Großangriff auf Grah - Jo Zybell - E-Book

Großangriff auf Grah E-Book

Jo Zybell

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Beschreibung

Der Bitwar-Zyklus präsentiert einen neuen Abschnitt im Leben des Sternenabenteurers Ren Dhark: Die Suche nach den großen Geheimnissen geht jetzt erst richtig los! Drei Jahre lang hat die Menschheit in Frieden gelebt. Ren Dhark ist nicht länger Commander der Planeten. Mit seinem hochentwickelten Raumschiff POINT OF kann er endlich darangehen, seinen Lebenstraum zu verwirklichen und die Geheimnisse des Universums zu erforschen. Doch dann macht ihm ein Großangriff auf Grah einen dicken Strich durch die Rechnung.

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Sammlungen



Ren Dhark

Bitwar-Zyklus

 

Band 1

Großangriff auf Grah

 

von

 

Werner K. Giesa

(Kapitel 1 bis 3, 5, 7)

 

Uwe Helmut Grave

(Kapitel 9, 11, 12, 14, 15)

 

Conrad Shepherd

(Kapitel 16 bis 20)

 

Jo Zybell

(Kapitel 4, 6, 8, 10, 13)

 

und

 

Hajo F. Breuer

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

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Impressum

Prolog

Auf der Erde schreibt man den Mai des Jahres 2062. Nur elf Jahre ist es her, daß Ren Dhark mit dem Kolonistenraumer GALAXIS ins All aufbrach und auf dem fernen Planeten Hope den Ringraumer POINT OF entdeckte, jenes unvollendete Superraumschiff eines geheimnisvollen, vor tausend Jahren von der galaktischen Bühne verschwundenen Fremdvolkes, das schon bald den Namen »Mysterious« weghatte.

Es gelang Dhark und seinen Begleitern, das begonnene Werk zu vollenden und die POINT OF ins All zu bringen. Für die Menschheit war eine neue Epoche angebrochen: Sie schloß Kontakt mit vielen Fremdvölkern im All und begann mit dem Aufbau eines eigenen, noch sehr bescheidenen Sternenreiches. Überall stieß man auf Hinterlassenschaften der Mysterious und machte sie sich nützlich, vor allem die zahlreichen noch funktionsfähigen, herrenlosen Ringraumer

Doch die Milchstraße schien dem Untergang geweiht, denn Ren Dhark entdeckte, weshalb die Mysterious vor tausend Jahren die Galaxis so fluchtartig verlassen hatten: In dem verzweifelten Bemühen, einem fast schon verlorenen Krieg doch noch die Wende zu geben, hatten sie das gigantische Schwarze Loch im Zentrum der Sterneninsel manipuliert. Aber diese Manipulation war außer Kontrolle geraten und drohte nun, den Untergang der Milchstraße zu verursachen.

Nur mit Hilfe der Rahim, Para-Monstren aus einem anderen Universum, war es möglich, hinter den Ereignishorizont des entarteten Schwarzen Loches zu gelangen und dort lange genug zu überleben, um die Manipulationen der Mysterious rückgängig zu machen. Fast hätte Ren Dhark die Rettung der Galaxis nicht überlebt, denn die Rahim waren durch die Auswirkungen ihres Aufenthaltes am Schwarzen Loch wahnsinnig geworden und griffen die Menschen an.

Hilfe im letzten Augenblick brachte ein geheimnisvoller Mann, der auf den ersten Blick wie ein normaler Terraner aussah und sich »Jim Smith« nannte. Doch er offenbarte sich Ren Dhark als Worgun – als Angehöriger jenes Volkes, das die Menschen bisher nur als »Mysterious« kannten! Und Dhark, der in jenen Geheimnisvollen bisher fast so etwas wie Götter gesehen hatte, mußte erkennen, daß die Worgun ein geschlagenes Volk waren.

Sie, die seit einer Million Jahre die Sterne bereisten und deren biologische Experimente auch zur Entwicklung der Menschheit geführt hatten, waren in ihrer Heimatgalaxis Orn ein versklavtes Volk, das in einem mehr als tausendjährigen Krieg gegen das Insektenvolk der Zyzzkt eine totale Niederlage erlitten hatte. »Jim Smith«, der in Wirklichkeit Gisol hieß, war der letzte freie Worgun.

Auf der Suche nach Hilfe war er in die Milchstraße gekommen. Den unterworfenen Worgun war es sogar bei Strafe verboten, ihre natürliche Fähigkeit des Gestaltwandelns zu nutzen. Sie wagten es nicht länger, sich gegen ihre Unterdrücker zu erheben, obwohl die mittlerweile wie die Heuschrecken über jeden Planeten Orns herfielen, auf dem Leben möglich war. Ren Dhark stellte eine Expeditionsflotte aus zehn Ringraumern zusammen und überwand die unvorstellbar weite Entfernung von rund zehn Millionen Lichtjahren bis Orn.

Dort stellte er fest, daß es doch noch eine Insel des Widerstands gab: In einer besonders gesicherten Gaswolke, in der jeder Zyzzkt, der sich hineinwagte, unweigerlich starb, lebte das Volk von Terra Nostra: die Nachfahren römischer Legionäre und ihres Trosses, die vor mehr als 2000 Jahren von den Worgun hierher gebracht worden waren. Unter Anleitung der genialen Worgun Margun und Sola, die unerkannt unter ihnen weilten, hatten die Römer die Technik der Worgun vervollkommnet und wären durchaus in der Lage gewesen, die Kampfflotten der Zyzzkt zu besiegen.

Allerdings fehlte ihnen das zum Betrieb der Raumschiffe unabdingbar notwendige Tofirit. Dieses exotische Superschwermetall, ein »Abfallprodukt« Schwarzer Löcher, war in Orn extrem selten geworden. Nachdem Ren Dhark mit eigenen Augen gesehen hatte, wie grausam die Zyzzkt in Orn regierten, überließ er den Menschen von Terra Nostra die Daten, die er und sein Team hinter dem Ereignishorizont des Schwarzen Loches im Zentrum unserer Milchstraße gewonnen hatten.

Mit Hilfe dieser Daten war es möglich, ein kleines Schwarzes Loch derart zu manipulieren, daß es Tofirit in beinahe beliebiger Menge erzeugte. Endlich war es möglich, den Kampf gegen die Zyzzkt aufzunehmen – gerade noch rechtzeitig, denn die hatten schon eine gigantische Invasionsflotte aufgestellt, um nach Orn nun die anderen Galaxien zu erobern, in denen einst die Worgun geherrscht hatten: Andromeda und die Milchstraße.

Während seines Aufenthaltes in Orn erfuhr Ren Dhark mehr über die Worgun, als ihm lieb war: Die Gestaltwandler, die fast spielerisch ganze Sonnensysteme manipuliert hatten, waren eigentlich ein sehr träges, nicht besonders innovatives Volk. Ihren hohen technischen Standard hatten sie nur der Tatsache zu verdanken, daß sie rund eine Million Jahre lang unbedrängt den Weltraum befahren und ihre Technologie langsam weiterentwickelt hatten. Als die dynamischen Zyzzkt auftraten und sie angriffen, zerfiel ihr einst mächtiges Imperium in wenigen Jahrhunderten.

So wie die Menschheit durch gezielte Eingriffe der Worgun entstand, so sind die Worgun höchstwahrscheinlich dereinst durch Manipulationen eines geheimnisvollen goldenen Volkes erschaffen worden. Doch die »Balduren«, wie man die Goldenen nannte, gehörten für die meisten Worgun ins Reich der Mythen und der Phantasie. Trotzdem schmückten sie viele ihrer Planeten mit gigantischen goldenen Statuen.

Ren Dhark hatte den starken Verdacht, daß ihm die befreiten Worgun längst nicht alles gesagt hatten, was es über die Balduren zu sagen gab. Dieser Verdacht verstärkte sich noch, als er auf dem Rückflug in die Milchstraße einem goldenen Planeten begegnete, der Orn in hohem Tempo anflog. Eine Verfolgung stellte sich als sinnlos heraus, denn die Flugleistungen des Planeten waren der jedes bekannten Raumschiffs haushoch überlegen. Ren Dhark kehrte heim in die Milchstraße – und mußte feststellen, daß ihm der Rückweg nach Orn versperrt war.

Seitdem sind drei Jahre vergangen…

1.

Alarmstart für die POINT OF!

Von Cent Field, dem größten Raumhafen Terras, hob der 180 Meter durchmessende Ringraumer ab und beschleunigte mit Höchstwerten, jagte dem Weltraum über der Erde entgegen. Der hochgewachsene Mann mit den markant geprägten Gesichtszügen und dem weißblonden Haar erhob sich aus dem Kommandosessel vor dem Steuerpult und winkte einem Fähnrich zu. Ren Dhark war für solche Aktionen bekannt. »Berüchtigt« hätte es auch getroffen.

»Übernehmen, Azhari«, schnarrte er.

»Commander…«

»Sofort! Bringen Sie uns ’raus!« Er wandte sich bereits der Bordsprechverbindung zu. »Zentrale an WS-West und WS-Ost. Volle Feuerbereitschaft, deSoto und Häkkinen!«

»Feuerbereit, alle Antennen auf Nadel, vier Wuchtkanonen Kaliber fünf Zentimeter geladen«, bestätigte Haiko Häkkinen aus der Waffensteuerung West. Sekunden später meldete auch Mario deSoto aus der zweiten Waffensteuerung Vollzug und hatte die anderen vier Kanonen feuerbereit.

Der kraushaarige Ahmad Azhari hatte sich derweil in den Kommandosessel geschwungen. Der junge Mann beugte sich leicht vor. Seine Fingerkuppen lagen auf den Steuerschaltern, um sie blitzschnell in neue Positionen bringen zu können.

Er rief die Flugdaten und Beschleunigungswerte ab. Dafür benutzte er die Gedankensteuerung, als hätte er zeitlebens nie etwas anderes getan.

»WS-Ost«, machte sich Fähnrich deSoto über die Bordverständigung bemerkbar. »Hinter dem Loch ist ein Handelsraumer im Weg! Abschießen, Commander?«

»Nein!« kam es von Dhark und Azhari zugleich.

Dan Riker, der neben dem Commander stand, verkniff sich ein Lächeln.

Immer schneller werdend, jagte die POINT OF dem planetaren Schutzschirm entgegen, der Terra umgab. Das »Loch«, das deSoto erwähnt hatte, war eine kleine Öffnung, die im Moment des Durchflugs freigeschaltet werden würde, um sich danach wieder zu schließen. Terra legte großen Wert auf Sicherheit!

Hinter der Öffnung trieb ein Handelsraumer, der auf seine eigene Freischaltung wartete.

»Ist der lebensmüde?« raunte der Fähnrich, der vorübergehend zum Kommandanten und Piloten des Ringraumers geworden war. »Der muß uns doch orten! Warum fliegt er nicht aus dem Weg?«

»Durchflug!«

Die Lücke entstand. Mit halber Lichtgeschwindigkeit raste die POINT OF präzise durch die Öffnung, die gerade genug Platz für den Ringraumer und seine hochgeschalteten Intervallfelder bot.

Distanz zum Handelsraumer vier Lichtsekunden!

Fähnrich Azharis Hände brachten Steuerschalter in andere Positionen.

SLE aus!

Jäh erlosch der Brennkreis, der von 23 fußballgroßen Flächenprojektoren an der Innenseite der Ringröhre erzeugt wurde.

Eine Lichtsekunde!

Null – und im gleichen Moment durchflog die POINT OF im Schutz ihrer beiden Intervallfelder den Handelsraumer, als sei er nicht existent! War er auch nicht, weil die Intervalle ein künstliches Mini-Kontinuum erzeugten, das die POINT OF vom Normaluniversum abschottete.

SLE wieder ein!

Der Brennkreis existierte wieder und emittierte seine Energie, zog sich dabei weiter zusammen und wurde Sekunden später zum Brennpunkt. Im gleichen Moment war die POINT OF auch schon überlichtschnell geworden und beschleunigte immer noch weiter.

»Ablösung«, forderte Dhark. »Falluta, Sie übernehmen. Waffensteuerungen weiter klar zum Gefecht.«

Auf Azharis Stirn bildete sich ein dünner Schweißfilm, als er seinen Sessel wieder räumte und der Erste Offizier Platz nahm. Mittlerweile flog der Ringraumer mit dreifacher Überlichtgeschwindigkeit und beschleunigte rasch weiter.

»Warum keine Transition, Sir?« fragte jemand.

»Können Sie sich das nicht denken, Fähnrich Gaultier?« gab Falluta zurück. »Unser Flugziel liegt eine Lichtminute jenseits der Plutobahn! Also…?«

»Also lohnt sich eine Transition nicht«, murmelte Jean Gaultier.

»Begründung?« mischte sich Dan Riker ein.

»Ist das hier ein Alarmflug oder ein Kreuzverhör, Sir?« keuchte Gaultier.

»Antworten Sie, Fähnrich«, zeigte sich Riker von der kalten Seite.

»Zu hoher Energieverbrauch… und die Gefügeerschütterung.«

»Richtig«, sagte Riker. »Sie wäre leicht anzumessen, und wer uns jenseits des Pluto erwartet, wäre frühzeitig gewarnt. Daß wir mit Überlicht herankommen, damit rechnet er nicht.«

Der Asteroidengürtel lag bereits weit hinter ihnen, die Geschwindigkeit erreichte bereits einen Faktor von 50 ÜL.

»Gaultier, Sie übernehmen«, verlangte Hen Falluta und machte den Kommandosessel wieder frei.

Etwas zögernd nahm Gaultier seinen Platz ein. An Dan Rikers Kinn hatte sich ein kleiner, roter Fleck gebildet, der auf seine Erregung hinwies.

Aus der WS-West meldete sich Fähnrich Häkkinen. »Mit was für einem Objekt haben wir zu rechnen?«

»Objekt unidentifiziert«, sagte Dhark.

»Dann sollten wir auch die Wuchtkanonen in Bereitschaft nehmen, wie?« Der Finne klang etwas zu lässig, trotz des lockeren Tons, der an Bord üblich war.

»Sind in Bereitschaft, wie die beiden WS schon meldeten«, erinnerte Dhark. »Feuereröffnung nur auf Befehl.«

»Erreichen Plutobahn in zwei Minuten«, meldete Gaultier. »Abbremsen?«

»Ihre Entscheidung, Fähnrich. Sie haben das Kommando.«

»Bei allem Respekt, Commander, wie soll ich Entscheidungen treffen, wenn ich nicht weiß, womit wir es zu tun bekommen?«

»Glauben Sie, ich wüßte mehr?« Der etwa 33jährige Eigner des Ringraumers lachte unfroh auf. »Wir wissen nur, daß die Systemüberwachung die Rematerialisierung eines unbekannten Flugobjekts angemessen hat. Die Koordinaten des Wiedereintritts aus dem Hyperraum fliegen wir gerade an.«

Gaultier atmete tief durch. In der Flotte erzählte man sich die haarsträubendsten Geschichten über Einsätze der POINT OF. Oft genug sollte Commander Dhark Brennpunkte angeflogen haben, ohne vorher zu wissen, was auf ihn und seine Besatzung wartete. War es diesmal auch wieder so?

Der Fähnrich war nicht sicher, ob er froh darüber sein sollte, an einer solchen Aktion teilzunehmen. Auch Besatzungsmitglieder der POINT OF waren nicht unsterblich!

Hoffentlich reagierten die beiden Waffensteuerungen schnell genug, wenn es nötig wurde!

Noch eine Minute bis zur Plutobahn…

Da endlich ging Gaultier auf Negativbeschleunigung. Mit fast unglaublichen Werten wurde der Ringraumer abgebremst. Die Geräuschkulisse im Schiff veränderte sich dabei nicht; Beharrungskräfte waren nicht spürbar. Nur die Instrumente verrieten die ungeheure Belastung. Die Massekontrolle, die verhinderte, daß der Raumer beim Überschreiten der Lichtgeschwindigkeit in Energie umgewandelt wurde, neutralisierte auch die Wirkung von Flieh- und Beharrungskräften.

Der Stop war perfekt. Die POINT OF kam 30 Lichtsekunden von den Koordinaten entfernt zum Stillstand, die das Ziel definierten, ein Objekt, das genau hier aus der Langstreckentransition gekommen war.

»Ortung an Zentrale«, kam die Meldung. »Da ist – nichts!«

*

»Perfekt«, sagte Ren Dhark. »Zentrale an alle Stationen. Alarmzustand beendet. Die Damen und Herren Fähnriche bitte unverzüglich in die Offiziersmesse.«

Gaultier schwenkte mit dem Kommandosessel herum. Etwas fassungslos sah er Dhark an. »Das… das war nur eine Übung?«

Der weißblonde, athletische Commander nickte.

»Übergebe das Kommando«, sagte Gaultier, sah sich einen Augenblick lang um, und sein Blick blieb am Ersten Offizier haften, »… an Mister Falluta, Sir.«

»Warum an Falluta?« fragte Riker.

»Ich schätze, daß Mister Dhark, Sie und ein paar andere mit uns Fähnrichen Manöverkritik abhalten wollen.«

»Gut geschätzt«, sagte Riker. »Dann mal los. Hen, wir bleiben in Warteposition.«

Hen Falluta nickte.

Wenige Minuten später trafen sie sich in der Offiziersmesse: Ren Dhark, Dan und Anja Riker, Manu Tschobe, der Roboter Artus, der weibliche Cyborg Amy Stewart sowie drei weitere Cyborgs und zehn Fähnriche; die letztgenannten dreizehn Personen befanden sich zur Ausbildung an Bord.

Manu Tschobe, Arzt und Funkspezialist und während der Alarmübung Chef in der Funkzentrale, grinste still vor sich hin. Wieder einmal brachte er es nicht fertig, den Menschen ins Gesicht zu sehen, mit denen er sprach, als er sagte: »Kein Aas hat gemerkt, daß mein angeblich empfangener Funkspruch mit den Transitionskoordinaten des angeblichen Fremdobjekts eine satte Fälschung war. Einerseits war das gut, weil unsere Nachwuchshelden den Flug dadurch für einen echten Einsatz hielten, andererseits müssen wir das noch mal üben – die Verifizierung eingehender Funknachrichten…«

Einer der neuen Cyborgs sah Tschobe, dann Dhark stirnrunzelnd an. »Mit Verlaub, ich halte es für unverantwortlich, mit Raumneulingen zu einem eventuellen Kampfeinsatz zu starten.«

»Wenn es sich tatsächlich um einen echten Alarmfall gehandelt hätte, hätten Sie auf den Einsatz des am besten geeigneten Raumschiffs verzichtet?« fragte Dhark, der sich an den Namen des Cyborgs nicht erinnern konnte. Wie alle, trug er eine schmucklose Uniform ohne jede Namens- oder Rangbezeichnung. In der POINT OF konnte man darauf gern verzichten, erst recht, seit der Raumer nicht mehr zu den Einheiten der TF gehörte, sondern Privatbesitz des Commanders geworden war. Terra hatte ihm das Ringschiff zum Dank für seine Verdienste geschenkt. Damals, als er und die anderen aus der Galaxis Orn zurückgekehrt waren und einer völlig veränderten Situation gegenübergestanden hatten…

»Ich hätte keine unzureichend ausgebildeten TF-Angehörigen in Gefahr gebracht«, erklärte der Cyborg knapp.

»Es hat schon immer Einsätze dieser Art gegeben, und nicht nur die POINT OF hatte dabei Offiziersanwärter oder Rekruten an Bord. Man lernt nur aus Erfahrung«, sagte Dan Riker gelassen. »Manchmal muß man einfach ins kalte Wasser geworfen werden. Was mich erstaunt hat, war die Reaktion Fähnrich Azharis beim Durchfliegen des planetaren Schutzschirms.«

Azhari zuckte unwillkürlich zusammen.

»Sie hatten Anfangs Kontakt mit der Gedankensteuerung«, sagte Dhark. »Warum sind Sie nicht dabei geblieben, sondern haben den Intervalldurchflug manuell riskiert?«

»Es blieb nicht genug Zeit, da habe ich gehandelt«, versuchte Azhari sich zu rechtfertigen.

»Die Gedankensteuerung arbeitet auf jeden Fall immer schneller und präziser als der reaktionsschnellste Mensch und übertrifft dabei auch Cyborgs. Sie hätten die Gedankensteuerung ein Ausweichmanöver durchführen lassen können.«

»Aber die Fliehkräfte…«

»Sind durch die Massekontrolle irrelevant. Für Sie spricht allerdings, daß Sie während des Durchfliegens des Handelsraumers den SLE abschalteten, so daß der Brennkreis keine Schäden anrichten konnte.«

»Das hielt ich für selbstverständlich, Commander«, murmelte Azhari, der sich in seiner braunen Haut sichtlich unwohl fühlte. »Es blieb ja auch Zeit genug.«

»Um so mehr Zeit hätte die Gedankensteuerung für einen Ausweichkurs gehabt«, sagte Dhark. »Wenn sich durch die Berührung und den vorübergehenden Dematerialisierungseffekt des Intervallums ein paar Besatzungsangehörige des Handelsraumers über starke Kopf- und Gliederschmerzen beklagen wie nach einem verzögerten Transmitterdurchgang, können Sie sich das auf Ihre Fahne schreiben.«

»Ich werde beim nächsten Mal daran denken«, seufzte der junge Iraner und fügte hinzu: »Sofern ich überhaupt noch eine Chance bekomme.«

»Sie sind hier zur Ausbildung, nicht um rausgeschmissen zu werden«, grinste Dan Riker.

Auch die anderen Fähnriche und die Cyborgs wurden in die Manöverkritik einbezogen. Schließlich erhob sich Ren Dhark.

»Ich bin zufrieden mit Ihnen«, stellte er fest. »Manche Dinge kann man nur lernen, indem man Fehler macht, aber ich sehe, Sie begreifen, wo Sie Fehler begangen haben. Das ist gut. Ich habe selten eine Gruppe so guter Offiziersanwärter an Bord gehabt.«

»Oh«, vermerkte der Roboter Artus. »Das war aber ein ziemlich fettes Lob. Normalerweise ist Dhark mit solch euphorischen Äußerungen mehr als sparsam. Ihr könnt euch also was drauf einbilden.«

»Was versteht denn ein Roboter davon?« murrte der Cyborg, der vorhin als erster das Wort ergriffen hatte.

»Das habe ich gehört«, versetzte Artus. »Du hast dir gerade einen Minuspunkt in meiner Bewertung eingefangen.«

Dhark räusperte sich.

»Pardon, Dhark«, sagte Artus. »Mir war danach.«

Der Commander der POINT OF winkte ab. »Diese konspirative Versammlung«, er schmunzelte dabei, »ist beendet. Ich bin stolz auf Sie alle. Und weil diese Übung so gut geklappt hat, würde ich gern noch etwas damit weitermachen. Hat jemand Vorschläge für ein neues Übungsziel?«

»Wie wäre es mit Babylon?« meldete sich der Roboter prompt.

*

»Babylon?« fragte Dhark. »Warum ausgerechnet dieser Planet?«

Auch die anderen sahen den Roboter verblüfft an. Der Cyborg wollte etwas sagen, aber Artus, die etwas unheimlich wirkende Maschinenkonstruktion, die über eine echte Künstliche Intelligenz verfügte, sprach bereits weiter. Artus war als gewöhnlicher Großserienroboter vom Band gelaufen, eine häßliche, annähernd humanoide Stahlkonstruktion mit im Vergleich zum Torso dünnen, röhrenförmigen Armen und Beinen. Doch in seinem Kopf befand sich kein herkömmlicher Suprasensor, sondern ein Nexus aus 24 Cyborg-Programmgehirnen. Ein unbekannter Defekt in einem dieser 24 Bauteile hatte dafür gesorgt, daß in Artus eine echte Persönlichkeit erwacht war.

»Ich habe in Datenträgern vom Vitrinensaal gelesen, der sich im Inneren des Goldenen Menschen auf Babylon befindet«, sagte er. »Ist es nicht erstaunlich, daß der immer noch nicht genauer untersucht wurde?«

Dhark stutzte. Er erinnerte sich an die damaligen Ereignisse. Sie waren auf der Suche nach den Mysterious auf den Planeten Babylon gestoßen, eine Siedlungswelt der Geheimnisvollen, die verlassen war wie alles andere, was dieses Volk in der Milchstraße geschaffen hatte. Es gab den Goldenen Menschen mit seinem Vitrinensaal und der Gigant-Hyperfunkanlage. Sie hatten sich darin umgesehen, aber nicht weiter nachgeforscht.

Auch später nicht, als Babylon von Menschen besiedelt wurde, und auch nicht bei den Grako-Kämpfen, als der Mysterious John Brown auftauchte. Jener Geheimnisvolle, der dann verschwand, auf Terra als Jim Smith wieder auftrat und sich schließlich als Worgun, wie dieses Volk sich selbst nannte, zu erkennen gab. Gisol, der Worgun…

Drei Jahre war das jetzt her, oder vier? Dhark grübelte. Gisol hatte ihnen den Weg in seine Galaxis gezeigt, die von den Zyzzkt unterjocht wurde. Sie hatten mitgeholfen, das Joch dieser Insekten abzuschütteln, sie hatten die legendären Mysterious Margun und Sola kennengelernt, die vor tausend Jahren auf Hope die POINT OF konstruiert hatten und immer noch lebten, und sie hatten eine Menge an Informationen mit zurück in die Milchstraße gebracht, technische Unterlagen und Konstruktionspläne, Bauanweisungen und dergleichen mehr.

Doch die Dankbarkeit der Worgun für die Befreiung vom Joch der Zyzzkt hielt sich in engen Grenzen…

Dhark zuckte zusammen. Er war abgeschweift, dabei hatte er doch über den Vitrinensaal nachdenken wollen! Es kam ihm jetzt auch seltsam vor, daß sich ausgerechnet um diesen niemals jemand gekümmert hatte. Alles andere hatten sie untersucht, sogar die beinahe unüberwindlichen Waffensysteme der riesigen Statue, und selbst Gisol hatte sich nicht weiter mit diesem Saal befaßt. Gisol, von dem Dhark inzwischen doch etwas enttäuscht war. Warum hatte er seinen Freund Ren Dhark nicht davor gewarnt, daß mit den technischen Unterlagen der Worgun etwas nicht stimmte? Oder besaßen Margun und Sola soviel Macht, auch gegen Gisols Interessen…

Verdammt! Seine Gedanken glitten schon wieder ab! Und das konnte nicht allein an den Worgun liegen. Da war irgend etwas, das verhindern wollte, daß die Menschen sich mit den Geheimnissen des Vitrinensaals befaßten! Seltsam, dachte der Commander der POINT OF. Dann nickte er entschlossen. Jetzt war es an der Zeit, diesen Bann zu durchbrechen und Nägel mit Köpfen zu machen. »Wir fliegen nach Babylon«, ordnete er an.

*

Die POINT OF führte mehrere Transitionen durch, während derer die Fähnriche wechselweise in den diversen Stationen des Ringraumers und der Zentrale Dienst taten. Zwischenfälle wurden simuliert. Dan und Anja Riker sowie die Senioroffiziere Hen Falluta und Leon Bebir ließen sich eine Menge kleiner Gemeinheiten einfallen, vom Sonnenorbit über Flash-Einsätze bis zum »Tontaubenschießen« auf unbewohnte Asteroiden und Planetoiden.

Beinahe hätten sie alle darüber vergessen, daß sie eigentlich nach Babylon wollten. Aber Artus erinnerte sie immer wieder daran. Er zeigte eine Beharrlichkeit, die nur Roboter zustande bekamen.

Auch Manu Tschobe grübelte, weshalb ihrer aller Gedanken immer wieder von dem Vitrinensaal abgelenkt wurden. Gab es einen hypnotischen Block in ihnen, der jedesmal wirksam wurde, wenn sie versuchten, sich mit diesem Thema zu befassen?

Unterlagen sie einem nachhaltigen Para-Einfluß?

Er schaffte es nicht, mit den anderen darüber zu reden, obgleich er es mehrmals versuchte. Aber sobald er das Thema Babylon anriß, lenkten die Gefährten ab. Und es fiel ihnen nicht einmal auf!

Ich find’s ’raus, dachte Tschobe verbissen, der nicht nur als Funker und Mediziner brillierte, sondern auch auf dem Para-Sektor beschlagen war. Diese Para-Falle werde ich knacken!

Mutete er sich damit nicht zuviel zu? Bisher hatten die Mysterious, die Worgun, in der Milchstraße doch ihre Geheimnisse gut zu schützen verstanden – notfalls auch mit extremen technischen Mitteln.

»Aber die setzt Babylon nicht mehr gegen uns ein, weil die Controllos seit dem Hyperraumschock nicht mehr funktionieren und unser Aufenthalt generell autorisiert ist«, brummte er vor sich hin.

»Notfalls schicken wir Artus vor – als Fallenspürer«, fügte er sarkastisch hinzu, weil ihm der Roboter noch nie so recht gefallen hatte. Der war zwar nicht mehr so arrogant gegenüber biologischen Wesen wie zu Anfang seines »Lebens«, aber Tschobe wurde seine Voreingenommenheit gegenüber der beseelten Maschine nicht los.

Er ahnte nicht, was noch auf ihn und die anderen wartete – schon in naher Zukunft.

Denn bis Babylon war es noch weit.

*

Ren Dhark und Amy Stewart verbrachten einen großen Teil ihrer Zeit in ihrer Kabine, die auch für zwei Personen noch genug Platz hatte, wenn man sich ein wenig einschränkte. Mehr Platz hatten sie in ihrer Wohnung im Gebäude der POINT-OF-Stiftung, die Ren und Amy bezogen hatten, nachdem der Commander seine Dienstwohnung hatte aufgeben müssen. Und geradezu luxuriös war das Anwesen, über das sie auf dem Planeten Eden verfügten. Finanziert wurde es ebenso wie die Stiftung von dem Industriellen Terence Wallis, der sich auf Eden seine eigene Welt geschaffen hatte.

Aber den Luxus brauchte Ren nicht wirklich. Wann war er denn mal auf Terra oder Eden? Er war doch fast immer mit der POINT OF zwischen den Sternen unterwegs, um Geheimnissen nachzuspüren. Oder einfach nur, um im regelmäßigen Turnus Flottennachwuchs auszubilden. Für die jungen Raumfahrer galt es als große Auszeichnung, zumindest für kurze Zeit zur Besatzung der POINT OF zu gehören, auch wenn der Ringraumer schon längst nicht mehr das Flaggschiff der Terranischen Flotte war. Aber er war immer noch eine Legende, und Ren Dhark persönlich gegenüberzustehen, war eine Ehre, um die man sich beinahe prügelte. Der Commander hatte so viel für die Erde getan, daß auch heute noch viele Menschen nur mit Ehrfurcht von ihm sprachen.

Immerhin: Regierungschef war er nicht mehr. Commander der Planeten war jetzt sein einstiger Stellvertreter Henner Trawisheim. Warum auch nicht? dachte Ren. Der einzige Cyborg auf geistiger Basis hatte es verdient, auch nominell Regierungsoberhaupt zu sein; in den Jahren zuvor hatte er ohnehin schon jede Menge Entscheidungen treffen und sich mit Ministern und Oppositionspolitikern und den Medien streiten müssen – als Stellvertreter Dharks, der durch die unendlichen Weltraumtiefen zigeunerte, statt sich seinen Regierungsaufgaben zu stellen. Allerdings hatte Dhark sich nie nach der Macht gedrängt; er hatte nie an der Spitze stehen wollen. Auch wenn ihm das vieles leichter gemacht hatte. Damals, nach der Befreiung Terras von den Giants, hatte man ihn zum Chef der Weltregierung gewählt, hatte ihn regelrecht in das Amt des Commanders der Planeten gedrängt, ob er wollte oder nicht.

Jetzt, dieser Bürde ledig, fühlte er sich regelrecht erleichtert. Immerhin hatte Terra ihm als Dank für seine Verdienste die POINT OF geschenkt, und eine von dem Großindustriellen Terence Wallis gegründete Stiftung ermöglichte ihm den unabhängigen Betrieb des Schiffes.

Trawisheim als neuer Commander der Planeten hatte es immerhin in kürzester Zeit geschafft, was Ren Dhark nie gelungen war – die desolat gewordene Wirtschaftslage auf der Erde zu stabilisieren. Die Konjunktur zog an. Jetzt, im Mai 2062, gab es wieder Arbeit und sogar etwas Wohlstand für alle, allerdings war für Rüstungsprojekte nicht viel Geld vorhanden. Das war einer der Kernpunkte des trawisheimschen Programms, und ihm kam entgegen, daß in den letzten Jahren ein – wenn auch brüchiger – Friede in der Galaxis eingekehrt war. Das konnte sich zwar jederzeit ändern, aber man nutzte jede Gelegenheit, die Wirtschaft dem Militär vorzuziehen und Terra aus dem Schuldental zu holen.

Sehr hilfreich war dabei die ständige Ferntransmitterverbindung zwischen Terra und Eden. Dorthin hatte Wallis seine Konzernzentrale und seine wichtigsten Forschungs- und Produktionsanlagen umgesiedelt. Was zunächst wie ein Affront gegen die terranische Regierung gewirkt hatte, wurde jetzt allmählich zum Segen. Terra profitierte von Wallis Industries mehr denn je, nur eben jetzt auf eine andere Weise: nicht mehr durch Steuern, sondern durch Handel. Eden blühte auf und gedieh.

Auch Dan Riker, meist an Dharks Seite im Weltraum zu finden, hatte seinen Schreibtisch in Alamo Gordo aufgegeben und sein Amt als Flottenchef niedergelegt. So wie Trawisheim Dharks Stellvertreter gewesen war, so hatte Marschall Ted Bulton Riker immer vertreten müssen und war jetzt selbst offiziell in dessen Position aufgerückt.

»Woran denkst du, Ren?« fragte Amy Stewart, die sich in einem Schwebesessel niedergelassen hatte, die Beine hochgezogen und das Kinn auf die Knie gestützt. »Wieder an Ion?«

»Manchmal, aber nicht jetzt«, sagte Dhark, auf dem Konturbett ausgestreckt und gegen die Kabinendecke schauend, vorbei an der Mini-Ausgabe der Bildkugel, die den Weltraum wiedergab, durch den die POINT OF jagte.

Ion Alexandru, sein Sohn.

Er hatte kaum etwas von dem Jungen gehabt, den Joan Gipsy ihm geboren hatte. Und den sie mit allen Mitteln von ihm fernzuhalten versucht hatte, um ihn damit zu erpressen. Mit Mitteln, die schließlich zu jenem verhängnisvollen Unfall geführt hatten…

Ren schüttelte die traurigen Erinnerungen von sich ab. Ion war tot, und Joan war tot. Unwiderruflich aus seinem Leben verschwunden. Und er hatte nichts tun können. Warum nur, warum?

Schon damals hatten Ren und Amy zueinander gefunden, waren ein Paar geworden. Angebahnt hatte es sich bereits in der Galaxis Orn. Nach ihrer Rückkehr waren sie zusammengezogen.

Aber wäre Amy auch bereit gewesen, mit Ren und Ion eine Familie zu bilden, oder wäre der Junge für sie immer ein Fremdkörper geblieben, geboren von einer Frau, die Ren Dhark verraten hatte? Amy war doch auch eine Abenteurerin, stets bereit für Risikoeinsätze. Sie waren sich so unglaublich ähnlich, der Mann und die Cyborg-Frau. Vielleicht liebten sie sich deshalb so intensiv, vielleicht genossen sie deshalb jede Vereinigung so intensiv, als wäre sie das letzte Mal…

Er streckte die Hand aus. »Komm, hilf mir, mich abzulenken«, bat er.

In ihren Augen funkelte es, als habe sie nur auf das Signal gewartet. Sie glitt aus dem Sessel und kam zu ihm ans Bett. Er griff nach ihr und zog sie zu sich herunter. Wilde Zärtlichkeit, Verstehen und Genießen, Geben und Nehmen, Haut an Haut, Lippen an Lippen…

»Zentrale an Dhark«, störte Dan Riker via Bordverständigung. Wenigstens hatte er darauf verzichtet, die gegenseitige Bildübertragung zu aktivieren. »Wir sind im Landeanflug auf Babylon. Leitstrahl steht, in etwa zehn Minuten setzen wir auf.«

»Und in neun Minuten erwürge ich dich«, seufzte der Commander der POINT OF.

*

Leicht federnd hatte der Ringraumer auf seinen 45 Paar Doppelstützen aufgesetzt, die im eingefahrenen Zustand mit ihren Landetellern fugenlos mit der Ringhülle abschlossen. Von dem kurzen Wippen war dank der Gravoausgleicher im Inneren des Schiffes nichts zu bemerken.

Babylon war eine prosperierende Welt. Die Jahre der Ruhe hatten der Kolonie gutgetan, und auch der von der örtlichen Regierung mit dem Segen Terras beschlossene Sonderwirtschaftsplan hatte geholfen. Weitere Siedler waren im Laufe der Zeit nach Babylon gekommen, weil viele Menschen hier bessere Perspektiven für sich sahen als auf Terra, wo die Konjunktur zwar auch langsam, aber sicher wieder Schwung bekam, sich aber noch immer ein wenig schwertat, weil der Bürokratenapparat der Sternverwaltung zu verfilzt war.

Wohnraum gab es auf Babylon zur Genüge. Der Planet war so etwas wie eine einzige Megalopolis aus Ringpyramiden, die im Abstand von rund fünf Kilometern zueinander in einer parkähnlichen Landschaft aufragten und mit ihren Etagen und Terrassenflächen jede eine kleine Stadt für sich bildeten. Wie viele Worgun und vielleicht auch Salter einst hier gelebt haben mochten, ließ sich nur schätzen. Die Milliardenzahl mußte zweistellig gewesen sein. Inzwischen waren unter den Pyramidenbauten fünf entdeckt worden, in denen die Worgun-Technik dank seinerzeit aktivierter Intervallfelder auch nach der galaktischen Katastrophe uneingeschränkt funktionierte. Sie waren über den ganzen Planeten verstreut und Zentren der babylonischen Zivilisation geworden.

Für Ren Dhark war allerdings nach wie vor der Goldene Mensch das Zentrum. Das lag wohl daran, daß es sich um die größte dieser Skulpturen handelte, die in der heimatlichen Galaxis gefunden worden waren. Auf vielen Planeten und bei verschiedenen Zivilisationen waren die Terraner auf diese Figuren gestoßen, die golden im Sonnenlicht funkelten und die alle gemeinsam hatten, daß sie Humanoide zeigten, deren Gesichter man zerstört hatte.

Teilweise waren Köpfe und zuweilen auch die Arme ganz abgeschlagen. Aber nicht nachträglich, vielmehr waren die Standbilder so geschaffen worden. Sie sollten eine Mahnung darstellen, hatte der Salter Olan einst behauptet. Eine Warnung vor den Grakos, nur hatte sich in den letzten Jahren gezeigt, daß Grakos und Goldene nicht das Geringste miteinander zu tun hatten.

Denn auch in Orn, der Galaxis der Worgun, gab es diese Statuen, die aber nicht mehr unbedingt nur Humanoide in Gold zeigten, sondern auch andere Spezies darstellten, und wiederum ohne Gesicht!

Einen Teil ihrer Geheimnisse hatten die Goldenen Statuen in Orn den Menschen offenbart – sie waren Transmitter, Kampfstationen, Ortungszentralen und allerlei mehr, und etliche von ihnen waren sogar beweglich, konnten von ihren Sockeln steigen und agieren.

Und doch waren noch viele Geheimnisse ungelöst geblieben.

Sie würden wohl auch auf lange Sicht ungelöst bleiben müssen, denn die Worgun und Römer hatten Orn gegen Besucher aus der Milchstraße abgeschottet.

Ihnen Hilfe zu geben, das Joch der Zyzzkt abzuwerfen, dafür waren wir gerade gut genug, dachte Commander Dhark verbittert. Doch was jetzt kommt, geht uns nichts mehr an. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen und darf nicht noch einmal wiederkommen.

Er hatte gehofft, daß wenigstens Gisol ihnen ein Schlupfloch bieten würde, der alten Freundschaft wegen. Aber der Worgun hatte es nicht getan. »Gisol, der Schlächter« fand scheinbar Gefallen daran, allen Ruhm für sich allein zu beanspruchen. Diesen Eindruck hatte Ren Dhark zumindest inzwischen gewonnen. Was war aus ihrer Freundschaft geworden?

Dhark und seine Flotte hatten Orn verlassen – verlassen müssen, und Gisol war auf Terra Nostra zurückgeblieben. Juanita, das elternlose Mädchen mit der verblüffenden Para-Gabe der scheinbaren Unsichtbarkeit, war bei ihm geblieben und nicht in die Milchstraße, nicht nach Terra zurückgekehrt. Sie sah in »Jim Smith« immer noch eine Vaterfigur, ein Idol. Aber würde sie sich auf Dauer auf Terra Nostra wohlfühlen können, in einer patriarchalisch orientierten Gesellschaft, wie die Römer sie bildeten? Oder unter Worgun, die sich möglicherweise zeitlebens nicht mehr von der kollektiven Gehirnwäsche erholen würden, der die Zyzzkt sie einst unterzogen hatten, um sie unter Kontrolle zu halten?

Wahrscheinlich würde er es nie erfahren.

Denn der Weg nach Orn war verschlossen. Die Römer und Worgun schienen keine Zeugen für den erbarmungslosen Vernichtungskrieg haben zu wollen, den sie mit Sicherheit jetzt gegen ihre einstigen Unterdrücker führten.

»Dieser verdammte Virus«, murmelte Dhark zornig, der sich verraten fühlte.

Margun und Sola hatten damals versprochen, ihm beziehungsweise den Terranern zum Dank für deren Hilfe die Daten über die komplette Worgun-Technologie zu überlassen. Aber was sich hinterher in den Speichermedien zeigte, war recht enttäuschend.

Die Daten umfaßten durchaus nicht die komplette W-Technologie, sondern nur die Bauunterlagen der 190 Meter durchmessenden Ovoid-Ringraumer des neusten Typs, mit allen Waffen und Hyperkalkulator. Und dabei zeigten Margun und Sola sich von einer tückischen Seite, die Dhark niemals bei ihnen vermutet hatte. Mit den Bauunterlagen für eine Ringraumerwerft hatten die beiden genialsten Wissenschaftler, die die Mysterious jemals hervorgebracht hatten, den Menschen ein nicht zu fassendes Virus untergejubelt, das sämtliche Hyperkalkulatoren erfaßte. Führte ein Flug weiter als zwei Millionen Lichtjahre Richtung Orn, brachen die Bordrechner den Flug einfach ab. Es gab keine Möglichkeit, das Virus zu umgehen oder gar zu löschen, zu entfernen. Tausende von Experten arbeiteten daran – bislang erfolglos. Statt dessen zeigte das Virus größte Erfolge und infizierte auf eine noch nicht bekannte Weise auch die alten S-Kreuzer und sogar die POINT OF, und niemand hatte das verhindern können.

Die Galaxis Orn war somit nicht mehr erreichbar. Suprasensorisch gesteuerte terranische Ikosaederschiffe konnten die Entfernung von zehn Millionen Lichtjahren nicht überwinden.

Rens Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück, als er den Ringraumer verließ und in der Ferne die Statue des Goldenen Menschen emporragen sah. Auch er ohne Gesicht, aber mit himmelwärts gereckten Armen, die ein mächtiges Waffensystem mit erheblichem Vernichtungspotential darstellten, wie sich bei dem Angriff der Grakos auf Babylon gezeigt hatte. Im und unter dem Sockel befanden sich Unmengen an technischen Anlagen – und im Goldenen befand sich jener Vitrinensaal, den zu untersuchen Artus nicht müde wurde zu fordern.

Wieder fragte Ren Dhark sich, warum er damals diesem Geheimnis nicht nachgegangen war. Das paßte überhaupt nicht zu ihm, der gerade in jener Zeit jeder Spur der Mysterious gefolgt war. Mit teilweise inflationärem Erfolg, wenn man bedachte, in welchem Tempo ERRON-1 im blaßblauen Universum entdeckt worden war – wovon nach wie vor nur eine Handvoll Eingeweihter wußte – die Sternenbrücke, das Sternbild der Sterne, die Transmitterstraßen, die Schranke hinter Soradan mit ihrer tückischen Falle, die Robotflotte, Babylon, der Signalstern, der Raumschiffsfriedhof und schließlich die Galaxis Drakhon…

Aber um den Vitrinensaal mit seinem bizarren Inhalt hatte sich niemand mehr gekümmert! Dhark nicht, und auch kein anderer! Nicht einmal die Menschen auf Babylon selbst, denen doch daran gelegen war, so viel wie möglich von den Worgun-Hinterlassenschaften zu enträtseln und für sich nutzbar zu machen!

»Aber jetzt packen wir’s an«, sagte Dhark leise und sah den Schweber mit Claude Pétain herankommen, dem militärischen Befehlshaber des Planeten.

Der alte Tatendurst, die Neugier und die Abenteuerlust waren plötzlich wieder da!

2.

Claude Pétain, der inzwischen zum Brigadegeneral befördert worden war, stellte ihnen Schweber zur Verfügung. Auch er konnte nur mit den Schultern zucken, als Ren Dhark ihn fragte, ob sich denn im Lauf der Jahre niemand für die Geheimnisse des Goldenen Menschen interessiert habe.

»Jetzt, wo Sie es sagen, Commander, fällt es mir auch auf… aber wir hatten Wichtigeres zu tun, als in Hinterlassenschaften der Worgun zu wühlen«, seufzte er. »Und Sie sind jetzt wirklich nur deshalb extra nach Babylon gekommen?«

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