Heimat-Roman Treueband 66 - Toni Eibner - E-Book

Heimat-Roman Treueband 66 E-Book

Toni Eibner

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Beschreibung

Lesen, was glücklich macht. Und das zum Sparpreis!

Seit Jahrzehnten erfreut sich das Genre des Heimat-Bergromans sehr großer Beliebtheit. Je hektischer unser Alltag ist, umso größer wird unsere Sehnsucht nach dem einfachen Leben, wo nur das Plätschern des Brunnens und der Gesang der Amsel die Feierabendstille unterbrechen.
Zwischenmenschliche Konflikte sind ebenso Thema wie Tradition, Bauernstolz und romantische heimliche Abenteuer. Ob es die schöne Magd ist oder der erfolgreiche Großbauer - die Liebe dieser Menschen wird von unseren beliebtesten und erfolgreichsten Autoren mit Gefühl und viel dramatischem Empfinden in Szene gesetzt.

Alle Geschichten werden mit solcher Intensität erzählt, dass sie niemanden unberührt lassen. Reisen Sie mit unseren Helden und Heldinnen in eine herrliche Bergwelt, die sich ihren Zauber bewahrt hat.

Dieser Sammelband enthält die folgenden Romane:

Alpengold 224: Das Kind, das unsere Herzen bindet
Bergkristall 305: Herzensmelodie
Der Bergdoktor 1805: Liebe vergibt die größte Schuld
Der Bergdoktor 1806: Von der Bergfee geküsst ...
Das Berghotel 161: Das Schneewittchen aus St. Christoph
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 320 Taschenbuchseiten.
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Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 600

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Toni Eibner Monika Leitner Andreas Kufsteiner Verena Kufsteiner
Heimat-Roman Treueband 66

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2016/2018 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © Sergey Momotyuk / Shutterstock

ISBN: 978-3-7517-6502-2

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

Heimat-Roman Treueband 66

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Alpengold 224

Das Kind, das unsere Herzen bindet

Bergkristall - Folge 305

Herzensmelodie

Der Bergdoktor 1805

Liebe vergibt die größte Schuld

Der Bergdoktor 1806

Von der Bergfee geküsst ...

Das Berghotel 161

Das Schneewittchen aus St. Christoph

Guide

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Contents

Das Kind, das unsere Herzen bindet

Packender Roman um die Bewährungsprobe einer Liebe

Von Toni Eibner

Sie kennen sich erst so kurze Zeit, doch für Peter ist es klar, dass nur Eva, die »Zugereiste«, seine Bäuerin wird. Dass man jemanden so lieben kann!

Manchmal allerdings liegt in ihrem Blick etwas, das dem jungen Bauern Sorgen macht. Deshalb freut es ihn besonders, dass Eva es recht eilig mit der Hochzeit hat. Sie sehnt sich also nach dem Glück an seiner Seite, nach seiner Zärtlichkeit und Liebe! Das Herz geht ihm auf, als sie flüstert: »Ich möchte dich gern heiraten, denn du bist ein lieber Kerl und hast einen schönen Hof. Wir könnten gut miteinander leben …«

Natürlich! Peter weiß es doch längst. Da fährt Eva mit zitternder Stimme fort: »Aber bevor ich mit dir vor den Altar trete, musst du die Wahrheit erfahren, die ganze Wahrheit …«

Mit Eva Spranger kamen Streit, Eifersucht und Feindseligkeit ins Dorf. Am Schluss wartete der Tod. Aber davon ahnten sie alle miteinander im Juni noch nichts.

Die bildsaubere Urlauberin aus der Stadt wohnte seit zwei Wochen im Gasthof »Zum heiligen Martin« beim Fritz Stammer und dessen Frau, der rundlichen Maria.

Eva ließ sich verwöhnen, machte nebenbei hohe Zechen und sorgte für einen guten Geschäftsgang, denn ihretwegen kamen jeden Abend an die zwanzig Bauern. Zu allen war sie überaus liebenswürdig, scherzte und lachte. Doch so sehr sich auch die Männer bemühten, keiner wurde von ihr den anderen vorgezogen.

Am Abend saß sie mit dem Bürgermeister, dem Kramer, dem Pfarrer und noch ein paar Großkopferten am Stammtisch und sonnte sich in den bewundernden, begehrlichen Blicken der Männer, aber es sah nie so aus, als wolle sie jemanden herausfordern.

Aus lauter Gutmütigkeit rief der Bürgermeister Gerhard Tannberg einem jungen Bauern, der abseits und allein vor seiner Maß Bier saß, zu: »Peter, setz dich zu uns! Wir sind in Kirchberg eine große Familie und schließen niemanden aus. Besonders freuen wir uns über liebe Gäste. Und wenn eine Dame aus der Stadt so bildsauber ist …«

Eva Spranger hörte seine schmeichelnden Worte gar nicht, sondern schaute aufmerksam dem Mann entgegen, der nun mit seinem Maßkrug an den Stammtisch kam.

»Ich bin der Peter Winkler«, stellte er sich vor, »Bauer auf dem vorletzten Hof an der Straße nach Eckern hinaus.«

Der Tannberg hatte schon vier Maß durch die Kehle gejagt, und auch die Nähe der Spranger-Eva machte ihn rauschig. Also verbesserte er den Peter großmütig: »Von wegen Bauer! Fräulein Eva, unser Peter ist nicht nur stinkreich, sondern auch ein Musterbauer, der besonders viel von der Landwirtschaft versteht. Dazu ein ganz besonders lieber Kerl, zu allen freundlich, hilfsbereit. Und ledig!«

»Halt den Mund!«, fuhr nun Josef Sturm unwillig auf. Er betrieb mit seiner Frau, der Agnes, einen der beiden Kramerläden. »Wir hocken im Wirtshaus, da hat keiner Vorrechte. Den Peter musst du net anbieten, als wenn du auf dem Viehmarkt wärst! Es wird bestimmt einen Grund haben, warum dein Freund Peter noch kein Weiberl gefunden hat!«

Der Wirt tönte lachend von der Schank her: »Ärgere dich net, Josef! Der Peter ist halt in allem gescheiter als du. Wenn der ein Glas Milch trinken will, heiratet er net gleich. Ich will sagen, kauft er keine Kuh. Und so …«

Er wurde verlegen, verhaspelte sich beim Reden, aber zu seinem Glück gingen die weiteren Worte ohnehin im Protestgeschrei unter.

Eva Spranger neigte sich vor, um zu Peter Winkler am Tischende schauen zu können.

»Und warum heiraten Sie wirklich nicht? Sie sind doch kein Frauenfeind, oder?«

Dem taugte es überhaupt nicht, vor all den Neugierigen über seine persönlichen Probleme zu sprechen, und so antwortete er recht verhalten: »Bei leichtfertigen Liebschaften ist noch nie viel Gutes herausgekommen. Dafür lohnt es sich kaum, die Zeit zu vertrödeln. Und leider gibt es auf dem Dorf kaum mehr Dirndl zum Heiraten.«

»Faule Ausreden!«, rief Josef Sturm, der Kramer. »Die jungen Mannsbilder wollen ja nur die Gaudi. Wer heiraten will, findet allerweil noch eine! Ich hab meine Agnes …«

Wieder brach ein lustiger Tumult los, aber diesmal lachte man auf Kosten des Kramers.

Nur der Winkler-Peter sagte ernsthaft: »Mein Lieber, du bist auch kein Bauer, sondern ein Kramer. Die Frau eines ehrenwerten Kaufmanns will schnell eine werden, doch jede fürchtet, dass sie sich als Bäuerin bucklert arbeiten muss. Wenig Bargeld, kaum Freiheit, keinen Urlaub! Darum rennen sogar die Mägde in die Stadt. Unsere Bauerntöchter wollen bestenfalls auf dem Elternhof bleiben, sonst schauen sie nach einem Gutsherrn oder sonst einem Geldgestopften aus.«

»Versteh ich nicht«, sagte die Eva Spranger leise vor sich hin, mehr nicht.

Gleich darauf wurde sie recht lustig und spielte sich sogar ein bisserl kess in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.

Bald war die Stimmung wieder auf einem Höhepunkt. Der Stammer-Fritz kam mit dem Nachschenken kaum zurecht. Von seiner Theke her konnte er die Fremde genüsslich betrachten: Groß war sie, mit weiblichen Formen, wie sie einem Mann gefallen mussten. Das braune Haar glänzte vielleicht ein bisserl zu rötlich, die Farbe der Lippen musste auch nicht echt sein. Aber ihre Augen funkelten, als ob sie einem Mann zum Schöntun verlocken wollte.

Nicht einen, gleich alle, wie sie dort am Stammtisch hockten! Das wäre halt eine passende Wirtin für den »Heiligen Martin« gewesen! Mit ihr den ganzen Tag zusammenarbeiten, sie allerweil in der Nähe wissen, die Gäste betreuen und …

»Fritz!«, riss ihn eine scharfe Stimme aus seinen Tagträumen. »Schläfst du schon am helllichten Tag? Die Zwiebelwurst!«

Aus der Durchreiche schaute das zornrote Gesicht der Maria, der Stammer-Wirtin.

»Zwiebelwurst?«, fragte er verständnislos.

»Für den Bürgermeister! Oder meinst du, der könnt auch nur vom Träumen leben? Wie ich unseren Tannberg kenn, ist ihm eine doppelte Portion Wurst noch allerweil lieber als … Na ja, wir zwei sprechen uns noch.«

Je später der Abend, desto lustiger die Gäste. Und die Zechen stiegen so beachtlich, dass sogar die Wirtin milder gestimmt wurde. So fiel es kaum auf, dass Peter Winkler ziemlich bald auf seinen Hof heimging.

Eva schenkte ihm nur einen flüchtigen Blick. Sie ließ sich vom Bürgermeister etwas ins Ohr flüstern, wofür sie ihn nachher mit einer Rüge strafte.

»Frech wie alle Männer! Und je älter, desto ärger!«, verwies sie ihn, aber wirklich böse war sie bestimmt nicht.

Darum protestierte der Tannberg-Gerhard recht hoffnungsfroh: »Also, Fräulein Eva, gar so alt bin ich auch wieder nicht!«

Darauf antwortete sie nur mit einem Lächeln. Ohne besondere Überleitung verlangte sie: »Das muss sich ändern! Ihr seid alle per Du miteinander. Nur ich plag mich mit euren Familiennamen herum. Nach fast zwei Wochen Urlaub in Kirchberg steht mir beinahe schon das Heimatrecht zu! Falls es jemand noch nicht weiß: Ich heiße Eva!«

Nun ging die Gaudi erst richtig los, denn der Sturm-Josef nutzte die Abwesenheit seiner Agnes und getraute sich zu verlangen: »Ein Busserl zur Bruderschaft! Ganz in Ehren! Sonst geht nichts mit dem Du-Sagen!«

Diesem Ansinnen stimmten alle Männer zu, aber die Eva Spranger wehrte lachend ab. Sie war halt lustig und lebensfroh, aber sie war nicht von der leichtfertigen Art.

Fünf Minuten vor der Sperrstunde begleiteten sieben feuchtfröhliche Männer die Fremde zu ihrem Zimmer. Das heißt, bis zur Treppe durften sie mit. Dann eilte die Eva Spranger lachend die Stufen hinauf, winkte ihren Verehrern noch zu und sperrte sich in ihr Zimmer ein.

»Gute Nacht, Freunde«, rief sie durch die Tür.

Der Kramer versuchte aus Gaudi sein Glück, indem er verlangte: »Lass mich in die Kammer, Eva! Ich muss doch schauen, ob sich keiner bei dir unter der Bettstatt oder im Schrank versteckt hat!«

»Keiner!«, beruhigte sie ihn lachend. »Leider, leider!«

Die sieben Männer zogen ab. Was sie nicht mehr sehen konnten, was niemand ahnte: Eva Spranger saß auf ihrer Bettstatt, regungslos, wie erstarrt. Alle Fröhlichkeit war aus ihrem Gesicht gewichen. Der Glanz in ihren Augen war erloschen, die Mundwinkel zuckten abwärts.

Als eine halbe Stunde später der Stammer-Wirt mit seiner Frau zur Schlafkammer hinaufstieg, kam er am Zimmer der Eva Spranger vorbei. Er hielt die Maria am Arm fest, legte einen Finger an die Lippen und deutete zur Tür. Jetzt hörte auch sie es: Die stets so lustige, beinahe lärmend fröhliche Fremde aus der Stadt weinte.

***

Am nächsten Sonntag kam Peter Winkler nicht zum »Heiligen Martin«, und der Wirt erzählte der Eva vertraulich: »Der ist ein bisserl eigen. Bauern und Dienstleut müssen unter der Woche lang genug auf Wiesen, Feldern und im Wald hackeln. Darum wollen sie am Feiertag lieber ins Wirtshaus kommen. Der Peter ist dagegen zwar ein lieber, doch schlechter Gast. Kein Rauschzapfen, wenn du weißt, was ich mein.«

Am Nachmittag wurde der Eva das Lärmen in der Gaststube zu viel, und sie unternahm einen Spaziergang ins Eichental. Die Gemeinde hatte dort Bänke für Sommergäste aufgestellt. Eva Spranger setzte sich und schaute über das Land.

»Wie schön«, flüsterte sie.

Als hinter ihr Schritte hörbar wurden, fuhr sie zusammen.

»So ein Zufall, dass wir hier zusammentreffen«, sagte Peter Winkler.

»Grüß dich … wie heißt du?« Eva hielt ihm die Hand entgegen.

»Peter. Winkler-Peter«, antwortete er. »Ich bin der Bauer mit dem Hof an der Straße nach Eckern.«

»Ah, jetzt erinnere ich mich wieder. Du hast dich neulich abends ziemlich bald davongeschlichen.«

Das ließ der Peter nicht gelten.

»Ein rechter Bauer hat auf seinem Hof allerweil genug Arbeit, und wenn er die halbe Nacht im Wirtshaus hockt, taugt er am nächsten Tag wenig. Darum bin ich heimgegangen. Außerdem gefällt mir die verrauchte Luft nicht grad besonders.«

Eva war ganz seiner Meinung und bestätigte ihm das.

»Mir geht’s genauso. Das viele Geschrei passt mir noch weniger. Wenn sie wenigstens etwas Gescheites reden würden!«

Ungefragt setzte er sich an ihre Seite. Dann hielt er ihr beinahe feindselig vor: »Ich hätt eher gemeint, es taugt dir gut, wenn zehn Mannsbilder um dich tanzen!«

Sie zuckte mit den Schultern und verzog die vollen Lippen zu einem geringschätzigen Lächeln. Sagen musste sie dazu gar nichts.

Stattdessen schaute sie wieder über das Tal hin.

»Hier könnt man leben und seinen Frieden finden.«

Peter hörte aus ihrer Stimme Sehnsucht, erinnerte sie aber: »Rings um Kirchberg gibt es nur Bauernland. Bei uns findet man bisher keine Zweitwohnungen. Wenn’s auch noch so schön ist, will kaum jemand Bauer sein. Die Höfe sterben aus und …«

Eva unterbrach ihn leise: »Ich komm eigentlich von einem Bauernhof. Bis vor drei Wochen hab ich sogar noch in der Landwirtschaft gearbeitet. Aber dann …«

Plötzlich zitterten ihre Lippen so unbeherrscht, dass sie nicht weiterreden konnte.

»Du in der Landwirtschaft?« Das konnte Peter nicht fassen.

Erst nach einer Weile redete Eva weiter: »Daheim haben meine Eltern einen kleinen Hof. Den kriegt einmal mein Bruder. Leider hat es mich dort nicht gelitten. Ich hab mir mein eigenes Leben aufbauen wollen. Das ist so arg danebengegangen, dass ich …«

Als jetzt Tränen aus ihren Augen brachen und über die Wangen rollten, wurde Peter Winkler sehr nachdenklich.

»So ist es«, brummte er. »Da sieht man ein Dirndl, das allerweil lacht, mit jedem flachst und sich lustig gibt, und dabei ist es gar nicht glücklich. Man sollt tiefer in die Menschen hineinschauen können.«

Schon versuchte die Eva, wieder lustig zu antworten. Sie hob die Hände und bat: »Sieh mich nicht an, Peter! Enttäuschungen und Kränkungen machen einen Menschen hässlich. Das sieht man ihm von außen her oft gar nicht so an, aber in mir schaut’s manchmal grauslich aus.«

Bevor sie wieder zu weinen anfing, schlug er ihr vor: »Gehen wir auf die Spitzer-Alm? Die gehört zu meinem Hof. Schadet nichts, wenn ich einmal schau, wie’s dem Vieh geht.«

»Und der Sennerin?«, ergänzte die Eva und drohte lächelnd mit dem Finger.

Auf der einen Wegstunde hatten sie miteinander viel Spaß, denn Eva Spranger zeigte wieder ein ganzes Feuerwerk von lustigen Einfällen, sodass sie mühelos auch den eher ernsten Peter mitreißen konnte. Manchmal lief sie ein Stück voraus, kniete bei besonders schönen Blumen nieder und liebkoste sie mit den Fingerspitzen.

»Die werd ich nicht abreißen!«, wehrte sie sich gegen die Zumutung, einen Strauß zu pflücken. »Die wollen auch leben und sich an der Sonne, der linden Sommerluft und dem blauen Himmel erfreuen!«

Peter gab recht schlagfertig zurück: »Was nützt das schon? Früher oder später kommt ein Rindvieh vorbei und frisst sie ab!«

Ernsthaft entgegnete Eva: »Die Rindviecher haben Hunger und müssen etwas fressen. Pech, wenn sie dabei schöne Blumen erwischen. Ich aber bin keine dumme Kuh, dass ich Blumen zur Gaudi umbring!«

»Nein«, sagte er leise. Er wollte es gar nicht, aber seine Stimme klang liebevoll, beinahe zärtlich. »Du bist ein ganz besonderes Dirndl! Eines mit dem richtigen Gefühl für die Natur … Mir scheint, wirklich eine gestandene Bauerntochter!«

Dafür schenkte Eva ihm ein Lächeln.

»Dank dir, dass du so etwas gesagt hast! Es freut mich viel mehr als alles Schöntun.«

»Eine echte, liebe Bauerntochter«, wiederholte er ernst, und ohne dass sie sich etwas dabei gedacht hätten, nahmen sie einander bei den Händen. So gingen sie langsam durch das Latschenfeld, den kleinen Bach entlang und hinüber zur Spitzer-Alm.

Die Sennerin beobachtete sie schon die ganze Zeit über von der Hütte aus. Jetzt kam sie ihnen entgegen. Ihr rotblondes Haar leuchtete in der Sonne, die unzähligen Sommersprossen gaben ihrem Gesicht einen lustigen, frechen Ausdruck.

»Da schau ich aber!«, rief sie. »Unser Bauer kommt auch einmal zu mir herauf! Höchste Zeit! Die Milch holt ja allerweil der Sepp mit dem Geländewagen!«

Während sie scheinbar harmlos plapperte, beobachtete die Sennerin genau das fremde Dirndl an der Seite ihres Bauern. Der merkte ihr an, dass ihr schon ein paar freche Späße auf der Zunge lagen. Darum sagte er schnell: »Das ist die Eva Spranger, Sommergast …«

»Weiß ich schon, weiß ich schon!«, unterbrach ihn die Steffi mit einem Lacher. Sie schaute die Fremde kritisch an, schnalzte mit der Zunge und meinte übermütig: »Bauer, da hast du dir die richtige Bäuerin eingefangen! Wenn du sie kriegst, zerspringen in Kirchberg alle Mannsbilder vor lauter Neid!«

»Grüß dich!« Eva wirkte ein bisserl befangen. »Gut gehalten ist das Vieh! So etwas freut mich allerweil, denn ich mag die Tiere, und eine gute Milchkuh kommt nicht so schnell ins Schlachthaus.«

»Jesses, Maria und alle heiligen Geister!« Die Steffi schlug die Hände zusammen. »Die versteht sogar noch was vom Vieh! Bauer, greif zu, bevor sie dir ein anderer wegschnappt! Und jetzt werdet ihr euch bestimmt stärken wollen.«

Eigentlich fürchtete Peter Winkler das freche Mundwerk seiner Sennerin, aber er musste bleiben, denn Eva hatte sich schon auf die Bank vor der Hütte gesetzt. Wenig später prostete sie dem Peter mit einem großen Milchbecher zu.

»Köstlicher als der beste Wein!«, rief sie noch lachend, doch dann verdüsterte sich plötzlich ihr Gesicht, ihr Blick wirkte wie gebrochen, als sie flüsternd hinzufügte: »Und von Milch ist noch kein Mannsbild rauschig geworden.«

Später wanderten sie bis zu den Felswänden hinauf.

»Beim Gehen bin ich gar nicht so schlecht, aber ich komm aus dem Flachland«, entschuldigte sich Eva. »Wenn ich lang steigen muss, krieg ich Herzklopfen.«

Sie ging dann schnell weiter, als fürchtete sie sich vor einer Antwort. Vom Fuß der Höllkogel-Wand aus bot sich ihnen ein großartiger Blick über das ganze Tal. Peter erklärte der Eva die Landschaft, nannte die Namen der Berge und der Kogel, zeigte ihr den Fluss im Tal, bis er zuletzt sagte: »Dort, am Dorfrand, an der Straße nach Eckern, das ist mein Hof.«

Eva fand sich nicht zurecht.

»Wo? Ich wollt ihn gern sehen.«

Um es ihr leichter zu machen, legte er den rechten Arm um ihre Schultern und zeigte mit dem linken zum Dorf hinunter. Sie folgte seiner Ortsbeschreibung und sagte zuletzt: »Ein wunderschöner Hof! Du bist reich, Peter.«

Sosehr ihn diese Worte freuten, wehrte er doch bescheiden ab: »Gar so weit ist es damit auch nicht her. Es gibt in der Gegend weitaus größere Höfe mit mehr Vieh. Vor allem der Waldbesitz …«

Eva unterbrach ihn: »Ich mein, du bist innerlich reich. Hast eine Heimat, eine Aufgabe, für die du lebst. Du musst sehr glücklich sein.«

»Eigentlich ja«, gab er zu. Beinahe hätte er auch noch gesagt, was ihm zum Glücklichsein fehlt. Aber da war Eva schon mit einer schnellen Wendung der Schultern unter seinem Arm weggeschlüpft, lachte ihm zu und lief weiter.

Später setzten sie sich noch auf eine bemooste Stelle im Hochwald. Eva erzählte von ihrer Kindheit auf dem kleinen elterlichen Hof und bekam dabei ganz verträumte Augen. Mit allen Blicken hing Peter an ihren Lippen, die fast immer zärtliche, sehnsuchtsvolle Wort für ihr Daheim fanden.

Peter fühlte, dass er einem bisher nie erlebten Zauber verfiel. Beinahe konnte er nicht mehr klar denken, er träumte sich nur in das Glück hinein, diese Lippen voller Liebe küssen zu dürfen.

Als Eva sich einmal aufs Moos zurücklegte und zu den Wolken hinaufschaute, war die Versuchung stärker als alle Vernunft. Peter neigte sich über sie und berührte mit den Lippen ihren Mund. Zart, werbend, nicht verlangend und schon gar nicht zum Spaß.

Evas Mund blieb fest geschlossen, die Lippen pressten sich schmal zusammen. Das ernüchterte Peter, sodass er sie freigab. Schon wollte er sich entschuldigen, da sagte sie zwar kühl, aber nicht unwillig oder gar feindselig: »Tut mir leid, Peter, ich bin nicht leichtfertig genug. Ich mag dich, aber ich kenn dich noch net gut genug. Für mich ist ein Busserl keine Gaudi und schon gar keine Bezahlung für einen wunderschönen, glücklichen Tag. Net bös sein, Peter, du musst mit mir Geduld haben.«

Aus diesen Worten spürte er heraus, dass er sich Hoffnungen auf eine echte Liebe machen durfte. Er hörte sich sagen, wie wenn er gar nicht selbst gesprochen hätte: »Ich weiß nicht, was da über mich gekommen ist, aber du kannst dich über mich erkundigen: Ich bin keiner, der leichtfertig hinter jedem Dirndlrock herrennt! Was jetzt mit mir geschieht, versteh ich gar net, aber es ist schön. Wunderschön!«

»Es ist schön, wunderschön«, wiederholte Eva. Zärtlich streichelte sie ihre Fingerspitzen über Peters Wangen, die Augenlider, zuletzt sogar über die Lippen. Plötzlich sprang sie auf. »Gehen wir ins Tal zurück! Ich will nicht vor lauter Glücklichsein den Verstand verlieren. Komm!«

Hand in Hand liefen sie über Wiesen und Wege talwärts. Es war spät geworden, die Sonne sank rasch hinter die Felswände, schnell zog die Dämmerung herauf. Peter musste seine Begleiterin eng führen, um sie vor einem Sturz zu bewahren. Er kannte hier jeden übermoosten Stein, auch die kleinen Regenrinnen und all die gefährlichen Stellen.

»Net durchs Dorf«, bat Eva dann.

Damit kränkte sie ihn.

»Hast du Angst, deine Freunde könnten dich mit mir sehen? Was denkst du von mir? Ich werd’s niemandem auf die Nase binden, wie schön wir es heut miteinander gehabt haben.«

»Peter!« Sie blieb stehen und schaute ihm beinahe zornig ins Gesicht. Nur ein schwacher Lichtschein fiel von der Dorfstraße bis hierher. »Peter, ich schäm mich doch net für dich! Aber ich bin gern mit dir allein. Da gibt es eine Harmonie … ein stilles Glück …«

Sie gingen weiter und kamen von den Stallungen zum Wirtschaftshof des Gasthauses » Zum heiligen Martin« . Eva reichte Peter die Hand, womit sie anzeigte, dass er sie nicht weiter begleiten sollte.

Leise sagte er: »Gut’ Nacht, Eva.«

»Gut’ Nacht, Peter.« Behutsam legte sie die Hände auf seine Schultern, schmiegte sich zärtlich an seine Brust und gab ihm ein liebes Busserl. Im nächsten Augenblick machte sie schon wieder einen Schritt von ihm weg.

Er konnte gerade noch fragen: »Kein Spaß und schon gar keine Bezahlung für einen schönen Nachmittag?«

Sie lächelte. »Nein, Peter. Keine Bezahlung, sondern … vielleicht Verliebtheit.«

Sie lief zur Tür des Wirtshauses, winkte von dort noch einmal zu ihm zurück. Lächelnd und strahlend. Voller Sehnsucht!

Dann ging sie erst gar nicht in die Gaststube, sondern gleich hinauf in ihr Zimmer. Kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen und versperrt, erstarb aller glücklicher Schein, ihr Gesicht schien zu erstarren. Sie drehte am Waschbecken das kalte Wasser auf und kühlte sorgfältig ihre brennheißen Wangen. Besonders sorgfältig wusch sie immer wieder über ihre Lippen.

***

Wie ein Träumer ging Peter Winkler durch die Welt. Mechanisch verrichtete er die Arbeit, die er mit jedem Handgriff kannte. Das Vieh tätschelte er zärtlich, seine Lieblingskuh umarmte er sogar und sagte ihr ganz narrische Koseworte ins Ohr. Beim Mittagessen fing er forschende, aufmerksame Blicke der Mutter auf.

»Schmeckt herrlich!«, lobte er ihre Kasnudeln.

Rosa Winkler kannte mit ihren über fünfzig Jahren das Leben mit allen seinen Höhen und Tiefen. Gefährlich waren die Abgründe, aber noch viel gefährlicher die Glücksgefühle, die aus den Augen ihres Peter strahlten. Sie schreckte auf und antwortete ihm: »Die Kasnudeln hat heute die Anna gemacht.«

Die alte Magd stand am Herd und rührte noch in zwei Töpfen. Mit fast achtzig Jahren war sie zwar silberhaarig, sonst aber noch stark wie ein junges Weib. Schwere Zeiten hatten ihr tiefe Runzeln ins Gesicht gegraben. Wenn sie meinte, man würde sie nicht beachten, neigte sie sich tief unter der Last eines arbeitsreichen Lebens.

»Anna!«, rief der junge Bauer sie an. »Du bist die beste Köchin!«

Die Alte kicherte wie ein Dirndl, warf dem Peter einen lauernden Blick zu und klagte gleich darauf: »Aber wenn mal eine Junge daherkommt, kann ich meine sieben Sachen packen und ins Altersheim gehen. Ob ich gute oder pappige Kasnocken mach, das wird mir nix nützen!«

Da tappte der Peter in die Falle, denn er beruhigte sie: »Ach geh her! Nie könnt sie herzlos sein!«

Gleich wurde die Mutter hellhörig und fragte zurück: »Wer?«

Zu spät merkte er, dass er sich beinahe verraten hätte. Oder schon verraten hatte, denn niemand glaubte seinen Ausreden. Die alte Anna hielt sich die Ohren zu, als wenn sie so was nicht mit anhören könnte, die anderen Dienstleute kriegten wache Augen.

»Was weiß ich, wer hier einmal Bäuerin sein wird?«, fuhr der Peter zornig auf. »Eines Tages bring ich eine ins Haus, die ich heiraten werd. Soll ich vielleicht als Junggeselle sterben? Der Hof braucht einen Erben!«

»Und jedes Mannsbild ein Schatzl zum Schöntun!«, kicherte die Anna. »Wo kämen sonst die Hoferben her? Gelt, Peter, ich mein nur, das Heiraten solltest du dir gut überlegen. Ist es nicht die Richtige, so hast du sie dennoch dein Lebtag auf dem Buckel. Ein Hauskreuz!«

Plötzlich hob der junge Bauer den Kopf, schaute auf die Mutter und sagte: »Ich wüsst schon eine, die mir taugen tät. Eine gute Bäuerin, bildsauber, lieb, anständig …«

Die Mutter nickte, nahm ihm aber gleich wieder den Mut, indem sie meinte: »Ich kenn keine, die so ist. Sagst du mir den Namen?«

Das wollte der Peter nun doch nicht, aber er beschloss, bei der nächstbesten Gelegenheit sein Glück zu versuchen und die Spranger-Eva zu fragen. Bei der Nacht sagte er sich sogar die Worte vor, bis er mit einem seligen Lächeln auf den Lippen einschlief und von ihr träumte.

Nun konnte er es nicht mehr wagen, der Eva seinen Hof zu zeigen, denn gleich hätten die Leute den Braten gerochen, und die Mutter wäre der Fremden von der ersten Stunde an feindselig entgegengetreten. Dass die alte Anna sogar richtig gehässig werden könnte, erwog Peter nicht, denn er wusste, wie sie ihn gerade anbetete. Und mit der Eva musste jeder gut auskommen. Dachte er!

Am nächsten Sonntag traf er sie wieder im Eichental auf der Bank »Talblick« . Schon von Weitem sah er sie dort sitzen, worauf sein Herz wild zu hämmern begann. Sie betrachtete das Land ringsum, hatte die Hände wie zu einem Gebet gefaltet und saß regungslos. Erst als sie seine Schritte hörte, schreckte sie auf. Sie reichte ihm die Hand, doch er fragte: »Krieg ich kein Begrüßungsbusserl?«

»Ist das bei euch auf dem Dorf so üblich?«, fragte sie mit einem Lächeln. »Ich werd’s mir für euren Bürgermeister merken.«

»Untersteh dich!«, fuhr er sie ehrlich eifersüchtig an. Dann erklärte er: »Ich hab dich halt lieb.«

Nach kurzem Überlegen kam sie zu dem Schluss: »Ich mag dich auch recht gern. Also, ein Busserl.«

Schon meinte er, auf dem richtigen Weg zu sein. Beinahe hätte er gleich mit seinen Heiratsplänen angefangen, doch das Busserl fiel dann so kühl aus, dass er die schicksalhafte Frage auf später verschob. Langsam ging er doch auf das Ziel zu, indem er ihr seinen Hof schilderte.

»Da fehlt nichts«, schloss er, »ausgenommen eine tüchtige Bäuerin. Aber die find ich auch noch.«

Als wahre Freundin warnte Eva ihn: »Vorsicht, Peter! Die Dirndl sind listig und net allerweil so lieb, wie sie dreinschauen! Wenn es um einen schönen Hof geht, ist vielen das Geld wichtiger als die Lieb.«

»Nicht alle sind so!« Die Augen des Peter Winkler leuchteten so verliebt, dass er gar nicht mehr viel hätte reden müssen.

Aber da stand Eva von der Bank auf, strich sich Schürze und Rock glatt und sagte: »Wir wollten doch wandern und net nur reden.«

Peter fügte sich. Er war schon glücklich, dass er beim Gehen ihre Hand halten durfte.

Im Hochwald herrschte ohnehin Dämmerlicht, weshalb es ihnen nicht auffiel, dass sich der Himmel mit Wolken überzogen hatte. Erst als große Tropfen in die Baumkronen fielen, schreckten die zwei jungen Leute auf.

»So ein Sauwetter! Als ob man mir aus lauter Bosheit jede Freud verderben wollte!«

Eva nahm das viel leichter, zog sich die Schürze über den Kopf und fragte: »Gibt’s hier nichts, wo wir uns unterstellen könnten?«

»Eigentlich net. Oder doch? Komm!« Kaum wagte Peter es zu sagen, denn er wusste, wie empfindlich sie zurückschreckte, wenn er versuchte, ihr albern nah zu kommen.

Hand in Hand rannten sie den Waldweg weiter. Schon kam ihnen das Wasser auf dem Weg wie ein Sturzbach entgegen, und Eva bekam es mit der Angst zu tun. Beim ersten Blitz zuckte sie zusammen wie unter einem Peitschenhieb.

»Ich fürcht mich«, gestand sie.

Umso entschlossener lief der Peter mit ihr zu der Holzhütte, wo manchmal Jäger, Holzknechte oder auch Landstreicher übernachteten. Die Tür war versperrt, aber der Schlüssel lag auf dem Türstock.

Noch zögerte Eva einen Augenblick lang, denn sie ahnte, dass sich hier das Schicksal entscheiden könnte. Ein Blitz zischte in die Gamslwand, gleichzeitig krachte es, als wäre die Welt geborsten. Widerstandslos ließ sie sich vom Peter in die Hütte drängen.

Drinnen war es trocken, düster und anheimelnd ruhig. Nur wie von fern tobten Sturm und Wolkenbruch durch den Wald. Als sie schauderte, flüsterte sie: »Ich bin patschnass. Man könnt sich den Tod holen.« Während sie die nasse Jacke auszog, bat sie: »Häng was vors Fenster, damit ich nicht allerweil die Blitze seh. Ich sterb sonst vor Angst! Daheim hat einmal der Blitz in eine Kuh eingeschlagen, das arme Vieh ist vor meinen Augen verbrannt.«

Peter hängte seinen regennassen Janker vor die Fensterscheibe. Nur durch ein paar Ritzen sickerte noch ein bisserl Licht.

Dann brach das Schicksal über sie mit einem ohrenbetäubenden Kracher herein. Es musste in einen der nächsten Bäume geschlagen haben. Die Erde zitterte, als ob die Hütte zusammenbrechen würde.

Mit einem Entsetzensschrei warf Eva sich an die Brust des Peter Winkler. Unter seinen Händen, die sie schützend festhielten, spürte er, dass sie vor Angst bebte. Sie hatte eine wunderbar weiche, seidige Haut. Er zog sie an sich, flüsterte ihr zu: »Musst dich net mehr fürchten, Eva. Wenn du bei mir bist, geschieht dir nichts Böses, denn ich bin ein Sonntagskind, und wenn ich dich so halte …«

»Red weiter«, bat sie ihn. »Da vergeht mir die Angst. Sag mir etwas. Meinetwegen etwas recht Liebes!«

Peter streichelte sie, worauf sie sich noch sehnsüchtiger an ihn schmiegte. Da konnte er gar nicht anders, musste ihr zuflüstern: »Dass ich dich narrisch lieb hab, weißt du. Du bist so schön und gescheit, so lieb und gut!«

»Weiter«, bat sie flüsternd, zog seine Hand an ihre Lippen und drückte einen Kuss darauf. Ihre Arme legten sich um seinen Nacken, weiche, runde Arme. Er konnte gar nicht anders, bedeckte ihr Gesicht mit einer langen Kette zärtlicher Küsse, auch ihre Lippen. Bisher hatte Eva seine Liebkosungen kaum erwidert, aber plötzlich war es, als wäre ein Damm in ihrer Seele geborsten. Mit einem seligen Aufseufzen gab sie ihm den Kuss und all die anderen Liebkosungen zurück.

»Eva«, fragte er leise, feierlich, ein bisserl atemlos, »überleg es dir gut: Willst du meine Frau werden, Bäuerin auf dem Winkler-Hof? Ich wär so glücklich, aber …«

»Ja«, flüsterte sie. Als er das nicht gleich hörte, schrie sie es fast angstvoll heraus: »Ja, Peter! Mit dir könnt mein Leben richtig schön werden! Ich hab dich lieb! Ich will dir eine gute Frau sein! Dich nie betrügen, nie belügen … Ja, Peter!«

Er riss sie geradezu in die Arme, verschloss ihre Lippen mit einem leidenschaftlichen Kuss.

»Nie wieder geb ich dich her«, raunte er. »Und wenn die ganze Welt gegen uns wär!«

»Das ist …?« Sie konnte es kaum fassen.

»Das ist unsere Verlobung«, bestätigte er ihr, und er hätte ihr noch viel mehr versprochen. Alles, was sie von ihm verlangte.

Als der Rausch der Leidenschaft ein bisserl abgeklungen war, fragte sie geradezu nüchtern: »Wann?«

»Was wann?« Er fühlte sich vor lauter Glück noch wie benommen, wie gar nicht wirklich auf dieser Welt.

»Was schon? Oder hast du mich für leichtfertig gehalten? Aber das ist die gerechte Straf, denn ich hätt dir meine Liebe nie so bald eingestehen dürfen!«

Jetzt verstand er, hörte, wie sie trocken aufschluchzte, und zog sie wieder in die Arme. Dabei versprach er ihr: »Wann du willst, Eva! Je früher, desto lieber, denn ich hab dich narrisch gern und kann’s kaum erwarten, dass du auf meinen Hof als Bäuerin einziehst. Und die Mutter …«

Das wollte sie gar nicht hören, sondern bestimmte: »In drei Wochen, wenn der Pfarrer unser Aufgebot verkündet hat. Ja?«

»Drei Wochen?« In Peters Glück mischten sich auch ein paar Bedenken. »Wenn die Mutter bis dahin noch nicht alles gerichtet hat …«

Eva setzte sich stocksteif auf, als ob sie sich wieder von ihm trennen wollte, und fragte beinahe scharf: »Heirat ich dich oder deine Mutter?«

»In drei Wochen!«, versprach Peter schnell. Es wäre ihm unverzeihlich erschienen, diese schönste Stunde in seinem Leben durch einen sinnlosen Streit zu stören.

»In drei Wochen werd ich deine Frau sein, Peter. Und unfassbar glücklich!«

Wieder schmiegte Eva sich in seine Arme, bedeckte sein Gesicht mit kleinen Küssen, und einen ganz lieben, zärtlichen und leidenschaftlichen kriegte er auf die Lippen.

Er konnte sein Glück kaum fassen: In seinen Armen lag das schönste Dirndl, das ihm jemals begegnet war. Einmal schreckte er ein wenig aus seinem Glückstaumel auf, Eva Spranger nutzte nämlich seine Seligkeit zu dem Geständnis.

»Damit du’s gleich weißt und mir später keinen Vorwurf machst: Ich hab schon einen lieb gehabt. Aber viele glückliche Stunden hat es mir nicht gebracht. Nur Kränkungen. Das ist auch der Grund, warum ich von meinem bisherigen Bauern fortgegangen bin. Jetzt weißt du’s. Wenn du mich deshalb nicht heiraten willst, sag’s gleich! In dieser Stund!«

»Eva!«, fuhr Peter auf. »Ich bin doch kein Depp! Auf das Gewesene werd ich nie eifersüchtig sein und dir auch keinen Vorwurf machen. Wärst du glücklich gewesen, hättest du nicht fortgehen müssen.« Er versuchte sogar noch zu scherzen, doch es misslang, also sagte er: »Dem Kerl müsst ich nur dankbar sein. Wär er nämlich ein bisserl gescheiter gewesen, so hätt er dich nie fortgehen lassen, und wir wären einander nie begegnet! Und jetzt reden wir nie wieder darüber! Eva, ich hab dich lieb, und ich weiß, dass du mich genauso lieb hast! Das langt mir!«

Gerührt schmiegte sie sich an seine Brust, barg ihr Gesicht an seinem Hals und fragte leise: »Bist du ganz sicher, dass ich dich ebenso lieb hab wie du mich?«

Sie zuckte zusammen, denn Peter sagte voller Ernst: »Ich bin sicher, dass du mich viel weniger liebhast als ich dich. Meine Lieb für dich ist so unermesslich groß, dass deine nicht herankommt. Aber wir werden miteinander glücklich sein, du und ich!«

Um jeder Gefahr zu begegnen, fragte sie gekränkt: »Hab ich dir nicht bewiesen, wie lieb ich dich hab? Ich bin keine Schnelle, Leichtfertige. Was mir mit dir geschehen ist, kann ich kaum fassen! Ja, Peter, ich hab dich unfassbar lieb und werd dich bestimmt mein ganzes Leben lang so lieben.«

***

Nicht nur die Frauenzimmer von Kirchberg kamen ins Träumen, sondern auch die Mannsbilder redeten kaum mehr von etwas anderem als dem großen Glück des Peter Winkler. Der Wirt »Zum heiligen Martin« grollte: »Da wohnt sie bei mir im Haus, grad zwei Zimmer neben meinem. Teufel, hätt die eine prächtige Wirtin abgegeben!«

Zu solchen Worten fand der Kramer Josef Sturm nur ein schadenfrohes Lächeln und erinnerte seinen Freund: »Mein lieber Fritz, das Hemd ist leider noch allerweil näher als der Rock. Stimmt, dass die Spranger-Eva zwei Kammern neben dir gehaust hat, aber in der Bettstatt an deiner Seite hat deine liebe Maria geschlafen.«

Der Stammer-Fritz seufzte tief und murmelte: »Mei, man redet halt. Aber so ist es: Einem reichen Bauern schlägt kein Hagel das Korn zusammen, bricht sich kein Ross den Haxen, und zuletzt kommt auch noch das Glück persönlich auf seinen Hof!«

»Das Glück?«, meinte der Kramer. »Lieber Freund, bei aller Bewunderung für die Spranger-Eva beneid ich den Peter doch nicht. Zwischen seinem jungen Weiberl und seiner alten Mutter wird ihm die Freud vielleicht bald vergehen. Wie ich weiß, kann die Winkler-Rosa ihre künftige Schwiegertochter nicht ausstehen. Da wird es noch oft krachen. Und wer ist der Leidtragende?«

Mit einem Gemisch aus Mitleid und Schadenfreude antwortete der Wirt: »Der Peter! Bin ich froh, dass ich meine Maria hab.«

Der Peter hat es auf seinem Hof tatsächlich nicht leicht. Seit er die Eva ins Haus gebracht hatte, tobte ein stiller, mitleidloser Krieg aller gegen alle.

»Schau, Mutter, drei Wochen dauert es noch bis zur Hochzeit«, hatte er gemeint. »In dieser Zeit kann die Eva die Arbeit hier kennenlernen und sich dann entscheiden, ob sie die Bäuerin werden mag.«

»Ha!«, fuhr die Mutter ungewöhnlich zornig auf. »Soweit kommt’s noch, dass du eine Dahergelaufene heiraten willst und sie dir daraus noch eine Gnade machen tät! Die versteht von der Bauernarbeit net viel mehr als eine Stalldirn!«

Peter redete seiner Mutter sanft zu. Mit jedem ungeduldigen oder heftigen Wort hätte er das Leben für die Eva nur noch schwieriger gemacht.

»Mutter«, sagte er, »die Eva kommt aus dem Flachland. Dort arbeiten die Bauern ganz anders als wir im Bergland. Aber in ein paar Monaten hat sie sich richtig eingearbeitet, und nachher wird sie die beste Winkler-Bäuerin sein …« Erschrocken schränkte er ein: »Die beste nach dir.«

Mit so plumpen Schmeicheleien ließ sich die Rosa nicht einwickeln. Seit dem frühen Tod ihres Mannes hatte sie den Hof geführt, sich gegen aufsässige Knechte und freche Mägde und auch manchmal gegen den Sohn durchsetzen müssen. Nun fiel es ihr schwer, die Macht an eine Dahergelaufene abzugeben, die ihr noch dazu einfach zu schön war. Verständlich, dass sich ihr armer Bub in die reizvolle Larve und das Gesüßel der Spranger-Eva verlieben musste!

Die Dienstleute machten es der Eva während ihrer »Probezeit« auch nicht gerade leicht, denn sie pochten auf ihr Recht, schon viel länger als die »Zugereiste« auf dem Hof gearbeitet zu haben. Das bedeutete, dass sie alles besser verstanden und nicht bereit waren, sich von der künftigen Bäuerin etwas sagen zu lassen.

Dann erlebte der verliebte Peter Winkler zwei Wochen vor der geplanten Hochzeit einen argen Schock. Schon die ganze Zeit über war es ihm aufgefallen, dass Eva wenig um ihre Stellung als künftige Bäuerin kämpfte. Als er sie deshalb zur Rede stellte, sagte sie nur: »Das wird noch. Einstweilen geht mir zu viel anderes im Kopf herum. Mein ganzes Leben wird sich ändern …«

»Natürlich! Als meine Frau soll’s dir an nichts mehr fehlen! Eva, ich hab dich schrecklich lieb. Du bist bildschön, gescheit, anständig!«

»Ich muss mit dir reden!«, stieß sie hervor.

Das war demPeter verdächtig, machte ihn misstrauisch und ängstlich. Gar so fest vertraute er noch nicht dem großen Glück, die Eva zur Frau zu bekommen. Aber als er meinte, sie sollte halt reden, schüttelte sie den Kopf und verlangte: »Nicht hier! Deine Mutter schleicht um uns, als ob sie deine Moral überwachen müsst! Ich hab halt gemeint, du wärst erwachsen und müsstest net mehr am Schürzenzipfel deiner Mutter hängen!«

Um des lieben Friedens willen widersprach er ihr nicht. Am Sonntag gingen sie gleich nach der Messe hinaus zum Wald. Die Eva wollte noch immer nicht reden. Bei »ihrem« Bankerl verlangte sie: »Wenn ich aber noch net müd bin! Gehen wir ein Stückerl weiter!«

Erst im Latschenfeld gleich unter den Felswänden ließ sie sich auf ein Moospolster nieder. Gut einen Meter vom Peter entfernt, aber plötzlich war zwischen ihnen eine noch viel breitere Kluft aufgerissen. Eva ließ daran keinen Zweifel aufkommen, sondern sagte beherrscht, beinahe kalt: »Bevor ich mit dir zum Traualtar geh, sag ich dir doch die ganze Wahrheit.«

Peter schaute sie erschrocken an.

»Na ja, manche Dirndl werden vor dem Heiraten arg nervös«, meinte er. »Was willst du mir noch beichten? Dass du vor mir einem Schmeichler auf den Leim gegangen bist, hast du mir schon gesagt. Das ist vorbei und vergessen.«

Er wollte Eva schon in die Arme ziehen, aber da rückte sie noch ein Stückerl von ihm weg. Ihre Augen funkelten. Geradezu geschäftsmäßig sagte sie: »Ich möcht dich gern heiraten, denn du hast einen schönen Hof und bist ein anständiger, lieber Mann. Wir könnten gut miteinander leben.«

Peter lächelte, atmete erleichtert auf und fragte: »Was stimmt dann also nicht?«

Sie senkte den Blick nicht, wich auch dem seinen nicht aus, sondern sagte das Ungeheuerliche scheinbar ungerührt: »Ich tät dich net aus Liebe heiraten.«

Das klang so grausam, dass Peter spürte, wie ihm kalt wurde. Mühselig zwang er sich zu einem Lachen.

»Willst du mich auf die Probe stellen? Meinetwegen, sag ich es dir halt: Ich hab dich so schrecklich lieb, dass es für uns zwei reichen könnt. Bei Frauen kommt manchmal die Liebe erst in der Ehe. Meinetwegen, Eva, ich hab keine Angst. Eines Tages wirst du mich so liebgewinnen, dass du mich gegen keinen anderen eintauschen wolltest!«

Um ihr zu beweisen, dass er seine Worte ernst meinte und nichts seine Liebe zu ihr mindern könnte, legte er die Arme um sie, zog sie an seine Brust und suchte mit seinen Lippen die ihren. Doch plötzlich hämmerte sie mit den Fäusten wild gegen seine Brust, und er gab sie erschrocken frei.

»Lass das! Kann man mit einem Mann net reden, ohne dass er einen gleich anlangt?« Ihre Worte klangen wie eine verzweifelte Anklage.

Peter starrte sie entsetzt an und fragte beinahe tonlos: »Also hast du noch allerweil den anderen gern? Musst es mir nur sagen!«

Eva machte eine hilflos bittende Geste, als ob sie um Verzeihung bitten wollte, aber sie ließ die Hände wieder sinken. Nach ein paar tiefen Atemzügen hatte sie ihre Ruhe und Kraft wiedergefunden.

Feindselig, beinahe voller Hass, stieß sie hervor: »Du verstehst überhaupt nichts! Dich mag ich, das ist wahr. Aber zur Lieb reicht es net. Und den anderen … wenn ich ihn umbringen könnt, ich tät es! Auch wenn du mich von nun an nicht mehr anschaust, mach ich dir keinen Vorwurf, dann geh ich halt. Wär wohl ohnehin besser … Ich hab den Bauern, bei dem ich im Dienst gewesen bin, nicht gemocht. Im Gegenteil. Ein brutaler Schläger ist er gewesen, der Vieh und Menschen abgemartert hat. Akkurat das hat ihn gereizt. Eines Tages ist er mir auf den Heuboden nachgeschlichen, hat mich gepackt und …«

Sie konnte nicht weiterreden, wurde totenbleich und gleich darauf wieder glühendrot. Peter Winkler atmete geradezu erleichtert auf. Wenn sie den Lumpen nicht geliebt hatte, war ihm das nur recht.

Er fasste nach Evas Hand und spürte voller Rührung das Zittern. Mit guten, zärtlichen Worten tröstete er sie.

»Vergiss, was geschehen ist. Ich möcht dich mit meiner Lieb glücklich machen, und eines Tages wirst du … Hör doch auf zu weinen! In unserer Ehe wirst du das Geschehene bald vergessen!«

Eva weinte gar nicht wirklich, sondern starrte wie versteinert vor sich hin.

Dann flüsterte sie: »Ich kann nicht vergessen, Peter! Mit jedem Tag werd ich daran erinnert werden! Allweil mehr! Dass mich der Lump brutal vergewaltigt hat! Und ich …« Sie holte noch einmal tief Atem, dann schrie sie es ihm ins Gesicht: »Davon bin ich schwanger! Im dritten Monat! Mit dem Kind von einem Lumpen! Und du würdest mich dennoch heiraten? Damit ich dir lebenslang dankbar sein muss? Spiel lieber nicht den Edelmütigen, denn ich hasse alle Männer! Mir graust vor ihnen … Und wenn einer gegen mein Kind auch nur ein schlechtes Wörtl sagt, ramm ich ihm die Sense in den Leib! Eines Tages würdest du es mir doch im Streit vorhalten, dann wär das Auseinandergehen erst recht eine Katastrophe! Jetzt begreifst du, dass ich dich nicht heiraten kann!«

»Aber du hast mich doch gern«, stammelte Peter entsetzt, als wenn das jetzt noch von Bedeutung gewesen wäre.

***

Die Leute von Kirchberg freuten sich alle mit dem jungen, schönen Paar. Sogar die Winkler-Mutter schaute an diesem Tag mit freundlicheren Augen auf die Braut.

»Schön bist du, Eva«, sagte sie. »Ich hätt’s aber lieber gesehen, du wärst eine echte Bauernbraut gewesen. Mit Schleier und Myrtenkranzl, wie’s bei uns der Brauch ist.«

»Das will ich aber net!«, wehrte sich die Eva geradezu feindselig.

Die Mutter seufzte, streichelte über die blassen, schmal gewordenen Wangen der Braut und sagte mit einem kleinen Lächeln: »Ihr seid halt recht oft allein gewesen. Aber deshalb … Mein Gott, wenn nur die Jungfrauen das Kranzl tragen dürften, gäb’s das ja kaum noch. Aber du kennst halt den Brauch bei uns auf dem Dorf nicht. Gehen wir, es ist höchste Zeit!«

»Höchste Zeit«, wiederholte die Eva.

Die Höller-Agnes kam in die Kammer und prüfte noch einmal mit Sachkundigkeit ihr Werk, das Brautkleid. Wadenlang, mit weit fallendem Rock und mit einem kleinen Ausschnitt. Genauso hatte es die Spranger-Eva haben wollen.

Jetzt verlangte sie: »Agnes, näh mir den Ausschnitt noch ein bisserl zu. So nackert mag ich nicht in die Kirche gehen!«

Eigentlich fand die junge Schneiderin, wer nicht einmal einen Jungfernschleier tragen wollte, müsste auch beim Halsausschnitt nicht so kleinlich sein, doch sie folgte widerspruchslos dem Wunsch der Braut.

Die Winkler-Mutter verfolgte mit kritischen Blicken die Änderungen am Brautkleid.

»Was man im letzten Augenblick noch herumpfuscht«, meinte sie, »wird nichts Gescheites. Gelt, Eva, das alles hättest du dir schon vorher überlegen sollen.«

»Kann sein.« Die Braut hatte zwar die Worte der Bäuerin gehört, dachte aber dabei an anderes.

Im nächsten Augenblick stieß die Rosa Winkler einen Schrei aus und warf sich gegen die Tür. Ganz blass, mit kleinen Schweißtropfen auf der Stirn, murmelte sie: »Das fehlt uns gerade noch! Wenn der Bräutigam die Braut am Hochzeitsmorgen schon vor der Kirch sieht, bringt das Unglück! Aber das weißt du wahrscheinlich auch nicht, Eva?«

Die starrte feindselig in den Spiegel und sagte heuchelnd: »Wenn’s nur daran liegen tät.«

Eine Viertelstunde später fuhr Peter Winkler mit dem eleganten Zweisitzer zur Kirche. Die Zügel führte sein Trauzeuge, der Bürgermeister Gerhard Tannberg. Vom Himmel leuchtete eine prächtige Junisonne. Zu beiden Seiten der Hauptstraße standen Leute, winkten dem Bräutigam zu, ein paar Dirndl riefen schon jetzt Glückwünsche.

Da flüsterte der Tannberg: »Einmal sollten die bei meiner Bürgermeisterwahl so begeistert sein! Ehrlich, Peter, um deine Zukünftige wird manchen der Neid fressen!«

Als der Bräutigam daraufhin nur wortlos nickte, fand der Tannberg, er hätte seine Riesenfreude ruhig ein bisserl deutlicher zeigen können. Vor der Kirche stiegen sie aus dem Wagen.

Pfarrer Schwab kam dem Bräutigam ein paar Schritte entgegen und drückte ihm väterlich die Hände. So viel Freundlichkeit war bei dem strengen Hochwürden für gewöhnlich nicht üblich, weshalb Peter gleich argwöhnte, die Eva könnt ihm bei der Beichte ihre Schwangerschaft eingestanden haben. Er fühlte sich ungemütlich, schaute in die Runde, doch da begegnete er nur fröhlichen, ahnungslosen Blicken.

Wenige Augenblicke später brandete am Ende der Straße Jubel auf. Gleich darauf kam der zweite Hochzeitswagen angefahren, langsam, würdevoll. Drinnen saß die Braut in ihrem Hochzeitskleid, ohne Schleier, ohne Kranzl.

Ein Raunen ging durch die Reihen, denn bis dahin hatte die Schneiderin nichts über die modischen Wünsche der »Fremden« verraten. Erst waren die Frauen betroffen, doch dann fanden sie rasch die Erklärung: »Sie ist halt doch eine Zugereiste, die sich nicht viel aus unseren Bräuchen macht.«

Sehr ernst und gemessen ging Peter Winkler seiner Braut entgegen. Als er ihr beim Absteigen von der Hochzeitskutsche half, sagte er: »Komm, Eva, wir dürfen den Pfarrer net warten lassen.«

»Und du?«, fragte sie leise. »Willst du dir’s net noch einmal überlegen?«

Er lachte. »Dazu wär’s zu spät. Wir haben den Entschluss gefasst, jetzt müssen wir daraus nur noch das Beste machen.«

Längst stand nicht mehr das große Glück in seinen Augen zu lesen, aber er ging entschlossen und mit festen Schritten zum Traualtar vor. Für Eva Spranger war es gar nicht so einfach, mit ihm Schritt zu halten. Deshalb flüsterte die Kramerin ganz gerührt: »Schau, der kann’s überhaupt net erwarten!«

Hingegen meinte die Dobelhof-Bäuerin neben ihr: »Beinahe könnt man meinen, der will alles schnell hinter sich bringen. Wenn ihr mich fragt: Der Peter wird mit der Auswärtigen nie glücklich. Da hat’s etwas, wovon wir nichts ahnen. Aber keine Angst, ich krieg’s heraus!«

In der ersten Betbank saß die Rosa Winkler, in sich zusammengesunken, mitten unter so vielen Leuten einsam. Neben ihr die alte, schon längst ein bisserl narrische Magd, die Anna. Halb blind war sie, aber sie lispelte doch: »Bäuerin, schau dir die Braut an: Die hat kein bisserl Liebe in den Augen! Hart und eiskalt, tät ich sagen! Mit der hat unser Bub kein Glück!«

Achtzig war die Anna, weshalb sie sich immer noch erlauben durfte, den Bauern »meinen Bub« zu nennen. Sie liebte ihn von ganzem Herzen, darum hasste sie seine Braut genauso vorbehaltlos heftig.

»Red net so dumm!«, fuhr die Rosa sie an. »Wenn dich unsere liebe Eva hört, kannst du dein Klumpert zusammenpacken und vom Hof verschwinden. Künftig hat nur sie das Sagen!«

***

Die feierlichen und die lustigen Stunden vergingen schnell. Pfarrer Schwab traute das Paar, predigte nur kurz und verzichtete auf manche feierliche Ermahnung.

Die Winkler-Rosa murmelte: »Der hat es aber eilig. Als ob er fürchten tät, dass da noch im letzten Augenblick etwas dazwischenkommt.«

Im Wirtshaus des Stammer-Fritz ging es dafür hoch her. Die Maria, seine Frau, hatte die vergangene Nacht durchgearbeitet, gebraten, gekocht und gebacken. Aber sie sagte ein bisserl spitz: »Der Winkler lässt sich das Heiraten etwas kosten. Für eine so sündteuere Hochzeit hätte er auch etwas Besseres kriegen können!«

Solche Reden gefielen ihrem Mann überhaupt nicht. Erst stellte er sich, als hätte er sie falsch verstanden und protestierte: »Gute Ware hat eben ihren Preis. Was wir auf den Tisch bringen, ist sein Geld wert!«

Jetzt rächte sich die Wirtin für die Ängste und Eifersuchtsqualen, die ihr die Spranger-Eva, nunmehrige Winkler-Bäuerin, schon verschafft hatte. Immerhin war auch der Fritz hinter der Fremden hergeschlichen wie ein verliebter Kater. Nur deshalb lachte sie so boshaft auf und flachste: »Essen und Trinken sind ihr Geld wert. Aber vielleicht stimmt der Preis nicht bei dem, was der Peter in die Bettstatt kriegt! Ich hab gehört …«

»Still bist!«, herrschte der Stammer-Fritz sein Eheweib an. »Früher ist die Eva unser Urlaubsgast gewesen, jetzt zahlt der Peter eine Hochzeit für so viele Personen! Willst du unsere besten Gäste beleidigen?«

Das getraute sich die Wirtin »Zum heiligen Martin« doch nicht, aber sie murmelte und maulte leise vor sich hin: »Ich bin weder taub noch deppert, und was ich gehört hab, hab ich gehört …«

Die meisten männlichen Gäste beneideten den Bräutigam noch immer, aber viele der weiblichen bedauerten ihn. Dirndl und Frauen wussten eben meistens mehr als die Mannsbilder, und was sie nicht wussten, dachten sie sich geschickt zusammen. Alle miteinander taten dem glücklichen Bräutigam schön und sagten der schönen Braut ein paar schmeichelnde Worte. Erst als die festlichen Lichter verlöschten und die letzten Saufköpf abgezogen waren, sagte die Wirtin: »Gelt, da ist heut die Mark ins Rollen gekommen, aber …«

»Aber was?«, erwiderte der Wirt und überrechnete schon die Einnahmen.

Seine Frau vollendete ihren Satz: »Aber echte Fröhlichkeit ist doch nicht aufgekommen.«

Die Winkler-Mutter fand in der folgenden Nacht kaum eine Stunde Ruhe. Immer wieder schreckte sie aus einem seichten Schlaf auf. Als sie dann um fünf beim ersten Morgengrauen in die Küche kam, hockte dort schon die alte Anna.

Wie eine böse Spinne schaute sie mit ihren kleinen stechendschwarzen Augen unter dem Kopftüchl hervor. Sie dankte kaum für den Gruß ihrer Alt-Bäuerin, sondern keifte gleich giftig los: »Jetzt hat sie’s erreicht. Unser armer Bub hängt am Haken. Noch ist er wie rauschig, aber er wird aufwachen. Nachher gehen ihm die Augen über, und er merkt, dass er sich in die Nesseln gesetzt hat.«

»Kümmere dich um deinen Schmarren!«, fuhr die Bäuerin sie an. Von der ersten Stunde an wollte sie verhindern, dass die Dienstleute über ihren Sohn spotteten und über die junge Bäuerin schimpften. »Der Peter hat sie geheiratet und wird wissen …«

»Guten Morgen!«, sagte eine klare, beherrschte Stimme von der Tür her. Als Eva ihre Schwiegermutter und die alte Magd vor Schreck erstarrt sah, fragte sie mit kühler Freundlichkeit: »Komm ich ungelegen? Ich kann wieder gehen.«

Die Mutter war einfach sprachlos, aber die alte Anna fing sich recht schnell und fragte mit kaum versteckter Bosheit: »Dein lieber Mann ist noch nicht auf? Hat er gestern zu viel getrunken? Er hält halt gar nichts aus, trinkt ja auch sonst überhaupt nichts. Nur dir zuliebe hat er mitgemacht. Ist ihm jetzt schon übel? Gelt, das versteh ich. Wenn man nach so einer Nacht wieder nüchtern wird und erst dann merkt, was man angerichtet hat!«

Bevor noch die Alte weitersticheln und die Eva zornig dreinfahren konnte, sagte die Winkler-Rosa: »Setz dich, der Kaffee ist heiß. Magst du ein Butterbrot?«

Aus Klugheit nahm die Eva das Angebot zur Versöhnung an.

»Einen Kaffee nehm ich gern. Ich ess aber später mit … mit meinem Mann. Jetzt geh ich in den …«

Solche Eigenmächtigkeit stand der Fremden bestimmt nicht zu. Die Anna kriegte noch kleinere bösere Augen, die Alt-Bäuerin antwortete mit scharfer Stimme: »In den Stall hab ich schon den Toni geschickt. Der macht heut dort die Arbeit. Wie’s morgen hergehen soll, bestimmt der … der Bauer.«

Mit einem boshaften Kichern heuchelte die Anna: »Wir haben nicht angenommen, dass eine Braut so schnell aus den Federn kommt. Wenn ich da an die Hochzeit vom Berghofer denk … Teifi auch! Eine Woche lang blieben die im Zimmer, und die Dienstleut haben ihnen nur das Essen vor die Tür stellen dürfen. Gelt, da seid ihr viel vernünftiger, du und dein Mann.«

Eva wollte nicht gleich am ersten Morgen einen harten Streit, schluckte Ärger und Kränkungen hinunter und sagte: »Zum Glück sind die Menschen verschieden. Unser Eheglück geht niemanden von den Dienstleuten etwas an. Mutter …« Dieses Wort würgte sie im Hals, aber sie konnte die Rosa Winkler künftig nicht anders ansprechen. »Mutter, darf ich meinem Peter das Frühstück ans Bett bringen?«

Die Rosa nickte, aber sie fügte hinzu: »Das ist bei uns gar nicht üblich. Weil heut ein besonderer Tag ist, meinetwegen. Aber führ dir das nicht ein!«

Eva trug auf einem Tablett die Tasse mit dem Kaffee, zwei Scheiben Butterbrot und ein paar Stücke Wurst.

»Mehr hat der Peter nie zum Frühstück gegessen«, beschied die Winkler-Mutter, womit sie deutlich sagte, dass es dieses Frühstück in der Schlafkammer ausnahmsweise und nur für ihren Sohn gäbe.

Im Vorhaus musste sich die junge Frau für ein paar Sekunden mit dem Rücken gegen die kalte, weiß gekalkte Wand lehnen. Ihre Lippen bewegten sich, lautlos hauchte sie: »Geschieht mir recht, ganz recht. Ich hab’s nicht anders gewollt, noch viel weniger anders verdient!«

Peter schaute ihr schlaftrunken entgegen, wischte sich die Augen und wollte gleich aus dem Bett springen.

Eva aber drückte ihn aufs Kissen zurück und bestimmte: »Du sollst liegen bleiben! Das schickt dir deine Mutter. Lass es dir gut schmecken!«

Er lächelte ein bisserl unsicher. »Krieg ich kein Busserl zum Gutenmorgen?«

Eva streifte seine Lippen flüchtig mit ihren, doch als er nach ihr griff, entwand sie sich mit einer raschen Körperdrehung. Geschickt ordnete sie das Frühstück auf dem Tablett.

»Guten Morgen«, sagte sie erst jetzt, denn ihre Gedanken wollte sie lieber nicht verraten. Nun verlangte Peter, sie solle sich zu ihm auf den Bettrand setzen und mit ihm essen, doch sie lehnte ab: »Das ist nur für dich. Ich ess nachher in der Küche.«

Forschend sah er in ihr Gesicht, erkannte nicht viel, doch das Wenige langte ihm. Er beschloss, mit der Mutter ein ernstes Wort zu reden. Dann machte er sich über das Frühstück her.

Eva war beinahe der Überzeugung, er habe sich schon in die Anordnung seiner Mutter gefügt. Darüber war sie froh, denn nichts fürchtete sie so sehr wie Streit und offene Feindseligkeiten. Die Leute vom Winkler-Hof hatten nichts zu verheimlichen und nichts zu verlieren. Sie aber hatte sich hierher geflüchtet, hatte gemeint, die Liebe eines jungen, reichen Bauern könnte ihr genug Sicherheit gegen künftige Schicksalsschläge bieten.

Darum, und nur darum, hatte Eva alles so eingerichtet, dass sich der ahnungslose Peter Winkler in sie verliebte, sie umwarb und sie in der Holzfällerhütte verführte. Unter besonderen Schuldgefühlen ihm gegenüber litt sie nicht. Ein Mann hatte sie brutal überfallen und vergewaltigt. Also war es nur recht und billig, dass ein anderer dafür die Rechnung bezahlte!

Außerdem hatte sie kurz vor der Hochzeit dem Peter die volle Wahrheit gestanden. Wie erwartet und vorausberechnet, brachte er es nicht über sich, sie deshalb zu verlassen. Demnach war ihr Plan in all seinen Einzelheiten aufgegangen. Und wenn sie auch den Peter nicht liebte, so war er doch der einzige Mann in ihrem bisherigen Leben, den sie nicht verachtete und nicht hasste.

»Wir werden gut miteinander hausen«, versprach sie ihm, dann bat sie ihn noch: »Peter, sei nicht hart zu deiner Mutter. Es ist nur verständlich, dass sie gegen die Fremde, die Schwiegertochter, eifert.«

Peter freute sich darüber, dass die Eva dafür so viel Verständnis aufbrachte, sie aber fügte noch hinzu: »Nur die Anna, diese alte, überflüssige, unnütze Giftspritze, die muss aus dem Haus. Möglichst bald. Ich sag nicht, von heut auf morgen. Aber die ertrag ich nicht mehr lang in meiner Nähe.«

Vergeblich wollte Peter das Ärgste verhüten.

»Eva, was kann so ein altes Weiberl, das nicht mehr ganz richtig im Kopf ist, gegen dich ausrichten? Schmeiß ich sie hinaus, so könnt ich sie gleich umbringen. Die hängt am Haus, am Hof, an allem.«

»Und an dir!«, spöttelte die Eva unversöhnlich. Für den Augenblick gab sie aber nach, denn sie wollte nichts übers Knie brechen.

***

Die Erntearbeit im August nahm alle hart ran, denn da musste für den Winter das Heu selbst von hoch gelegenen Almen und Wiesen geholt werden. Ein strenger Winter war angesagt.

Einstweilen brannte die Sonne noch mit spätsommerlicher Glut vom wolkenlosen Himmel, aber der Jäger warnte den Winkler: »Heuer gibt’s einen argen Winter. Eisig wird es, sag ich dir! Schön vorsorgen, damit ihr mir nicht erfriert!«

Im September kam es beinahe zu einer Katastrophe. Über Nacht bedeckten sich die Berggipfel mit Schnee und Eis. Als am nächsten Morgen eine müde Sonne zwischen den Felszacken blinzelte, ordnete der Peter an: »Wir holen noch heut unser Vieh von der Alm. In ein paar Tagen könnt es zu spät sein. Wird der Weg durch die Schlucht herunter eisig, kann sich leicht ein Tier die Haxen brechen.«

»Geh, Bauer, du wirst dir doch net gleich wegen der paar Schneeflockerl in die Hosen machen!«, keifte die Anna von der Herdbank her. »Du bist sonst allerweil so schneidig gewesen.« Und mit einem giftigen Seitenblick auf die Eva: »Oder wird man als Ehekrüppel feig?«

Mit der Alten legte sich der Peter lieber nicht an. Redete er ihr gut zu, so verflog das wie ein Seufzer im Wald. Machte er sie nieder, so brach das arme Weiberl geradezu in die Knie. Also sagte er überhaupt nichts, blieb aber bei seiner Entscheidung.

Vernünftiger redete die Mutter auf ihn ein: »Wart noch ein paar Tage zu. Ich bin immer lieber beim Abtrieb dabei gewesen. Die narrischen …«

»Meine Küh sind vernünftig und zahm!«, verteidigte Peter ungeduldig seinen Entschluss.

»Die Rindviecher schon! Aber die Knechte haben nichts im Hirn als die Gaudi! Wenn du heut noch auf die Alm gehst, muss die Steffi die Hütte in Ordnung bringen. Bis dann das Vieh bereitsteht, vergeht wieder eine Zeit. Da wollen die Knechte schon bald herunten sein, damit ihnen die Dirndl nicht davonrennen! Da hauen sie drein und kennen keine Geduld. Nicht auf die Küh muss man aufpassen, sondern auf die liebesnarrischen Deppen!«

Die alte Anna stieß ein boshaftes Lachen aus und schaute recht frech auf ihren jungen Bauern. Nun hielt es die Eva nicht länger durch, denn sie verstand genau, dass in diesem Haus die meisten Bosheiten gegen sie gerichtet waren.

»Dann komm ich mit, Peter«, bot sie an. »Der Schnee macht mir nichts aus, und ich werd aufpassen, dass ich mich auf dem vereisten Weg nicht erschlag. Den Gefallen tu ich niemandem.«

Eigentlich wollte der Peter diesen gefährlichen Wortwechsel durch eine rasche Entscheidung beenden, doch er musste der Eva sagen: »Tut mir leid, aber wir nehmen nie Frauen zum Viehtrieb. Grad in der Schlucht wird’s eng. Links die Felsen, rechts das Wildwasser. Ein falscher Schritt, und das größte Unglück kann geschehen. Dann gibt’s Verletzte, vielleicht sogar Tote. Nix für …«

Er streifte mit einem Blick ihren Leib, dem man die Schwangerschaft noch nicht anmerkte. Immerhin trug die Eva in den letzten Wochen nur noch weite Röcke und darüber Schürzen, die sich aufbauschten.

Die Mutter stand ihm ehrlichen Herzens bei.

»Kommt net infrage, Eva. Du hast dich noch nicht genug eingearbeitet, dass du eine so gefährliche Arbeit machen könntest. Viehtrieb unter winterlichen Bedingungen ist was anderes als ein Spaziergang im Flachland.«

Wieder lachte die Anna boshaft, und das gab den Ausschlag. Der Peter Winkler bestimmte als Bauer: »Du musst jede Arbeit kennenlernen, Eva. Du kannst mitkommen. Bleibst halt in meiner Nähe. Morgen früh um sieben gehen wir los.«

***

Auf die Minute pünktlich setzte sich der Menschenzug in Bewegung. Die Nachbarn hatten fünf Knechte mitgeschickt, sieben waren vom Winkler-Hof. Dazu kamen der Bauer und dessen Frau.

Eine Weile gingen sie schweigend durch den Morgen. Im Tal nieselte es, doch zwischen den Felswänden schwebten bleichgraue Schneeschleier herunter. Plötzlich ging die Eva schneller als die anderen Leute. Erst wollte sie der Peter zur Vernunft mahnen, dann begriff er, was sie bezweckte: Sie wollte mit ihm allein reden können.

Kaum war er an ihrer Seite, sagte sie ganz unvermittelt und heftig: »Ich halt’s bald net mehr aus. Tut mir leid, Peter, aber ich kann net so weiterleben.«

Er verstand, was sie meinte, griff nach ihrer Hand und versuchte, sie zu beruhigen. Sie aber riss sich von ihm los und klagte: »Alle auf dem Hof sind mir feindlich gesinnt, als ob ich ihnen etwas nehmen tät! Die alte Anna eifert gegen mich ärger als ein betrogenes Schatzl! Den Dienstleuten kann ich nichts recht machen, und deshalb behandeln sie mich, als ob ich weit unter ihnen stehen tät. Deine Mutter …«

Das wollte sie nicht auch noch sagen.

Peter aber drängte sie herrisch, beinahe feindselig: »Hast du angefangen, so musst du weiterreden! Ist meine Mutter zu dir ungerecht?«

Eva zögerte mit ihrer Antwort, dann gestand sie leise zu: »Net grad ungerecht. Eine Mutter ahnt halt allerweil mehr, als sie wissen kann. Ich bin überzeugt, sie hat ihren Verdacht. Stimmt, ich hab mich bei dir eingeschlichen, dir Liebe vorgespielt. Alles hab ich geplant, dich von der ersten Stund an belogen. Sogar vor dem Traualtar ist mein Versprechen, dich zu lieben, eine Todsünd gewesen! Ich weiß gar nicht, was die Lieb zu einem Mann ist!«

Peter schaute sich vorsichtig um. Erst als er sich überzeugt hatte, dass seine Helfer hinter ihnen waren, antwortete er.