Heimstein der Zwerge - Thorsten Hoß - E-Book

Heimstein der Zwerge E-Book

Thorsten Hoß

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Beschreibung

Explodierende Kristalle, hungrige Drachen und starrköpfige Zwerge machen den Astronauten das Leben schwer. Aber auch die Hilfsbereitschaft der Dryaden hat unerwartete Konsequenzen. Wenigstens die Magier des Wilden Waldes scheinen bereit sein zu helfen. Doch ob die Astronauten ihren Preis bezahlen können, bleibt fraglich.

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Inhaltsverzeichnis

Impressum

Widmung

Prolog

1. Hiriko

2. Tilseg am Berg

Zwischenspiel

3. Boris

4. Hiriko

5. Tilseg am Berg

Zwischenspiel

6. Faqech

Zwischenspiel

7. Tilseg im Kloster

8. Barbara

9. Tilseg am Berg

Zwischenspiel

10. Ashley

11. Tilseg am Turm

12. Faqech

13. Ingbold

14. Faqech

Zwischenspiel

15. Tilseg am Turm

16 Asss

Zwischenspiel

17. Faqech

18. Ingbold

19. Tilseg vom Kloster

Zwischenspiel

20. Faqech

21. Tilseg am Berg

22. Kequerech

23. Ashley

24. Barbara

Zwischenspiel

25. Tilseg im Berg

Zwischenspiel

26. Ashley

27. Faqech

28. Sven

29. Tilseg vom Kloster

30. Delphi

Zwischenspiel

31. Boris

32. Tilseg im Lager

33. Ashley

34. Faqech

Zwischenspiel

35. Barbara

36. Dragar

Zwischenspiel

37. Ingbold

Zwischenspiel

38. Faqech

Zwischenspiel

39. Tilseg im Lager

40. Ashley

41. Ronja

42. Dragar

43. Jane

44. Faqech

45. Ashley

Epilog

Danke für's Lesen!

Über den Autor und dieses Buch

Danksagungen

Impressum

Heimstein der Zwerge

(Die Crew der Sirius7, Band 8)

Deutsche Erstausgabe

©2023 Thorsten Hoß

[email protected]

www.lunariaromane.de

Covergestaltung: Polina Hoß

Lektorat: Polina Hoß

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Postadresse des Rollenspielseminars

Wilhelmstr. 26 41363 Jüchen

Widmung

Für

Robin

Prolog

In der Tiefe des Zwergenheimsteins schlich ein Raubtier durch die Dunkelheit. Es hatte Hunger und die Nase gestrichen voll von den leeren Höhlen, die es durchwanderte.

Die Treppe, die es gefunden hatte, kam da gerade recht. Die schwache Witterung, die an den Stufen haftete, versprach gleich zweierlei: lebendige Beute und einen Weg in die Freiheit.

Die menschengroße Raubkatze folgte der Spur. Schnüffelnd und auf leisen Tatzen. Ein Schatten in der Dunkelheit. Eine Jägerin und doch auch eine Gejagte. Denn am Grund der Treppe sammelte sich nun ihr Verfolger. Ein amöbenartiges, grünes Wesen, dessen einziges strukturiertes Organ ein Auge war. Sein starres Stieren konnte sie fast körperlich wahrnehmen, als es die großstufige Treppe zu ihr emporschaute. Sie schauderte. Irgendetwas tief in ihrem Verstand wusste, dass ihr wandelbarer Verfolger nicht gänzlich instinktgesteuert hinter ihr her war. Das Ding war gefährlich und vermutlich unverdaulich.

Es streckte seinen amorphen Körper der ersten Stufe entgegen, um ihr zu folgen. Der dehnbare grüne Körper erreichte die Kante und sammelte sich dort, bis es genug Halt fand, den Rest seines Leibes nachzuziehen.

Sie witterte ihren Jäger deutlich. Das Ding war hartnäckig und blieb ihr auf den Fersen, auch wenn sie bisher eine Konfrontation vermeiden konnte. Stufe um Stufe würde es ihr unaufhaltsam auf den Fersen bleiben, in einer langsamen, aber stetigen Jagd. Ihr Magen knurrte schmerzhaft. Obwohl ihr Hunger groß genug war, um fast alles zu fressen, war sie nicht so dumm, ihren Verfolger als potentielle Beute zu betrachten. Es war besser, weiter Abstand zu wahren und ihn zu vergrößern, so gut es ging. Warnend fauchte sie in die Tiefe, bevor sie sich abwandte und ihrerseits die Treppe weiter emporsprang. Es war ein langer Aufstieg, während sie der schwachen Duftspur folgte, die die Zwerge hier hinterlassen hatten. Es war die beste Spur, die sie hatte, denn nirgends sonst witterte sie etwas, das sie fressen konnte.

Ein frustriertes Fauchen entstieg ihrer Kehle, als sie endlich das Ende der ewigen Treppe erreichte und von einer Wand aufgehalten wurde. Wie konnte das sein? Die Witterung hatte sie hierhergeführt und doch war hier kein Weg. Sie schnüffelte. Ihre Sinne bestätigten ihr, dass es hier weitergehen müsste, und sie kratzte probehalber an der Wand. Ihre Krallen hinterließen Kerben in den massiven Stein und straften ihre Nase Lügen.

Die Katzenwer war irritiert. Wie konnte das sein? Waren Zwerge etwa in der Lage durch Gestein zu schreiten? Unschlüssig tigerte sie auf der letzten Stufe hin und her. Es roch jedenfalls so.

Was sollte sie nun tun? Unten lauerte ihr Verfolger und hier ging es nicht weiter. Sie saß in der Falle.

Da vernahmen ihre feinen Sinne Vibrationen und ein leises Rattern im Gestein, gefolgt von steinernem Knirschen. Alarmiert wich sie mehrere Stufen von der Wand zurück, die sich nun in Bewegung setzte. Licht fiel durch die entstehende Lücke ein. Die Lichtquelle war nicht stark, doch nach der bisherigen Dunkelheit blendete sie sie für einen Moment. Und noch etwas kam mit dem Licht. Der intensive Geruch eines Zwergs, ganz in ihrer Nähe.

Mit rumorendem Magen machte sie einen Satz nach vorn. Sprang, - jetzt, wo ihre Augen ihren Dienst nicht verrichteten, sich völlig auf ihre Nase verlassend, - und traf auf etwas Weicheres als Fels. Ihre Krallen gruben sich in das Gewebe und ihr Gebiss schnappte unbarmherzig nach der Stelle, von der ein erstauntes Röcheln ausging. Sie schmeckte Blut und spürte, wie etwas unter dem Druck ihres Kiefers brach. Der Zwerg hatte keine Chance und verlor sein Leben, ohne die Möglichkeit zur Gegenwehr.

Sie fraß gierig und stillte ihren Hunger, bis sie keinen Bissen mehr herunterschlingen konnte. Gesättigt schnüffelte sie. Hier lebte noch mehr Beute. Das war gut. Aber sie musste aufpassen, nicht zu vielen der Bewohner gleichzeitig zu begegnen. Denn auch wenn sie ihre Mahlzeit fast kampflos erlegt hatte, rieten ihre Instinkte zur Vorsicht. Wehrlos waren Zwerge nicht, auch wenn sie den ersten überrumpeln konnte. Ein letztes Mal witterte sie in Richtung der Treppe. Auch ihr Verfolger war noch da. Sie knurrte leise und machte sich dann daran, ihr neues Jagdgebiet zu erkunden. Vieleicht gab es ja hier irgendwo auch einen Weg nach draußen.

1. Hiriko

Hiriko Tanaka, Ex-Raumfahrerin, Ex-Erdenbürgerin und Ex-Mensch, schritt mit hüpfendem Gang fröhlich voran. Ihre Tochter Hiroki und ihre Freundin Nirilis an ihrer Seite. Den drei Dryaden folgte Hirikos Symbiosepartner EfA mit langsamen aber langen Schritten. Dem großen Pflanzengolem schließlich folgte eine Armee. Mit hunderten von berittenen Amazonenkriegerinnen und ihrem Gefolge bildeten sie alle einen imposanten Heerzug, während sie das Land der Singenden Hufe durchquerten. Aber es war ein schöner Morgen und die Stimmung der Naturgeister war ausgelassen und fröhlich.

„Wie lange werden wir wohl bis nach Hause brauchen?“, fragte Nirilis interessiert.

„Ohne Zwischenfälle vermutlich noch gut zwei Tage, bis wir den Grenzfluss erreichen“, schätzte Hiriko grob. „Und dann noch mal mindestens genauso lange bis zum Lager.

„Das ist lang“, bemerkte Hiroki. „Als wir auf dem Weg zum Drachen waren, ging es irgendwie schneller.“

„Ja“, bestätigte Hiriko „Aber da waren wir auch noch nicht so viele und kamen deutlich besser voran. Mit den Karren und den schwer bepackten Männern im Tross dauert es eben länger.“

„Schau mal“, machte Nirilis sie auf eine weitere Staubwolke von beträchtlicher Größe aufmerksam.

„Sind das noch mehr der Abtrünnigen?“, erkundigte sich Hiroki neugierig.

„Nein“, erklärte Hiriko, während sie die Aufwirbelung betrachtete, hinter der sich das weit entfernte Gewitter entlang der Küste abzeichnete. „Das ist die falsche Richtung.“

„Wer kommt denn da sonst?“

„Die Singenden Hufe?“, spekulierte Nirilis.

„Ja“, bestätigte Hiriko. „Ich wüsste nicht, wer das sonst sein sollte.“

„Schön“, freute sich Hiroki. „Das sind ja Freunde. Meint ihr, die wollen wirklich alle zu uns?“

Hiriko war aus menschlicher Sicht vielleicht naiv, doch nicht so arglos wie ihre Artgenossinnen. Sie glaubte nicht daran, dass die Singenden Hufe ihnen einfach nur einen Freundschaftsbesuch abstatten wollten. Gemeinsam beobachteten die drei Dryaden, wie sich die Staubwolke immer weiter näherte, bis sie die ersten Reihen Reiterinnen schemenhaft erkennen konnten.

„Ui. Das sind aber echt viele“, staunte Nirilis und hüpfte, völlig von den Amazonen abgelenkt, noch einige Schritte weiter, bevor sie bemerkte, wie Hiriko stehen geblieben war. „Was ist?“

Hiriko erwiderte nichts. Doch war der Anblick, der sich ihr bot, beunruhigend. „Sagt den Frauen, sie sollen hier warten“, entschied sie spontan. „Ich werde vorauslaufen und die Singenden Hufe fragen, was sie wollen.“

„Glaubst du, es gibt Probleme?“

„Weiß nicht.“ Damit ließ sie die beiden auch schon stehen und rannte los.

Dryaden können sich extrem schnell bewegen, wenn sie wollen. Hiriko beeilte sich sehr und überbrückte den Abstand zwischen den beiden Gruppen in atemberaubender Zeit. Als sie abrupt vor der Armee stehen blieb, scheuten einige Pferde. Sie waren gut ausgebildet, doch sie kam wie aus dem Nichts.

„Du?“

Hiriko fixierte die Quelle des erstaunten Ausrufs und entdeckte unter den fremden Amazonen ein bekanntes Gesicht. Diese Frau hatte sie bereits getroffen.

„Ja, ich“, erwiderte Hiriko, um etwas Zeit zu gewinnen. Während sie lächelte, grübelte sie, wann das gewesen war und wie die Kriegerin noch mal hieß.

„Warum haltet ihr?“, klang eine andere Stimme befehlsgewohnt.

„Es ist einer der Naturgeister, die zu den Astronauten gehören“, erklärte die schwarzhaarige Frau, die Hiriko immer noch nicht zuordnen konnte.

Die Position der Fragestellerin hingegen war klar. Hiriko hatte es mit niemandem geringeren als der Königin der Singenden Hufe zu tun.

„Hi“, sagte sie ein wenig eingeschüchtert.

„Die Astronauten wieder?“ Die Stimme der Monarchin klang nicht unfreundlich, doch merklich verstimmt. „Was macht ihr erneut in meinem Territorium? Ich dachte, ihr seid zu dem Drachen unterwegs?“

Das überraschte Hiriko. Woher wusste die Frau das?

„Ja“, bestätigte sie, verblüfft darüber, wie gut die Königin informiert war. „Aber jetzt sind wir auf dem Rückweg.“

„Wir?“ Die Miene der Königin blieb unbewegt, aber in ihren Augen funkelte die Gefahr. „Sag, Geist, haben die Astronauten vielleicht etwas mit der Armee von Ausgestoßenen dort zu schaffen?“

Hiriko blickte kurz zurück zu ihren Freunden. „Naja, irgendwie schon“, gab sie zu und lächelte verlegen. „Meine Freunde und ich haben sie unterwegs getroffen …“

„Und habt euch zusammen getan, wie ich sehe.“

„Naja …“

„Also muss ich annehmen, dass die Astronauten nun auch schon gemeinsame Sache mit Mördern, Dieben und Eidbrechern machen.“

„Moment. Das ist …“

„Leugnen ist sinnlos! Dein Gefolge sagt alles, was ich wissen muss.“

„Ich weiß nicht, was die Ausgestoßenen früher getan haben, aber sie wollen Astronauten sein und werden den Frieden wahren!“

„Tatsächlich?“, fragte die Königin sarkastisch. „Also irre ich mich bei dem, was ich erblicke?“ Damit deutete die Monarchin auf die Streitmacht hinter der Dryade.

Hiriko drehte sich irritiert um und erstarrte. „Nein!“, hauchte sie entsetzt, als sie sah, wie die Verstoßenen gerade Schlachtreihen bildeten und sich kampfbereit machten.

2. Tilseg am Berg

Tilseg saß vor seinem Zelt und beobachtete die Zwerge bei der Arbeit. Diese Benennung kam nicht von ihm. Vielmehr hatte der Unterhändler dieses Volks sie selbst so bezeichnet. Doch vermutete Tilseg, dass sie ihrerseits dieses Wort von den Menschen übernommen hatten, von denen sie auch die Sprache der Amazonen gelernt hatten.

Mit jeder Karre Abraum, die die kräftigen Gesellen zurück in ihren Berg brachten, sank die Wahrscheinlichkeit, die Reste seines Selbst noch aus den Tiefen bergen zu können. Das war der eigentliche Grund, warum er zum Berg der Zwerge zurückgereist war, in dem ihn der Wächterkristall in fünf Teile zerfetzt hatte.

Dass er nun nicht mehr seinen riesenhaften Wuchs besaß, störte den durch das Biogel der Sirius7 stark veränderten Doktor nicht. Und um seine anderen vier Ichs machte er sich auch wenig Sorgen. Doch das, was von seiner Biomasse immer noch in den Höhlen blieb, beunruhigte ihn sehr. Die Angst, seine Bruchstücke könnten degenerierten und eine Gefahr für den ganzen Planeten werden, hatte ihn unentwegt angespornt.

Jedenfalls solange er den Tunnel noch betreten durfte, den die Königin der Astronauten in den Berg gefräst hatte, als sie noch ein Kristallwesen gewesen war. Dort unten existierte immer noch ein Rest seines Selbst. Eigentlich nicht mehr als ein dünner und weit verteilter Schmierfilm, war sein Biogel doch weiterhin aktiv. Es verklumpte an verschiedenen Stellen der kühlen Steinoberflächen und kroch als winzige, grüne Schleimklumpen umher. Etliche von ihnen konnte er noch einsammeln, bevor die Zwerge kamen. Seither war es kompliziert.

Nach Tilsegs Schätzung waren noch etwa sechs Kilo seines Körpers in den tiefen Tunneln verblieben. Aber zu ihnen gelangen konnte er im Moment definitiv nicht. Jedenfalls nicht ohne einen Krieg mit den Zwergen dieser Berge auszulösen. Eine vertrackte Situation, in der er nur hoffen konnte, eine Lösung zu finden, bevor sein verschollenes Biogel irgendeinen Schaden anrichten konnte.

Die Einheimischen waren nicht erfreut über die Anwesenheit der Astronauten und betrachteten das gesamte Gebirge, insbesondere sein Inneres und alles, was sich darunter befand, als ihren Grund und Boden. Soviel hatte er in der Zwischenzeit herausgefunden. Und sie waren bereit, ihr Hausrecht mit Waffengewalt durchzusetzen. Zwar standen hier nur etwa sechzig Zwerge gegen mehrere hundert Astronauten, doch die kleinen Männer waren fast so breit wie hoch, muskelbepackt und gut gerüstet. Der Doktor hatte keine Zweifel daran, dass sie ihre Hämmer, Spieße und Äxte durchaus effektiv einzusetzen vermochten. Von ihren Armbrüsten einmal ganz abgesehen.

Nach der Panzerung und Bewaffnung der Zwerge zu urteilen, waren sie den Amazonen in vielerlei technischen Belangen offensichtlich überlegen. Tilseg war fasziniert von den kräftigen, kurzen Kriegern. Fast ebenso wie er über ihre Starrsinnigkeit frustriert war.

Zwischenspiel

Im Land der Vier Flüsse herrschte Chaos und Not. Seit ihre letzte Königin getötet wurde, kämpften mehrere Fraktionen gegeneinander um die Vorherrschaft. Viele Amazonen des Clans gaben den Astronauten die Schuld an ihrer Misere. Doch eigentlich waren es ihre Anführerinnen, die sich nicht einigen konnten, wer die Vier Flüsse fortan führen sollte.

Mila, die rechtmäßige Erbin der Königin, war noch zu jung, um zu herrschen, und die Weise Frau der Clanburg hatte das Mädchen unter den Schutz von Olga, der ersten Reiterin des Clans, gestellt.

Die Prinzessin führte ein eingeschränktes, aber immer noch recht sorgloses Leben. Abgeschirmt durch Palisaden und Mauern, aber auch durch Frauen, die der toten Königin und ihrer Tochter immer noch ergeben waren und sie beschützten. Doch außerhalb der Wehranlagen des Hauptsitzes und des ehemaligen Machtzentrums der Vier Flüsse tobte ein Schwesternkrieg.

„Was hast du zu berichten?“, fragte Olga. Die verdiente Kriegerin war eine Schwertschwester der Königin gewesen und sah sich schon darum in der Pflicht, die gerade erst zwölf Sommer zählende Prinzessin vor Übergriffen jeder Art zu schützen.

„Sie rücken weiter vor, Erste Reiterin“, sagte die Amazone vor ihr zerknirscht. „Die Wehrmauer der Stadt haben sie bereits teilweise eingenommen.“

„Also haben sie sich doch verbündet“, brummte Olga frustriert. „Wer führt sie an? Berte oder Berglinde?“

„Das weiß ich nicht. Ihre Frauen und Xenas Truppen gehen sich aus dem Weg. Aber ihre Angriffe auf den Stadtwall begannen gleichzeitig.“

„Haben sie nochmals die Prinzessin gefordert?“ Olga war in Sorge, was passieren würde, wenn die Abtrünnigen ihren Schützling bekämen.

„Nein, Erste Reiterin. Nachdem die Kämpfe unter den Truppen der Thronräuber endeten, haben sie den Belagerungsring geschlossen und sind zum Angriff auf uns übergegangen.“

Olga nickte frustriert. „Danke. Du kannst jetzt gehen.“ Die aufrührerischen Anführerinnen wollten die Prinzessin um jeden Preis. Das war klar. Dafür töteten sie. Sogar ihre eigenen Clanschwestern. Olga war sich nicht sicher, ob sie auch das Blut der Prinzessin vergießen würden oder sie nur als Marionette wollten. Doch wie dem auch war. Olga würde es zu verhindern suchen.

„Darf ich noch etwas sagen?“, erkundigte sich die gerade entlassene Kriegerin mit ernster Miene.

„Sprich. Was gibt es noch?“

„Ich weiß nicht, ob es von Bedeutung ist“, erklärte die Amazone. „Aber ich habe fast den Eindruck gehabt, die drei Heere würden gegeneinander konkurrieren.“

„Natürlich. Sie haben ja auch gegeneinander gekämpft“, entgegnete Olga etwas ungehalten und wollte sich abwenden, aber die Kriegerin setzte nach.

„Ich bin auf dem Hohen Turm stationiert, Erste Reiterin. Von dort habe ich die angreifenden Truppen auf allen drei Seiten gut beobachten können.“

„Und weiter?“, fragte Olga, mehr mit ihren Schuldgefühlen beschäftigt, als der Amazone zuhörend.

„So wie sie die Mauer bestürmen, scheinen sie es sehr eilig zu haben. Sie gehen vehement und rücksichtslos vor, als versuche jede der Armeen, die Stadt vor den anderen zu erobern.“ Hilflos machte sie eine unbestimmte Geste. „Es wirkt auf mich nicht wie ein Belagerungskampf, mehr wie ein Wettrennen.“

„Wie meinst du das?“, erkundigte sich Olga, nun hellhörig geworden.

„Schon der gemeinsame Angriff von drei Seiten. Keiner davon war ein Scheinangriff, um unsere Kräfte an einen Mauerabschnitt zu binden und dann an anderer Stelle zuzuschlagen. Sie gehen alle geradewegs so vor, als belagerten sie uns alleine. Aber dennoch haben sie gleichzeitig mit ihrer Offensive begonnen und drängen mit aller Macht voran.“

„Danke für deine Beobachtung“, erwiderte Olga nachdenklich. Mit einer beiläufigen Geste entließ sie die Kriegerin ein zweites Mal und drehte sich dann zu den anderen Frauen um, die bei ihr waren. Bevor die Botin sie unterbrochen hatte, sprachen sie gerade über die Evakuierung der Prinzessin.

„Wenn der Belagerungsring komplett geschlossen ist, sind wir verloren. Wie sollen wir Prinzessin Mila in Sicherheit bringen?“

„Gute Frage. Alle Ufer sind besetzt und Fluchttunnel haben wir nicht, wie du weißt.“

„Wir müssen einen Weg finden.“

„Die Flüsse sind auch keine Option. Wenn sie uns nicht vom Ufer aus zu versenken versuchen, werden sie uns mit Fangketten aufhalten.“

„Es muss doch etwas geben, was wir unternehmen können.“

„Was denn? Hast du eine Idee?“

Olga tat einen langen Atemzug, als sie an die Große Versammlung zurückdachte, die diese Belagerung erst ausgelöst hatte. Dabei sollte sie Frieden schaffen und nicht Krieg. Zuerst schien sich die Lage gut zu entwickeln. Berte, Berglinde und Xena, die drei wichtigsten Frauen des Clans, hatten zugesichert, die Ansprüche der Prinzessin zu achten. Doch der würdige Beginn der Unterredungen nahm eine böse Wende, als entschieden werden sollte, wer die Stellvertreterin der jungen Königin werden würde.

Keine der Drei wollte zurückstehen, denn jede von ihnen begehrte die Macht. Es kam zum Streit und die Kontrahentinnen zankten sich fürchterlich, bis schließlich sogar Klingen gezogen wurden.

Olga dachte an die Worte der jungen Mila, die sie daraufhin zur Versammlung gesprochen hatte.

„Es ist nicht gut, wenn ihr euch so streitet. Das macht uns schwach. Ich bestimme, diejenige, unter deren Schutz ich stehe, zu meiner Sprecherin.“

Sie hatte die Kühnheit des schwarzhaarigen Mädchens bewundert und noch gedacht, dass sie recht kluge Worte gefunden hatte, als alle sie plötzlich ansahen. Erst dann realisierte sie, was die Worte der Prinzessin, die unter ihrem Schutz stand, bedeuteten. Die abfälligen Blicke, denen sie ausgesetzt war, verletzten. Doch als die drei Kriegerinnen sie daraufhin aufforderten, ihnen den Schutz der Prinzessin zu überlassen, war sie schockiert. Das hatte sie wirklich nicht kommen sehen. Und die Folgen ihrer Verweigerung auch nicht.

Olga straffte die Schultern. „Wenn wir nicht fliehen können, werden wir eben kämpfen. Es ist zwar eine Schande, dass unsere Schwestern uns zwingen, ihr Blut zu nehmen, aber kampflos werden wir diesen Aasfressern unsere Prinzessin nicht überlassen.“

Die unwesentliche Luftveränderung bemerkten die Frauen nicht, während sie, wenn auch nicht begeistert, ihre Zustimmung murmelten. Die folgende Männerstimme klang so noch härter durch, als sie sich überraschenderweise erhob.

„Eure Kampfbereitschaft in allen Ehren“, sagte sie etwas unsicher. „Doch hätte ich da eine Lösung anzubieten, die nicht so kurzfristig auf den letzten Kampf hinausläuft.“

Überrascht drehten sich die Amazonen zu dem hochgewachsenen Rotschopf um, der die Quelle der frechen Rede war.

„Ein Mann!“, erklang ein empörter Ruf und brachte Bewegung in die Frauenschar. Waffen sirrten leise, als sie aus ledernden Scheiden gezogen wurden. Einige der Damen knurrten sogar.

Der dürre Mann richtete indes seine freie Hand abwehrend den Kriegerinnen entgegen, während seine andere einen seltsamen Stab umklammerte.

„Immer langsam“, sagte der dreiste Fremde.

„Wo kommst du denn her?“, brüllte Olga viel zu laut.

„Entschuldigung“, beschwichtigte der Mann. „Ich … Ich will euch nur helfen.“

„Er ist bestimmt ein Zauberer!“, rief eine Amazone.

„Ja, schon …“, gab der Eindringling offen zu.

„Wir sollten ihn töten, bevor er uns alle verzaubert“, zischte eine andere Frau und rückte bedrohlich vor.

„Ähm“, entgegnete der Mann und wich ein wenig zurück. „Bitte nicht.“

„Was willst du, Bursche?“, knurrte Olga. „Und wie bist du hier hereingekommen?“

„Nun. Ich bin wirklich ein Zauberer.“

Unbeirrt drängten die Frauen näher.

„Aber ich bin hier, weil ihr mich braucht“, quiekte der Mann jämmerlich und wich weiter zurück.

Olga lachte. Von so einem ängstlichen Kerl ging keine Gefahr aus. Aber wenn er ein Zauberer war, dann war ihm auch nicht zu trauen.

„Wenn ich euch nicht helfe, werdet ihr alle sterben“, beschwor der Kerl sie weiter.

Ein Knurren ertönte aus dem Frauenpulk.

„Wie?“, erkundigte sich Olga.

„Wie ihr sterbt? Heldenhaft, aber nutzlos.“

„Nein. Wie du uns helfen willst, will ich wissen.“ Olgas Entgegnung war dieses Mal offensichtlich ausführlich genug, denn die Miene des Manns zeigte Verständnis.

„Nun. Ich kann euch hier wegbringen. Das ist recht einfach. Wenn ihr außerhalb der Gefahrenzone seid, könnt ihr gehen, wohin ihr wollt.“

„Das ist einfach?“, wiederholte Olga fragend, während ihre Schwestern den Mann weiter bedrohten.

„Ja. Ein paar Personen sind kein Problem.“

„Nein, Zauberer. Wenn, dann gehen wir alle.“

„Alle?“, der Mann wurde ein wenig bleicher. „Von wie vielen Personen reden wir denn?“

„Die ganze Burg.“

„Ach. Vielleicht auch gleich das ganze Gebäude?“ Ironie lag in der Stimme des Kerls, doch Schweißperlen traten auf seine Stirn.

„Geht das?“, fragte sie humorlos zurück.

Der Mann zögerte einen Moment und schüttelte dann vehement den Kopf. „Nicht die Burg. Aber …“

„Ja?“

„Aber die Leute - ja. Zwar nicht alle auf einmal … Und mit ein wenig Hilfe … Aber ja. Doch. Euch alle könnte ich von hier wegbringen.“

Eine neue Amazone stürzte in den Raum.

„Die Stadt ist gefallen! Boote setzen auf beiden Seiten über. Und auch die Torwachen melden eine große Gruppe Kriegerinnen, die sich dem Burgfried über die Brücke nähert! Sie haben einen Rammbock und Leitern dabei!“

Olga überlegte einen Augenblick. „Wie lange brauchst du für deinen Zaubertrick?“, fragte sie dann.

„Nicht lange“, erwiderte der Mann. „Ich muss nur kurz ein wenig Verstärkung holen, um zu bewerkstelligen, was ihr wollt.“

„Das ist doch ein Trick!“, grollte eine der Amazonen empört.

„Vielleicht“, pflichtete Olga ihr bei. „Aber ich sehe keine Alternative, die nicht in Strömen aus Blut endet.“ Prüfend sah sie sich um. „Ihr etwa?“

Schweigen antwortete ihr. Betreten mieden die Frauen ihren Blick.

„Dachte ich mir“, sagte Olga kühl. „Gut, Zauberer, wir lassen uns auf deine Hilfe ein.“

„Ihr könnt mich Sven nennen“, sagte der mit schiefem Lächeln. „Sammelt eure Leute und erschreckt nicht, wenn ich mit Gesellschaft wieder erscheine. Sie werden mir helfen, mit dem Andrang fertigzuwerden.“

„Solltest du uns aber betrügen, werde ich meinen letzten Atem darauf verschwenden, dich zu töten.“

Das Lächeln verschwand und der Mann wurde ernst. „Ich werde mein Wort halten.“

„Wir werden sehen“, sagte Olga misstrauisch. „Wie viele Zauberer werden kommen?“

„So viele, wie ich zusammentrommeln kann“, entgegnete der Magier.

„Und was werdet ihr tun?“

„Die Details sind recht komplex“, wich er zunächst der Frage aus. Doch etwas in Olgas Blick bewog ihn, konkreter zu werden. „Im Grunde werden wir ein Portal erschaffen, das ein wenig weiter führt als üblich. Wenn alles klappt, wie ich mir das denke, wird es sein, als gehe man durch eine Tür in einen anderen Raum.

„Wenn es klappt?“

„Ähm, ja.“

„Du zweifelst an deinen Fähigkeiten?“ Jetzt war Olga alarmiert.

„Nein! Natürlich nicht. Ich … Ich bin sicher. Es wird gelingen.“ Der Mann namens Sven wich etwas zurück und machte eine Geste. „Sorgt nur für Platz an dieser Stelle, wenn ich zurückkomme.“ Dann verschwand er.

Einen Augenblick starrte Olga auf den Ort, wo er gerade noch gestanden hatte.

Einige Wimpernschläge lang sagte niemand ein Wort. Dann fasste sich eine der Amazonen Mut und fragte unbetont: „Willst du wirklich die Hilfe dieses Mannes annehmen? Und dazu auch noch eine, die aus Zauberei besteht!“

„Nein. Das will ich nicht. Aber ich sehe keinen anderen Ausweg. Mila wird einmal eine gute Königin sein. Wir müssen aber dafür sorgen, dass sie es werden kann.“

Schweigen.

„Wir kämpfen nicht gegen unser eigen Fleisch und Blut, wenn wir es verhindern können“, erklärte Olga feierlich. „Und wenn das nur mit einem Mann und obendrein noch durch Zauberei geschehen kann, dann ist das so. Oder wollt ihr sterben, wenn es sich zu leben lohnt?“

Damit hatte sie einen wunden Punkt getroffen. Die Reaktionen der Frauen zeigten es eindeutig. Olga lächelte grimmig. Vorerst würde kein weiterer Widerspruch folgen.

„Bewegung!“, blaffte sie die Frauen an. „Wir wissen nicht, wie lange der Zauberer brauchen wird. Doch wenn wir die Mauern verlassen, werden wir nicht viel Zeit haben.

3. Boris

Tock, Tock, Tock, Tock. Das waren die Laute, die seit einiger Zeit zu den vielfältigen Klängen des Hauptquartiers der Astronauten hinzugekommen waren. Koschkin wischte sich seinen Schweiß von der Stirn und trat einen Schritt von dem großen Holzklotz zurück, den er mit Schlagholz und Steinmeißel zu bearbeiten versuchte. So wie er waren etliche Astronauten mit der Herstellung von Totems beschäftigt. Die Holzskulpturen sollten später um das Lager aufgestellt und von Fang zu magischen Artefakten gemacht werden.

Allein das Heranschaffen der fast anderthalb Meter dicken und zwei bis drei Meter hohen Holzstämme, hatte eine Menge Zeit gefressen.

Missmutig lauschte er der Lektion eines Sprachlehrers, der eine kleine Runde Astronauten in Goblinisch unterrichtete. Ihm war bewusst, dass auch er eigentlich lernen sollte, aber die Erstellung der Schutztotems erschien ihm wichtiger. Zudem hatte er so wenigstens das Gefühl, etwas Sinnvolles beizutragen. Dabei hatte er durchaus Fortschritte bei seinen sprachlichen Fähigkeiten gemacht, aber sein Kopf war zu voll mit anderen Dingen, um sich jetzt auf die Lektion konzentrieren zu können.

Die Sprachübungen erinnerten ihn zudem daran, dass er und seine Crew Fremde waren. Und auch wenn er kaum noch an sein Schiff oder die Erde dachte, brannte Heimweh in seinem Herzen. Er war auf Lunaria einfach nicht zuhause. Diese seltsame Welt mit ihrer Magie, lebenden Kristallen und …

„Drachen!“, erklang der laute Ruf aus einem Ausguck, ganz in seiner Nähe.

Fluchend hechtete der Russe zum nächsten Unterstand. Keinen Moment zu früh, wie er nun erlebte, als ein Mann, der gerade noch in seine Richtung unterwegs war, gepackt und in die Lüfte gehoben wurde.

Der Schrei des Unglücklichen hielt an, während sein Entführer schnell an Höhe gewann und sich entfernte, gemeinsam mit zwei weiteren Opfern der Drachenplage.

Seit den ersten Angriffen der silbernen Jäger waren erst wenige Tage vergangen, doch eines hatten die Astronauten schnell herausgefunden. Was die Drachen nicht sahen, versuchten sie auch nicht zu verschleppen. Auch größere Gruppen boten einen gewissen Schutz, waren aber keine Garantie, dass jemand aus dem Pulk herausgegriffen wurde.

„Fang“, brummte Boris und dachte an seine Freundin, die nicht einmal einen halben Tag vor der ersten Attacke aufgebrochen war, um mit den Zauberern im Wilden Wald zu reden. Unglücklicherweise hatte sie alle Personen mitgenommen, die sie schnell über die angespannte Situation informieren konnten.

So blieb ihnen hier im Lager nichts weiter übrig, als ein delikates Drachenbuffet darzustellen, bis sie zurück kam, um die Totems zu erschaffen, die sie vor den fliegenden Ungeheuern retten sollten. Bis dahin sollten die wuchtigen, mannsgroßen Skulpturen, die sie für ihr Ritual wohl brauchte und an denen eine ganze Horde Astronauten arbeitete, auch fertig gestellt sein.

Vorsichtig lugte Koschkin ein wenig unter dem Zelt hervor, das ihm und dreiduzend anderen als Unterschlupf diente. Er konnte keinen der silbernen Leiber mehr über ihnen erkennen.

Noch zwei weitere Schreie hörte er in einiger Entfernung, bis der Posten auf dem Turm Entwarnung gab. Der Angriff war vorbei und fünf Astronauten Drachenfutter.

4. Hiriko

Nun machten sich die Singenden Hufe ebenfalls kampfbereit, wie Hiriko mit Entsetzen feststellte.

„Bitte“, sagte sie flehentlich. „Es muss doch eine friedliche Lösung geben!“

„Ihr Astronauten redet immerzu von Frieden“, erwiderte die Königin kühl. „Doch scheint es mir, dass ihr uns einfach nur ruhig halten wollt.“

„Aber nein“, beschwichtigte Hiriko schnell. „Wir wollen wirklich nichts anderes als Frieden!“

„Ja, so lange bis ihr stark genug seid, um mehr zu rauben als die Herzen törichter Männer, die euretwegen fortlaufen und Astronauten werden wollen.“

„Vielleicht würden die Männer ja bleiben, wenn ihr sie besser behandelt?“ Kaum hatte Hiriko den Satz gesagt, bereute sie es schon. „Ich … Ich wollte damit nicht sagen …“

„Schweig still, Geisterwesen!“, herrschte die Königin sie an. „Und höre meine Entscheidung. Ich bin der Grenzverletzung überdrüssig, der sich die Astronauten unablässig schuldig machen. Wenn diese zerlumpte Streitmacht zu den Deinen gehört, befiehl ihnen, umzukehren und mein Territorium auf dem Wege zu verlassen, auf dem sie es betreten haben. Alle, die dem nicht Folge leisten, werden niedergemacht und als verrottendes Mahnmal liegengelassen.“

Hiriko war sprachlos. Wieso war die Königin nur so feindselig? Sie verstand es nicht.

„Ich …“, versuchte sie etwas zu sagen, doch war ihr Kopf gerade vor Sorge und Angst wie benebelt.

„Zieht ab oder sterbt. So ist mein Wille. Und jetzt geh und verkünde ihn.“

Hiriko ging, dann rannte sie. Nicht so schnell wie der Wind dieses Mal, denn dazu fehlte ihr gerade die nötige Konzentration. Aber so schnell, wie sie konnte, erreichte sie ihre Freundinnen. Hiroki und Nirilis waren nicht alleine. Etliche Frauen hatten sich bei den beiden eingefunden und schienen auf sie gewartet zu haben.

„Ach herrje“, sagte Nirilis und nahm Hiriko in die Arme. „Nicht gut gelaufen?“

„Nein“, gestand Hiriko, die bei dem Gedanken an die vielen möglichen Toten erschauderte. „Wir müssen zurück und einen anderen Weg finden. Wenn wir weiter durch das Land der Singenden Hufe reisen, werden sie uns angreifen.“

„Sollen sie“, grunzte eine der Frauen. „Wir können es mit dieser Armee aufnehmen und so beweisen, welchen Wert wir für deinen Clan besitzen.“

„Nein!“ Hiriko hatte sich so schnell aus Nirilis Umarmung gelöst und war zu der Kriegerin herumgefahren, dass diese unwillkürlich zurückwich. „Ihr wollt Astronauten werden, sagt ihr. Dann verhaltet euch auch so! Denn als Astronauten werden wir keinen Krieg vom Zaun brechen!“

„Wir sollen feige fliehen?“

Hiriko schüttelte den Kopf. „Nein. Wir fliehen nicht sondern ändern nur die Richtung.“

„Wir beugen uns einfach so dem Willen der Singenden Hufe, obwohl wir auf dem Schlachtfeld gute Chancen hätten? Das ist feige!“

„Ist es nicht!“, erwiderte Hiriko vehement und schaute die Kriegstreiberin trotzig an. „Wir sind nicht wegen einer Konfrontation hier. Wenn ihr es seid, dann solltet ihr euren Wunsch, Astronauten zu werden, noch einmal überdenken. Der Rest soll umdrehen und zur Clangrenze der Singenden Hufe zurückweichen.“

„Selbst wenn wir umdrehen“, sagte eine andere Frau, „gibt es keinen Weg zum Land der Astronauten, der nicht durch das Gebiet eines anderen Clans führt.“

„Darum werden wir uns kümmern, wenn es soweit ist“, sagte Hiriko so selbstsicher wie möglich, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie sie das zustande bringen sollte. Sie musste irgendwie Tilseg oder Faqech kontaktieren. Einer von ihnen konnte ihr sicher helfen.

„Ich finde, die Kleine hat recht“, sagte eine der Amazonen unerwartet. „Wozu Blut vergießen? Es gibt noch nicht einmal richtige Beute, die wir erringen könnten.“ Damit drehte sie sich um und ging zu den wartenden Reihen zurück. Drei Frauen folgten ihr.

„Was ist mit Ruhm und Ehre?!“, brüllte die Kriegstreiberin ihr hinterher, nur um weiteren Gegenwind zu erhalten.

„Pah“, sagte eine andere. „Die darfst du gern für dich behalten. Ich habe meine Leute nicht bis hierher geführt, um sie jetzt in sinnlosem Geplänkel aufzureiben. Ich für meinen Teil werde auch auf die Geisterwesen der Astronauten hören.“

Die meisten der Frauen nickten zustimmend und gingen ebenfalls.

„Feiglinge“, grollte die Zurückgewiesene, betrachtete Hiriko noch einen Moment abfällig und stapfte anschließend ebenfalls zu den, sich bereits in Auflösung befindlichen, Kampfreihen zurück. Die restlichen sechs Amazonen folgten ihr schweigend.

„Du hast es geschafft!“, freute sich Nirilis.

„Ja“, erwiderte Hiriko erleichtert. „Für den Moment.“ Ihr behagte es gar nicht, so viel Verantwortung zu haben. Wieder dachte sie an ihre Freunde, die damit viel besser umgehen konnten als sie.

„Sag mal, Nirilis“, versuchte sie eine aufkeimenden Idee in Worte zu fassen. „Erinnerst du dich an das Kloster von Laylay?“

„Ja, klar.“

„Meinst du, du kommst bis dort?“

„Vielleicht. Junior ist mit meiner Pflanze ins Dorf vorgegangen. Aber da ich noch nicht das Gefühl habe, dass sich mein Refugium zu weit von mir entfernt hat, wäre es möglich.“

„Dann lauf dorthin und hole den dortigen Tilseg her. Er kann sicher besser mit den Singenden Hufen verhandeln als ich.“

„Muss das sein? Ich würde lieber bei dir bleiben.“

„Ich gehe“, meldete sich Hiroki fröhlich. „Ich bin ungebunden und kann gehen, wohin ich will.“

„Aber du warst doch noch nie da!“

„Ja, schon. Aber ich erinnere mich dank dir daran. Ich werde es schon finden. Und Tilseg kenne ich auch gut.“

„Naja, wenn du dir das zutraust, wäre es ganz toll von dir, ihn zu suchen“, sagte Hiriko und lächelte unsicher.

„Klar“, sagte ihre Tochter und hüpfte auch schon los.

Die Richtung stimmte schon mal, erkannte Hiriko, während sie ihrer Tochter nachblickte. Welche Erinnerungen von Sven und ihr die Jungdryade wohl noch besaß? Tilseg hätte es sicher faszinierend gefunden, aber sie selbst fand es ein bisschen unheimlich.

5. Tilseg am Berg

Vergebens versuchte Tilseg dem Unterhändler, klarzumachen, dass sie dem Volk der Zwerge nicht schaden wollten, sondern im Inneren des Berges etwas suchten, was gefährlich war. Auch für sie. Doch die Zwerge blieben stur. Da der Unterhändler ein wirklich passables Westländisch sprach, blieb nur dieser eine Schluss. Die Verständigung war es nicht, weshalb sie nicht einen Schritt weiter kamen. Schierer Eigensinn der Zwerge verhinderte eine Lösung. Alles, was mit dem Gebirge und dem Heimstein zu tun hatte, war Zwergensache. Da konnte Tilseg reden, wie er wollte.

Während Tilseg mit dem Zwerg verhandelte, schütteten seine Artgenossen den Tunnel wieder zu. Doch sie begnügten sich nicht damit, nur die letzten Meter zu verschließen. Sie begannen damit, den Durchgang am Ende zu vermauern, um dann einige Meter mit Abraum zu befüllen. Anschließend setzten sie wieder eine Mauer, um dann wie zuvor zu verfahren. Eine langwierige Arbeit.

Tilseg hatte Unterstützung angeboten, um seinen guten Willen zu zeigen. Seine Geste war wohlwollend aufgenommen worden, doch ließen die Zwerge nur Hilfe seiner Leute außerhalb des Tunnels zu. Hinein ließen sie niemanden mehr außer ihresgleichen. Leider hatte die Kooperationsbereitschaft die ablehnende Position des Unterhändlers gegenüber den Astronauten nicht verändert. Seiner Bitte, ein letztes Mal in den tiefen Tunnel zu dürfen, wurde trotzdem vehement abgelehnt. Starrköpfig wie Steine waren diese Zwerge. Aber er gab nicht auf. Es war einfach viel zu wichtig. Erst wenn er alles von sich wiederfand, bevor es Ärger machte, würde er beruhigt sein. Sein Biogel sich selbst zu überlassen, war schlicht und einfach keine Option.

Er sah den Umstand, dass sie trotz allem weiter mit ihm sprachen, als Zeichen sich eventuell doch noch auf einem Kompromiss einigen zu können. Aber langsam bezweifelte er diesen Punkt seiner Rechnung ernsthaft. Die Zwerge hielten ihn hin. Doch wieso? Das erschloss sich ihm einfach nicht.

Er rechnete das letzte Gespräch mit dem Unterhändler noch einmal durch. Suchte nach Schwachstellen in seiner Argumentationskette und wünschte sich insgeheim seine Gedanken mit seinen Freunden austauschen zu können. Doch das hiesige Lager sich selbst zu überlassen, hielt er in der aktuellen Situation für einen Fehler. Vielleicht sollte er Boris Koschkin oder seinem Selbst im Lager der Astronauten eine Nachricht schicken, um eine andere Meinung einzuholen. Eventuell fand er ja so einen Weg aus der Sackgasse, in der die Gespräche steckten.

Nachdenklich warf er einen Blick auf die Kiste, die neben ihm stand. Sie war extra für ihn angefertigt worden. Vielleicht würde es nützen, die Zwerge mit dem Inhalt des Behälters zu konfrontieren … Vielleicht. Vielleicht würde es aber auch alles nur schlimmer machen.

---ENDE DER LESEPROBE---