian fiel ihm um den Hals:
„Ich sehe alles. Alles. Danke. 1.000 Dank. Sie sind ein guter Mensch. Der Herr segne Sie.“
„Das bin ich. Und das tut er. Und dich genauso. Euch alle segne er.“ rief er laut und die Menschen, die bisher brav in einer Reihe gestanden hatten, drängten sich nun ungestüm um ihn. Während alle die, die noch gesessen hatten, aufsprangen und hinzueilten.
„Ich will es allen erzählen.“ jauchzte Sebastian überglücklich.
„Wir wollen es allen erzählen.“ setzte irgendjemand aus der Menge hinzu.
Doch in diesem Moment hob der Prediger die Hände: „Der Tag ist noch nicht gekommen, da ich mich der ganzen Welt zeige. Der Weg, den der Vater für mich bestimmt hat, kann nur in kleinen Schritten gegangen werden. Heute seid ihr es, die mich sehen dürfen. Nehmt das mit. Und wenn die Zeit anbricht, da ich hinaus in die Welt gehe – geht auch ihr hinaus in die Welt. Dann könnt ihr erzählen, was heute hier geschehen ist.
Gepriesen sei Gott der Vater.“ Um ihn herum erstrahlte auf einmal ein gleißend leuchtender Glanz, der alle im Saal die Augen zusammenkneifen und den Atem anhalten ließ.
Bis auf die drei Freunde, die viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt waren, um wirklich mitzubekommen, was um sie herum geschah. Die Menge der Leute, die nach vorne strömte, verschluckte sie fast und mühsam kämpften sie sich hindurch in Richtung Ausgang. Niemand achtete mehr auf sie – nicht einmal die Mitarbeiter an den Türen schenkten ihnen mehr als einen flüchtigen Blick. Dann waren sie draußen in der Vorhalle. Sie war leer. Bis auf eine einzige Person – Lotta:
„Ihr seid überheblich. Und sie sind erfolgreich. Weil sie Kraft aus ihrer Überzeugung ziehen.“
Z starrte sie an: „Was?“
„Mein Einstiegssatz. Eine Vorgabe. Gott meinte, ihr wüsstet damit etwas anzufangen.“
„Momentan weiß ich mit überhaupt nichts etwas anzufangen.“ murmelte Geraldine abwesend, „was ist passiert?“
„Ihr habt eure Gaben verloren. Gott hat sie euch genommen.“
Das brachte sie alle drei zurück:
„Genommen?“
„Weg?“
„Fort?“
„Ich hatte euch gewarnt.“ Lotta blickte sie streng an, „vor langer Zeit. Bei einem ähnlichen Anlass. Ich hatte euch gesagt ‚Wenn ihr versagt...‘ und so weiter.“
„Aber... wir haben nicht versagt.“ widersprach Z, „wir haben alles versucht.“
„Ja.“ schloss Geraldine sich an, „die Erinnerungen mögen noch keinen Sinn ergeben. Aber wir finden da was.“
Lotta lachte auf: „Glaubt ihr wirklich, dass euer krudes Abenteuer mit dem jetzigen Chef der Dämonen die Herausforderung war? Eine Aufgabe, die dich zur Sünde verleitet und fast umgebracht hat? Glaubt ihr das wirklich?
Kennt ihr Gott?“
„Aber...“ Z fuhr sich verzweifelt durch die Haare, „was denn dann?“
„Ja. Der Plan.“ keuchte Geraldine, „wir dachten... der Plan.“
„Der Plan läuft.“ entgegnete Lotta, „eine ganze Weile schon.“
Z zog die Brauen hoch, aber Geraldine war mit ihrer Frage schneller:
„Und es war nicht an uns...?“
„Ihr solltet eine Rolle spielen dabei.“ führte Lotta aus, „aber noch nicht jetzt.
Jetzt nützt ihr noch nichts.“
„Und später...“
„Nützt ihr auch nichts mehr. Nicht mehr.“ Lotta wandte sich ab – anscheinend bereit, sie zu verlassen. Sie jedoch waren dafür noch nicht bereit:
„Das...“ begann Z, allerdings zu leise – Geraldine war da schon lauter:
„Was war es denn dann? Die Herausforderung?“
Lotta seufzte tief: „Ruhm, Ehre, Reichtum, Anerkennung. Nennt es, wie ihr wollt.“
Geraldine und Z wechselten einen Blick:
„Die Fernsehshow?“
„Das Zentrum?“
„Euer Umgang damit.“ erläuterte Lotta, „eure Einstellung. Ihr habt mehr Wert auf Geschenke und Bezahlung gelegt als auf eure Bestimmung. Ihr habt euch die lukrativsten Angebote herausgepickt, anstatt dahin zu gehen, wo Gott euch haben wollte. Ihr habt die Menschen einem Bezahlsystem unterworfen – von ihnen genommen, anstatt ihnen zu geben.“
„Wir haben gegeben.“ wehrte sich Geraldine erbost.
„Aber ihr habt auch genommen. Ihr hättet nur geben sollen.“
„Hätten wir die ganzen Spenden wegschmeißen sollen?“
„Spenden sind ein Geschenk.“
„Die hast du auch angeprangert.“ schnaubte Z.
Aber Lotta blieb gelassen: „Wieder: euren Umgang damit. Am Anfang habt ihr euch gefreut. Euch auch mal was gegönnt. Aber ihr habt dessen Bedeutung nicht überspitzt. Es war eine nette Dreingabe, mehr nicht. Etwas, wofür ihr Gott dankbar wart. Da hat er euch gerne gegeben. Doch ihr habt eure private Bereicherung immer mehr in den Vordergrund geholt. Sie in euer Blickfeld gerückt. Und dadurch Gott daraus entfernt.“
„Warum unterzieht er uns so einer Prüfung?“ Zum ersten Mal sagte auch Annie etwas, „das hätte er doch einfach bleiben lassen können.“
Aus Lottas Gesicht verschwand der Ausdruck von Genervtheit, den sie bisher zur Schau getragen hatte. Stattdessen wurden ihre Züge weich – fast mitleidig: „Ihr seid dazu auserkoren, einen großen Dienst für ihn zu verrichten. Solche Menschen müssen stark sein. Und bei ihm bleiben. In jeder Situation. Und er hat euch diese Prüfung nicht aufgedrückt. Sie kam von ganz alleine. Stärke bringt Attraktivität. Und Aufmerksamkeit.
Aufmerksamkeit bringt Erfolg. Und Reichtum. Das ist der normale Lauf der Dinge. Und dafür hattet ihr auch Beispiele. Negative, wohlgemerkt. Zach.
Patrick. Sie alle haben das durchgemacht. Vor euch. Ihr habt es gesehen.
Immer wieder. Sie haben sogar versucht, euch zu warnen. Es hat nichts genützt. Denn ihr wolltet nicht hören.“
„Das heißt, wir sind jetzt raus.“ Z ließ den Kopf hängen.
„Ich habe von Gott die Erklärung bekommen. Den zweiten Teil dessen, was ich euch damals sagte. Mehr weiß ich nicht. Alles andere muss er euch geben.“
„Nicht durch dich.“
„Gott redet durch mich. Aber nicht nur durch mich. Er will auch mit euch direkt kommunizieren. Nicht durch einen Mittler. Sucht ihn. Geht in euch.
Ihr werdet eure Antworten finden.“
Annie atmete tief aus: „Eigentlich können wir nach Hause fahren, oder?“
„Das war ein kaum nachvollziehbarer Themenwechsel.“ stellte Geraldine trocken fest.
Annie allerdings machte ihn nachvollziehbar: „Antworten finden will ich nicht hier auf dem Flur. Und gebraucht werden wir hier auch nicht mehr.“
„Ja.“ stimmte Z zu, „wir können nichts mehr ausrichten. Gehen wir.“
Sogar Lotta nickte: „Geht. Das ist in Ordnung. Aber vergesst nicht, was hier heute passiert ist.“
Geraldine legte den Kopf schief: „Wie sollten wir das?“
„Alles, was hier heute passiert ist.“ Damit ließ Lotta sie stehen. Und war so die erste von ihnen, die ging.
Elisa kam aus der Umkleide und blieb unwillkürlich stehen. Jeanette saß an der Theke. Sie sah sehr traurig aus.
„Soll ich vorbeigehen?“ fragte Elisa vorsichtig.
Jeanette schüttelte den Kopf: „Musst du nicht.“
„Dann werde ich leider versuchen, dich aufzuheitern.“
„Musst du auch nicht.“
„Doch. Gehört dazu.“ Elisa ließ sich auf den Hocker neben ihr sinken.
„Mir geht einfach nicht so gut.“ brummelte Jeanette.
„Das sehe ich. Aus großer Entfernung. Es ist dein ehemals bester Freund, nicht wahr?“
„Seit er damals davongestürmt ist, hatten wir keinen Kontakt mehr.“
Jeanettes Stimme brach, während sie das sagte, und Elisa legte ihr den Arm um die Schultern:
„Warum suchst du dir nicht einfach einen neuen besten Freund? Oder mal einen richtigen Freund?“
„Weil ein richtiger der Richtige sein soll. Auf den warte ich. Aber da kommt keiner.“
„Oder es kann sich keiner mit ihm messen.“ vermutete Elisa und erwartete einen Ausbruch. Stattdessen kam ein Seufzer:
„Er wäre so einer gewesen, ja.“
„Will er keinen Kontakt mehr?“
„Ich stehe nicht im Weg.“
„Seine Freundin.“
„Was weiß ich...“ Jeanette hob resigniert die Hände.
„Weißt du...“ Elisa rückte ein wenig näher an sie heran, „ich habe da viel drüber nachgedacht. Gut – viel ist übertrieben. Aber ein wenig. Seit wir das letzte Mal gesprochen haben. Am Anfang dachte ich, er sei einfach nur ein Blödmann. Aber inzwischen frage ich mich, ob es nicht ein wenig differenzierter ist als nur schwarz und weiß.“
Jeanette legte die Stirn in Falten: „Wie meinst du das?“
„Na – es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder er hat Gefühle für dich oder nicht. Wenn er welche hat, könnte er jetzt mit dir zusammen sein. Aber dann müsste er sich von seiner Freundin trennen. Und die scheint er ja auch zu lieben. Und will sie wahrscheinlich nicht verletzen. Das ist eine ziemliche Zwickmühle. Eine Frau ist immer traurig. Und wenn er nichts für dich empfindet, mag er dich ja aber ganz offensichtlich trotzdem sehr doll. Und weiß, dass es dich verletzt, dass er deine Gefühle nicht erwidert. Also geht er dir aus dem Weg. Um es nicht noch schlimmer zu machen.“
„Meinst du?“ Jeanette wiegte zweifelnd den Kopf.
„Zwei Möglichkeiten von sehr vielen. Keine davon muss stimmen. Aber ich sag dir was: Nur du kannst es rausfinden.“
„Wie denn?“
Elisa ergriff ihre Hände: „Geh auf ihn zu. Stell ihn zur Rede. Lass dir erklären, was los ist.“
„Ich soll ihm hinterherlaufen?“
„Warum denn nicht? Ist ja nur ein Mal. Und du hast einen guten Grund: Er ist weg, ohne seine Beweggründe zu nennen. Das ist absolut legitim.“
Jeanette schüttelte den Kopf: „Ich weiß nicht...“
„Was hast du zu verlieren?“ versuchte Elisa es weiter, „Ein einziger Anruf.
Oder besser noch: eine Nachricht. Dann hast du nicht mal direkten Kontakt.
Du schreibst sie, schickst sie weg, er liest sie. Und meldet sich. Oder auch nicht. Schlag ihm ein Treffen vor. Wenn er nicht will oder es blöd wird, ist er einfach nur genauso weg wie jetzt auch. Auf der anderen Seite – hast du eine ganze Menge zu gewinnen. Vielleicht überzeugst du ihn, dass ihr wieder befreundet sein könnt. Und vielleicht sogar noch mehr.“
„Mehr? Wie sollte das denn gehen?“
„Zeig ihm einfach, was er an dir hat.“
„Wie das klingt.“
Elisa lächelte verschmitzt: „Es klingt so, wie es klingen soll.“
„Oh.“ Jeanette verzog das Gesicht, „ist das so leicht zu erkennen?“
„Wenn man genau hinschaut. Und sich ein wenig auskennt.“
„Und wenn er doch ausflippt?“ Die Zweifel kehrten in Jeanettes Gesicht zurück.
„Ist er doch noch nie. Hast du selbst gesagt.“
„Ja. Schon. Aber...“
„Soll ich Verstärkung spielen?“ schlug Elisa vor.
Jeanettes Gesicht hellte sich auf. Allerdings nur für einen kurzen Moment:
„Dann geht er gleich wieder.“
„Er muss es ja nicht wissen. Ich bleibe nebenan. Und wenn er sich nicht benimmt, komme ich rüber.“
„Und wenn er sich benimmt?“
„Dann gehe ich.“
Jeanette schwieg eine Weile. Dann sagte sie: „Ich denke drüber nach.“
Elisa lächelte: „Tu das.“
Sie hatten das Glück, freie Plätze in einem Zug zu ergattern, der nur 20
Minuten, nachdem sie den Bahnhof erreicht hatten, abfuhr. Damit allerdings endeten die guten Nachrichten auch schon. Die Heimfahrt selbst war eine schweigsame Angelegenheit, da keiner von ihnen Drang verspürte, sich zu unterhalten und das mehrstündige kreisen lassen der eigenen Gedanken sorgte dafür, dass ihre Stimmung im Keller war, als sie eintrafen. In Frankfurt mussten sie dann feststellen, dass niemand da war, um sie abzuholen. Was natürlich vollkommen logisch war, denn es war Samstagmittag und sie wurden erst am Sonntagabend erwartet. So quälten sie sich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bis zum Zentrum und freuten sich dort angekommen darauf, endlich abschalten zu können. Wozu es allerdings nicht kam, denn ihr frühes Eintreffen verlangte nach einer Erklärung und so geschah genau das, was sie zu vermeiden gehofft hatten: Sie musste berichten, was vorgefallen war. Nils, Becka und auch Jonathan waren da – letzterer eigentlich nur, weil ihn Annie mit der Aussicht, die einzige zu sein, die sich bei niemandem einkuscheln konnte, vom Bus aus angerufen hatte. Aus kuscheln wurde zunächst jedoch nichts, denn auf die kurze Zusammenfassung folgten die Fragen. Sie bemühten sich extra, die Ereignisse so uninteressant wie möglich zu erzählen, doch ein solches Thema war einfach nicht uninteressant zu machen. Und so wurde natürlich ein langes Gespräch daraus, in dem dies erörtert und das überlegt wurde und sich die drei Außenstehenden mit aller Vehemenz ihren Überlegungen hingaben. Bis Geraldine schließlich lautstark verkündete, keine Lust mehr zu haben und sich, ohne eine Reaktion abzuwarten, entfernte. Nils lief ihr hinterher und flüsterte ihr im Treppenhaus einen Satz ins Ohr, der zumindest die Tränen stoppte, die in diesem Moment gerade dabei waren, sich den Weg nach draußen zu bahnen: „Ich liebe dich trotzdem – ich liebe dich, egal wie.“ Dann nahm er sie in den Arm und sie standen lange da – auf dem letzten Treppenabsatz vor ihrer Wohnungstür. Sagten nichts, bewegten sich nicht. Er hielt sie fest und sie ließ sich festhalten. Schließlich zog sie ihn mit sich in die Wohnung. Wo sie alles taten, was ihnen einfiel, um auf andere Gedanken zu kommen. Und irgendwann klappte das auch.
Geraldines Abgang war für die anderen ein Startschuss. Annie reagierte als erste, schnappte sich Jonathans Hand und verkündete: „Da schließe ich mich an.“ Er folgte ihr bereitwillig und sie sanken gemeinsam auf ihr Bett.
„Bist du enttäuscht von mir?“ fragte sie ihn irgendwann.
„Im Gegenteil.“ antwortete er, „ich bin erleichtert.“
„Erleichtert.“
„Ich hatte immer ein wenig Angst um dich.“
Sie sah ihn verwundert an: „Aber du glaubst das alles doch gar nicht.“
„Tue ich nicht.“ nickte er, „aber ich habe Sachen gesehen. Und gespürt.
Wenn ich dabei war. Ich weiß nicht, was das war. Aber es war etwas. Eine Macht. Oder Mächte. Und das...“
„...ist jetzt vorbei.“ vollendete sie.
„Genau das meine ich.“ Er nahm sie in den Arm und es stellte sich doch noch als richtig heraus, dass sie ihn angerufen hatte. Denn nun bekam sie, was sie ursprünglich gewollt hatte. Und noch viel mehr.
Z und Becka standen somit alleine draußen. Und blieben auch noch eine Weile dort. Weil Becka ebenfalls das Bedürfnis verspürte, ihrer Freude Luft zu machen, dass Z von seiner Aufgabe entbunden war. Es war eine verhaltene Freude, da sie gleichzeitig ein schlechtes Gewissen deswegen empfand. Doch ihr war der Gedanke, einen ganz normalen Ehemann zu haben, sehr lieb und sehr recht und sie sah keine Notwendigkeit, mit dieser Einstellung hinter dem Berg zu halten. Zumal sie sie immer zurückgehalten hatte, als dies noch nicht so war – aus Angst, Z könne seine Bestimmung wegen ihr aufgeben. Jetzt brauchte sie sich solche Gedanken nicht mehr zu machen und nahm dies als Geschenk. Z reagierte darauf zunächst ein wenig irritiert, aber ihre kurzen Ausführungen zu den Vorteilen, die dies für ihr Leben mit sich brachte, überzeugten ihn ziemlich schnell. Irgendwann begann es zu regnen und so gingen auch sie nach drinnen. Auf andere Gedanken mussten sie dort gar nicht mehr kommen.
Das war bereits geschehen.
So war der Schock schon wieder vorbei, als sie sich am nächsten Morgen im anderen Gebäude zum Frühstück trafen. Das war eine spontane Idee von Geraldine gewesen. Die Köchin war natürlich nicht da und sie trugen einfach ihre Sachen aus den Wohnungen nach drüben. Aber es hatte etwas familiäres, so zusammenzusitzen und der eigentliche Grund, weswegen sie sich an diesem Tag dort aufhielten, kam gar nicht mehr auf den Tisch. Den restlichen Tag verbrachten sie alle sehr entspannt. Und auch wenn keiner der drei Freunde aktive Anstrengungen anstellte, sich mit ihrer neuen Situation ernsthaft auseinanderzusetzen, schlich sich bei ihnen allen – unabhängig voneinander – ein Gedanke ein: ‚Eigentlich ist das gar nicht so schlecht.‘
Der nächste Tag änderte diese entspannte Haltung allerdings wieder, denn sowohl Steve und Katiana als auch Miguel kamen vorbei, um sich über den Erfolg des Wochenendes zu informieren. Sie hatten keine andere Wahl als ihnen die Wahrheit zu sagen und ihre Reaktionen unterschieden sich deutlich von denen ihrer Partner:
„Ich will euch nicht belehren. Deswegen sage ich gar nichts dazu. Denn mir fällt nichts ein, was nicht belehrend ist.“ Miguels Gesichtsausdruck passte zu seinen Worten und dass er sich danach einfach abwandte und in die Ferne blickte, ebenfalls. Woraufhin Geraldine sich ein
„Das ist ja sehr freundlich.“ nicht verkneifen konnte.
Katiana jedoch nahm ihn in Schutz: „Er ist sauer. Ist das nicht verständlich?“
„Wir haben ihm nichts getan.“ entgegnete Annie.
„Nein, das nicht. Aber wir sind eure Freunde. Und wir haben euch über Jahre dabei zugeschaut, wie ihr eine falsche Entscheidung nach der anderen getroffen habt. Und jetzt müsst ihr die Konsequenzen erleiden.“
Geraldine schnaubte: „Sollte er dann nicht glücklich sein? Weil wir endlich unsere gerechte Strafe bekommen?“
Katiana schüttelte den Kopf: „So denken Freunde nicht.“
„Wie denken sie denn?“
„Ich wollte euch so oft schon rütteln und schütteln, dass ihr endlich aufwacht.“ schaltete sich Steve seufzend ein, „und jetzt will ich euch noch viel mehr rütteln und schütteln. Aber gleichzeitig bin ich unendlich traurig.
Dass es jetzt wirklich so weit gekommen ist.“
„Jetzt wirklich?“ fuhr Annie auf, „hast du damit etwa gerechnet?“
Steve nickte: „Es lag immer im Bereich des Möglichen, dass Gott euch eure Gaben nimmt. Er gibt uns Dinge und wenn wir damit nicht gut umgehen...“
„Und das hättest du nicht mal sagen können?“ unterbrach Geraldine ihn ungehalten.
„Ihr geht auch in den Gottesdienst und lest in der Bibel. Das Gleichnis von den Verwaltern mit dem Geld dürfte euch bekannt sein, oder nicht?“
Z brummte verärgert: „Muss man erstmal drauf kommen, dass das einem selbst gilt.“
„Das ist alles, nur nicht weit hergeholt.“ entgegnete Steve und Geraldine verlor die Geduld:
„Ihr seid immer so klug. Wisst immer alles besser. Hat es uns jemals was gebracht?“
„Nein.“ antwortete Katiana ruhig, „und warum? Weil ihr es nie angenommen habt. Du hast Recht: Wir wussten es alles besser. Immer und immer wieder. Hättet ihr mal drauf gehört. Dann stünden wir jetzt nicht so hier.“
„Ich glaube auch nicht, dass ich noch lange hier so stehen will.“ zischte Geraldine patzig und Z schloss sich an:
„Das geht mir genauso.“
„Ja – ich denke, es ist besser, wenn wir jetzt gehen.“ Steve nahm seine Frau am Arm, „wir sind weiterhin eure Freunde. Und wenn wir alle unseren Ärger überwunden haben...“
„Der wird nicht einfach überwunden.“ Katiana sah ihn schief an, „der wird geklärt. Ober eben nicht.“
„Dann sage ich es anders: Wenn wir alle unseren Stress überwunden haben – dann können wir uns zusammensetzen und in Ruhe darüber reden.“
Doch Geraldine winkte ab: „Was gibt es da noch zu reden? Es ist geschehen.“
„Ich meinte nur euch und uns.“ stellte Steve klar, „nicht die Sache. Darüber müssen wir nicht reden. Darüber wollen wir auch gar nicht reden. Aber ich will mit euch im Reinen sein. Das waren wir lange genug nicht und es bot sich kein Ansatzpunkt, das zu ändern. Das hier ist vielleicht die letzte Möglichkeit.“
„Was soll das denn heißen?“
„Einfach nur, dass eure Arbeit das Einzige war, was uns zusammengehalten hat. Jetzt haben wir das nicht mehr und wenn wir uns nicht aktiv dafür einsetzen, auf einer anderen Ebene zueinanderzufinden, wird der Kontakt einfach abbrechen. Weil dann habt ihr keine Lust und wir auch nicht.“
Geraldine wippte mit dem Kopf: „Und das wäre schlecht.“
„Wenn dir das egal ist, werden wir dich nicht zwingen.“ erklärte Steve, „ich kann nur sagen, was ich denke. Und mir ist es nicht egal.“
„Mir auch nicht.“ murmelte Annie – was Katiana dankbar aufgriff:
„Wir müssen auch nicht alle zusammenkommen. Nur wer will.“
„Ich will“ sagte Annie – diesmal sehr viel lauter.
Geraldine zuckte nur die Achseln – dann sahen alle Z an, der hastig zu Boden blickte:
„Ich... denke zumindest drüber nach.“
„Das ist nett.“ Katiana bemühte sich um ein Lächeln, das aber niemand erwiderte.
Steve zog sanft an ihr: „Dann gehen wir jetzt. Wir wünschen euch trotzdem alles Gute. Vollkommen ernst gemeint.“
Geraldine holte tief Luft: „Danke. Euch auch. Ebenfalls ernst gemeint.“
Sie gingen und die drei Freunde blickten ihnen hinterher. Dann wandten sie ihre Aufmerksamkeit wieder Miguel zu, der sich dessen auch recht schnell bewusstwurde, aber weiterhin nur dastand und schwieg.
Irgendwann wurde Annie das zu bunt:
„Sagst du jetzt was?“
„Fällt mir nichts ein.“ gab er zurück.
„Was nicht belehrend ist?“
„Das Belehrende war spontan. Und sehr emotional geprägt. Das wäre nicht gut, zu sagen. Erst recht nicht in dieser aufgeheizten Stimmung. Zudem wären es nur Vorwürfe und keine Weisheiten. Und Vorwürfe hattet ihr schon genug. Das muss ich nicht wiederholen.“
„Also stimmst du mit ihnen überein.“ folgerte Geraldine.
Miguel reagierte nicht – was Annie ihm nicht durchgehen ließ:
„Sag uns, was du fühlst. Wenn es sich inhaltlich wiederholt – wegen mir.“
„Gut – wenn du wissen willst, was ich fühle, dann...“ Miguel überlegte einen Moment, „ich bin enttäuscht. Von Gott. Weil er eine so endgültige Entscheidung getroffen hat. Die euch keinen Raum mehr lässt, daraus zu lernen und es besser zu machen. Das ist sehr schade und in Anbetracht der Wichtigkeit, mit der er euch belegt hatte, auch sehr sinnlos. Aber er ist Gott und ich kann nicht behaupten, ihn zu verstehen. Von daher hält sich meine Enttäuschung ihm gegenüber in Grenzen. Bei euch dagegen... was seid ihr bloß für ein Haufen Versager?“
„Bitte was?“ fauchte Geraldine. Brachte ihn damit aber nicht ins Schwanken:
„Ihr wart ganz oben. Und jetzt seid ihr ganz unten. Und habt euch das ganz allein zuzuschreiben.“
Z verschränkte die Arme: „Also...“
„So viele Menschen haben in euch investiert.“ fuhr Miguel einfach fort,
„Zeit. Geld. Andere Arten der Unterstützung. Und ihr habt das alles mit Füßen getreten. Bis zu dem Punkt, wo ihr es für nichtig erklärt habt. Jetzt.“
„Gut. Danke für diese qualitativ hochwertige Aussage.“ Geraldine funkelte ihn an, doch Annie bremste sie – auch sie hatte keinen Nerv mehr für ein weiteres Streitgespräch:
„Jetzt mal von vorne. Oder von hinten, besser gesagt: Wir haben jahrelang Leuten geholfen. Das ist nicht nichtig gemacht. Und was die Unterstützung angeht...“
„Ich habe meine Kirche mit einbezogen.“ erklärte Miguel, „wir haben unseren Namen hergegeben. Haben euch so viel Geld gegeben.“
Geraldine rümpfte die Nase: „Niemand hat dich gezwungen.“
„Ich habe es getan, weil ich euch vertraut habe. Dass ihr es richtig macht. Es ist schlimm zu erkennen, dass ihr dazu nicht in der Lage wart.“
Eine Weile herrschte Stille. In Annies Kopf drehten sich alle Gedanken im Kreis und fanden keine klare Linie. In Zs Gesicht glaubte sie, etwas ähnliches zu erkennen. In Geraldines Gesicht dagegen nur Ärger. Daher überraschte es sie ungemein, als ausgerechnet diese das Schweigen schließlich brach – in gelassenem Tonfall und mit versöhnenden Worten:
„Gut. Du hast in allem Recht, was du sagst. Irgendwie. Wir haben es falsch gemacht. In Gottes Augen. Das ist hart für mich. Das muss ich verkraften.
Das muss ich aufarbeiten.“ Sie seufzte – und schwenkte dann doch noch um: „Aber ganz ehrlich: Gottes Sicht ist dabei die einzige, die mich interessiert. Ich bin nicht hier, um es dir recht zu machen. Ganz egal, ob du Geld und Namen und Zeit und sonst was investiert hast. Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig.“
Miguel runzelte die Stirn: „Allein die Tatsache, dass meiner Kirche Anteile an diesem Gebäude gehören, macht euch verantwortlich, Rechenschaft abzulegen.“
Z lachte auf: „Das ist witzig, dass du das jetzt sagst. Wo es schiefgegangen ist. Wie lange haben wir das Zentrum? Über ein Jahr. Wie viele Leute waren in dieser Zeit hier? Ungefähr 30. Wie lange bist du schon dabei? Von Anfang an. Du hast auch hier rumgesessen, die ganzen Monate über. Nicht jeden Tag aber oft genug. Hast du da was gesagt? Nein. Weil du gerne mitgechillt hast. Aber jetzt – auf einmal...“
„Ich habe das die ganze Zeit schon gedacht.“
„Das kann man hinterher immer sagen.“ winkte Z ab – und nun musste leider auch Annie etwas Kritisches beitragen:
„Ich wäre froh, wenn du es nicht gedacht hättest. Für dich. Denn... was hieße das? Dass du die ganzen Monate über unzufrieden warst und es trotzdem hast laufen lassen. Steve und Katiana haben es versucht und wir haben sie abgebügelt. War falsch – gebe ich zu. Aber du hast gar nichts gesagt. Und hast es aber gedacht? Darauf kannst du nicht stolz sein.“
Miguel biss sich auf die Lippen: „Ich hatte die Hoffnung, dass es sich entwickelt.“
„Wie denn? Wann denn?“
„Ihr hattet eine Veranstaltung.“
„Ja. Jetzt.“
„Aber die Einladung kam schon letztes Jahr im Herbst.“ erinnerte er sie,
„das wusste ich doch auch. Natürlich war ich unglücklich. Natürlich habe ich überlegt, ob ich was sage. Aber... es war viel anderes. Die Hochzeit vor allem. Ich wollte euch nicht stressen. Und ich hatte das immer vor Augen – dieses Wochenende. Dass das der Startpunkt sein könnte. Ein großer Erfolg dort und die Leute hätten euch wieder auf dem Schirm gehabt wie früher.
Das war das, worauf ich gebaut habe.“
„Auf Sand gebaut.“ stellte Geraldine trocken fest.
Jetzt war es Miguel, der laut wurde: „Und das ist eure Schuld.“
„Dessen sind wir uns bewusst.“ erwiderte Annie rasch, bevor Geraldine etwas anderes sagen konnte. Und Miguel beruhigte sich sofort wieder:
„Ich muss jetzt überlegen, wie es weitergeht.“
Z kratzte sich am Kopf: „Weitergeht?“
„Die Kirche kann euch nicht mehr unterstützen.“
„Tut sie doch auch gar nicht mehr.“
„Ich meine...“ Miguel zögerte, „es kann sein, dass sie ihr Geld wiederhaben will.“
„Also ehrlich, nee, oder?“ entfuhr es Geraldine, „schiefgegangen ist blöd – keine Frage. Aber in etwas investieren und wenn es dann nicht klappt, eine Rückzahlung verlangen? Das geht gar nicht. Weitere Zahlungen einzustellen – vollkommen okay. Aber nachträglich? Ganz ehrlich – du weißt nie, ob eine Sache läuft. Das ist ein Risiko. Das nimmt man immer auf sich. Und dann danach rumzuzackern – darauf lasse ich mich nicht ein.“
„Ich glaube, das geht auch rein rechtlich gar nicht.“ stellte sich Annie – wesentlich gedämpfter – auf ihre Seite, „wir haben ja einen Vertrag. Über das Geld. Das ist offiziell. Da gibt es keine Klausel drin, dass sie was zurückfordern können.“
Miguel verzog leicht das Gesicht: „Ich werde ihn mir anschauen.“
„Du dir anschauen?“ Geraldine starrte ihn an, „du hast ihn uns hingelegt.
Solltest du nicht wissen, was drinsteht?“
„Das ist einfach ein Wisch. Ich bin kein Anwalt und habe auch kein Interesse an sowas. Das ist ein Standardformular und daher kann ich mich darauf verlassen, dass es stimmt. Gelesen habe ich es nicht.“
„Dann tu das mal. Und dann können wir dazu weiterreden.“
„Jetzt wollt ihr nicht mehr weiterreden.“ zog Miguel aus dieser Bemerkung heraus.
Annie nickte: „Wir sind gefrustet. Aber du bist geladen. Das ist keine Basis.
Genau wie bei Steve und Katiana. Mit denen reden wir, wenn wir uns beruhigt haben. Und mit dir reden wir, wenn du dich beruhigt hast.“
„Eigentlich war ich ja schon beruhigt.“ maulte Geraldine, nachdem Miguel gegangen war, „aber jetzt...“
Annie verzog das Gesicht: „Geht mir genauso.“
Z dagegen schüttelte den Kopf: „Sein wir ehrlich: Das war nicht beruhigt.
Das war abgeschaltet. Verdrängt. Vielleicht ist es bei mir anders als euch, aber irgendwie kann ich mir das nicht vorstellen.“
„Wir sollen uns also damit auseinandersetzen.“ Annie sah ihn lustlos an – genau wissend, dass sich Zs Kopfbewegung von horizontal in vertikal ändern würde. Was sie auch tat:
„Wir müssen.“
Diese Aussage wiederum überraschte Annie: „Müssen?“
„Ich sage euch, wie es mir geht: Ich habe eine Menge schlechte Gefühle in mir. Die kann ich beiseiteschieben. Vielleicht sogar für immer. Aber sie werden mich negativ beeinflussen. Und dadurch wiederum werde ich andere negativ beeinflussen.“
„Puh...“ machte Annie, doch nun hatte sie auch Geraldine gegen sich:
„Nein. Z hat schon Recht. Wenn ich in mich gehe... es wäre auch wundersam, wenn es einfach so verschwunden wäre. Dafür haben wir uns zu lange zu intensiv damit beschäftigt.“
„Gott kann es uns genommen haben. Genau wie die Gaben.“
„Das mit den Gaben ist seine Strafe.“ entgegnete Z, „aber du kennst doch Gott: Alles, was er tut, ist in irgendeiner Art und Weise mit der Vorgabe verbunden, sich Gedanken zu machen. Auseinandersetzung mit dem Thema ist immer ein Thema. Da kommen wir nicht dran vorbei. Er heilt Wunden nicht einfach so. Könnte er, macht er aber nicht. Weil er erstmal will, dass man draus lernt. Und dann heilt er.“
„Wie nett von ihm.“ kicherte Annie sarkastisch – und sah sich wieder Geraldine gegenüber:
„Es ist ja nicht so, dass dieser Ansatz falsch wäre...“
„Manchmal ist er einfach unbrauchbar.“
„Ich schätze mal, dass sagen viele, die sich in einer solchen Situation befinden.“ sinnierte Z. Und sofort packte Annie die Ironie wieder aus:
„Komisch aber auch.“
„Was ich damit sagen will: Den Vorteil des Klärens erkennt man nicht, wenn man nicht klären will. Erst hinterher.“
„Hinterher.“
„Wenn es einem besser geht.“ führte er aus, „wenn man gelernt hat. Dann schaut man zurück und sieht den Weg mit anderen Augen. Ist doch logisch.
Während man ihn geht, ist er anstrengend. Aber wenn man angekommen ist und die Anstrengung vorbei, dann kann man eine andere Perspektive gewinnen. Und andere Dinge sehen. Positive Dinge.“
„Sprichst du aus Erfahrung.“ spottete Annie.
Z jedoch blieb ernst: „Oh ja.“
Annie rollte mit den Augen. Geraldine nahm ihre Hand:
„Annie – du willst das nicht. Das verstehe ich. Sehr, sehr gut. Ich will das auch nicht. Ich hätte Miguel eben am liebsten gewürgt mit seinem neunmalklugen Gerede und seiner ‚Enttäuschung‘. Als ob wir ihm irgendwas zu beweisen hätten oder schuldig wären oder... und jetzt siehst du, wie ich mich schon wieder hochschaukele. Und genau deswegen muss es sein. Weil ich so eine Wut in mir habe. Auf ihn, auf mich, auf alle. Wenn ich damit nicht was Konstruktives mache, dann platze ich. Von daher: So schlimm das ist – es muss sein.“
Annie zog ihre Hand weg: „Nichts muss sein, was ich nicht will. Ich habe eben ruhig und friedlich mit ihm geredet. Ich brauche keine Aufarbeitung.
Ich kann so weiterleben. Ohne Probleme.“
„Das wiederum stimmt nicht.“ entgegnete Geraldine, „und das weißt du aus Erfahrung.“
„Soll heißen?“ Schon war Annie auf 180 – was Geraldine ausnutzte:
„Dass du dich – genau wie wir – schon öfter gegen Dinge gesperrt hast. Was nie gut war, wie du dich ganz sicher erinnerst. Und dein Argument mit der inneren Ruhe hast du gerade mit zwei Worten entkräftet.“
Annie atmete tief ein. Und aus. Und ein. Und aus: „Also schön. Bringen wir es hinter uns. Beschäftigen wir uns damit. Lernen wir.“
„Ich glaube, so einfach geht das nicht.“ bremste Geraldine sie ein wenig – und Z gleich noch stärker:
„Ja – lernen werden wir erstmal nichts.“
Annie rollte die Augen: „Das war doch der Sinn der Sache.“
„Aber wir haben keine Bereitschaft.“ erwiderte Geraldine, „du am allerwenigsten, ich aber auch kaum. Ich sage, was ich sage, weil eine Stimme – die Stimme der Vernunft – mir sagt, dass es richtig ist. Aber in meinem Herzen fühle ich das nicht. Und was ich aus Erfahrung weiß, ist dass ich keine Sachen zustande bringe, die ich nicht im Herzen fühle.“
„Also was nun?“ Annie sah die beiden anderen nacheinander an. Von Geraldine kam nichts. Von Z schon:
„Es wird sowieso ein langer Weg, also können wir ihn auch langsam angehen. Jeder sagt, wie es ihm geht. Und was er denkt. Und dann wars das erstmal.“
„Wie spannend.“
„Fang an.“ forderte Z sie auf.
Annie kniff die Augen zusammen: „Ich?“
„Du nölst am meisten. Also geht es dir anscheinend am schlechtesten. Fang an.“
„Na gut. Ihr wollt meine Meinung? Gott hat uns reingelegt. Er hat uns all diese Karotten vor die Nase gehalten und uns aus jeder sich bietenden Perspektive zu verstehen gegeben, dass sie gut für uns sind. Wir haben sie gefressen – in seinem Namen. Und jetzt tut er so, als wäre das falsch gewesen und wir hätten drauf kommen müssen.“ Sie verschränkte die Arme und wartete auf Reaktionen. Die erste kam von Z:
„Hm...“
„Siehst du nicht so.“ vermutete sie.
Er wiegte den Kopf hin und her: „Irgendwie schon, aber...“
„Aber?“
„Eine der Sachen, die ich gelernt habe – und ich meine jetzt wirklich
‚gelernt‘ im Sinne von ‚beigebracht bekommen‘ – ist, dass Gottes Stimme sehr schwer zu verstehen ist und sehr schnell untergeht. In den Stimmen anderer. Der eigenen, der von anderen Leuten, der der Diener der dunklen Seite. Selbst die großen Helden der Bibel berichten von Momenten, wo sie glaubten, Gott zu hören, aber es war nur ihre Lust oder ihr Wunschdenken.
Oder gar etwas Böses. Das kommt vor. Von daher... wir haben es so geglaubt, wie du gesagt hast. Aber jetzt – im Zeichen unserer Bestrafung – stellt sich die Frage, ob wir uns nicht getäuscht haben.“
Annie fuhr sich durch die Haare: „Also sind wir schon an dem Punkt, wo wir uns genauso die Schuld geben, wie alle anderen das tun. Toll. Das ging ja einfach.“
„Die Wahrheit ist nicht von der Hand zu weisen.“ murmelte Geraldine.
„Die Wahrheit.“ wiederholte Annie spöttisch – und aus Geraldine brach es hervor:
„Ich finde es doch auch nicht fair. Ich finde, Gott hätte uns Winke und Warnungen geben können. Einfach so lange nichts tun und dann so radikal sein... das ist im Grunde wie bei Miguel.“
„Vielleicht ist der Grund der gleiche.“ sagte Z nachdenklich, „er hat gewartet, ob wir die Kurve kriegen.“
„Wisst ihr was?“ Annie schlug sich mit den Händen auf die Oberschenkel,
„ihr redet so richtig schön sachlich und mit Abstand. So als würde es euch gar nicht betreffen. Das kann ich nicht. Und das will ich nicht. Zumindest momentan. Ich will davon wirklich Abstand.“
„Also das, was wir haben.“ entgegnete Geraldine.
„Ich bin wohl langsam...er. Aber dafür muss ich mich nicht schämen. Wenn wir auf dem gleichen Stand sind, können wir weitermachen. Vorher nicht.“
Z kniff die Augen zusammen: „Und bis dahin?“
„Lassen wir es bleiben.“
„Hm...“
„Du willst wirklich so weitermachen.“ Annie konnte es nicht fassen, „wo nichts Konstruktives bei rauskommen kann.“
„Nein.“ erklärte Z, „aber... ganz bleiben lassen... wir haben noch ein anderes Thema.“
„Das da wäre?“
„Was mit Geraldine passiert ist.“
Diese verschluckte sich kräftig: „Mit mir?“
„Mit dem Dämon.“ setzte er hinzu.
„Ach das...“ Sie winkte ab, „alter Hut.“
Das ließ Z ihr nicht durchgehen: „Ich höre dich schreien. Jede Nacht.“
„Jede Nacht?“
„Tu nicht so, als weißt du das nicht. Du hast einen Mann in deiner Wohnung. Auch jede Nacht. Und wenn ich dich hören kann, kann er das erst recht.“
Geraldine schwieg. Aber jetzt spürte sie nicht nur Zs Blick auf sich, sondern auch Annies:
„Geraldine?“
Und gab schließlich nach: „Ja... es stimmt. Ich träume schlecht. Jede Nacht.“
„Also rede.“ trieb Annie sie an.
„Das soll helfen?“
Z verzog den Mund: „Ich weiß noch nicht, was helfen kann. Aber ich weiß, was nicht hilft: wenn du es drin lässt. Ich bezweifle, dass du mit Nils redest und ich bezweifle auch, dass du zu Suji oder jemand ganz anders gehst.
Also mach das mit uns. Oder wenigstens mit mir, wenn Annie nicht will.“
Nun griff Annie nach Geraldines Hand: „Sie ist meine beste Freundin.“
„Na dann...“
„Morgen – okay?“ bat Geraldine – und Z ließ den Kopf hängen:
„Also noch eine schlechte Nacht.“
„Die Nächte werden schlecht bleiben – egal, wann ich mit euch rede. Weil es mit einem Gespräch nicht getan sein wird. Also gebt mir Zeit, mich darauf vorzubereiten. Meine Gedanken zu ordnen. Die, die ich fassen kann.
Denn je besser ich es wiedergeben kann – je mehr mir einfällt – desto grösser ist die Chance, dass das Reden was bringt.“
„Da hast du wohl Recht. Dann Morgen.“
Und Geralinde bereitete sich wirklich vor. Nicht nur innerlich, sondern auch technisch. Sie stellte die verschiedenen Flip-Charts in den Besprechungsraum, die sie sonst in den Büros aufbewahrten und versah sie mit mehreren Spalten, die alle eine Überschrift erhielten. Sie war gerade damit fertig, als Annie und Z hinzukamen und sie verwundert anschauten:
„Unterricht?“
„So ähnlich.“ Geraldine drehte den Stift zwischen den Fingern,
„Brainstorming.“
„Mein Brain kann momentan nicht stormen.“ maulte Annie sofort los.
„Ich hoffe doch. Denn... wenn wir eine Lösung wollen, schaffe ich das nicht alleine.“
Z kratzte sich am Kopf: „Lösung? Lösung wofür?“
„Ach richtig.“ Geraldine kicherte verlegen, „ihr wart ja nicht dabei, als ich mir gestern Abend und heute Morgen alleine bei mir auf der Couch Gedanken gemacht habe.“
„Nein, das waren wir nicht.“ nickte Annie.
„Dann fange ich vorne an.“
„Immer eine gute Idee.“
„Außer, man dreht so einen Film, wo...“ Z wurde sich der Blicke der beiden Frauen gewahr, „ich bin still.“
Z zog zwei Stühle heran und Annie und er setzten sich. Geraldine blieb neben den Flipcharts stehen: „Wir sind jetzt gabenlos. Wir haben versagt – in Gottes Augen – und er hat reagiert. Aber er hat uns nicht verlassen. Auf jeden Fall gehe ich nicht davon aus. Wenn er das hätte, könnte ich sowieso nicht mehr an ihn glauben.“
Z hob die Hand: „Same here.“
„Hm?“ machte Geraldine verwirrt, fuhr dann aber einfach fort: „Nun. Eines ist uns seit dem verpatzten Wochenende ja bekannt: Die Prüfung war unser Umgang mit unserem Erfolg. Die Prüfung war nicht der Plan des Dämons.
Und das heißt, dass der Wegfall der Gaben nichts damit zu tun hat.“
„Ist das relevant?“ warf Annie ein.
„Ja. Weil es für mich bedeutet, dass wir damit weitermachen sollen.“
„Aber das ergibt doch keinen Sinn.“ ging Z dagegen, „zum einen hat Lotta gesagt, der Plan läuft schon längst – was auch immer sie damit meint...“
„Ja – der Satz kam mir auch letztens wieder in den Sinn.“ fuhr Annie ihm dazwischen, „sollten wir sie nochmal fragen.“
„Lasst Lotta mal draußen.“ Geraldine klopfte mit dem Stift gegen die Zähne, „sie kommt, wenn sie was zu sagen hat.“
„Aber sie hat es doch schon gesagt.“ widersprach Annie ihr, „und wir haben es nicht verstanden. Das weiß sie ja nicht.“
„Sie hat einen direkten Draht zu Gott.“ widersprach sie nun Annie – die seufzte:
„Du willst einfach nicht.“
„Nein, ich will nicht.“ gestand Geraldine, „stattdessen will ich etwas Sinnvolles tun. Wir sind darauf gestoßen, dass die Mächte der Finsternis etwas aushecken. Und das muss einen Sinn haben. Es ist bisher kaum etwas ohne einen Sinn passiert.“
„Kannst du das wirklich so pauschal...?“ setzte Annie an und Geraldine schleuderte den Stift mit Wucht gegen die Wand:
„Jetzt reichts mir! Ich habe den ganzen Kopf voll mit diesem Mist. Und ich habe nicht vor, ihn einfach nur zu verdrängen. Ich will damit etwas erreichen.“
„Darf ich dir kurz erinnern, dass das deine eigene Idee war.“ meldete sich Z zu Wort, „und wir alle dagegen waren?“
„Und deswegen helft ihr mir jetzt nicht?“ fauchte sie.
„Doch, Geraldine, wir helfen dir.“
„Dann haltet doch einfach mal die Klappe und lasst mich ausreden.“
Annie verzog das Gesicht: „Das muss nicht sein.“
„Anscheinend schon.“ Geraldine schnaubte verärgert, „ich komme keinen Satz weit, ohne dass wieder ein Einwand kommt. Das ist doch fürchterlich.“
„Gut.“ Z hob die Hand, „folgender Vorschlag: Wir lassen dich reden. Und hinterher lässt du uns reden. Denn dieses ganze Dilemma mit deinem vollen Kopf kommt nur daher, dass du uns ignoriert hast. Den Fehler will ich kein zweites Mal begehen. Und auch du solltest das nicht tun.“
Geraldine hob den Stift auf: „Nun gut.“
„Dann fang an.“
Von Annie kam nichts mehr, also tat Geraldine dies:
„Wenn sich dieser Plan in einem Stadium befinden würde, in dem schlimme Dinge passieren, die nicht mehr verhinderbar sind, hätten wir das mitgekriegt. Nicht von Gott, sondern ganz einfach hier. Auf der Welt. Lotta hat nur gesagt, der Plan läuft schon, um uns zu zeigen, dass wir zu spät sind, ihn vor der Umsetzung zu stoppen. Das heißt aber nicht, dass wir ihn nicht auch während der Umsetzung stoppen können. Oder eben doch – das ist ja genau die Frage. Für mich gilt: Wenn ich in eine Richtung geschubst werde, dann gehe ich in diese Richtung, bis ich entweder gegen eine Wand laufe oder etwas finde. Bisher ist weder das eine noch das andere passiert.
Ich dachte erst, das mit den Gaben wäre die Wand, aber so ist es nicht. Weil das andere Gründe hat. Also ist der Weg weiterhin offen. Und gefunden haben wir auch noch nichts. Aber genau das können wir jetzt. Und jetzt kommt der letzte Teil – der hoffentlich schon viel von dem nichtig machen wird, was ihr gerne sagen würdet: Das ist keine Biegen-und-Brechen-Aktion. Ich bin einfach unruhig, weil ich es nicht weiß. Ich will Klarheit, mehr nicht. Klarheit darüber, ob es für uns etwas zu tun gibt, oder ob wir das Ganze wirklich vergessen können. Ich will wissen, ob die ganzen Winke, die wir bezüglich dieses Plans bekommen haben, nur Zufall waren oder ob sie etwas zu bedeuten haben. Die einzige Möglichkeit, das rauszufinden ist, dass wir uns mit dem beschäftigen, was hier oben drin ist.
Ich werde erzählen, ihr könnt überlegen. Und am Ende haben wir hoffentlich ein Ergebnis. Das entweder so aussieht: ‚Geraldine – das in deinem Kopf ist ein Haufen wirres Zeug. Sieh zu, dass du es loswirst, damit es dich nicht weiter belastet.‘ Oder so: ‚Geraldine – aufgrund all dieser Anhaltspunkte gibt es folgendes für uns zu tun – Pünktchen, Pünktchen, Pünktchen‘. Ich werde mich an das halten, was entsteht. Wenn sich kein Handlungsbedarf abzeichnet, werde ich auch keinen erfinden. Ich will einfach nur dieses unsichere Gefühl loswerden.“
Annie hob einen Finger – und wartete dann brav, bis Geraldine ihr zunickte:
„Aber wie kommst du darauf, dass wir jetzt noch von Gott Handlungsaufträge bekommen?“
„Weil Gott diese Sachen genauso trennen kann wie wir.“ erwiderte Geraldine, „Lotta hat gesagt, dass unser – mein – Vorgehen falsch war, ja.
Aber bestraft hat er uns dafür nicht. Also wird er uns auch weiterhin dabei helfen.“
„Sollten wir dann nicht vielleicht erstmal unser falsches Verhalten in Ordnung bringen?“
„Das kommt auch noch. Aber ich habe die halbe Nacht wach gelegen, um möglichst viele Details zusammenzukriegen. Je länger wir warten, desto mehr ist wieder weg. Ja?“
Z hatte ebenfalls den Finger gehoben, ließ ihn jetzt aber wieder sinken:
„Dann sollte ich wohl besser auch nichts mehr dazu sagen.“
„Sag es.“ forderte Geraldine.
„Okay. Du redest von handeln, wenn notwendig. Das finde ich schonmal sehr gut. Aber selbst wenn ‚notwendig‘ eintritt, gibt es keine Schnellschüsse und keine Alleingänge. Wir wägen ab und entscheiden gemeinsam. Sonst bin ich raus.“
„Einverstanden.“ stimmte Geraldine zu.
„Dann...“
„Wie lautet die magische Zahl?“ Geraldine zeigte mit dem Stift erst auf Annie, dann auf Z. Erstere runzelte nur die Stirn, letzterer tat dies ebenfalls, antwortete ihr aber auch:
„Es gibt keine magische Zahl. Die Zahl, die du aufgeschrieben hast, war die
10.“
„Danke.“
„Wenn du dich daran schon nicht mehr erinnern kannst...“ bemerkte Annie trocken.
„Ich kann mich daran erinnern.“ stellte Geraldine klar, „ich wollte es nur nochmal bestätigt haben. Schließlich ist irren menschlich.“
„Wie wahr.“
„Ich habe schließlich auch schon zehn Sachen aufgeschrieben.“
Annie zählte mit den Augen die Spalten durch: „Das stimmt.“
„Und du weißt, was sich dahinter verbirgt.“ Z deutete auf die Überschriften.
„Würde keinen Sinn machen, wenn nicht.“ gab Geraldine zurück.
Annie tippte sich ans Kinn: „Für mich macht das so keinen Sinn.“
„Es sind einfach nur Überschriften.“
„Dann erklär sie mal.“
„Ich denke, ich soll die Erinnerungen erzählen.“
„Schon.“ nickte Annie, „aber es ist leichter, wenn man gleich von Anfang an ein wenig weiß, was gleich kommt.“
„Nun gut.“ Geraldine klopfte mit dem Stift auf die einzelnen Worte, „Aaron – ist der aus der Bibel. Die Geschichte werdet ihr erkennen. Nicht-Paulus – ergibt sich aus dem Zusammenhang. Ein Mann kommt in ein Dorf und predigt. Und zwar ziemlichen Mist. Cleveren Mist, muss man allerdings sagen.“
„Und er war nicht Paulus.“ unterbrach Annie.
„Sie hatten Paulus erwartet. Keine Ahnung, wo der war. Vielleicht im Bauch des Wals.“
„Das war...“ begann Z – und brach wieder ab, „...ein Scherz.“
„Gut geraten. Kreuzritter – nun Kreuzritter halt. Pater – altes Wort für katholischer Priester. Mittelalter, Hexenverbrennung – alles drum und alles dran. Sollten wir Miguel nichts von erzählen. KK – Kalter Krieg. 86 – Atomkatastrophe. Ich wusste nicht, wie man die Stadt schreibt.“
Z natürlich schon: „Tscher...“
Doch das wollte Geraldine jetzt nicht wissen: „Und es ist auch viel zu lang.
Engel – das müsst ihr hören. Da kann ich keine Zusammenfassung geben.
Junge – Dämonen vergehen sich an Kindern, Teil 1. Mädchen – Dämonen vergehen sich an Kindern, Teil 2. Plus: Menschen tun es auch. Sven – den kennt ihr noch. Das wir vor allem für dich schwer werden.“ Sie blickte Annie entschuldigend an – und diese wurde blass:
„Warum?“
„Kommt, wenn ich erzähle. Womit ich jetzt lieber mal beginne...“
Geraldines Zusammenfassung zog sich bis in den Nachmittag und die beiden anderen merkten irgendwann, dass sie kaum noch aufnahmefähig waren. Da Geraldine allerdings parallel Stichpunkte an die Charts schrieb, hielten sie bis zum Ende durch. So konnte sie es zumindest alles loswerden.
„Jetzt weiß ich, was du damit meinst, dass ein Gespräch nicht ausreicht.“
stöhnte Z, als Geraldine den Stift schließlich beiseitelegte. Und dann nickte:
„Viel, gell?“
„Total überfordernd.“
„Frag mich mal.“ stieß Annie hervor.
Geraldine winkte ab: „Brauch ich nicht.“
„Und nun?“ hakte Z nach – doch Annie war mit ihrer Antwort schneller als Geraldine:
„Bin ich innerlich gegrillt. Lasst uns morgen weitermachen.“
„Und von vorne anfangen?“ Geraldine blickte entsetzt drein.
„Wir haben es gehört, wir können es dort lesen. Wir nehmen es mit. Hier drin, meine ich.“ Annie tippte sich an die Stirn, „und machen uns Gedanken. Bis morgen. Und morgen sowieso. Mit deinen Aufzeichnungen als Gedankenstütze und einem frischen Hirn.“
Geraldine hätte das gerne anders gehabt, sah aber ein, dass es besser so war.
Eine Frage hatte Z allerdings noch:
„Hattest du nicht gesagt, du hättest es in der falschen Reihenfolge gesehen?“
„Habe ich auch.“ erklärte sie, „das ist die Reihenfolge, die ich darin sehe.
Die einzige, die meiner Meinung nach Sinn macht.“
„Wie kommts?“
„Nun – die ganzen alten Sachen sind leicht. Wer sich ein wenig mit Geschichte auskennt, weiß, wann was war. Es sind eigentlich nur die letzten vier. Wobei wir bei der letzten auch wissen, wann es war.“
„Ja – nur zu gut.“ murmelte Z mit einem Seitenblick auf Annie. Die sich in den Nacken griff:
„Darüber möchte ich auch erst morgen reden. Nachdem ich mich ertränkt, erschossen, vergiftet und mit dem Auto überfahren habe.“
„Annie...“
„Ist doch wahr.“
Z atmete durch: „Machen wir Schluss.“
Sie saß auf dem Bett und drehte die Visitenkarte zwischen den Fingern hin und her. Sie hatte eine Entscheidung zu treffen. Eine Entscheidung, die ihr Leben nachhaltig verändern würde. Und nicht nur das ihre. Doch es gab für beide Richtungen Argumente, die nicht von der Hand zu weisen waren und diese abzuwägen, schien ihr schier unmöglich. In der Hoffnung, dadurch auf den richtigen Weg zu kommen, wanderte sie in Gedanken zurück.
Zurück an den Anfang.
Das Erste, woran sie sich erinnern kann, sind die Sirenen. Die nur in der Ferne zu hören sind und ihr gar nicht gelten. Die ihr aber trotzdem immer wieder Angst machen. Weil sie ihrer Mutter Angst machen. Ihre Mutter ist eine starke Frau. Sie weiß, was sie will und wie sie es bekommt. So bringt sie sie beide durchs Leben. Auch ohne einen Mann. Denn ihr Vater ist gestorben zu einer Zeit, an die sie sich nicht mehr erinnern kann. Sie weiß nichts von ihm. Und ihre Mutter erzählt ihr nichts. Nur, dass sie damals noch anders hieß. Das ist ihrer Mutter aus Versehen einmal herausgerutscht, als sie mit ihr schimpfen wollte. Näher darauf eingegangen ist sie allerdings nicht. Doch im Grunde stört sie das nicht.
Denn ohne Erinnerungen kann sie auch nichts vermissen. Und so geht es ihr eigentlich gut. Nur wenn die Sirenen anfangen zu heulen, geht es ihr schlecht. Irgendwann hat sie gelernt, zwischen Polizei, Feuerwehr und Krankenwagen zu unterscheiden. Sie sagt es ihrer Mutter. Jedes Mal. Um sie zu beruhigen. Denn sie weiß, dass es nur die Polizei ist, die ihrer Mutter Angst macht. Sie weiß nicht, warum und traut sich nicht, zu fragen. Weil ihre Mutter dann bestimmt wütend werden würde. Und wütend soll sie nicht sein. Denn dann bekommt sie Angst. Ihre Mutter ist keine gefühlvolle Frau. Sie nimmt sie nie in den Arm. Wenn sie sich verletzt, wird die Wunde behandelt und fertig. Wenn sie von anderen Kindern geärgert wird, bekommt sie Ratschläge, wie sie sich wehren kann. Ratschläge, die nicht selten weit über das hinausgehen, was man ihr angetan hat. Und über das, was sie anderen antun will. Aber sie liebt ihre Mutter. So wie alle Kinder ihre Mutter lieben. Sie ist ihre Bezugsperson. In diesem komischen Land, in dem alle eine andere Sprache sprechen als sie selbst. Das hat sie ihre Mutter einmal gefragt. Da ist sie nicht wütend geworden. Richtig geantwortet hat sie aber auch nicht. Nur gemurmelt „Ist eben so.“ Sie würde die Sprache gerne lernen. Doch ihre Mutter bringt sie ihr nicht bei. Und von den anderen Kindern zu lernen, ist schwierig. Die wissen, dass sie sie nicht versteht. Und reden daher nicht anständig mit ihr. Sie mag die Sprache nicht können. Aber sie merkt trotzdem, dass die meisten Worte, die sie verwenden, wenn sie in der Nähe ist, ausgedacht sind. Das sieht sie an ihren Gesichtern.
Irgendwann steht ein Mann vor der Tür. Redet mit ihrer Mutter. Sie will wissen, worum es ging. Und fragt. Und erhält wirklich eine Antwort.
Obwohl ihre Mutter wütend ist. Der Mann war von einem Amt. Sie soll zur Schule gehen. Sie ist jetzt alt genug. Und dafür muss sie die Sprache lernen.
Das freut sie und sie strengt sich sehr an. Die Sprachlehrerin ist nett und das Lernen macht ihr Spaß. Als sie in die Schule kommt, kann sie die Sprache genauso gut, wie alle anderen dort. Sie hat ein wenig Akzent. Aber das merkt man kaum und andere haben das auch. Nun kann sie niemand mehr mit erfundenen Wörtern veralbern. Und sie findet endlich Freunde. Bei denen sie sehr viel Zeit verbringt. Am Anfang traut sie sich gar nicht, ihre Mutter zu fragen, ob sie das darf. Weil sie Angst hat, dass auch das sie wütend macht. Doch irgendwann fragt eine der anderen Mütter und zu ihrer Überraschung ist ihre Mutter davon ganz angetan. So darf sie immer zu Freundinnen gehen, wenn sie möchte. Und so lange bleiben, wie sie möchte. Dass ihre Mutter froh ist, sie aus der Wohnung zu haben – dieser Gedanke kommt ihr erst sehr viel später. In diesem Moment ist sie nur glücklich, dass ihre Mutter es ihr gönnt. Manchmal, wenn sie früher nach Hause kommt als geplant, sind fremde Männer da. Sie fragt sich, ob die auch von einem Amt sind. Ihre Mutter fragt sie lieber nicht. Weil es der jedes Mal unangenehm ist. Nicht, dass der Mann da ist. Dass sie da ist. Sie scheucht sie dann in ihr Zimmer und fragt hinterher, warum sie früher zurückgekommen ist. Sie lügt dann. Denn meistens gibt es gar keinen Grund. Sie sagt, dass die Freundin zum Reiten musste. Oder zum Ballett.
Sie will auch reiten. Oder Ballett machen. Aber dafür haben sie kein Geld.
Das macht sie traurig. Doch dann spricht ihre Musiklehrerin sie an. Weil sie so schön singt. Singen macht ihr Spaß. Auch das kann man lernen. Das hatte sie nicht gewusst. Und es kostet nicht so viel wie reiten oder Ballett. Also fragt sie und ihre Mutter sagt ja. So lernt sie singen. Hängt sich genauso rein, wie damals bei der Sprache. Und wird von allen bewundert, die sie hören.
Das gefällt ihr. Das macht sie stolz. Nur ihre Mutter ist nicht stolz. Sie interessiert sich nicht dafür. Sie lässt sie machen, aber sie will sie nicht hören. Das macht sie traurig. Denn sie will, dass auch ihre Mutter auf sie stolz ist. Das will sie am allermeisten.
Und dann kommt er – der Mann, der ihr ganzes Leben verändert. Das erste Mal trifft sie ihn, als sie wieder einmal früher nach Hause kommt. Sie beachtet ihn gar nicht – wie sie es sich inzwischen angewöhnt hat. Doch am Tag darauf ist er wieder da. Immer noch. Obwohl sie dieses Mal sogar später als besprochen zurückkommt. Und etwas Wundersames geschieht: Er spricht sie an. Fragt sie, wie es ihr geht. Das hat noch nie einer von ihnen gemacht. Sie antwortet nicht. Sie ist skeptisch. Aber ihre Mutter sagt ihr, sie solle nicht ungezogen sein und so sagt sie „Müde.“
Der Mann lächelt: „Das kann ich verstehen.“
Er wirkt freundlich. Aber sie versteht nicht, was passiert. Sie fragt ihre Mutter, doch die wiegelt ab: „Erkläre ich dir wann anders. Wenn du müde bist, geh ins Bett.“
Ihre Mutter erklärt ihr gar nichts. Der Mann schon. Er ist nun jedes Mal da, wenn sie nach Hause kommt und versucht jedes Mal, ein Gespräch anzufangen. Schließlich bittet er sie, sich zu ihm zu setzen. Ihre Mutter geht in die Küche. Sie hat Angst, dass jetzt etwas Schlimmes passiert. Und das, was er sagt, klingt auch erst einmal schlimm. Mit der Zeit jedoch wird sie merken, dass es das nicht ist. Im Gegenteil: Es ist wundervoll. Der Mann erzählt ihr, dass er sich in ihre Mutter verliebt hat. Und dass er sie heiraten will. Dass sie dann zu ihm in ein großes Haus ziehen werden. Und er fragt sie, ob das für sie in Ordnung ist. Sie weiß nicht, was sie sagen soll. Nur eines fällt ihr ein:
„Hat meine Mama dann keine Zeit mehr für mich?“
Der Mann lacht. Aber es ist ein fröhliches Lachen: „Ganz im Gegenteil. Sie hat dann mehr Zeit für dich. Weil sie dann nicht mehr arbeiten gehen muss.
Und ich habe dann auch Zeit für dich. Denn meine Arbeit ist in meinem Haus. Vorausgesetzt, du willst, dass ich Zeit mit dir verbringe.“
Sie ist immer noch unsicher: „Was ist mit meinen Freundinnen?“
Der Mann schaut sie verdutzt an: „Was soll mit ihnen sein?“
„Werde ich sie wiedersehen?“
Wieder lacht der Mann: „Mein Haus ist nur zwei Kilometer entfernt. Du wirst einen anderen Schulweg haben, das ist alles. Und wenn ich höre, wo die meisten deiner Freundinnen wohnen, dann wirst du es in Zukunft sogar näher zu ihnen haben.“
Das gefällt ihr. Jetzt lächelt sie auch: „Und was machen wir dann? In der Zeit, die wir zusammen verbringen?“
„Keine Ahnung. Ich hatte noch nie eine Tochter. Vielleicht... gibt es etwas, das ich dir beibringen kann. Hähnchen marinieren, zum Beispiel.“
„Hähnchen marinieren?“
„Oder auch nicht. Uns wird schon was einfallen.“
Ihre Mutter kommt zurück: „Geklärt?“
„Ja.“ nickt der Mann.
„Dann mach dich fertig fürs Bett.“
Sie will eigentlich gar nicht gehen. Aber sie sieht ihrer Mutter an, dass eine Diskussion nicht angebracht ist. Als sie im Bett liegt, fällt ihr auf, dass sie den Mann gar nicht gefragt hat, wie er heißt. Das muss sie nachholen. Dann schläft sie ein.
Sie holt es nach – gleich beim nächsten Mal. Und ein paar Wochen später ziehen sie um. Die Hochzeit ist langweilig. Weil sie niemanden kennt. Ihre Mutter hat keine Freunde oder Verwandten, die sie hätte einladen können.
Ihr neuer Vater schon. „Stiefvater nennt man ihn.“ hat ihre Lehrerin ihr erklärt. Aber das will sie nicht. Sie will ihn einfach ‚Papa‘ nennen und er hat schon gesagt, dass er da nichts dagegen hat. Er ist nett zu ihr. Seine Freunde und Verwandten nicht. Die sind eher verärgert. Nicht wegen ihr. Sondern ganz allgemein. Sie versteht nicht warum und fragt auch nicht.
Das Haus gefällt ihr und das Leben ist auf einmal viel schöner. Denn nun haben sie etwas, was sie vorher nie hatten: Geld. Jetzt kann sie reiten und Ballett machen und das macht ihr jede Menge Spaß. Singen tut sie auch noch. Und ihr neuer Vater hört ihr gerne zu. Bald schon verbringt sie mit ihm mehr Zeit als mit ihrer Mutter. Und erstaunlicherweise sind alle drei damit glücklich. Wieder denkt sie, dass ihre Mutter sich für sie freut. Wieder wird sie später verstehen, dass sie sich für sich selbst gefreut hat.
Die Jahre vergehen. Sie wird älter. Vom Kind zum Teenager. Ihr Körper verändert sich und vieles, was passiert, versteht sie nicht. Ihre Freundinnen reden mit ihren Müttern darüber. Sie redet mit ihrem Vater. Er hat natürlich keine Ahnung. Aber er verspricht bei jeder ihrer Fragen, sich zu informieren und hält sein Wort jedes Mal. Ihre Mutter sieht sie kaum noch. Die hat jetzt viel Zeit und verbringt diese meistens woanders. Sie weiß nicht, wo und fragt auch nicht. Auch nicht ihren Vater. Weil sie den Eindruck hat, dass er es auch nicht weiß. Irgendwann fangen sie an zu streiten – ihre Mutter und ihr Vater. Regelmäßig. Abends. Wenn sie denken, sie wäre schon eingeschlafen. Sie kann nicht hören, was sie sagen, aber es klingt nicht gut.
Als sie eines Tages von der Schule nach Hause kommt, sitzt ihr Vater weinend auf der Couch. Sie setzt sich zu ihm und fragt, was los ist. Eine Zeitlang sagt er nichts. Dann nimmt er ihre Hände zwischen seine: „Deine Mutter ist weg.“
„Wie weg?“ Sie versteht nicht.
„Sie ist gegangen. Sie hat ihre Sachen gepackt und sich ins Auto gesetzt und ist davongefahren.“
„Wohin?“
Er schüttelte den Kopf: „Ich weiß es nicht.“
„Wir müssen sie suchen.“ Sie springt auf – und er zieht sie wieder auf die Couch:
„Das...“
„Ich verstehe gar nichts.“
„Sie will nicht, dass wir sie suchen.“ Ihr Vater zieht laut die Nase hoch, „sie hat eine Nachricht hinterlassen, in der genau das drinsteht. Sie will mich nicht mehr. Sie hat einen Mann gefunden, der ihr besser gefällt.“
„Aber... ich?“ In ihr beginnt sich alles zu drehen, „warum hat sie mich nicht mitgenommen?“
„Weil... weil sie dich nicht dabeihaben will. Sie will ihr Leben genießen. Und du stehst ihr dabei im Weg.“
„Das ist eine Lüge.“ schreit sie, „das hat sie nie gesagt.“
„Aber geschrieben. Hier...“ Er hält ihr einen Zettel hin. Sie nimmt ihn. Liest ihn. Und kurze Zeit später weint auch sie. Ihr Vater nimmt sie in den Arm.
Drückt sie ganz fest an sich. Und sagt dann die Worte, die sie mehr hören will als alle anderen: „Ich mag nicht dein richtiger Vater sein. Aber ich werde dich niemals im Stich lassen. Hörst du? Niemals.“ Sie schaut ihn an – mit tränenden Augen – und weiß, dass er es ernst meint.