Gott 9.0 - Marion Küstenmacher - E-Book

Gott 9.0 E-Book

Marion Küstenmacher

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Beschreibung

Ein Upgrade für das spirituelle Bewusstsein

- Ein Lese- und Arbeitsbuch für alle, die eine religiöse Heimat suchen

- Orientierung in einer multireligiösen Wirklichkeit für Christen und Nichtchristen

- Auf der »Spirale des Geistes« zu immer neuen spirituellen Bewusstseinsstufen

- Mit Test, um das persönliche Level zu ermitteln

Dieses neue spirituelle Standardwerk beantwortet grundlegende Fragen aller Menschen, die eine religiöse Heimat suchen. Die »Spirale des Geistes« ist ein Modell, das die verschiedenen bisherigen Bewusstseinsebenen der jeweiligen Gottesvorstellungen abbildet und zueinander in Beziehung setzt – gleichsam ein vertikales Enneagramm. Gott 1.0 entstand vor ca. 100.000 Jahren, derzeit erscheinen am Horizont die Level 8.0 und 9.0 – d.h. die Gesellschaft steht vor einem spannenden Paradigmenwechsel, dem sich dieses Buch widmet.

»Gott 9.0« vermittelt eine positive Zukunftsvision, in der Werte neu mit Inhalten gefüllt werden – inspirierend, getragen von spiritueller Erfahrung, dem Geist der Aufklärung verpflichtet. »Gott 9.0« zeigt die Felder, in denen sich Kirche in den kommenden Jahrzehnten wiederfinden kann. Und »Gott 9.0« bietet Orientierung in einer multireligiösen Wirklichkeit, um einen Weg zur tiefsten geistigen Bestimmung zu finden.

»Gott 9.0 weist Ihnen einen völlig neuen Weg in Richtung Klarheit, Glück und gesunder Spiritualität. Sie werden Vieles mit neuen Augen sehen – die natürliche Entwicklung menschlichen Bewusstseins, den Reichtum kultureller Kreativität und die schrittweise Entfaltung der Seele zu mehr Mitgefühl und nondualer Weisheit.« Richard Rohr

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Seitenzahl: 514

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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Einleitung
Stufen
- die Grundkonstruktion unseres Bewusstseins
Test
Schnellüberblick
Copyright
Gütersloher Verlagshaus. Dem Leben vertrauen
Vorwort
von Richard Rohr
Zu Beginn dieses Vorworts würde ich Sie gerne mit meinen bescheidenen Lateinkenntnissen beeindrucken: Quidquid recipitur, recipitur ad modum recipientis.
Wir mussten diesen Satz in unserem Unterricht über scholastische Philosophie auswendig lernen. Irgendwann rief der Professor »Quidquid!« in den Raum, und wir Studenten vollendeten pflichtschuldig sein Mantra. Es bezeichnet ein Grundprinzip der Weltsicht von Thomas von Aquin und Johannes Duns Scotus im 13. Jahrhundert. Übersetzt bedeutet es: »Was auch immer empfangen wird, wird in der Weise des Empfängers empfangen.«
Warum erwähne ich das hier? Weil Sie nicht glauben sollen, Gott 9.0 wäre irgendein neuer Trend aus dem ausgeflippten Kalifornien oder der Münchner Eso-Szene. Die Idee, dass sich die menschlichen Fähigkeiten stufenweise entwickeln, ist für Christen nichts Neues. So etwas erzählt Jesus schon in seinem Gleichnis über den Sämann (Matthäus 13, 23). Dort ist von mindestens vier verschiedenen Weisen die Rede, wie Wirklichkeit empfangen werden kann. Später platzierten wir Katholiken diese Idee der inneren geistlichen Reise mit bestimmten Entwicklungsstufen an den Wänden unserer Kirchen: den Kreuzweg Jesu mit 14 Stationen. Intuitiv wurden damit genau die Bilder geschaffen, die unsere Seele braucht, um tiefer zu verstehen und geheilt werden zu können. Ja, es gibt in der Tat Stationen und Stufen auf der spirituellen Reise.
Dieses Muster ging weiter mit Augustinus. Er formulierte verschiedene Stufen, die Heilige Schrift zu verstehen. Danach kamen die klassischen Wege Reinigung, Erleuchtung und Vereinigung. Teresa von Avila sprach von verschiedenen Wohnungen in der »inneren Burg«, Johannes vom Kreuz vom Aufstieg auf den Berg Karmel, in der Moderne ging es weiter mit Jean Piaget, Jean Gebser, James Fowler, Laurence Kohlberg, Eric Erikson, Ken Wilber, Carole Gilligan, Bill Plotkin und schließlich Clare Graves mit »Spiral Dynamics«, das diesem Buch zugrunde liegt.
Einige unterscheiden sechs Stufen, andere sieben, acht oder neun, doch die Zahl ist nicht so wichtig. Klar ist: Es gibt so etwas wie eine menschliche Reifung, und sie hat eine Richtung! Wenn wir nicht das Ziel kennen oder den voraussichtlichen Pfad des menschlichen Wachstums, bleibt unsere Menschlichkeit unzusammenhängend, ohne Struktur, ohne Flugbahn, ohne Absicht und schließlich ohne Sinn. Das genau ist die postmoderne Angst und das Dilemma, das weite Teile der westlichen Welt ergriffen hat.
Die drei Autoren dieses Buches werden Sie einführen in die Stufen menschlicher Entwicklung und spirituellen Wachstums. Über die Beschreibung dieser einzelnen Stufen herrscht ein ruhiger, klarer Konsens. Ich überlasse Sie gerne den Einsichten und der Erfahrung der drei Autoren, den Ergebnissen der Wissenschaft und den Fußnoten. Vorher aber möchte ich Sie ermutigen, einen Moment lang meine eigene Reise mit mir zu teilen. Eine Reise, die schon bald 70 Jahre dauert und typisch ist für so manchen Mann oder manche Frau. Ich frage mich, ob all diese spirituellen Dinge mit zunehmendem Alter klarer werden. Kierkegaard sagte einmal, wir könnten unser Leben nur vorwärts leben, es aber nur rückwärts verstehen. Für mich ist das absolut wahr.
In meiner Kindheit sorgte ich mich, wie es wohl alle tun, um Wohlbefinden und Geborgenheit. Ich hatte doch nur meinen Körper, der Schmerz fühlte und Freude, Sicherheit und Unsicherheit. Glücklicherweise hatte ich eine ziemlich berührungsfreudige deutsch-amerikanische Familie, in der es erlaubt war, sich zu berühren und berühren zu lassen. Es gab keinen Missbrauch und nur wenig Konflikte, und so war meine erste Welt sicher und gut. Es ging nicht gerade ekstatisch zu, aber bis auf den heutigen Tag festigt und erdet sie mich.
Wie viele meiner Generation wuchs ich in einer religiösen Familie auf, mit Gesprächen über Gott, katholische Heilige und Schutzengel, die da draußen alles unter Kontrolle hatten. Überall Rituale und Symbole. Ich lernte früh, was Gott glücklich machte und was ihm missfiel. Das schuf einen weiteren Kreis von Sicherheit und Klarheit, der mir erlaubte, weiter hineinzuwachsen und mich hineinzuversetzen in eine liebevolle und vollkommen beseelte Welt, die angefüllt war mit Geist, so weit ich Geist damals begreifen konnte.
Bald lernte ich, dass ich Gott kontrollieren konnte durch mein gutes Verhalten, durch Gehorsam gegenüber der Kirche und gegenüber verschiedenen Geboten. Ich machte mich selbst zu einem kleinen Helden, und Gott stand mir auf Abruf zur Verfügung - einfach dadurch, dass ich ein braver Junge war gegenüber meinen Eltern und allen Autoritäten. Ich hatte alles unter Kontrolle, indem ich mich richtig verhielt. Und was richtig war, definierten unsere Familien. Es war eine glückliche Welt, und ich blieb dort eine lange, gute Zeit. Es gab eine Menge Belohnungen, und man lebte fast ohne Angst. Es war gut für die soziale Ordnung in der Schule und auf den Straßen. Meine Lehrer und Trainer mochten mich. Ich kann verstehen, warum viele Menschen niemals dieses komfortable Zuhause verlassen. Es fühlt sich »gottgemäß« an.
Als ich ein Teenager wurde, übernahmen die Verlockungen der Freiheit und die Lust der Hormone das Kommando. Religion empfand ich dabei als eine Art Schutzraum, der mir half, weiter die Kontrolle zu behalten. Außerdem gab er mir die Sicherheit, dass ich der bestmöglichen Gruppe in der Welt angehörte (amerikanisch, männlich, katholisch). Wenn die Welten, in denen ich lebte, gut und sicher waren, dann war auch ich gut und sicher. Selbst wenn ich mal die Grenzen austestete oder gegen die Regeln verstieß - ich stellte niemals infrage, dass ich und die Welt nur durch diese klaren Regeln zusammengehalten werden konnten. Diese guten Grenzen sicherten meine Identität und meine Würde. Ich verließ mich darauf, dass mich dieses solide Fundament vorwärts katapultieren würde zum Erfolg. Wenn ich einmal daran zweifelte, schämte ich mich und fühlte mich schuldig. Es fühlte sich logisch und vernünftig an, Regeln zu gehorchen, sogar beim Sport, auf jeden Fall in Sachen Religion. Ich bewunderte mich und andere für diesen Gehorsam. Das alles fühlte sich noch »gottgemäßer« an als vorher.
Dann ging ich aufs Priesterseminar und entwickelte einen starken Wunsch nach persönlicher Erleuchtung. Ich bekam eine großartige Ausbildung, ein begrenztes Wissen über mich selbst und über die historischen Zusammenhänge. Aber niemals so viel, dass ich wirklich die Gruppen hätte hinterfragen können, die mir all diese Identität und Sicherheit für meine zukünftige Karriere gaben. Das Seminar vermittelte uns auf perfekte Weise das Gefühl, gut ausgebildet zu sein, doch vieles davon war pure Propaganda. Es war nicht wirklich gelogen, aber unser Denken bewegte sich innerhalb einer Art Schachtel, die für uns prima funktionierte.
Wir erlebten dort tatsächlich persönliches Wachstum. Wir dachten vernünftig und rational, aber noch nicht selbstkritisch. Wir waren noch weit entfernt von dem, was ich heute Weisheit nennen würde. Ich und die Gruppen, in denen ich mich bewegte, blieben das Zentrum der Welt, zumindest der Welt, die für Gott zählte. Ich hatte Freunde, Gefährten und nützliche Menschen um mich. Aber ich war nicht sicher, ob ich wirklich jemanden mehr lieben könnte als mich selbst. Das sehe ich natürlich erst heute so - damals hätte ich geschworen, dass es ganz anders war.
Gott sei Dank hatte ich das Glück, meine Jugend in den 60er-Jahren erleben zu können. Ich wurde wirklich gebildet, las eine Menge verschiedenster Sachen und wurde zum ersten Mal konfrontiert mit ernsthaftem kritischem Denken. Damit begann für mich erstmals eine Phase jenseits der Kindheit. Der Vietnamkrieg ließ uns Amerika kritisch sehen, das Zweite Vatikanische Konzil ließ uns den Katholizismus kritisch sehen, und durch die neuen therapeutischen Wissenschaften sahen wir uns selbst und alle anderen kritisch. Wir waren nicht mehr so glücklich, aber wir waren sicher, dass wir jetzt echt erleuchtet waren und frei. Wir fühlten uns sehr sensibel und bewusst. Wir waren liberale Demokraten in Amerika, wir waren für Gleichheit, Gerechtigkeit und jede Art politischer Korrektheit. Uns taten die Menschen leid, die nicht so frei waren wie wir. Wir waren nicht so sicher, was oder wen wir liebten. Aber wir wussten genau, was falsch war und was wir hassten. Das verschaffte uns eine solide Grundlage für beruflichen Erfolg, gab uns Identität, und obendrein hatten wir einen Kreis gleichgesinnter Freunde, die ebenso erleuchtet waren wie wir.
Dann kamen die mittleren 30 Jahre des Lebens, mit all ihren Erfahrungen von Liebe und Verlust, voller Suche nach Antworten, nach innerer Wahrheit, voll von ständigen Desillusionierungen, immer wieder gefolgt von neuen Versuchen. Es gab viele persönliche Fehler - im Denken, bei den Beziehungen und bei praktischen Projekten. All diese Fehler waren unbezahlbar, obwohl ich das erst jetzt sehen kann. Es war die schlimmstmögliche Form von Leben und die bestmögliche Form von Sterben. Ich habe aufgegeben, all die verschiedenen Arten von Glauben und Unglauben zu zählen, all die Gotteserfahrungen und Sündenerfahrungen, denen ich ausgesetzt war. Ich habe ausgesprochen heilige Menschen außerhalb der Kirche getroffen, und sehr tote Menschen innerhalb der Kirche.
Ich reiste durch die ganze Welt und traf viele Menschen, die weder Amerikaner noch Christen waren und trotzdem sehr liebevoll und glücklich. Ich traf viele Menschen, die »unsere« Werte viel besser lebten als wir. Viele meiner neuen Helden kamen von außerhalb meiner Gruppen und außerhalb meiner Religion. Ich schaffte es, einen gewissen Grad von Zweifel auszuhalten und mich trotzdem in der Hand von jemandem zu fühlen, den ich nach wie vor Gott nennen möchte. Schließlich bin ich Priester.
Ich erlebte viel Dunkelheit, viele Versuchungen, aber noch viel mehr Segen. Am Ende fand ich mich inmitten einer »verborgenen Ganzheit«, wie Thomas Merton das nannte. All die Widersprüche und Paradoxien, die ich erlebt hatte, waren nicht nur o. k., sondern wünschenswert! Sie erschufen eine wunderbare neue Welt, in der Liebe endlich möglich war. Mehr und mehr wurde das Leben ein Feld der Vereinigung. Weniger und weniger war Gott jemand da draußen. Ich urteilte nicht mehr über die, die nicht so waren wie ich. Ich konnte Dinge leichter zulassen und mich an ihnen erfreuen, anstatt sie ständig kontrollieren oder erklären zu müssen (obwohl das nach wie vor seinen Reiz hat!). Es war eine ganz neue Art von Glück, mit der ich meine eigenen Ängste und Zweifel ruhig ertragen konnte. Regelmäßig konnte ich dieses Feld der Vereinigung wiederfinden, jedes Mal in einer tieferen Weise. Es gab nun weniger Hochs und weniger Tiefs, sondern einfach Leben. Und zwar mein Leben, das jetzt irgendwie auch Gottes Leben geworden war.
Ich denke, Sie spüren allmählich die Verbindung zu Gott 9.0. Sie werden in diesem Buch erfahren, dass Sie nicht verrückt sind, wenn Sie ähnlich verrückte Erfahrungen gemacht haben wie ich.
Wir beginnen gerade, einen neuen, starken und geräumigen Behälter zu bauen, der endlich alle verrückten, scheinbar nicht zusammenpassenden Inhalte des Lebens enthält. Das Ziel ist der Inhalt. Homers »Odyssee«, Hermann Hesses »Siddharta«, Etty Hillesums »Das denkende Herz« - all diese großen Bücher machen in verschiedenen Formen ein Muster deutlich: Sie und ich leben in Kulturen und Kirchen, die den Behälter für wichtiger halten als seine Inhalte. Überall begegnen wir dummen Auseinandersetzungen von der Art »mein Behälter ist besser als deiner«. Solche Sätze kommen häufig von Menschen, die eine sehr schwache Wahrnehmung von sich selbst haben, von ihrer eigenen Seele und dem, was sie zusammenhält. Wenn ihr die Weinbehälter verliert, sagt Jesus, verliert ihr auch den Wein.
Marion, Tiki und Tilman werden Ihnen in einer neuartigen und frischen Weise zeigen, wie wir wachsen: in Richtung Mitgefühl, Inklusivität, Weisheit, Geduld, Nondualität. Wir werden immer weniger Antworten brauchen und immer weniger Kontrolle. So entfaltet sich die Seele stufenweise auf ihrem Weg. So werden wir erwachsener. So werden wir eine Gesellschaft nicht nur der Älteren, sondern derer, die Weisheit und Orientierung haben für die nächste Generation. Solche im besten Sinne »Ältesten« haben wir bitter nötig. Gott 9.0 wird Ihnen den Weg in diese Richtung weisen, hin zu mehr Glück und Klarheit.
Ken Wilber hat einmal klug bemerkt, dass wir alle elitär starten, aber egalitär landen. Dort allein, in der egalitären Verbundenheit mit allen, sind menschliche Gemeinschaft, Zusammenhalt, Weisheit und Mitgefühl möglich. Das ist die normale und natürliche Richtung menschlichen Wachstums. Dorthin wachsen kreative Kulturen. Das ist das Ziel jeder gesunden Spiritualität. In diesem Buch werden die vielen Rastplätze, Umwege und Sackgassen entlang dieses Weges beschrieben. Aber Sie werden dabei auch sehen, dass die Seele immer geführt wird, und zwar nach vorne, in die Zukunft. Wenn wir es ihr nur erlauben.
Sie werden auf neue und aufregende Weise geduldiger werden mit anderen, die noch wachsen, Sie werden mehr Hoffnung haben für diese Menschheit, die sich auf eine wunderbare Ganzheit zubewegt. Und Sie werden den Mut haben, sich als Geschöpf Gottes zu bezeichnen. Endlich hat der Behälter seinen ureigensten und besten Inhalt gefunden.
Richard Rohr, O.F.M. Center for Action and Contemplation Albuquerque, New Mexico, Ostern 2010
Einleitung
»Neun punkt null. Donnerwetter!« So reagierten viele, als sie den Titel dieses Buchs zum ersten Mal hörten. Bei Updates von Computerprogrammen (wo die Schreibweise »punkt null« ihren Ursprung hat) ist man höchstens 7.0 gewöhnt; die Rede vom »Web 2.0« war seit 2003 ein großes Schlagwort, und ein paar besonders futuristische Feuilletonisten riefen schon mal ein »Internet 3.0« aus. Aber 9.0, das ist schon was, selbst im Reich der kurzatmigen Innovationen.
Ausgerechnet auf die Zahl 9 sind wir gekommen, weil wir Ihnen in diesem Buch ein Modell vorstellen wollen, das die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins beschreibt, und dieses Modell hat tatsächlich neun Stufen. Ja, es deutet sich sogar schon eine zehnte an, und auch die wird eines Tages von einer elften abgelöst werden. Sie merken schon, hier geht es um etwas Großes.
Etwas ganz Großes sogar. Denn der Anspruch dieses Buchs ist kein geringerer als der, die gesamte geistige Entwicklung der Menschheit einzubeziehen. Es geht um einen Zeitraum von über 100 000 Jahren und eine Gesamtzahl von über 100 Milliarden Personen. Das ist die Summe aller Menschen, die zurzeit leben und jemals davor gelebt haben.1
Wir stellen Ihnen in diesem Buch ein bisher einmaliges System vor, mit dem Sie sich in den zahllosen Strömungen unserer Zeit besser zurechtfinden können. Auch die Geistesgeschichte der Vergangenheit werden Sie besser verstehen.

Wo das System herkommt

Vieles davon beruht auf den Gedanken von Clare Graves und Ken Wilber. Die Erkenntnisse dieser amerikanischen Wissenschaftler ihrerseits haben ihren Ursprung in der Arbeit vieler Denker. Seit Jahrhunderten hat es innovative Frauen und Männer gegeben, die weit in die Zukunft geblickt und die Entdeckungen von Graves und Wilber vorbereitet haben.
Clare Graves (1914-1986) war ein US-amerikanischer Professor für Psychologie und begründete die »Ebenentheorie« der Persönlichkeitsentwicklung. Er selbst nannte sie »Theorie der zyklisch auftauchenden Existenzebenen« (Emergent Cyclical Levels of Existence Theory, kurz ECLET). Von 1952 bis 1959 befragte er mit einer von ihm entwickelten psychometrischen Methode vor allem Studenten aus allen Kulturkreisen. Er entdeckte dabei, dass sich deren Wertsysteme und Grundüberzeugungen in typische Gruppen zusammenfassen lassen, die aufeinander aufbauen. Er nannte diese Bewusstseinsebenen »level«, was gewöhnlich mit »Stufen« übersetzt wird.
Als wir das erste Mal von dieser Theorie hörten, waren wir als Theologen wie elektrisiert. Denn Graves stellte bei seinen sozialpsychologischen Forschungen ganz nebenbei fest, dass sich auch die Gottesvorstellungen nach festen, vorhersagbaren Mustern verändern. Wenn jemand »Gott« sagt, müsste er eigentlich dazu die Stufe seiner Entwicklung nennen, sozusagen die Versionsnummer seines Gottesbegriffs. Dann stellt sich beispielsweise heraus, dass orthodoxe Juden, konservative Katholiken oder traditionelle Moslems meistens Gott 4.0 meinen, wenn sie von ihm sprechen. Protestanten verstehen unter Gott eher Gott 5.0, wobei es auch Kreise gibt, die zurück zu Gott 4.0 tendieren. Die meisten engagierten Christen dagegen meinen mit Gott die Version 6.0 - und werden von ihren Bischöfen und anderen 4.0-Anhängern permanent missverstanden.

Was Sie davon haben

Wir sind, je länger wir uns damit beschäftigen, umso überzeugter, dass diese Einsicht unseren Glauben revolutionieren kann. Ja, möglicherweise sogar unsere Gesellschaft. Mit Graves’ Modell lassen sich bei vielen festgefahrenen Diskussionen und ideologischen Grabenkämpfen die Blockierungen leichter benennen - und dadurch hoffentlich auch lösen.
Bisher hat noch kein Theologe das Ebenenmodell von Graves für Kirche und Spiritualität nutzbar gemacht. Das macht die Sache reizvoll, weil es ein neuer Blick auf die Wirklichkeit ist. Sie können bei anderen Menschen, denen Sie davon berichten möchten, vermutlich nichts voraussetzen. In Diskussionen zu diesem Thema werden Sie also immer ein wenig ausholen müssen, so wie wir das mit diesem Buch auch tun.
Sie werden am Beginn dieses Buchs ein Schema lernen, mit dem Sie die einzelnen Bewusstseinsstufen schnell benennen können: neun Farben, die sich noch leichter merken lassen als die Zahlenbezeichnungen Gott 1.0 bis Gott 9.0. Diese Farben haben zwei Schüler von Clare Graves eingeführt, Don Beck und Christopher Cowan. Sie verwenden das Schema in der Unternehmens- und Organisationsberatung und haben es »Spiral Dynamics« genannt. Unter diesem Namen wird es Ihnen vielleicht ab und zu begegnen.

Die Software unseres Bewusstseins

Bei jedem Übergang (oder Update), etwa von Gott 5.0 zu Gott 6.0, ändert sich, so würde man das mit technischen Begriffen sagen, das gesellschaftliche Betriebssystem. Ganz ähnlich wie bei den verschiedenen Windows-Versionen machen längst nicht alle Menschen das Upgrade sofort mit, sobald es angeboten wird. Einige springen zwar sofort auf, die meisten aber warten erst einmal ab, ob es sich bewährt. Irgendwann ist die Mehrheit umgestiegen, aber einige wollen sich nicht umstellen und halten gewohnheitsmäßig am alten fest, weil es ihren Bedürfnissen genügt. Das geht durchaus eine Zeit lang gut. Unangenehm spürbar wird das erst, wenn Ihnen jemand eine Textdatei von Word 2010 schickt, das Ihr altes Word von 1993 nicht mehr lesen kann. Dann merken Sie, dass Sie Ihre Software allmählich auf den neuesten Stand bringen sollten. Ähnlich ist es bei den Bewusstseinsstufen von Menschen und Gesellschaften.
Es gibt allerdings ein paar signifikante Unterschiede. Bei einem Computer können Sie auch einmal eine Softwaregeneration überspringen. Bei den Bewusstseinsstufen geht das nicht. Nach Gott 4.0 müssen Sie sich zu Gott 5.0 weiterentwickeln. Sie werden sehen, dass viele Menschen gern direkt zu 6.0 upgraden möchten und dass das ein Grund ist für die vielen Unstimmigkeiten in Glaube, Theologie, Kirche und Gesellschaft.

Verschiedene Systeme nebeneinander

Ein weiterer Unterschied betrifft die Komplexität unseres Bewusstseins. Ein Computer erhält stets als Ganzer ein neues Betriebssystem. Das menschliche Bewusstsein dagegen besteht aus mehreren Bereichen, die unterschiedlichen Bewusstseinsstufen angehören können. So kommt es durchaus vor, dass Menschen ein Glaubenssystem mit Gott 4.0 haben, im Berufsleben reibungslos in 5.0 funktionieren, in Partnerschaft und Freundeskreis aber ist für sie bereits 6.0 Standard. Und wenn sie am Wochenende ein Sportstadion besuchen, erfreuen sie sich im Betriebssystem 3.0. Wir werden dieses Phänomen, das der Philosoph Ken Wilber beschrieben hat, »Entwicklungslinien« nennen: Stellen Sie sich Ihr Bewusstsein vor wie verschieden hohe Türme, die unterschiedlich weit in die Bewusstseinsstufen hineinreichen.

Die Betriebszustände des Bewusstseins

Es gibt noch eine Differenzierung, die vor allem den Gottesbegriff betrifft. Als Vergleich kann wieder ein moderner PC gelten, am besten ein Laptop. Der hat verschiedene Betriebszustände: Wenn Sie ihn an eine Steckdose anschließen, läuft er im Normalmodus. Arbeiten Sie unterwegs mit dem Akku, schaltet das Gerät in den Energiesparmodus. Wollen Sie das Ding ausschalten, ist das gar nicht so einfach. Sie müssen sich entscheiden zwischen einem »Ruhezustand«, einem Stand-by-Modus und dem kompletten »Herunterfahren«. Und selbst dann sind bestimmte Funktionen noch in Betrieb - die Uhr läuft weiter, oder Netzwerkanschlüsse werden noch weiter versorgt.
Auch Sie als Mensch leben in verschiedenen Modi. Während Sie diese Zeilen lesen, sind Sie (hoffentlich) im Wachzustand. Wenn Sie abends zu Bett gehen, fallen Sie nach einiger Zeit in den Schlafzustand. Viele Körperfunktionen sind dann gleichsam im Energiesparmodus, andere aber sind noch in Betrieb: Atmung, Herz, Kreislauf, der Gehörsinn, auch Ihr Gehirn ist keineswegs abgeschaltet. Ja, es vollbringt während des Träumens sogar Leistungen, zu denen es im Wachzustand gar nicht fähig wäre.
Die Kenntnis und Unterscheidung der unterschiedlich tiefen spirituellen »Zustände« gehört zum Kerngeschäft aller Religionen. Deswegen haben wir dem Phänomen dieser meditativen Zustände ein Extrakapitel gewidmet.

Stufen und Typen

Als Computernutzer oder -nutzerin wissen Sie, dass es viele verschiedene PC-Hersteller und PC-Arten gibt, und dass das so gut wie keinen Einfluss hat auf die Software, die darauf läuft.
Vergleichbar ist das mit den verschiedenen Typen von Menschen: Es gibt Männer und Frauen, Alte und Junge, hochgebildete und sehr schlichte Gemüter, Europäer und Afrikaner, Asiaten und Amerikaner. Nach verschiedensten Rastern lassen sich Persönlichkeitstypen aufteilen: C. G. Jungs Archetypen, Riemanns Grundformen der Angst, das DISG-Schema, der Myers-Briggs-Typenindikator oder das Enneagramm. Braucht es da wirklich noch ein weiteres Stufenmodell? Und wenn ja, wie hängen Typen und Stufen zusammen?
Wir drei haben uns über 20 Jahre lang mit den neun Enneagrammtypen beschäftigt und uns immer wieder gefragt: Warum zeigen mehrere Personen des eindeutig gleichen Enneagrammtyps so deutliche Unterschiede in ihren Weltbildern und Reifegraden? Warum erlebten manche von ihnen innere Umbrüche und hatten danach das Gefühl, auf einem völlig neuen Bewusstseinsfeld angekommen zu sein? Warum erlebten andere nichts dergleichen? Mit Hilfe von Graves’ Bewusstseinsstufen haben wir das Rätsel endlich lösen können: Die einen erlebten eine Wanderung durch mehrere Stufen, während die anderen innerhalb einer Stufe zu höherer innerer Reife fanden.
Alle neun Enneagramm-Muster kommen auf jeder der sechs, sieben oder mehr Bewusstseinsstufen vor. Das jeweilige Muster bleibt auch bei einem Stufenwechsel erhalten. Ein harmoniebedürftiger Typ vom Muster NEUN kann sich mit seinem spirituellen Schwerpunkt auf der Ebene von Gott 2.0 befinden oder auf 6.0 und höher. Sein Persönlichkeitsmuster wird immer erkennbar bleiben. Sein Reifegrad aber, seine Integrationsfähigkeit und sein spirituelles Bewusstsein werden immer von der Stufe abhängen, in der er sich befindet. Entsprechend setzt sich eine NEUN auf der Stufe Gott 4.0 mit einem völlig anderen Gottesbild auseinander als eine NEUN auf der Stufe Gott 7.0 - und jeder dieser Menschen braucht psychologisch wie seelsorgerlich eine andere Begleitung!
Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Muster kann viel zur Persönlichkeitsentwicklung beitragen. Dieses Buch bietet ähnlich einschlagende Aha-Erlebnisse. Die neun vertikalen Stufen, die hier in Gott 9.0 beschrieben werden, sind die ideale Ergänzung zu den neun horizontalen Typmustern, die das Enneagramm vermittelt.

Schattenarbeit

In unserer Therapeuten- und Seelsorgearbeit haben wir gelernt, dass es ohne Schattenarbeit kein wirkliches persönliches und spirituelles Wachstum gibt. Mit Schatten sind die unbewussten Anteile einer Persönlichkeit gemeint, die man - ohne es anfangs zu bemerken - verleugnet, verdrängt und abspaltet. Man nimmt zum Beispiel Neid, Hochmut, Angst, Wut nicht mehr bewusst wahr, obwohl sie noch da sind. Andere aber bemerken das durchaus und reagieren mit Abwehr oder Kritik. Die Beziehung zu sich selbst und zu anderen wird durch den unbewussten Schatten belastet. Alles, was unterdrückt wird, kann sich auch zurückmelden als schmerzliches Körpersymptom. Ein körperlicher Leidensweg beginnt, dessen Ursache aber psychischer Natur ist.
Den Schatten aufzuspüren ist ein wesentlicher Beitrag zum eigenen Wohlergehen in körperlicher, seelischer und geistiger Hinsicht. Um den Schatten aufzudecken, muss man sich kritisch selbst betrachten und sich auseinandersetzen mit den problematischen Anteilen der eigenen Persönlichkeitsstruktur. Gute Techniken dafür sind Voice Dialogue, Enneagramm, Wertimagination oder Big-Mind-Prozess. Dort kann man sich seinen Vermeidungsstrategien, Abwehrmechanismen oder inneren Gegenspielern zuwenden und mit ihnen sprechen. Gerade bei Schattenarbeit sollte man darauf achten, sich eine seriöse und kompetente Begleitung zu suchen. Inzwischen gibt es auch einen psychotherapeutischen Ansatz, der alle Stufen berücksichtigt. Welche Art von Psychotherapie gerade angemessen ist, hängt dabei von der Entwicklungsstufe ab, auf der eine Störung aufgetaucht ist.2

Die Grenzen aller Vergleiche

Trotz aller Vergleiche mit Betriebssystemen und Versionsnummern ist natürlich klar: Wir Menschen sind keine Computer. Wir sind unendlich viel komplexer. Wir haben mehr Fragen als Antworten angesichts dieser widersprüchlichen Wirklichkeit. Und wir haben besonders viele Zweifel in Glaubensfragen. In diesem Buch aber werden Sie entdecken, dass Sie nicht nur zweifeln dürfen an Ihrem gegenwärtigen Glauben, sondern dass dieses Zweifeln eine ganz wesentliche, wunderbare Fähigkeit von Ihnen ist.
Zweifeln löst Sie heraus aus den Grenzen einer überholten Bewusstseinsstufe. Der Zweifel ist ein Indiz dafür, dass Sie die nächsthöhere Bewusstseinsstufe bereits anzieht wie ein Magnet. Der Mystiker Franz von Sales sprach davon, dass Gott selbst diese magnetische Anziehungskraft ist, die ein »Kraftfeld des Hinweggerissen-Werdens«3 erzeugt. Dieser wunderbare Magnetismus ermöglicht es Ihrem Bewusstsein, sich immer weiter aufzuschwingen - von Ihrer aktuellen Stufe bis hin zu Gott 9.0 und vielleicht darüber hinaus.
Laden Sie also bitte Ihren inneren Zweifler zur Lektüre ein. Sehen Sie in seiner Anwesenheit ein Indiz für Ihr spirituelles Interesse, weiter zu wachsen. Sind Sie neugierig geworden? Sehr gut, denn jetzt geht es los.
Stufen

- die Grundkonstruktion unseres Bewusstseins

Gottes Kommen kündigt sich darin an, dass wir fühlen: So darf ich nicht bleiben!
Friedrich Rittelmeyer, protestantischer Pfarrer und Gründer der Christengemeinschaft
Leben heißt, sich verändern. Vollkommen sein heißt, sich oft verändert haben.
Kardinal John Henry Newman
Das Land der Wahrheit kann ich nur erforschen, wenn ich meinenStandpunkt ändere.
Hans Urs von Balthasar, katholischer Theologe
Von diesem neuen Sein schreitet der Mensch weiter und geht über in ein anderes, neues Sein durch das Leiden, das heißt durch ein Anderswerden in ein besseres Sein, und von hier wiederum in ein anderes. Darum ist es wirklich so, dass der Mensch immer im Zustand des Entblößtseins ist, immer im Werden oder im Zustand der Möglichkeit.
Martin Luther
Am Morgen erwacht Peter vom leisen Wimmern des Babys. Er holt es zu seiner Frau ans Bett und schaut ein bisschen zu, wie die Kleine gestillt wird.
Als sich Peter an den Frühstückstisch setzt und in der Zeitung einen Bericht über indianische Schamanen überfliegt, ist er konfrontiert mit dem plötzlichen Wutausbruch seines dreijährigen Sohnes, der unbedingt Nudeln zum Frühstück will.
Unten vor dem Haus entdeckt Peter an seinem Auto einen Strafzettel der kommunalen Verkehrsüberwachung, weil er zwei Meter zu nah an der Kreuzung geparkt hat. In seiner Firma angekommen, nimmt Peter den ganzen Tag teil an einem internen Managementtraining zur Kostenreduzierung und Effizienzsteigerung seiner Abteilung, bei dem er die Analyseergebnisse kritisch kommentiert. Auf dem Rückweg besucht Peter noch rasch den Eine-Welt-Laden, wo er Biogemüse und Fair-Trade-Produkte kauft und eine Spende für ein Alphabetisierungsprojekt in Indien in eine Sammelbüchse wirft.
Am Abend, als die Kinder schlafen, liest Peter ein Buch über systemische Organisationsaufstellungen. Zum Abschluss des Tages schaut Peter auf seinem iPhone noch die Twitter-Streams an, die er abonniert hat: von einer amerikanischen Klimaforscherin, einem bretonischen Franziskaner in Indien und einem australischen Surflehrer.

Vom Leben in verschiedenen Bewusstseinsstufen

Wo war Peter eigentlich? Er erlebte einen für heutige Zeitgenossen ziemlich normalen Tagesablauf. Gleichzeitig streifte er, ohne sich dessen richtig bewusst zu sein, während weniger Stunden auch durch verschiedene unsichtbare innere Bewusstseinsgebiete und äußere sichtbare Lebensräume: Er begegnete nacheinander
• dem archaischen Bewusstseinsraum eines Babys,
• dem magischen Vorstellungsraum der Schamanen,
• dem egozentrischen Machtwillen seines kleinen Sohnes,
• dem polizeilichen Ordnungsdenken aufgrund verbindlicher Regeln,
• dem rationalen Denken und Gestalten einer modernen Leistungsgesellschaft,
• dem Bewusstsein und Handlungsraum sozialer Wärme und ökologischer Verantwortung,
• dem Interagieren mittels systemischer Prozesse und Verknüpfungen und
• dem integralen Bewusstseinskonzept auf der Basis globaler Vernetzung.
Diese menschlichen Bewusstseinsgebiete deutlich voneinander zu unterscheiden, gelang Entwicklungsforschern verschiedener Disziplinen erst in den letzten 50 Jahren. Sie stießen unabhängig voneinander auf verschiedene fortschreitende Grade menschlicher Entwicklung. Man fand eine Menge von Bezeichnungen dafür: Bewusstseinsstufen, Bedürfnispyramiden, Wertepyramiden, Erkenntnisfelder, Stufen des Glaubens, Entwicklungswellen, Reifestadien oder Wahrnehmungsebenen.
Der amerikanische Erkenntnistheoretiker Clare Graves konnte auf der Basis von jahrelangen sozialpsychologischen Studien nachweisen, dass weltweit und kulturübergreifend immer die gleichen typischen Entwicklungsstufen erscheinen. Sie bauen aufeinander auf und bilden Wertesysteme. Graves dynamisches Stufensystem wurde von seinen Schülern weiterentwickelt und findet sich heute vor allem unter der Bezeichnung »Spiral Dynamics«.
Graves hatte einen grundsätzlichen Zusammenhang erfasst: Zu bestimmten Werten passt stets eine bestimmte Kultur menschlicher Zusammenarbeit. Entsprechend verändern sich Führungsstruktur und Leitkultur in Familien, Gruppen, Stämmen, Gesellschaften und auch Unternehmen. Es geht also immer um das Zusammenleben »kultureller Institutionen«. Graves erkannte acht verschiedene Stufen, weitere postulierte er theoretisch.

Anpassung an neue Lebensbedingungen

Diese Stufen sind alles andere als eng oder statisch. Man stellt sie sich am besten als weiträumige Ebenen oder Räume vor, in denen ein ständiger Austausch stattfindet zwischen einem bestimmten Set aus Umweltbedingungen und einem damit konfrontierten sozialen Organismus. Dieser Organismus braucht passend ausgereifte körperliche wie geistige Bewältigungsmechanismen (»conditions for existence«), die ihm helfen, mit dieser Umgebung (»conditions of existence«) zurechtzukommen.
Ein Wissenschaftler, der ein halbes Jahr in einer Forschungsstation am Nordpol leben soll, muss psychisch wie physisch dieser Situation gewachsen sein und mit den notwendigen Ressourcen (Technik, Energieversorgung, Lebensmittel) ausgestattet werden. Ist er das, so kann er das Leben unter diesen Existenzbedingungen meistern. Das Gleiche gilt für ein sechsjähriges Kind, das in die Schule kommt. Es braucht passende Bewältigungsmechanismen, damit es sich unter den Bedingungen dieser Existenzebene zurechtfinden kann: Es muss sich sprachlich ausdrücken können, feinmotorisch fit sein, sich sozial verhalten und Regeln akzeptieren können. Darüber hinaus braucht es Stifte, Bücher, einen Lernraum und Lehrkräfte.
Jeder Wechsel von einer Stufe zur nächsten markiert ein Rettungsprogramm für die Spezies Mensch, ohne das sie nicht überlebt hätte. Es geht um eine Evolution des menschlichen Geistes. Dabei entwickeln sich neue Werte und neue Gewohnheiten. Das geht nicht schlagartig, sondern in einem dynamischen Anpassungsprozess an eine sich verändernde Umwelt. Neue Möglichkeiten werden sichtbar. Manche Menschen ergreifen sie schneller, andere brauchen sehr lange, um sich umzustellen. Wer mittendrin ist, spürt die Veränderungen kaum. Rückblickend aber wird klar, dass sich eine ganz neue Lebensform entwickelt hat, mit einem eigenen Mix aus Werten, Weltanschauungen, Denkweisen, Glaubensgebäuden, Organisationsprinzipien und Lebensstilen, der sie klar von den anderen unterscheidet.
Sobald man eine Stufe erreicht hat, stehen einem die neuen Wahrnehmungs- und Verstehensmöglichkeiten dauerhaft zur Verfügung. Etwa wie bei der Sprache: Wer sprechen gelernt hat, hat einen bleibenden Zugang zu dieser Form von Kommunikation. Er kann sein Sprachverständnis aber auch ausbauen. Er kann lernen, komplexer zu denken, sich immer differenzierter auszudrücken und dadurch weitere Entwicklungsstufen zu erschließen.

Test

Wenn Sie Lust haben, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt bei der Lektüre dieses Buchs, um einen Selbsttest zu machen: Auf welcher Stufe leben Sie momentan schwerpunktmäßig? Damit bekommen Sie einen guten Überblick über die Themen der Bewusstseinsstufen, über sich selbst und was beides miteinander zu tun hat.
Lesen Sie die folgenden 11 mal 7 Aussagen durch. Kreuzen Sie spontan an, wie sehr Sie der Aussage zustimmen:

Mein Beruf

1. Die Höhe der Bezahlung ist mir bei einem Beruf weniger wichtig. Hauptsache, meine Arbeit fördert das Wohl anderer und der gesamten Gesellschaft. 0 1 2 3
2. Für mich kommen nur Unternehmen infrage, die mir meine Freiheit lassen: dass ich frei kommen und gehen kann und nicht vorgeschrieben bekomme, was ich zu denken habe. 0 1 2 3
3. Ich lerne leidenschaftlich gerne und erkenne selbst, welche Informationen wie zusammenpassen. 0 1 2 3
4. Der für mich ideale Job ist eine Tätigkeit, bei der man mir meine Ruhe lässt und ich möglichst viel Geld verdienen kann. 0 1 2 3
5. Ich finde es wichtig, dass ein Unternehmen klare Grundsätze hat, an die sich jeder halten muss und die auch schriftlich vorliegen. 0 1 2 3
6. Im Beruf suche ich mir meine Nische, in der meine Fähigkeiten optimal zur Geltung kommen und gut bezahlt werden. 0 1 2 3
7. Eine Arbeitsgruppe in einer Firma braucht feste Rituale, damit alle wirklich zusammenhalten. 0 1 2 3

Mein Einkommen

8. Die Bezahlung eines Mitarbeiters sollte sich nach seinem Engagement für das Unternehmen ausrichten. Auch Mut zum Risiko sollte belohnt werden. 0 1 2 3
9. Materielle Dinge sind mir im Lauf meines Lebens immer weniger wichtig geworden. 0 1 2 3
10. Materielles ist mir durchaus wichtig, ja, es kann auf mich durchaus eine magische Wirkung ausüben. 0 1 2 3
11. Ich bin zutiefst überzeugt, dass es für mein eigenes Überleben und das Wohlergehen meiner Familie immer ausreichend Mittel geben wird. 0 1 2 3
12. Die Armut in der Gesellschaft muss besiegt werden. Dafür bin ich auch bereit, deutlich weniger zu verdienen. 0 1 2 3
13. Ich finde es in Ordnung, wenn der Stärkere oder Schnellere mehr verdient als der Schwächere oder Langsamere. 0 1 2 3
14. Ich würde niemals meine Ideale verraten, nur um beruflich weiterzukommen. Der Zweck heiligt nicht die Mittel. 0 1 2 3

Meine optimale Arbeitsumgebung

15. Es stört mich, wenn in einer Gruppe ein schlechter Geist herrscht, wenn Einzelne zu egoistisch sind und die Gemeinschaft nicht mehr im Blick haben. 0 1 2 3
16. Ich kann gut mit Menschen zusammenarbeiten, die eine ganz andere Persönlichkeitsstruktur haben als ich und die Ideologien anhängen, die mir völlig fremd sind. 0 1 2 3
17. Ich mag ein schlichtes, minimalistisches Umfeld, weil es mir hilft, zu maximaler innerer Weite zu finden. 0 1 2 3
18. Ich mache mir keine Illusionen: Im Berufsleben geht es in erster Linie um Macht, und wenn alle noch so lieb und kuschelig tun. 0 1 2 3
19. Ich mag ein dynamisches Umfeld, in dem Leistung belohnt wird und ein sportlich-fairer Wettkampfgeist herrscht. 0 1 2 3
20. Ich brauche um mich herum vor allem Menschen, die ehrlich sind, pünktlich und auf deren Zusagen ich mich verlassen kann. 0 1 2 3
21. Ich mag Teams, in denen einer stark auf den anderen angewiesen ist und wir uns im Notfall füreinander aufopfern würden. 0 1 2 3

Mein Verhalten in Krisen

22. Wenn ich gesundheitlich oder beruflich in einer ausweglos erscheinenden Situation bin, sage ich mir: Es lohnt sich immer, zu kämpfen! 0 1 2 3
23. Ich beuge Krisen vor, indem ich wie beim Schach ein paar Züge voraus denke und Strategien für alle möglichen Szenarien entwickle. 0 1 2 3
24. Bei großem Stress ziehe ich mich auf meine innere Ordnung zurück und werde dadurch ruhig. 0 1 2 3
25. In Krisen gelingt es mir, in Gedanken auf sehr große Höhe zu gehen und meine Schwierigkeiten im Verhältnis zu den wirklich großen Problemen des Lebens zu sehen. 0 1 2 3
26. Ich würde in einer schwierigen Situation auch mal zu einer Wahrsagerin oder einem Hellseher gehen, um Rat zu erhalten. 0 1 2 3
27. In persönlichen Krisensituationen suche ich Hilfe bei Therapeuten und den seelischen Beistand anderer. Ich finde es gut, dass es so viele Selbsthilfeorganisationen gibt. 0 1 2 3
28. In Krisensituationen kann ich mich auf eine andere Bewusstseinsebene begeben und fühle mich auf eine faszinierende Weise den Beschränkungen dieser Zeit und dieser Materie enthoben. 0 1 2 3

Meine Überzeugungen

29. Es gibt eine höhere Macht, die diese Welt regiert - nicht nur durch die Naturgesetze, sondern auch durch die Gesetze des Geistes. 0 1 2 3
30. Diese Welt ist ein elegant ausbalanciertes System, in dem unzählige Kräfte wie in einem riesigen Organismus dafür sorgen, dass das Leben auf der Erde weitergeht. 0 1 2 3
31. Ich glaube, dass diese Welt ein ziemlich chaotisches System ist, das uns noch viele Überraschungen bieten wird. 0 1 2 3
32. Unsere Gesellschaft und Wissenschaft hat die Kraft, für Fortschritt zu sorgen und die Zukunft zu gestalten. 0 1 2 3
33. Alles hängt mit allem zusammen. Solange es so viele Benachteiligte, Schwache und Ausgegrenzte gibt, kann eine Gesellschaft nicht gesund und glücklich werden. 0 1 2 3
34. Unsere Gesellschaft ist ein Dschungel, in dem nur die Stärksten und Listigsten überleben. 0 1 2 3
35. Ich glaube, dass die Seelen meiner Vorfahren noch in einer geheimnisvollen Weise anwesend sind und über mich wachen. 0 1 2 3

Meine typischen Verhaltensweisen

36. Ich halte mich daran: Das Einzige, worauf ich mich in dieser Welt wirklich verlassen kann, bin ich. 0 1 2 3
37. Ich denke gerne sehr langfristig, bin in den Entscheidungen des Alltags aber sehr flexibel und unideologisch. 0 1 2 3
38. Ich beachte für mich selbst hohe moralische Werte und erwarte, dass diese auch von anderen respektiert werden. 0 1 2 3
39. Ich kann mich aufrichtig freuen an dem Schönen, was dieses technische Zeitalter und diese Zivilisation an Errungenschaften zu bieten haben. 0 1 2 3
40. Ich kann in Gedanken aus meinem Alltag gleichsam nach oben fliegen und den Planeten Erde als Ganzes sehen. 0 1 2 3
41. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Gleichheit aller Menschen und die Bewahrung der Schöpfung sind mir wirkliche innere Anliegen und nicht nur angelernte Verhaltensweisen. 0 1 2 3
42. Ich versuche, mich den Rhythmen der Natur anzupassen: an den Wechsel der Jahreszeiten, den Menstruationszyklus, die Mondphasen. 0 1 2 3

Ein paar Marotten von mir

43. Wenn ich einen armen oder leidenden Menschen sehe, fühle ich mich ganz tief mit ihm verbunden und spüre einen starken Impuls, zu helfen. 0 1 2 3
44. Ich liebe Computerspiele, in denen ich einmal ganz ungeniert der starke Held sein darf. 0 1 2 3
45. Manchmal überkommt mich ein Gefühl des Glücks darüber, in einer Gesellschaft zu leben, in der Informationen frei verfügbar sind, ohne dass bestimmte Bücher verboten werden oder ich bespitzelt werde. 0 1 2 3
46. Ich halte mich prinzipiell an die Gesetze, auch in Kleinigkeiten: Ich warte selbst nachts an einer roten Ampel und schummle nicht bei der Steuer. 0 1 2 3
47. Ich bezeichne mich gerne als Weltbürger und empfinde mehr als andere eine brennende Liebe für diesen Planeten und seine Bewohner. 0 1 2 3
48. Wenn ich in einer Kirche oder auf einem öffentlichen Platz sehe, dass Menschen eine Statue an einer bestimmten Stelle anfassen (weil das vielleicht Glück bringt), tue ich das auch. Es kann ja nicht schaden. 0 1 2 3
49. Ich kann paradoxe Wahrheiten aushalten, aber ich gehe weg, wenn eine Gesellschaft, ein Unternehmen, eine Kirche oder sonst eine Gruppe nur an ihre eigenen Interessen denkt. 0 1 2 3

Ein paar negative Eigenschaften von mir

50. Ich bin mit Einzelpersonen und Gruppen auf der ganzen Welt vernetzt, über Internetforen und virtuelle Netzwerke, dabei bleiben die ganz normalen menschlichen Kontakte manchmal etwas auf der Strecke. 0 1 2 3
51. Ich erlebe meine Intuition als genauso kompetent wie meinen Verstand. Dadurch fühle ich mich anderen oft deutlich überlegen. 0 1 2 3
52. Es gab Situationen, in denen ich eine Konkurrentin oder einen Konkurrenten gnadenlos besiegt und mich tierisch darüber gefreut habe. 0 1 2 3
53. Über Ungerechtigkeiten kann ich mich sehr ereifern, bis hin zu Vorwürfen, die dann schon wieder ungerecht sind. 0 1 2 3
54. In Meetings ist es mir so wichtig, dass sich alle wohlfühlen und Platz für Gefühle ist, dass ich die eigentliche produktive Arbeit dabei schon mal aus den Augen verliere. 0 1 2 3
55. Ich habe große Schwierigkeiten mit Menschen, die nicht für sich selbst Verantwortung tragen wollen, sondern stets Hilfe von anderen oder vom Staat erwarten. 0 1 2 3
56. Wenn ich nachts allein zu Hause bin oder allein auf der Straße gehe, überfallen mich manchmal völlig irrationale Ängste. 0 1 2 3

Mein Glauben

57. Ich habe es erlebt, dass ich mit ausdauernden, aus tiefstem Herzen kommenden Gebeten die Realität verändern kann. 0 1 2 3
58. Ich fühle mich spirituell mit allen Menschen verbunden, auch mit denen aus anderen Religionen. 0 1 2 3
59. Tief in mir drin fühle ich mich mit meiner Kirche, meiner Heimat und meinen Landsleuten stark verbunden. 0 1 2 3
60. Ich mag Kraftplätze und heilige Orte und spüre, wie viel übersinnliche Energie in alten Ritualen steckt, auch in den Sakramenten. 0 1 2 3
61. Ich fühle mich mit dem Göttlichen so sehr verbunden, dass ich mich über alle Weltanschauungen, Religionen und Glaubenssysteme hinweg tief als Teil der Menschheitsseele empfinden kann. 0 1 2 3
62. Ich bin innerlich völlig angstfrei, meinen eigenen spirituellen Weg zu gehen, und erfasse die spirituelle Qualität religiöser Autoritäten, Weltanschauungen oder Ratgeber. 0 1 2 3
63. An Gott oder Glaubensvorstellungen zu zweifeln ist für mich kein Unglück, sondern eine wichtige Fähigkeit eines freien Menschen. 0 1 2 3

Meine religiöse Praxis

64. Vor Gott ist der Mensch prinzipiell allein. Er kann sich nicht herausreden auf »die Gesellschaft«. Was zählt, ist sein Gewissen. 0 1 2 3
65. Ich bin überzeugt, dass bei entsprechender Gestaltung eine Gemeinde möglich ist, in der alle gewinnen: ich, die Gesellschaft und die Umwelt. 0 1 2 3
66. Wirklicher Frieden zwischen Menschen, Völkern und Religionen fängt im alltäglichen liebevollen Umgang miteinander an, und ich will gerne meinen Beitrag dazu leisten. 0 1 2 3
67. Ich fühle mich in einer Kirchengemeinde nur wohl, wenn dort meine Fähigkeiten und meine Person angemessen respektiert werden. 0 1 2 3
68. Ich kann mich in Gottesdiensten und Versammlungen mit Menschen anderer Kulturen zutiefst verbunden fühlen, obwohl ich kein Wort ihrer Sprache verstehe. 0 1 2 3
69. In meiner Familie sorge ich dafür, dass keine bösen Geister Macht über uns bekommen. Und wenn keiner zusieht, bin ich manchmal schon ein wenig abergläubisch. 0 1 2 3
70. Unaufrichtigkeit und Betrug zahlen sich nie aus, auch wenn es oft so scheint, als wäre der Ehrliche der Dumme. 0 1 2 3

Meine Weltsicht

71. Auf der Basis von Wissenschaft, Vernunft und gesundem Menschenverstand lassen sich alle Dinge auch ohne Religion erklären. 0 1 2 3
72. Alle Menschen sollten die gleichen Ausgangschancen haben. Staat, Kirchen und Gesellschaft müssen für entsprechende Unterstützung der Schwachen sorgen. 0 1 2 3
73. Wer sich an Gottes Gebote hält, kann immer Gutes von Bösem unterscheiden und wird dafür in den Himmel kommen. 0 1 2 3
74. Alle Materie wird beeinflusst vom Geist und ist vom Geist durchdrungen. Religion und Naturwissenschaft stellen keine Gegensätze mehr dar. 0 1 2 3
75. Ich bin auf lebenslanges Lernen eingestellt und betrachte mein Leben als eine lange Reihe tiefgreifender Veränderungsprozesse meines Bewusstseins. 0 1 2 3
76. Die Welt ist das, was ich aus ihr mache. 0 1 2 3
77. Manchmal spüre ich, dass auch Tiere, Pflanzen oder Steine eine Seele haben. 0 1 2 3

Auswertung

Schreiben Sie in der folgenden Tabelle Ihr Ergebnis neben die Nummer der jeweiligen Frage, also 0, 1, 2 oder 3. Weil 77 Fragen eine ganze Menge sind, brauchen Sie zum Eintragen ein wenig Geduld. Aber es lohnt sich!
Zum Schluss zählen Sie die von Ihnen eingetragenen Zahlen in jeder Spalte zusammen und schreiben die jeweilige Summe in die leere letzte Zeile. Damit erhalten Sie für jede der sieben Farben einen Zahlenwert. Der mögliche Höchstwert pro Spalte ist 33, der niedrigste 0.
Wo dieser Wert am höchsten ist, ist Ihr Bewusstsein derzeit »zu Hause«. Die zweit- und dritthöchste Zahl ist ein Hinweis, wo Ihr Bewusstsein außerdem noch oder schon ist. Aber bitte nehmen Sie diesen Test als das, was er ist: als spielerische Orientierung, und als Motivation zum Weiterlesen. Denn nun erfahren Sie, was die Farben bedeuten und was es mit »Ihrer« Farbe (oder Ihren Farben) auf sich hat. Beim Test haben wir der Einfachheit halber die unterste Stufe (BEIGE) und die höchste Stufe (KORALLE) weggelassen.

Schnellüberblick

Clare Graves bezeichnete die Bewusstseinsstufen mit einem Buchstabencode (A-N, B-O, C-P usw.) und beschrieb sie mit dem Bild einer schwingenden, nach oben hin offenen Doppel-Helix. Damit wollte er darstellen, wie die Prozesse der Persönlichkeitsreifung und die Bedingungen kultureller Lebensräume ineinander greifen. Seine Schüler Don Beck und Christopher Cowan entwickelten Mitte der 1970er-Jahre einen leichter einprägsamen Farbcode, wandelten die Doppel-Helix in eine Spirale um und nannten das Modell »Spiral Dynamics«. Diesen Farbcode wollen wir hier übernehmen, weil er inzwischen recht gut eingeführt ist. Farben haben den Vorteil, dass sie ziemlich neutrale Bezeichnungen sind und sich gut merken lassen.

1. BEIGE: Instinkt und Überleben

Die erste Bewusstseinsstufe kennzeichnet den Übergang vom Tier zum Menschen, der vor etwa 100 000 Jahren begann. In BEIGE geht es um das nackte Überleben des Einzelnen. Wir spüren diese Stufe heute noch bei Lebensgefahr, Krankheit, Depression, Selbstmordgefährdung. Unter extremen Lebensbedingungen können Menschen auf diese Urstufe ihres Bewusstseins zurückfallen: bei Obdachlosigkeit, traumatisierenden Naturkatastrophen, Bürgerkrieg und Völkermord. BEIGE ist auch zu finden bei hilflosen Neugeborenen. Nahrung, Wasser, Wärme und Sicherheit haben oberste Priorität. Die Alternativen sind: Überleben oder Sterben - und ich will überleben.

2. PURPUR: Magier und Clan

Vor etwa 50 000 Jahren fingen Menschen an, sich in Clans und Stämmen zusammenzuschließen, um das Überleben zu sichern. Die Bewegung geht vom Ich zum Wir. Heilige Feste, Rituale und persönliche Passageriten (Pubertät, Hochzeit, Beerdigung) werden als Gruppenerlebnisse begangen. Der Ausschluss aus der Gruppe oder Familie ist die größte Bedrohung, vor der man sich schützen muss. Die Welt hat magische Züge: Es wimmelt von übersinnlichen Wesen, die Segen oder Fluch bringen können. Für Kinder ist das Stofftier lebendig. Erwachsene tragen Amulette, Glücksbringer, Piercings, Tatoos. Heilige Symbole und Sakramente dienen dem Zusammenhalt. In PURPUR gibt es gute und böse Geister, daher ist es wichtig, sich mit den guten zu verbünden.

3. ROT: Krieger und Eroberungen

In dieser Stufe löst sich das Individuum aus der magischen Einbettung in die Gruppe oder Familie. Kinder entwickeln erste Ich-Strukturen (Trotzphase). ROT hilft, sich zu wehren gegen Verführung, Abhängigkeit und Unterdrückung. Man entwickelt draufgängerisches Selbstbewusstsein und provozierende Ich-Stärke. Einzelne wagen kreative Aufbrüche. Ihr Freiheitsdrang hilft ihnen, sich mutig aus starren Traditionen zu befreien. Es gilt, Neuland zu erobern und Feinde zu schlagen. Bei Bedrohung reagiert ROT impulsiv mit körperlicher Gewalt. Die Mafia und viele Terrorgruppen sind ROTE Organisationen. ROT teilt die Welt ein in Starke und Schwache, daher ist es wichtig, zu den Starken zu gehören.

4. BLAU: König und heilige Ordnung

BLAU setzt Grenzen. Es definiert Regeln und Gesetze, schafft Ordnungen, beschreibt Werte und Tugenden. BLAU fällt Urteile über Richtig oder Falsch, verhängt Strafen. So entstehen Moralvorstellungen, sinnstiftende Traditionen, Kaisertum und Königreiche. Die mächtige ROTE Impulsivität wird eingedämmt und kontrolliert durch Gehorsam, Schuld und Scham. BLAU entwickelt Tugenden wie Treue, Fleiß, Pünktlichkeit, Ordnung und Höflichkeit. Die großen monotheistischen Weltreligionen entstehen und binden den Einzelnen in das große absolute Ganze ein. Auch den König, der nicht mehr selbstherrlicher Herrscher sein darf. Er hat ein höheres Gesetz über sich: Gott, ein heiliges Buch oder andere absolute Werte. Es gibt ein erlösendes Jenseits, das die moralisch Guten mit ewigem Leben belohnt. In BLAU gibt es Heilige und auf ewig verdammte Sünder, darum sollte man Gutes tun.

5. ORANGE: Unternehmergeist und Erfolg

Nach vielen Jahrhunderten Konzentration aufs Jenseits beginnt die Menschheit auf der ORANGEN Bewusstseinsstufe, das Diesseits zu erforschen. Aufklärung und Moderne schaffen einen neuen Menschentyp: den ich-bewussten, forschenden und alles hinterfragenden mündigen Bürger. Moderne Staaten, das Finanzsystem und Industrien bilden sich. Niemand muss mehr an Gott glauben. Um die Weltdeutung kümmert sich die Wissenschaft. Es regieren nicht mehr feudale Aufpasser, sondern Wettbewerb und Markt. ORANGE schafft Gewinner und Verlierer - ich strenge mich an, um zu den Gewinnern zu gehören.

6. GRÜN: Gleichheit und Gemeinschaft

Als in den Weltkriegen Materialismus und Leistungsdenken auf schreckliche Weise an ihre Grenzen stoßen, wird der Ruf laut nach mehr Wir-Gefühl und Menschlichkeit. Nach dem Äußeren wird jetzt das Innere erforscht. Die Psychologie wird die neue GRÜNE Leitwissenschaft. Alle Menschen sind gleich, Minderheiten und Benachteiligte werden gewürdigt und integriert. Auch Mann und Frau sind gleichberechtigt. Die Erde darf nicht länger ausgebeutet werden. Entscheidungen müssen auf Konsens beruhen, was wegen Dauerdiskussion zu Stillstand führen kann. Auch wenn in GRÜN alle Menschen gleich sind - es unterscheidet zwischen sensiblen, bewussten Menschen und unsensiblen, unbewussten.

7. GELB: Geist und Gestaltungsraum

Der GRÜNE Traum von der Gleichheit hat auch seine Tücken: Die besonders Fleißigen und Pfiffigen fühlen sich eingeschränkt, weil sie immer mehr Rücksicht nehmen sollen auf die Benachteiligten. Das führt zu einer neuen Sehnsucht nach Freiheit und Selbstverantwortung. Wieder machen sich Einzelne auf und durchbrechen die bisherigen Tabus. Sie nutzen vor allem das Internet auf ständig neue, überraschende Weise. Sie sind wendig, pfeifen auf materielle Symbole, vernetzen sich international und verstehen - als die erste aller Bewusstseinsstufen - die Entwicklung dieser Bewusstseinsstufen. Das neue GELBE Bewusstsein hält Paradoxien aus. Für GELB ist die menschliche Gesellschaft ein großartiger, chaotischer Organismus, der sich natürlich und fließend weiterentwickelt. Wissen und Kompetenz haben Vorrang vor Macht, Status, Besitz oder Gruppeninteressen. Man bevorzugt flexible Arbeitszeiten und persönliche Unabhängigkeit, ist aber emotional eng verbunden mit seiner Arbeit. GELB kann innere Widersprüche und gegensätzliche Positionen in einem höheren Dritten vereinen.

8. TÜRKIS: Kooperation und Spiel

Danach wird eine neue Wir-Ära anbrechen, befördert von den GELBEN Individualisten. TÜRKIS handelt kooperativ wie GRÜN, lässt aber wie GELB Unterschiede und Gegensätze gelten. Für TÜRKIS ist die Welt ein elegant ausbalanciertes System ineinandergreifender Kräfte und Wellen. Alles ist mit allem verknüpft in lebendigem Zusammenspiel, auch Gefühl und Wissen. Globale Vernetzung ist selbstverständlich, die positiven Kräfte aller Bewusstseinsstufen
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