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Die Ereignisse auf Gravenstein spitzen sich dramatisch zu, als Klaus von Weyersberg sich seinen Verwandten zu erkennen gibt. Während Iduna ihm unverhohlen einen Heiratsantrag macht, sinnt Kurt von Weyersberg darüber nach, wie er Klaus unschädlich machen kann. Sein Versuch, die Papiere seines Neffen, mit denen er seine Identität beweisen könnte, zu entwenden, scheitert an Ruth Falkners Wachsamkeit. Doch wird sie Klaus auch vor weiteren Anschlägen schützen können? Denn eines ist gewiss: Kurt von Weyersberg ist zu allem fähig, um Gut Gravenstein für sich zu behalten ...
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Seitenzahl: 147
Cover
Impressum
Süße kleine Gutsherrin
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Anne von Sarosdy/Bastei Verlag
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-2223-1
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Süße kleine Gutsherrin
Bezaubernder Roman um ein junges Herz, das nicht irren konnte
Ist Klaus Weyersberg wirklich tot, umgekommen bei einer Expedition ins Ewige Eis? Diese Frage bewegt Klaus’ Onkel Kurt von Weyersberg unaufhörlich. Zwar gilt er allgemein schon als Erbe des schönen Guts Gravenstein, aber falls Klaus wider alles Erwarten doch noch zurückkehren würde, wäre es aus mit Reichtum und Wohlleben. Als eines Tages ein Mann in Gravenstein erscheint, der angibt, Doktor Horvath zu heißen und der einzige Überlebende jener Expedition zu sein, an der auch Klaus teilnahm, triumphiert Kurt von Weyersberg. Jetzt kann Klaus’ Tod auch gerichtlich bezeugt werden! Kurts eigenwillige Tochter Iduna teilt seinen Triumph, doch nicht so seine Nichte Ruth Falkner. Sie ahnt, dass Doktor Horvath in Wahrheit Klaus von Weyersberg ist. Und ihre Ahnung trügt sie nicht…
Es war eine wundersame Stunde, die die beiden jungen Menschen im Frühstückszimmer des Gutes Gravenstein verbrachten.
Eben hatte Ruth Falkner erfahren, dass Doktor Horvath wirklich Klaus von Weyersberg war. Und noch etwas hatte er ihr gestanden: Er liebte sie.
Nun saßen sie sich gegenüber, Auge in Auge, weltentrückt, im Innersten beglückt und beseligt. Ihre Hände hielten sich fest umschlungen, und der Strom des Lebens durchflutete sie.
„Ruth!“, flüsterte Klaus zärtlich.
„Klaus! Klaus!“
Er küsste ihre Hand.
„Wie lange ist es her, dass mich ein Mensch bei diesem Namen rief!“, sagte er, und seine Augen wurden feucht.
Ihre Lippen bebten.
„Was du gelitten hast, Klaus, wie weh hat es mir getan!“, sagte sie erschüttert.
„Du wirst mich alles, alles vergessen lassen, meine Ruth.“
Sie richtete sich plötzlich steif auf und lauschte zur Tür.
„Was ist?“, fragte er.
Sie sank wieder in sich zusammen.
„Es ist nichts, ich glaubte nur, leise Schritte zu hören. Es war wohl jemand von der Dienerschaft. Aber etwas ängstigt mich Klaus. Weißt du, dass Onkel nicht kampflos auf das Erbe verzichten wird?“
Er nickte.
„Ja, ich weiß es, aber sorge dich nicht, er muss verzichten!“
„Hast du auch alle Beweise die für dich sprechen?“
„Alle, meine Papiere sind in Ordnung. Sei ruhig, überlasse alles mir! Du brauchst nicht in Sorge zu sein.“
Sie lächelte ein wenig unsicher. „Zu dumm von mir, jetzt in meinem Glück plötzlich Furcht zu empfinden! Sei vorsichtig, ich bitte dich – sei vorsichtig!“
Er lächelte ihr beruhigend zu. „Noch schützt mich mein Inkognito, und später werde ich schon vorsichtig sein.“
Sie atmete tief auf, und es kam wieder Farbe in ihr Gesicht.
„Wenn man nichts zu verlieren hat, kennt man keine Furcht. Aber jetzt habe ich dich, Klaus, und nun bange ich um dich.“ Er streichelte zärtlich ihre Hand.
„Ich liebe dich nur noch mehr um deiner Bangigkeit willen, meine Ruth. Wie wohl tut es, wenn ein lieber Mensch sich um uns sorgt!“
Tief atmete sie auf.
„Jetzt muss ich auf die Felder, es ist höchste Zeit.“
„Bald sollst du dich ausschlafen können, alle Tage, du armes, liebes Herz. Ich will dich jetzt nicht halten – aber ich folge dir in einer Viertelstunde, und wir treffen unterwegs zusammen. Noch viel habe ich dir zu sagen. Wo kann ich dich finden?“
Sie überlegte. Dann sagte sie schnell:
„Am Kreuzweg, der zum Fidessergut abzweigt.“
„Ich weiß Bescheid, dort warte ich auf dich.“
Sie erhoben sich beide, standen noch eine Weile Hand in Hand, Auge in Auge. Ihre Lippen brannten einander verlangend entgegen, aber er bezwang sich.
Langsam lösten sie sich voneinander. Dann eilte Ruth hinaus. Ach, wie glücklich stieg sie heute aufs Pferd! Sie hätte laut aufjauchzen mögen und war doch andächtig still. Wie ein Dankgebet stieg es aus ihrem Herzen empor.
So schnell sie konnte, erledigte sie ihren Inspektionsritt. Nirgends hielt sie sich heute lange auf.
Etwa eine Stunde, nachdem sie sich von Klaus getrennt hatte, trafen sie beide auf dem Kreuzweg zusammen. Klaus hob Ruth vom Pferd. Eine Weile länger, als unbedingt sein musste, hielt er sie fest, und in atemloser Glückseligkeit sahen sie sich in die Augen.
„Ruth – meine Ruth!“
„Klaus – lieber Klaus!“
Die Morgensonne fiel durch die Zweige des Waldes. Sie schritten langsam auf und ab. Ruths Pferd war an einem Baumstamm gebunden. Unendlich vieles hatten sie sich zu sagen und hier brauchten sie keine Lauscher zu fürchten. Klaus teilte Ruth mit, was er zu tun gedächte, und sie hörte ihm aufmerksam zu.
Dann fragte sie ihn, als unbestimmte Angst wiederum in ihr aufstieg, ob er auch wirklich alle nötigen Papiere besitze.
„Sei ganz ruhig, Ruth, ich besitze alles, und auch mein Reisepass, den ich mir vor Jahren ausstellen ließ, ist vollkommen in Ordnung.“
Sie atmete auf.
„Ich fragte nur danach, weil du mir doch gesagt hast, dass dich nicht einmal der Justizrat erkannt hat.“
„Ja, daraus könnten sich einige Schwierigkeiten ergeben, weil ich meinem Passbild heute wirklich nicht mehr ähnlich sehe. Aber ich habe, gottlob, einen anderen Beweis, dass ich Klaus Weyersberg bin. Ich besitze nämlich ein besonderes Kennzeichen – du wirst einen Mann mit einem Schönheitsfehler bekommen.“
Er erzählte ihr von dem Feuermal auf seinem linken Oberarm.
„Siehst du, Ruth, dieses charakteristische Muttermal wird mich einwandfrei ausweisen. Auch mit dem Justizrat sprach ich bereits darüber.“
„O gottlob! So bin ich auch diese Sorge los. Aber hüte deinen Pass sorgfältig, dass du ihn nicht verlierst!“
„Sei unbesorgt, ich trage ihn nicht mit mir herum, sondern habe ihn im Schreibtisch meines Wohnzimmers verschlossen.“
Sie nickte befriedigt, ahnungslos, dass der Pass auch dort nicht sicher war.
Eine große Beruhigung war es für Ruth, als sie hörte, wie großmütig Klaus für seine Verwandten zu sorgen gedachte. Er gestand ihr auch, dass er das nur Tante Marias wegen tun werde.
„Ich weiß, Klaus, dass du dein Wort halten und mir nicht zu nahe kommen wirst, ehe du dich offen als Klaus Weyersberg bekannt hast, aber weil du so gut zu Tante Maria sein willst, muss ich dich küssen.“
Da konnte er nicht widerstehen. Ganz nah blühten ihm die roten Lippen des geliebten Mädchens entgegen. Fest nahm er Ruth in seine Arme, und ein langer, beseligender Kuss wurde getauscht. Nur schwer lösten beide sich voneinander, und Ruth tief in die Augen sehend, sagte Klaus mit verhaltener Stimme:
„Ich danke dir, mein geliebtes Herz – ich danke dir für dein Vertrauen, es soll dich nie reuen.“
Sie nickte ihm mit feuchten Augen zu.
Stumm gingen sie eine Weile nebeneinander weiter und ließen die fast andachtsvolle Stimmung verklingen, die sie beim Tauschen des ersten Kusses befallen hatte. Endlich raffte sich Ruth auf.
„Jetzt muss ich wieder nach meinen Leuten sehen, sonst ist mein neuer Herr nicht mit mir zufrieden“, sagte sie schelmisch.
„Das Erste, was ich tue, ist, einen neuen Verwalter einzustellen. Ich habe Justizrat Frensen schon Auftrag gegeben, sich nach einer tüchtigen Kraft umzusehen. Es ist unerhört von Kurt Weyersberg, dass er dir diese Last aufgebürdet hat.“
„Ich habe sie mir doch selbst aufgeladen, Klaus, niemand hat es von mir verlangt.“
„Aber jeder war sehr damit einverstanden, dass du ihnen alle Mühe abgenommen hast, und wäre ich nicht zurückgekommen, hätte man dich vielleicht bis ans Ende deiner Tage jeden Morgen vor fünf Uhr aufstehen lassen und dich von einer Pflicht zur anderen gejagt, ohne dass man dir dafür Dank gewusst hätte. Nein, nein, daran darf ich nicht denken, ohne vor Zorn zu kochen. Die Einzige, die dir Anerkennung zollte, war Tante Maria, und dafür soll es ihr gut gehen. Ich will ihr auch nicht vergessen, dass ich ihretwegen den ersten Kuss von dir bekommen habe – und ganz freiwillig“, neckte er.
„War das sehr unweiblich, Klaus?“, fragte sie verzagt.
„Lieb und hold war es; du kannst überhaupt nichts tun, was unweiblich wäre.“
Dann mussten sie sich aber trennen. Ruth ließ sich nur zu gern ein wenig verwöhnen und von Klaus aufs Pferd heben. Dann jagte sie davon.
Klaus blieb stehen und sah ihr nach. Er lehnte sich an einen Baum und dachte nach über das, was geschehen war und noch geschehen musste. So tief war er in seine Gedanken versunken, dass er zusammenschrak, als er eine Autohupe hörte. Gleich darauf sah er Charlie Longwys Wagen auf der Straße vom Fidessergut herankommen. Er richtete sich auf und trat ein wenig vor. Charlie sah ihn und befahl dem Chauffeur, zu stoppen.
Lachend begrüßten die Insassen des Wagens Klaus und berichteten ihm, dass sie nach Kassel fahren wollten, um bei den Eltern Fräulein Holls um Nachurlaub für diese zu bitten. Klaus wünschte ihnen gute Fahrt, und Winnie sagte herzlich:
„Besuchen Sie uns doch mal, Herr Doktor! Wir kommen heute Abend zurück und würden uns sehr freuen, ein paar Stunden mit Ihnen plaudern zu können. Oder bekommen Sie von Ihrem Gastgeber keinen Urlaub zu Besuchen in der Nachbarschaft?“
Er lachte sie an. „Wahrscheinlich werde ich gar nicht erst um Erlaubnis fragen. Wenn ich kommen darf, komme ich gern.“
„Famos! Soll ich Ihnen den Wagen schicken?“, fragte Charlie großmütig.
„Wahrscheinlich kann ich die Zeit nicht genau bestimmen. Aber ich mache gern einen Spaziergang zum Fidesserhaus. Darf ich mich einmal zum Frühstück ansagen? In den Morgenstunden wandert es sich am schönsten.“
„Jederzeit, Herr Doktor! Können wir Ihnen in Kassel etwas besorgen?“, fragte Winnie.
„Vielen Dank, ich wüsste nicht, was. Aber es ist sehr liebenswürdig von Ihnen, mir das anzubieten. Und jetzt will ich Sie nicht mehr aufhalten, Fräulein Holl hat wahrscheinlich Sehnsucht nach Hause.“
Trude lachte ihn glückselig an. „Ich glaube nicht, dass ich Sehnsucht nach irgendwohin habe, so lange ich im Fidesserhaus sein darf. Guten Morgen, Herr Doktor, und wenn Sie Gelegenheit haben, grüßen Sie bitte Fräulein Falkner und Frau Weyersberg! Die beiden Damen waren immer reizend zu mir.“
„Das werde ich bestellen. Auf Wiedersehen, meine Herrschaften. Gute Fahrt!“
Klaus reichte allen die Hand und trat zurück. Der Wagen fuhr an und war bald seinen Blicken entschwunden.
Klaus begab sich nach Gravenstein zurück und kam noch vor dem Frühstück dort an. Er fand die Familie Weyersberg keineswegs in rosiger Stimmung, wie er erwartet hatte, nachdem er ihnen doch sozusagen die „Gewissheit gegeben hatte“, dass der natürliche und gesetzliche Erbe von Gravenstein nicht mehr am Leben sei. Kurt Weyersberg war sogar sehr schlechter Laune und erwartete den Justizrat in Kampfstimmung. Frau Maria war noch immer betrübt, und Iduna, die schlecht geschlafen hatte, wollte dafür Gott und alle Welt verantwortlich machen. Auch zu Klaus war sie unfreundlich.
Ruth war noch nicht von den Feldern zurück.
Iduna machte ihrer schlechten Laune in einigen Ausfällen gegen Ruth Luft, indem sie sich beschwerte, dass diese nie da sei, wenn man sie brauche.
Da konnte sich Klaus nicht versagen, eine Lanze für die Geschmähte zu brechen.
„Ich sah Fräulein Falkner schon sehr früh auf die Felder reiten, gnädiges Fräulein, und ich finde, dass diese junge Dame sehr leistungsfähig ist. Sie scheint enorm viel Arbeit zu bewältigen und hier nicht nur einen Verwalter, sondern wohl auch noch ein Dienstmädchen zu ersetzen.“
Iduna zuckte mit den Schultern.
„Sie muss doch etwas dafür tun, dass sie hier vollkommen freie Kost und Wohnung hat, Familienanschluss und noch manche sonstige Annehmlichkeit.“
„Ganz recht, Herr Doktor, ich kann meiner Tochter nur beipflichten“, schloss sich Kurt Weyersberg Iduna an.
Klaus sah in Frau Marias Augen, die ihm zustimmten, und meinte ruhig:
„Ich weiß selbstverständlich nicht, wie hoch das Gehalt ist, das Fräulein Falkner für ihre umfassende Tätigkeit bezieht.“
„Oh, Gehalt bekommt Ruth überhaupt nicht!“, rief Frau Maria schnell.
Kurt Weyersberg warf ihr einen wütenden Blick zu. Iduna lächelte spöttisch:
„Ich möchte wissen wozu. Sie hat doch alles, was sie braucht. Und was ihre Garderobe anbelangt, so könnte sie es längst besser haben. Ich habe ihr oft genug angeboten, ihr meine abgelegten Kleider zu schenken. Denken Sie, sie nimmt sie an? Dazu ist sie zu stolz. Lieber trägt sie das billigste Fähnchen. Und ich lege meine Sachen wirklich in einem sehr passablen Zustand ab.“
Klaus stieg die Röte des Unmuts auf die Stirn.
„Es gibt Leute, die es für demütigend halten, abgelegte Kleider Dritter zu tragen. Zu diesen dürfte, so weit ich es beurteilen kann, auch Fräulein Falkner gehören“, sagte er ernst.
„Ach, Sie gehören wohl auch zu den Menschen, die in die Seelen der Angestellten hineinleuchten?“
Ruhig sah er sie an.
„Da Fräulein Falkner kein Gehalt bezieht, ist sie keine Angestellte. Im Übrigen gehöre ich allerdings zu den Menschen, die auch dem schlichtesten Angestellten eine Seele zubilligen. Ich gehe noch weiter, sogar einem Hund billige ich eine Seele zu, auf die man Rücksicht nehmen muss.“
Grell lachte Iduna auf.
„Das muss ich meiner Cousine erzählen, dass Sie zwischen ihr und einem Hund Vergleiche ziehen.“
Klaus verlor alle Farbe vor unterdrücktem Zorn.
„Da Sie eine Dame sind, darf ich nicht sagen, dass Sie mir die Worte im Mund verdreht haben.“
Iduna lachte immer noch spöttisch, und als Ruth eintrat, rief sie ihr zu:
„Denke, nur Ruth, wie lustig, Doktor Horvath hat dich eben mit einem Hund verglichen!“
Ruth sah zu Klaus hinüber, ihre Augen trafen zusammen. Da ging ein Leuchten über ihr Gesicht. Sie wusste sofort, dass Iduna wieder einmal mit der Wahrheit auf Kriegsfuß stand.
„Man kann mit Schlimmerem verglichen werden als mit einem Hund, Iduna, aber ich traue Herrn Doktor Horvath absolut nicht zu, dass er eine Geschmacklosigkeit begeht.“
„Ach, lass doch diese dummen Witze, Iduna!“, begehrte der Vater ärgerlich auf.
Ruth entschuldigte sich wegen ihres verspäteten Kommens. Dann nahm sie Platz, um ihren Hunger zu stillen.
Noch ehe man mit dem Frühstück fertig war, wurde Justizrat Frensen gemeldet. Klaus erhob sich, um sich zurückzuziehen, aber er wusste, dass Kurt Weyersberg das nicht zulassen würde, und hierin hatte er sich nicht getäuscht.
„Nein, nein, Herr Doktor, bitte bleiben Sie hier. Sie sind ja schon eingeweiht in die schwierigen Verhältnisse auf Gravenstein, und, wie schon gesagt, es ist mir wichtig, dass Sie den Tod Klaus Weyersberg bezeugen. Sie können meiner Verhandlung mit Herrn Justizrat Frensen beiwohnen.“
Er ließ den Justizrat hereinbitten. Der Hausherr trat ihm entgegen.
„Sie kommen gerade noch zum Frühstück zurecht, Herr Justizrat.“
„Ist mir ganz lieb, die Fahrt hat mich hungrig gemacht. Guten Morgen, meine Herrschaften! Verehrte gnädige Frau, ich freue mich, Sie einmal wiederzusehen.“
Dabei küsste er Frau Maria verehrungsvoll die Hand.
Diese sah ihn lächelnd an.
„Sehr lange waren Sie nicht mehr hier, Herr Justizrat.“
„Man bedurfte meiner nicht. Guten Morgen, mein gnädiges Fräulein! Und guten Morgen auch Fräulein Falkner. Wie geht es Ihnen?“
„Gut, Herr Justizrat. Bitte, nehmen Sie hier Platz. Ich versorge Sie gleich mit allem Nötigen.“
Die Augen des alten Herrn ruhten wohlgefällig auf Ruth. Vor Iduna hatte er sich nur verneigt, Ruth drückte er warm die Hand. Nun trat er an den Tisch heran. Klaus war in Sorge. dass er sich verriet, aber der Justizrat machte ihm eine förmliche Verbeugung, wie man einen Fremden begrüßt.
„Gestatten Sie, Herr Justizrat, dass ich Ihnen Herrn Doktor Horvath vorstelle. Herr Justizrat Frensen“, sagte Kurt Weyersberg.
Nun reichte der Justizrat Klaus die Hand.
„Ah, ich habe von Herrn Weyersberg schon gehört, dass Sie an der Expedition teilnahmen, der sich Klaus Weyersberg angeschlossen hatte.“
„So ist es, Herr Justizrat.“
„Jawohl, Herr Justizrat. Wie ich Ihnen bereits am Telefon sagte, hat uns Doktor Horvath die Gewissheit gebracht, dass Klaus Weyersberg tatsächlich nicht mehr am Leben ist.“
Es funkelte hinter Frensens Brillengläsern. Mit einem ironischen Lächeln meinte er:
„Können Sie das wirklich behaupten, Herr Doktor?“
Es zuckte nun auch um Kurt Weyersberg Mund, aber Klaus blieb seiner diplomatischen Ausrede treu, verneigte sich und antwortete ruhig:
„Ich kann bezeugen und eidlich erhärten, Herr Justizrat, dass ich der einzige überlebende Teilnehmer dieser Expedition bin.“
Erregt fuchtelte Kurt Weyersberg mit den Händen in der Luft herum:
„Da hören Sie es selbst, Herr Justizrat! Nun muss es doch einen Weg geben, der mich ohne weitere Hemmungen in mein Erbe einsetzt.“
Ruhig sah der Justizrat den aufgeregten Mann an.
„Es tut mir Leid, Ihnen sagen zu müssen, dass es kein gesetzliches Mittel gibt, Ihnen vor Ablauf von zehn Jahren nach dem Tod des Erblassers freie Verfügung über das Erbe zu verschaffen.“
„Aber, zum Donnerwetter, wofür sind Sie denn Jurist, wenn Sie einen solchen Unsinn nicht aus der Welt schaffen können.“
Der Justizrat zuckte mit den Schultern.
„Ich bin Rechtsvertreter, nicht Rechtsbeuger.“
„Das ist aber doch hirnverbrannt. Ich bin der gesetzmäßige Erbe und kann nicht an die Erbschaft heran!“
„Gestatten Sie mir, Sie zu berichtigen. Sie werden erst nach Ablauf von zehn Jahren diese Erbschaft antreten können. Vorläufig sind Sie lediglich Verwalter von Gravenstein, das heißt – entschuldigen Sie, eigentlich ist, so viel mir bekannt ist, Fräulein Falkner der Verwalter und noch dazu ein besonders tüchtiger.“
„Das gehört nicht hierher. Im Übrigen, Ruth, lass dich nicht von deiner Arbeit abhalten – auch du nicht, Maria. Was hier zu verhandeln ist, interessiert Damen nicht.“
Seine Tochter wies er nicht hinaus. Aber Iduna langweilte sich, da sie sehr wohl einsah, dass vorläufig hier nichts zu erreichen war. So erhob auch sie sich und verließ mit der Mutter und Ruth das Zimmer.
Auch Klaus erhob sich und fragte höflich:
„Meiner bedürfen Sie wohl ebenfalls nicht mehr, Herr Weyersberg?“
Dieser fasste ihn am Arm und drückte ihn in seinen Sessel zurück.
„Bitte, bleiben Sie, Herr Doktor, es könnte sein, dass der Herr Justizrat einige Fragen an Sie hat. Es muss und wird sich doch ein Weg finden lassen, der mir das Recht auf mein Erbe gibt.“