Hemmungsloses Begehren | Erotische Geschichten - Vera Seda - E-Book

Hemmungsloses Begehren | Erotische Geschichten E-Book

Vera Seda

0,0

Beschreibung

Dieses E-Book entspricht 176 Taschenbuchseiten ... Drei starke Frauen in drei erotischen Geschichten: Ara, Sarah und Silka kämpfen um ihr Leben und finden jeweils zu einem Mann, der sie begehrt und mit ihnen erotische und sexreiche Nächte verbringt. Trotzdem wird es den Frauen nicht leicht gemacht. Sie müssen Entscheidungen für ihr Lebensglück treffen und lassen dabei nicht außer Acht, wie wild, derbe und zügellos diese drei Männer sein können ... Diese Ausgabe ist vollständig, unzensiert und enthält keine gekürzten erotischen Szenen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 237

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum:

Hemmungsloses Begehren | Erotische Geschichten

von Vera Seda

 

Vera Seda wurde in Österreich geboren. Sie mag das Leben und die Menschen und lebt unspektakulär und zurückgezogen mit ihrem Mann in der Wiener Region. Mehr als 35 Jahre übte sie einen herkömmlichen Beruf aus und schrieb Geschichten zur Entspannung. Schließlich erfüllte sie sich ihren großen Wunsch und veröffentlichte eine ihrer Geschichten. Manche ihrer Erzählungen könnte das Leben selbst geschrieben haben. Die meisten jedoch sind fantasievolle, einfühlsame, erotische Märchen für Erwachsene. Die reiselustige Vera genießt lange Spaziergänge mit ihrem Golden Retriever Brando, der nie von ihrer Seite weicht.

 

Lektorat: Nicola Heubach

 

 

Originalausgabe

© 2021 by blue panther books, Hamburg

 

All rights reserved

 

Cover: © wisky @ 123RF.com © mpz @ 123RF.com

Umschlaggestaltung: MT Design

 

ISBN 9783750706125

www.blue-panther-books.de

Der neue geile Burgherr

Ara erwachte und horchte in die Nacht. Da war es wieder! Die Pferde im angrenzenden Stall stampften unruhig. Regen hämmerte auf das Holzdach.

Neben ihr schliefen ihr Bruder Sergo und dessen Frau Sonida. Ara dachte daran, dass sich die beiden am vorangegangenen Abend geliebt hatten. Sie hatten nicht gewartet, bis Ara eingeschlafen war. Wie so oft war sie Zeugin des leidenschaftlichen Liebesspieles der beiden geworden. Wie selbstverständlich erwarteten ihr Bruder und seine Frau, dass sie sich abwandte, was sie auch oft tat. Doch durch die leidenschaftlichen Geräusche, die das heftige Liebesspiel den beiden entlockte, regte es nur umso mehr Aras Fantasie an. Und Ara wandte sich nicht immer ab. Manchmal stellte sie sich schlafend und beobachtete unter ihren langen Wimpern hindurch das aufregende Treiben des jungen Paares.

Auch letzte Nacht hatte sie zugesehen, wie Sergo kraftvoll in seine Gefährtin eingedrungen war. Die wimmernden Laute, die Sonida dabei ausgestoßen hatte, hatten in Aras Unterleib vibriert. Obwohl sie unerfahren war, war ihr bewusst, dass ihr Bruder sehr gut ausgestattet war und dass seine Männlichkeit einer Frau allein wegen der stattlichen Länge, die sie aufwies, zusetzen musste. Sergo hatte sich zur Gänze in der nassen Grotte seiner Geliebten versenkt, und Ara hatte wahrgenommen, dass Sonida diese lustvolle Qual leidenschaftlich beantwortet hatte. Sonidas lange Schenkel waren um das Becken ihres Mannes geschlungen gewesen und sie hatte sich geschickt seinen harten Stößen entgegenbewegt.

Ara war nass zwischen den Beinen gewesen. Dieses leidenschaftliche Treiben erregte sie immer mehr und sie fühlte, dass sie reif wurde, sich ebenfalls zu paaren. Trotzdem machten ihr die Heftigkeit, mit der Sergo sein Geschlecht in die Grotte Sonidas trieb, auch Angst. Nicht immer hatte sie erkennen können, ob die leisen Schreie der Frau von Lust oder quälendem Schmerz zeugten. Dass die beiden mehrmals die Stellung wechselten, hatte Ara die Möglichkeit gegeben, die Paarung genauer zu beobachten. Als Sonida vor Sergo kniete und ihm ihr Geschlecht zugewandt hatte, hatte sie gesehen, dass Sergo zur Gänze seinen Pfahl in die Enge seiner Geliebten gerammt hatte. Sonida hatte ein Zittern erfasst, das sich über ihren gesamten Körper ausgebreitet hatte. Es war schön, den beiden zuzusehen, wie sie ihre Lust aneinander stillten!

Sergo hatte hart auf die Pobacken Sonidas geschlagen, sodass sie sich röteten. Selbst im schwachen Licht des erlöschenden Herdfeuers hatte Ara sehen können, dass die Haut sich verfärbt hatte, wo Sergos Hand hart gelandet war.

Ob Sonida diese Art von Zuwendung begehrte? Für Ara hatte es keinen Hinweis darauf gegeben. Allerdings hatte es auch keine Gegenwehr von Sonida gegeben. Im Gegenteil. Es hatte fast so ausgesehen, als würde Sonida ihren nassen Schoß dem Geschlecht ihres Gefährten entgegenbewegen. Nässe war aus Sonidas heißen Schoß getropft. Ara hatte fasziniert beobachtet, wie sich Sergo plötzlich versteift und seine Hoden sich zusammengezogen hatten. Sergo hatte Sonida grob an den Hüften gepackt und den Rhythmus verändert. Rasend vor Leidenschaft hatte er sich rasch in sie hineinbewegt, schien noch tiefer in sie einzudringen und endlich hatte er seinen Samen in die Grotte der Frau vor ihm gepumpt.

Überrascht hatte Ara beobachtet, dass sich Sergo aus Sonida zurückgezogen und sein tropfendes Glied in eine Hand genommen hatte. Mit seiner zweiten Hand hatte er in die Grotte Sonidas gegriffen und mit vier Fingern ihre beiden Säfte herausbefördert.

»Du wirst davon kosten«, hatte er mit tiefer Stimme befohlen.

Sonida hatte sich aufgerichtet. Doch er hatte sie plötzlich von hinten gepackt, sein Glied freigegeben. Es schien noch nicht völlig erschlafft gewesen zu sein. Er hatte Sonida von hinten umschlungen, am Hals an sich gezogen und die vier Finger an ihren Mund gehalten. Keuchend hatte sie sich gewehrt. Doch er hatte sie nicht frei gegeben, ehe sie ihre schönen Lippen geteilt hatte, und es zugelassen hatte, dass er mit seinen Fingern in ihren Mund eingedrungen war. Gehorsam hatte sie die vier Finger geleckt und die Säfte gekostet.

»So schmeckt unsere Lust«, hatte er ihr zugeraunt und ihr einen Kuss auf ihren Kopf gehaucht.

Ara hatte die Augen rasch geschlossen, um nicht entdeckt zu werden, als sie bemerkte, dass Sergo einen Blick durch die Kammer hatte schweifen lassen.

Ihre ruhigen Atemzüge hatte sie sich abringen müssen, denn ihr Herz hatte so laut gepocht, dass es alle hätten hören müssen. Das, was sie gesehen hatte, hatte sie aufgewühlt. Es hatte aufregend ausgesehen. Und doch, gestand sich Ara ein, wollte sie nicht geschlagen werden, wenn sie bei einem Mann liegen würde.

Vor nicht ganz einem Jahr hatte Sonida einen Sohn geboren. Gerit war ein kräftiger, aufgeweckter Knabe, den alle innig liebten. Seine fröhliche Art heiterte den arbeitsreichen Alltag auf. Ara hatte es sich zu ihrer persönlichen Aufgabe gemacht, mit dem Kleinen zu spielen, damit Sonida ihrer Arbeit im Haus nachgehen konnte.

Wieder stampften die Pferde auf. Gerit wurde unruhig. Ara ließ ihren Gedanken weiter freien Lauf. Seit dem Tod ihrer Eltern vor vier Jahren lebte sie nun bei ihrem Bruder. Sie wusste, dass dieser bereits mit einigen jungen Männern des Dorfes für sie in Verhandlung stand. Er verhandelte ihren Brautpreis. Denn sie war nun im heiratsfähigen Alter. Ara war bereits siebzehn Jahre alt. Höchste Zeit, dass sie verheiratet wurde. Sergo hatte an diesem Abend gesagt, er wäre handelseinig geworden. Mehr hatte er nicht verraten. Ara stellte sich neugierig die Frage, wem sie wohl zum Mann gegeben würde. Alles, was ihr Sergo verraten hatte, war, dass sich vier Männer für sie interessierten. Karo, der junge Schmied, Senit, der Fremde, Wolfram, der Pferdezüchter und Kamon, der Schweigsame.

Ara hoffte innig, nicht Kamon zur Frau gegeben zu werden. Etwas Dunkles ging von ihm aus, etwas, was Ara Angst vor ihm machte. Mit jedem anderen der vier wäre sie einverstanden. Der nächste Morgen würde ihr die Antwort bringen. Ihr Herz klopfte aufgeregt. Würde sie dann ebensolche Leidenschaft im Bett mit ihrem Mann erleben, wie Sergo mit seiner Frau? Unruhig wälzte sie sich auf ihrem Lager hin und her. Ob es schmerzen würde, sich der Lust eines Mannes hinzugeben? Sonida wimmerte immer, wenn Sergo sich mit ihr vergnügte. Ara war sich sicher, dass die Vereinigung sie schmerzte. Aber sie schien es auch zu genießen. Die Frage war nicht, ob es Schmerzen bereiten würde, die Frage war, ob sie diese Schmerzen würde ertragen können.

Da, wieder wieherten die Pferde leise. Vielleicht hatte sich ein Wiesel in den Stall verirrt? Bei diesem Regen war das leicht möglich. Ara beschloss nachzusehen. Leise erhob sie sich von ihrem Strohlager und schlüpfte in ihr Leinenkleid. Genau in diesem Moment begann Gerit zu weinen.

Sie nahm den Kleinen aus seinem Lager und tröstete ihn: »Ruhig, mein Freund. Du weckst deine Eltern!«

Beruhigend wiegte das Mädchen das Kleinkind. Als Gerit dann lautstark protestierte, als Ara ihn zurück auf sein Lager legen wollte, entschloss sie sich, ihn in den Stall mitzunehmen.

Sie wickelte den Kleinen in ein Tuch, denn die Nächte waren immer kühl. Nach wie vor trommelte der Regen auf das Holzdach. Ara verließ den Wohnraum durch die kleine Nebentür. Sie wusste, dass die große Tür zu viel Lärm machte und die Schlafenden wecken würde. Fast geräuschlos huschte sie im Schatten des Hauses hinüber zum Stall. Der Regen war weniger geworden. Um nicht in die tiefen Pfützen zu platschen, lief Ara über das weiche, nasse Gras. Der Pferdestall war ein überdachter Platz, der zu allen Seiten hin offen war. Ara konnte nichts Auffälliges bei den Tieren bemerken. Auf einem Arm trug sie Gerit, der mittlerweile wieder eingeschlafen war. Mit der freien Hand streichelte sie die unruhigen Tiere. Gerade als sie in Haus zurückkehren wollte, sah sie die Schatten, die das Tor des Dorfes erreicht hatten. Eine Wache fiel, von hinten meuchlings ermordet, tot in den Schlamm. Dem zweiten Mann, der etwas abseitsstand, gelang es, die Trommel zu schlagen, mit der man Gefahr für das Dorf verkündete. Dann stürzte auch er, von Pfeilen und einem Speer tödlich getroffen, zu Boden.

Wie angewurzelt blieb Ara stehen. Das Haus des Schmieds stand dem Tor am nächsten. Es fing als erstes Feuer. Doch die Flammen wollten nicht so recht brennen, da das Holz viel zu nass war. Starker Rauch entwickelte sich und trieb die Bewohner des Hauses heraus. Feindliche Pfeile prasselten auf sie herab und verfehlten ihr Ziel nicht. Ara versteckte sich unter den Pferden, um nicht gesehen zu werden. Stimmen hallten wider. Die Männer des Dorfes hatten zu den Waffen gegriffen. Sergo war unter denen, die das Dorf verteidigten. Schreie und Kampflärm ertönten von allen Seiten und mit einem Mal brach die Hölle los.

Ara sah Karo, einen ihrer Verehrer, unter dem Angriff zweier Feinde fallen. Senit, der Fremde, kämpfte neben ihrem Bruder Sergo. Wolfram, der Pferdezüchter kam in den Pferdestall gelaufen, um die Tiere loszubinden. Als er Ara sah, blickte er nervös hinter sich. Nein, er war noch nicht entdeckt worden.

»Ara, meine liebe Ara. Heute vor dem Mittag wäre ich dir zum Mann gegeben worden. Vielleicht wird das niemals sein. Aber wenn ich eines für dich tun kann, dann werde ich dich hier wegbringen.« Mit einem Satz sprang er auf eines der Pferde und zog Ara und das schlafende Kind vor sich. In einer Hand ein Schwert, um sich zu verteidigen, stürmte er los.

Ara wusste nicht, was genau passierte, weil alles so schnell und so vieles zur gleichen Zeit geschah. Sie fühlte nur, dass sie durch die zahlenmäßig überlegenen und jetzt total verblüfften Angreifer preschten, sah mehrmals das Schwert, welches Wolfram in seiner Faust hielt, niedersausen. Blut spritzte, gequälte Laute drangen an ihre Ohren. Schon waren sie aus dem Dorf draußen. Das Pferd jagte durch die Nacht. Hinter sich hörte sie einen gurgelnden Laut, Wolframs Schwert fiel ihm aus der Hand. Sie fühlte Wolframs festen Griff um ihre Taille und trieb das Pferd nun selbst immer weiter an. Erst nachdem sie eine ganze Weile durch einen Wald geritten waren, erlaubte sie dem Tier, in ein langsames Tempo zu kommen. Alles war still um sie herum. Gerit hatte den Tumult verschlafen, der Regen hatte ganz aufgehört. Ara wusste, der weiche Boden würde gute Hinweise geben, wohin sie geflüchtet war.

»Wolfram, wir müssen einen anderen Weg suchen, damit sie uns nicht gleich folgen können«, flüsterte sie. Als sie keine Antwort bekam, drehte sie sich vorsichtig um.

Wolfram atmete kaum noch. Aus seinem Mund rann Blut.

»Wolfram, du bist verletzt!« Ara hatte bis jetzt nicht daran gedacht, dass einer von ihnen hätte verwundet werden können.

Vorsichtig glitt sie vom Pferd. Wolfram sank nach vorn. Aus seinem Rücken ragte ein Pfeil, der tief in der Brust des jungen Mannes steckte.

Ara suchte steinigen Boden und führte das Pferd weiter. Im Schutz eines niedrigen Dickichts und zweier eng beieinanderstehenden Felsen hielt sie an. Vorsichtig half sie Wolfram vom Pferd. Rasch brach sie den Schaft des Pfeiles ab und legte Wolfram auf den Boden. Er öffnete die Augen und atmete schwer.

»Ich hätte so gern mein Leben an deiner Seite verbracht, Ara«, flüsterte er kaum hörbar. Ein heftiger Hustenstoß verstärkte das blutige Rinnsal aus seinem Mund. »Nimm das, was ich dir geben konnte: dein Schild gegen die Pfeile der Feinde zu sein. Versprich mir, dass du leben wirst. Dann hat es sich gelohnt.« Erneut unterbrach ein Hustenstoß sein Flüstern.

Ara konnte ihre Tränen nicht zurückhalten. »Wolfram, was ist nur geschehen?«

»Rufus, dieser elende Räuber ... Er hat es auf unsere Pferde und Frauen abgesehen. Halte dich ... halte dich von ihm fern.« Wolframs Stimme wurde immer schwächer.

»Wohin soll ich gehen?«

»Geh zur großen Burg. Erzähle dem Burgherrn, was geschehen ist. Sag ihm, dass Rufus es gewesen ist, der unser Dorf überfallen hat.«

»Wo ist die große Burg?« Aras Stimme zitterte.

»Du musst den Fluss entlangwandern. Dem fließenden Wasser entgegen«, erklärte Wolfram. Er wurde blasser. Seine Lippen waren bläulich verfärbt.

»Ich werde dich mitnehmen«, entschied Ara.

»Nein, ich würde dir nur hinderlich sein. Du musst rasch gehen. Nimm Sergos Kind. Es hat seinen Vater heute Nacht im Kampf verloren und ist nun allein auf deine Hilfe angewiesen. Ich sah Sergo unter den Schwertern der Feinde fallen.« Wolfram schloss kurz die Augen, ehe er seinen Blick erneut auf Ara richtete.

Ara konnte nicht antworten. Tränen liefen über ihre Wangen. Nur mühsam unterdrückte sie ihr Schluchzen.

»Ara, lebe! Lebe, für mich ... Ich habe dich ... immer geliebt.« Wolframs Stimme versagte, ein letztes Mal bäumte er sich auf, dann hauchte er sein Leben aus.

Ara kniete neben ihm und war unfähig, sich zu bewegen.

Was war nur alles in der letzten Stunde geschehen?

Der neue Tag hätte ihr Freudentag werden sollen – und die heutige Nacht hatte ihr alles genommen. Sie hatte buchstäblich alles verloren. Ihren Mann, bevor sie ihm zugeführt worden war. Ihren Bruder, der ihr Heim und Schutz geschenkt hatte. Ihr Heim und das Dorf waren zerstört. Wäre es nicht besser, ebenfalls zu sterben?

Das schlafende Kind bewegte sich in ihrem Arm. Ihre tauben Arme hielten es noch immer fest umfangen. Wie in Trance erhob sie sich und zog mit einem Arm dicke Äste herbei, um Wolframs Leiche zu bedecken. Die Morgendämmerung hatte eingesetzt und machte es Ara möglich, sich zu orientieren. Gerit hielt sie dabei weiter in ihrem Arm. Als sie sicher war, dass kein wildes Tier Wolfram erreichen konnte, trat sie zurück. Vielleicht würde die Leiche des Mannes von überlebenden Dorfbewohnern gefunden werden. Ängstlich blickte sie sich um. Je länger sie an dieser Stelle war, desto mehr Angst erwachte in ihr. Rasch suchte sie nach einem Felsen, auf den sie leicht steigen konnte, um wieder aufs Pferd zu kommen.

Die schaukelnden Bewegungen wiegten das Kind weiter im Schlaf. Es schien ihr unglaublich, dass Gerit bis jetzt nicht aufgewacht war. Ara ritt flussaufwärts und ließ dabei das Pferd ein gutes Stück im Wasser gehen, um ihre Spur zu verwischen. Sie hoffte, wie Wolfram es ihr beschrieben hatte, zur großen Burg zu kommen.

***

Die Sonne war gerade aufgegangen, als sie Stunden später zu einer Flussbiegung kam. Hoch auf Felsen überragte eine riesige Burg die Gegend. Majestätisch herrschte sie auf der Anhöhe und wachte über das weite Land, das sich vor ihr ausbreitete.

»Lebe für mich«, hatte Wolfram gesagt. Wieder und wieder hörte Ara in sich seine letzten Worte.

Der Morgen war kühl und Ara bemerkte, dass die Anstrengung der vergangenen Stunden sich bemerkbar zu machen begann. Langsam ließ sie das Pferd zur Burg gehen.

Vor der Zugbrücke hatten sich die ersten Bauern eingefunden, um frisches Gemüse und Getreide zu bringen. Niemand schaute auf die junge Frau mit dem Kind, denn gerade, als sie herangekommen war, wurde die Zugbrücke heruntergelassen und die Bauern passierten die Wachen. Ara fühlte Hunger, als der morgendliche Wind den Duft von frischem Brot zu ihr heranwehte.

»Wohin willst du?«, herrschte einer der beiden Wachen sie an, die sich ihr in den Weg stellten.

»Ich brauche Hilfe. Unser Dorf wurde vergangene Nacht überfallen. So viele Leute sind gestorben. Bitte helft mir.« Ara war zu schwach, um laut zu reden.

Die beiden Männer warfen einander Blicke zu, ohne etwas zu sprechen. Dann griff einer nach den Zügeln von Aras Pferd.

»Wo ist dein Dorf?«, fragte er.

»Flussabwärts. Sechs oder sieben Stunden von hier.«

»Wie heißt du?«

»Ara. Ich bin die Schwester Sergos.«

»Sergo? Der Krieger ist dein Bruder?«

»Ja.«

»Wo ist er? Warum lässt er dich allein durch das Land reiten? Was ist mit ihm?«

»Er ist ...« Aras Stimme zitterte.

»Was ist er?«

»Sergo ist im Kampf gefallen«, flüsterte Ara. Erst jetzt wurde ihr der Verlust völlig bewusst.

Der zweite Soldat wandte sich ab und der Burg zu. »Ich verständige unseren Herrn«, sagte er.

Ara blieb auf dem Pferd sitzen und wartete schweigend.

Gerit erwachte in dem Augenblick, als der Soldat zurückkam und Ara den Befehl gab, ihm zu folgen, da der Herr sie sprechen wollte.

Ara wurde durch einen ersten Hof in den nächsten kleineren geführt. Sie sah zu ihrer linken eine Zisterne. Der Soldat hielt vor einer Tür an und gab ihr ein Zeichen, vom Pferd zu steigen.

Gerit wimmerte, als Ara unsanft auf dem Boden aufkam. Ein Bursche kam angelaufen und nahm dem Soldaten das Pferd ab. Ara sah ihrem Pferd hinterher.

»Keine Sorge«, sagte der Soldat, der sie bis hierher begleitet hatte, »er versorgt das Tier und gibt ihm zu fressen. Es sieht ja ganz erschöpft aus.« Sein Blick fiel auf ihr Kleid, auf dem Blut zu sehen war. Nachdenklich krauste sich seine Stirn.

Ara nickte. Sie folgte dem Soldaten in die Burg und kam schließlich in einen Saal. Der Duft von frischer Milch erfüllte den Raum und Gerit begann zu weinen. Ara setzte ihn auf ihrem Arm auf.

»Bald bekommst du was zu trinken, mein Kleiner. Mach dir keine Sorgen. Alles wird gut«, flüsterte sie ihm zu. Doch ihre Stimme klang wenig zuversichtlich und außerdem wusste sie gar nicht, was sie jetzt erwartete. Wie konnte auch alles gut werden, wenn Sergo getötet worden war.

Plötzlich stand sie vor einem hohen Sessel, auf dem ein junger, hochgewachsener Mann saß. Seine dunklen Haare hingen ihm in Locken über die Stirn und waren im Nacken zusammengebunden. Der Bartschatten, der sein Gesicht bedeckte, zeugte davon, dass er noch keine Zeit gefunden hatte, seine Morgentoilette zu beenden.

»Das ist die junge Frau, Herr«, sagte der Soldat und schob Ara nach vorn.

Ara wusste nicht, was sie sagen sollte und schwieg.

Der Soldat verschwand aus ihrem Blickfeld.

Der Mann sah sie aufmerksam an. »Wer bist du?«

»Ich bin Ara, Herr. Und wer seid Ihr?«, fragte Ara leise.

Verwundert blickte er auf. »Ich bin Ronaldo, der Herr dieser Burg.«

Ara fühlte den taxierenden Blick des Burgherrn über ihren Körper streifen. Instinktiv trat sie einen Schritt zurück und drückte Gerit an sich.

»Was erzählst du über einen Überfall?«, wollte der Burgherr wissen.

»Heute Nacht wurde unser Dorf überfallen, Herr. Viele sind gestorben. Ich weiß nicht, was mit denen geschah, die überlebten.« Ara klang erschöpft.

»Wieso bist du hier?« Eine steile Falte hatte sich zwischen den Augenbrauen des Burgherrn gebildet.

»Es gelang mir, zu fliehen«, antwortete Ara.

»Wie gelang es dir?«, fragte Ronaldo nach.

»Ich erwachte, weil die Pferde unruhig gewesen waren. Als ich in den Stall gehen wollte, um nach ihnen zu sehen, begann das Kind zu weinen. Ich nahm es auf den Arm, um niemanden im Haus zu wecken. Im Stall war nichts Auffälliges zu bemerken. Ich wollte gerade ins Haus zurückkehren, da begann der Überfall.« Ara presste die Lippen aufeinander, um nicht zu weinen. Es fiel ihr schwer, sachlich zu reden. Am liebsten hätte sie sich in eine Ecke zusammengekauert, um endlich ihrem Schmerz nachzugeben.

»Und wie konntest du dich retten?«

»Ich wurde gerettet.«

»Von wem?«

Ara zögerte kurz: »Von Wolfram, meinem Gemahl.«

»Von Wolfram, dem Pferdezüchter?« Ronaldo schien die Leute des Dorfes zu kennen.

»Ja, Herr.«

»Und wessen Kind hältst du auf dem Arm?«

»Es ist mein Sohn, Herr.«

»Wo ist Wolfram?«

»Wolfram brachte uns auf seinem Pferd aus dem Dorf. Er setzte seinen Körper ein, um uns vor den Pfeilen der Feinde zu schützen.« Die Traurigkeit, die sie die ganze Zeit niederkämpfte, schien sie noch stärker zu überkommen, als sie von dem, was sie erlebt hatte, berichtete.

»Wo ist Wolfram nun?«

»Er wurde von einem Pfeil in die Brust getroffen. Als wir endlich auf unsere Flucht das Tempo des Pferdes verlangsamten, fiel er vom Pferd und starb im Wald. Bei den großen Felsen. Ich habe seinen Leichnam mit Ästen bedeckt, bevor ich weiter floh. Wolfram sagte mir, dass Sergo, mein Bruder, im Kampf gefallen sei und dass Rufus den Angriff auf das Dorf geführt hatte.« Aras Stimme war leiser geworden. Sie zitterte nun am ganzen Körper – ob vor Erschöpfung oder vor Kälte wusste sie selbst nicht. Sie war am Ende ihrer Kraft. Gerit begann nun zu weinen und drückte seine kleine Faust in den Mund.

Ronaldo rief einen Diener zu sich und verlangte nach Essen und einer Decke. Eine Dienerin kam herein und wollte Ara das Kind abnehmen. Ara wich zurück.

»Ich will selber für ihn sorgen, bitte«, sagte sie an Ronaldo gewandt.

»Es wird ihm nichts geschehen, Ara. Du kannst ihr das Kind anvertrauen«, sagte der Burgherr.

»Ich werde ihn niemandem anvertrauen. In der letzten Nacht habe ich meine ganze Familie verloren. Dieses Kind ist mir anvertraut worden, ich werde es selbst versorgen. Bitte, Herr, trennt mich nicht von ihm.« Tränen spiegelten sich nun in ihren Augen.

Ronaldo nickte. »Gut, aber ich habe noch eine Menge Fragen an dich.«

»Ich werde sie beantworten, Herr. Lass mich erst das Kind versorgen.« Aras Stimme gewann ein wenig an Festigkeit.

Ronaldo willigte ein und schickte sie mit der Dienerin in die Küche. Dort bekam Ara Milch und Brot für das Kind. Nachdem der Knabe alles, was er bekam, gegessen hatte, brachte die Dienerin Ara und Gerit in ein Zimmer, in das sie sich zurückziehen konnten. Ara war über die kurze Pause erfreut. Sie schälte Gerit aus den nassen Kleidern und wickelte ihn in eine warme Decke. Gerit stemmte sich auf seine kleinen Beinchen und wippte voll Freude darüber, dass er schon stehen konnte, auf Aras Schoß.

»Du bist ja schon ein ganz Großer, mein Schatz. Schon bald wirst du laufen. Das wird fein«, sagte Ara.

Gerit lenkte sie von ihrem Schmerz ab. Sie hatte keine Zeit, sich hinzulegen, und zu weinen. Spielend verbrachten sie zusammen die nächste Stunde, ehe sich die Tür öffnete und Ronaldo eintrat.

»Bist du bereit für meine Fragen, Ara?«, wollte er wissen.

»Ja, Herr.« Ara sah ihm in die Augen.

»Ist es wahr, dass Sergo, der Krieger, dein Bruder ist?«, lautete Ronaldos erste Frage.

»Ja, Herr.« Sie wich seinem Blick nicht aus.

Ronaldo war von der natürlichen Anmut der jungen Frau tief beeindruckt. Ihr langes, dunkles Haar hatte sie im Nacken zusammengebunden. Tiefblaue Augen leuchteten ihm entgegen, wenn sie ihn, während sie miteinander redeten, ansah.

Schön. Sie ist wunderschön, schoss es ihm durch seine Gedanken.

»Ich kenne Sergo, er hat mit mir bis jetzt noch nie über seine Schwester gesprochen«, stellte Ronaldo fest.

»Vielleicht hielt er es nicht für nötig, Herr.«

»Ara, ich kann leicht überprüfen, ob du mir die Wahrheit sagst. Ich brauche lediglich Soldaten in das Dorf Sergos schicken.« Ronaldo war von Aras Geschichte keineswegs überzeugt.

»Herr, denkt Ihr, ich hätte diese Geschichte erfunden?« Ara riss die Augen auf und starrte den Mann an, der sie befragte.

»Rufus ist einer der Ritter, die mir die Treue geschworen haben. Ich kann es nicht glauben, dass er ein Dorf überfällt«, nannte Ronaldo den Grund für seinen Zweifel.

»Wolfram war sich sicher«, antwortete Ara. Langsam verließen sie die Kräfte. Müde setzte sie sich zu dem strampelnden Kind auf das Bett.

Ronaldo beobachtete sie aufmerksam. »Wolfram, der Pferdezüchter, er war dein Mann?«

Ara nickte. Was sollte sie sagen? Sie war ihm zugesprochen. Hier war sie unter Fremden. Es schadete nicht, wenn man dachte, sie sei Witwe.

»Du bist hier Gast, Ara. Sorge für dich und das Kind. Ich werde Soldaten zu deinem Dorf schicken, um zu überprüfen, was du gesagt hast.«

Wieder nickte Ara und schaute dem Kind zu, wie es mit einem Zipfel der Decke spielte.

Ronaldo trat aus der Kammer und ließ die beiden allein zurück.

***

Ara war eingeschlafen. Das Kind lag in ihren Armen und schlummerte ebenfalls, als Ronaldo sie am Nachmittag erneut aufsuchte. Die Dienerin hatte ihm gesagt, dass Ara bis jetzt nichts gegessen hatte. Sie hatte lediglich um Nahrung für das Kind gebeten und für sich um einen Krug Wasser. Auch hatte sie die Kammer kaum verlassen. Lediglich die Bedürfnisse des Kindes brachten sie kurz aus der Kammer heraus. Ara musste erschöpft sein. Ihre Augen waren vom Weinen geschwollen, auf ihren Wangen zeigten sich Spuren von Tränen.

Seine Soldaten waren zurückgekommen und hatten die Leiche Wolframs, des Pferdezüchters, mitgebracht. Ein Pfeil hatte in seinem Rücken gesteckt. Ronald begann den Worten der jungen Frau Glauben zu schenken.

Als er abends noch einmal in ihre Kammer trat, schlief Ara noch immer. Gerit war wach geworden, aber Ara hatte es nicht gemerkt. Sie schlief tief und das zeigte, wie erschöpft sie war. Ronaldo vertraute das Kind der Dienerin an, die es mit sich nahm.

***

Am nächsten Morgen brachten die Soldaten, die bis ins Dorf geritten waren, die Leichen einiger Männer aus dem Dorf in die Burg. Es war auch der tote Sergo dabei. Ronaldo ließ ein würdiges Begräbnis vorbereiten. Ara hatte die Wahrheit gesagt. Das Dorf war zerstört und die Bewohner niedergemetzelt worden. Da nur wenige Frauen unter den Toten waren, nahm Ronaldo an, dass die überlebenden Frauen von den Feinden mitgenommen worden waren.

Die Sonne stand bereits relativ hoch am Himmel, als er endlich Zeit fand, Ara aufzusuchen. Er fand sie weinend auf ihrem Bett liegend.

Als sie ihn sah, schluchzte sie: »Gebt mir das Kind zurück, Ronaldo. Gebt mir sofort das Kind zurück!«

Von ihrer Verzweiflung ebenso bewegt, wie von ihrer Schönheit, schickte er sofort nach Gerit.

»Ara, du hast die Wahrheit gesagt«, begann er das Gespräch mit ihr.

»Wieso glaubt Ihr mir jetzt?« Ara sah ihn misstrauisch an. Was war geschehen, während sie geschlafen hatte?

»Meine Soldaten haben den toten Wolfram unter den Ästen entdeckt, und auch das Dorf so vorgefunden, wie du gesagt hast.«

Ara war unfähig, etwas zu sagen. Sie starrte lediglich auf Ronaldo.

»Wolfram und einige der Männer aus dem Dorf werden heute am Nachmittag in allen Ehren bestattet. Möchtest du dich von ihnen verabschieden?«

»Wolfram ist hier?« Aras Stimme bebte.

»Sein toter Körper, ja. Und auch der des Kriegers Sergo.«

»Mein Bruder ist ebenfalls hier? Ist er wirklich ... tot?«

»Ja, Ara.« Er sah, dass sie zusammenzuckte.

Ara fühlte die Tränen, die erneut über ihre Wangen liefen, ohne dass sie auch nur irgendetwas dagegen hätte tun können.

»Darf ich sie sehen?«, fragte sie endlich.

»Komm mit.«

***

Ara trat mit Ronaldo in die nahe Kapelle und sah die aufgebahrten Körper der Männer, die sie gekannt hatte. Wolfram und Sergo lagen nebeneinander. Sergos Körper trug viele Verletzungen. Selbst tot wirkte er, als würde er verzweifelt um etwas kämpfen. Ara nahm seine Hand, die mehrere Schnittwunden aufwies, in ihre Hände.

»Sergo, mein guter Bruder. Nimm meinen Dank für deine Güte mir gegenüber bis hinein in den Tod.«

Mit ihrer Stirn berührte sie die Stirn des toten Bruders. Es dauerte endlos lange, bis sie sich von ihm löste und zu Wolframs Leichnam trat.

»Dir, mein Gemahl, danke ich dafür, dass du dein Leben für das unsere gegeben hast. Im Gedanken werde ich dich mit mir tragen. Getreu deines letzten Willens werde ich versuchen, ein Leben ohne dich zu leben.« Sie drückte einen scheuen Kuss auf die tote Stirn des jungen Mannes, der ihr Ehemann hätte werden sollen.

In aller Stille nahm sie Abschied von den anderen Männern, die sie so oft gesehen hatte, und die bis jetzt irgendwie zu ihrem Leben dazu gehört hatten.

Ronaldo brachte Ara zurück in ihre Kammer und fragte: »Was wirst du jetzt machen, Ara? Wohin wirst du gehen?«

»Ich weiß es nicht, Herr. Meine Familie ist tot. Ich weiß nicht, wohin ich mit dem Kind gehen könnte.« Sie senkte den Blick, als ihr bewusst wurde, dass sie zu einer Bettlerin geworden war.

»Verstehst du es, in der Küche zu arbeiten?«, fragte Ronaldo die junge Frau.

»Ja. Ich habe bis jetzt Küchenarbeit verrichtet.« Das stimmte, denn Ara hatte neben ihrer Fürsorge zu Gerit auch die Arbeiten des Haushalts erlernt.

»Ich weiß, es ist noch früh für dich, um sich darüber Gedanken zu machen. Aber wenn du möchtest, kannst du hierbleiben. Wir brauchen immer geschickte Hände in der Küche. Vielleicht findest du ja auch hier ein neues Zuhause.«

Ara wandte sich ab und nickte nur. »Danke, Herr.«

***

Zu Mittag sagte die Dienerin zu Ronaldo, dass Ara noch immer nicht gegessen hätte. Ronaldo suchte sie erneut in der Kammer auf und fand sie schlafend. Er brachte es nicht übers Herz, sie zu wecken. Niemand sollte sie wecken, bis zum Abend. Nachdem die toten Dorfbewohner beigesetzt worden waren, zog sich Ronaldo in seinen Raum zurück.