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Tim ist scheinbar ein ganz normaler Jugendlicher. In Lilith dagegen sehen alle eine Außenseiterin. Als Lilith in der Theatergruppe die Hauptrolle der mexikanischen Hexe, "la bruja", übernimmt, hat das seltsame Auswirkungen. Sobald "la bruja" die Bühne betritt, wirken alle wie gebannt in ihren Rollen. Außerhalb der Proben entwickelt sich zudem ein besonderes Verhältnis zwischen Tim und "la bruja". Doch bald gibt es erste Gerüchte, dass Lilith tatsächlich eine Art Hexe sein könnte. Denn immer mehr verschwimmen die Grenzen zwischen Theaterstück und Realität.
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Tim ist ein ganz normaler Jugendlicher (denken seine Freunde). Lilith war schon immer eine Außenseiterin (aus gutem Grund). Seit Lilith die Rolle der mexikanischen Hexe, la bruja, im neuen Theaterstück der Schule übernommen hat, häufen sich seltsame Vorkommnisse. Schnell gehen erste Gerüchte um: Ist es wahr, dass Lilith Tiere opfert und die Träume der anderen manipulieren kann? Als im Theatercamp dann ein Schüler nach dem anderen verschwindet, spitzt sich die Situation dramatisch zu. Tims Freunde wollen die Hexe brennen sehen. Und Tim?
LABRUJA
La bruja
Lilith
Tomás Sánchez, Arzt aus der Stadt
Tim
Don Rodriguez, der Gutsherr
Lars
Juan Pedro Rodriguez, sein Sohn
Wenzel
Muyal
Ninon
Der Priester
Otis
Der Polizeichef
unbekannt
Polizist
Fiona
Alberto Gonzalez, ein Revolutionär
Albert Wegner
Das Kind
Clara
Seine Mutter, eine Arbeiterin
Melek
Weitere Arbeiterinnen und Arbeiter/Polizisten
Anne
Luise
Layla
Muhannad
»Wir haben die Hexe getötet!«
Es war dieser erste Satz, der ihm immer im Gedächtnis bleiben würde.
Ein erster Satz auf einer Bühne. Vor dem noch geschlossenen Vorhang. Er träumte davon, Jahre später. Träumte davon, wie er diesen Satz rief:
»Wir haben die Hexe getötet!«
Da war ein Triumphschrei im Hintergrund, ein grelles Juchzen, wie das der Tänzer in Lateinamerika, wenn die Mädchenröcke hochfliegen, die Männer ihre Hüte in die Luft werfen und mit den Füßen auf den Boden stampfen.
»Wir haben die Hexe getötet! Wir haben sie brennen sehen. Sie wird nie mehr zurückkehren. Aber ihr, ihr wollt wissen, wie alles begann.«
Und dann glitt der Vorhang auseinander.
Da stand sie, mit ausgebreiteten Armen und gespreizten Fingern: die Hexe.
La bruja.
Ihre Gewänder waren schwarz, die weiten Ärmel wie Flügel, ihre Schultern schmal, ihr Gesicht nicht schön: Schatten unter den Wangenknochen, die Augen sehr groß geschminkt.
Aufrecht stand sie da, hochmütig fast, und doch schon im Wissen, dass sie verlieren würde.
Eines würde sie aber nicht verlieren, man sah es ihr an: ihren Stolz. Ihr Stolz war es, der sie so unheimlich machte, von der ersten Sekunde an. Ihr Trotz.
»Wir haben die Hexe getötet!«
Er hatte später Dinge über das alte Lied gelesen, die mexikanische Legende der blutsaugenden Hexe. Die Tänzerinnen von Veracruz, die zu den überlieferten Worten tanzten, trugen brennende Kerzen auf dem Kopf. Wenn eine stolperte, würde das Wachs ihr in die Augen laufen und die Welt für immer auslöschen.
Manchmal sah er im Traum auch sie eine Kerze auf dem Kopf balancieren.
La bruja.
Im Schlaf spürt er noch ihre Hände in seinen, eiskalt waren sie.
Knochige Handgelenke, abgekaute Nägel.
Aber ihr Blick ist von Anfang an gewesen wie das Feuer.
Da waren überall Knospen.
Er ließ seine Hand über sie gleiten, während er die Straße entlangging, strich über die kleinen grünen Kugeln, die alle bersten wollten. Aber noch hatten sie Angst, sich zu öffnen.
Aprilknospen, entlang der Straße, an den Büschen und Bäumen, auf dem Weg zur Schule, an einem Montag. Die Luft war beinahe grün. Die anderen hätten wahrscheinlich gelacht, wenn er das laut gesagt hätte … Überall regte es sich in der Erde, überall wuchs es und streckte sich im Geheimen, Wurzeln schoben sich nach unten, Triebe nach oben, farblos noch, weißfädig wie Geisterarme, suchend.
Irgendetwas war heute, irgendetwas Besonderes, an das ihn die weißen Arme erinnerten …
Er fragte sich, ob er es hätte hören können, all dieses verborgene Wachstum. Wenn er die Watte aus den Ohren genommen hätte. Er hatte niemandem je von der Watte erzählt.
Er sah auf die Uhr. Er war spät dran und beschleunigte seine Schritte.
Hinter dem kalten Schulhof ragte die verschachtelte, vieleckige Betonstruktur der Schule auf, sie erinnerte ihn an eine Kulisse in einem Theaterstück. Als könnte man sie zusammenfalten und umdrehen – und sie wäre etwas ganz anderes.
Neben der Schultür saß der Hausmeister in einem frühen Sonnenfleck auf einem Stuhl, schob einen Zahnstocher im Mund hin und her und schraubte an einer Lampe herum. Er trug den gleichen fleckigen, grauen Arbeitsanzug wie immer, und ab und zu tropfte Spucke auf seine Knie. Seine Hände waren grob und riesig, die Nase gerötet, eine Trinkernase, hatte Lars mal gesagt. Säuft wie ein Loch, der alte Kabuk. Das stand an seiner Tür, F.L. Kabuk. Niemand wusste, wofür F.L. stand, und niemand kam ihm freiwillig zu nahe.
Doch an diesem Morgen saß jemand neben dem alten Kabuk auf dem Boden und sah ihm beim Reparieren der Lampe zu: ein dünnes Mädchen in schwarzen Jeans und einem zu großen schwarzen Strickpullover. Noch eine seltsame Figur, der man sich nicht freiwillig näherte.
Tim wusste nichts über sie, außer dass sie in fast allen Kursen die volle Punktzahl hatte. Sie war nicht in der WhatsApp-Gruppe der Elften, beteiligte sich nicht an ihren Gesprächen. Manchmal sah man sie mit einem Buch.
Jetzt saß sie aufrecht da, im Schneidersitz, als meditierte sie. Eine Katze strich dem alten Kabuk um die Beine, strich hinüber zu dem dünnen Mädchen: ein mageres schwarzes Ding mit grünen Augen und nur einem Ohr.
Tim machte einen Bogen um Mädchen, Katze und Hausmeister, aber als er die Eingangstür aufzog, sah das Mädchen auf. Ihr Blick erschreckte ihn. Er war so … direkt.
»Äh … guten Morgen«, murmelte Tim.
Der alte Kabuk lächelte. Tim hatte nicht gewusst, dass er lächeln konnte.
Er spuckte den Zahnstocher aus, zusammen mit einem unverständlichen Halbsatz, dann war Tim in der Aula und endlich, endlich auf der breiten Treppe nach oben, wo die anderen sich drängten.
Er tauchte in die Menge wie ein Fisch in seinen Schwarm, wurde unsichtbar, spürte eine warme Erleichterung.
Und da fiel es ihm ein. Was heute besonders war.
Dies war der Tag des ersten Theatertreffens.
Der Auftakt zum letzten Stück, das sie jemals spielen würden, denn nächstes Jahr, in der Abiklasse, würde niemand mehr Zeit haben.
Der Wegner hatte den Titel herumgeschickt: keine großen deutschen Dichter dieses Jahr, keine Nobelpreisträgerin mit experimenteller Sprache. Stattdessen ein Stück, dessen Name auf den ersten Blick kindisch klang, sodass Lars sagte: »Ach, spielen wir beim Adventsbasar der Grundschule? Kann ich der Weihnachtsmann sein?«
Tim hatte gelacht wie die anderen, weil es so ein Lars-Ding war, das zu sagen.
Aber auf den zweiten Blick, mit den mexikanischen Namen in der Personenliste, schien Tim das Stück gar nicht so kindisch. Eher auf eine beunruhigende Art fremd und dunkel.
La bruja. Die Hexe.
Nach der letzten Stunde saßen sie auf den Heizungen im Flur herum, während sie auf den Wegner warteten.
Wie Hühner, dachte Tim, Hühner auf der Stange: Da war zuerst Lars, der einen Block auf den Knien balancierte und Zeitpläne für Bandproben daraufkritzelte, ab und zu sein blondes Haar zurückschüttelte, das vorn zu lang war, und schließlich genervt seine Brille hochschob, um es festzuhalten. Dann seufzte er, weil er jetzt nichts mehr sah, und ließ die Brille wieder auf seine Nase rutschen. Lars hatte die Art Haar und Sommersprossen und die Art Seufzen, die Mädchen mochten. Neben ihm saß Otis und drehte Zigaretten. Massenproduktion. Otis war zu nervös, um nur eine Zigarette zu drehen und seine langen, blassen Finger danach still zu halten. Alles an ihm war lang und blass, und seine Haare hingen in langen, dunklen Wellen auf seine Schultern herab. Ninon hatte mal zu Otis gesagt, er sähe aus wie ein Vampir aus einem dieser Filme, und Otis hatte gelacht wie ein Vampir aus einem dieser Filme und Ninon erklärt, er kenne diese Filme nicht.
Jetzt saß sie neben ihm, Ninon mit dem roten Lockenkopf, Ninon mit den Brüsten, über deren Körbchengröße sie seit der Siebten spekulierten. Sie baumelte mit den Beinen, hatte einen Lolli im Mund und tat so, als symbolisierte er rein gar nichts.
Ab und zu sah sie zu Wenzel hinüber, der auf seinem Handy herumwischte. Wenzel war breit und, wie er sagte, niedrig gebaut, weil Bodennähe sich beim Tragen schwerer Dinge gut machte. Falls einem mal etwas herunterfiel. Wenzel war Schlagzeuger in Lars’ Band und manchmal, aushilfsweise, bei zwei anderen, und wenn er nicht spielte, schleppte er Scheinwerfer oder Lautsprecher oder hockte mit seiner Bierflasche hinter einem Schaltpult, in sich selbst ruhend.
Tim saß am Ende der Reihe, das letzte Huhn auf der Stange.
Er sah sein Spiegelbild in der Fensterscheibe auf der anderen Seite des Flurs: kurzes braunes Haar, Jeans, Turnschuhe, Kapuzenpulli. Besondere Kennzeichen: keine. Außer der Watte in den Ohren. Aber die sah keiner.
Wenn er im Probenkeller am Keyboard saß, neben Wenzels Schlagzeug, schloss er die Augen wie jemand, der komplett in der Welt der Musik aufging. Es war für ihn eine Welt des Schmerzes, doch das brauchte niemand zu wissen.
Da waren noch ein paar Mädchen aus der Zehnten, die nicht zum harten Kern der Theatercrew gehörten.
Tim fragte sich, wie er und die anderen überhaupt Zeit fürs Theater finden sollten, jetzt, wo die Prüfungsphase bald losging. Eigentlich war er nur aus Pflichtbewusstsein dem Wegner gegenüber hier, der sie jahrelang auf Theaterfahrten mitgeschleppt und so für Unterrichtsausfall gesorgt hatte.
Der Wegner kam zu spät wie immer, kam den Flur mit seinem wiegenden Gang entlang und schlenkerte mit der Ledertasche, die vielleicht älter war als er selbst. Er war Mitte dreißig, und einer seiner Lieblingssätze zu Schülern lautete: »Ich bin auf eurer Seite.« Er sagte ihn ein wenig zu oft. Aber er meinte es gut.
Er hatte es auch mit dem Stück gut gemeint. Tim war sich später sicher.
Doch manchmal reicht es nicht, es gut zu meinen.
An diesem Tag schloss der Wegner den Theaterraum auf, ein ehemaliges Klassenzimmer mit zwei abgewetzten schwarzen Sofas und an die Wand geschobenen Tischen, und sie drifteten alle hinein wie etwas, das mehr mit Diffusion als mit Motivation zu tun hat.
Tim setzte sich auf einen der Tische am Fenster. Der Wind bewegte die knospenden Äste im Hof sachte hin und her. Er atmete ein paarmal ein und aus und lehnte den Kopf auf die Knie.
Und dann sah er auf. Und sah sie.
Das dünne Mädchen, das am Morgen mit dem alten Kabuk auf den Stufen gesessen hatte.
Sie zwängte sich durch die Tür, ohne sie wirklich zu öffnen, wie ein nachträglicher Gedanke, setzte sich auf die Lehne eines Stuhls, der ein wenig abseits an der Wand stand, und stellte die Füße auf die Sitzfläche.
Tim sah Lars an, und Lars zuckte die Schultern.
Sie gehörte nicht zur Theatercrew, sie wirkte fehl am Platz, und Tim wünschte sich in diesem Moment, sie würde einfach wieder gehen. Er musste an den alten Kabuk denken, an den Zahnstocher und den Speichel in seinem Mund, an sein unverständliches Gemurmel und sein seltsames Lächeln. Als hätten sie und er ein Geheimnis.
Tim hatte keine Ahnung, was sie hier wollte.
Wie sie jetzt so dasaß, auf der Stuhllehne, sah sie am ehesten aus wie eine Krähe: mit den unnatürlich dünnen Beinen, dem riesigen, ausgeleierten schwarzen Pullover, den knochigen Schultern, dem spitzen Gesicht. Er erinnerte sich nicht, ob sie früher auch schon so dünn gewesen war, die Zerbrechlichkeit ihres Körpers ließ die klobigen schwarzen Arbeiterstiefel an ihren Füßen umso schwerer wirken. Vielleicht brauchte sie sie, als Anker, um nicht vom Wind davongetragen zu werden.
Wieder so ein absurder Gedanke, über den die anderen den Kopf geschüttelt hätten …
»Also«, sagte der Wegner von einem der alten Sofas aus. »Das ist der Startschuss für ein neues Stück. Danach seid ihr Abiturienten, und dann beginnt da draußen das wahre Theater.« Er gab seiner Stimme einen dramatischen Klang und grinste. »Okay, wir haben eine neue Mitstreiterin: Lili. Sie …«
»Lilith«, sagte das dünne Mädchen und hob den Kopf. Tim sah, wie sie den Wegner fixierte, ihre Augen waren dunkel, ihr Blick schwer wie ihre Schuhe, und der Wegner zuckte zusammen. »Wie bitte?«
»Der Name. Man schreibt ihn mit t am Ende. Und h. Aber egal.«
»Natürlich. Mit t«, sagte der Wegner, aus dem Konzept gebracht. »Dumm von mir. Alles wird besser mit einem guten Tee.« Sein Lachen klang etwas gewollt. »Ich habe euch hier mal was ausgedruckt, und ich dachte, wir reden nicht groß darüber, sondern lesen einfach mal. Lars, mach du in der ersten Szene mal den Priester, Otis hätte ich gerne als Großgrundbesitzer, Ninon als Hexe, Wenzel kann den Sohn des Großgrundbesitzers lesen … Anne aus der Zehn liest das junge Mädchen … und Tim … äh … das Kind.«
»Na, vielen Dank auch«, sagte Tim, und alle lachten.
»Und ihr beiden seid die Gruppe der Arbeiter und Arbeiterinnen …« Er sah die anderen beiden Mädchen aus der Zehnten an. »Also los.«
»Und ich?«, fragte das dünne Mädchen.
»Lilith mit t, du liest fürs Erste die Bühnenanweisungen. Das Intro lassen wir weg.«
Er nickte ihr aufmunternd zu, als wäre es eine besondere Ehre, die Bühnenanweisungen zu lesen, und sie begann mit ihrer leisen, irgendwie heiseren Stimme: »Akt eins, Szene eins. Lodernde Flammen. Ein bewegtes Chaos. Darin mehrere Schatten, unkenntlich. Schreie im Hintergrund. Vorn links kniet Don Rodriguez. Dahinter taucht im Flammenmeer die Hexe auf. Don Rodriguez …«
»Dios mío, hilf uns in unserer Not!«, rief Otis theatralisch, sodass alle kicherten. »Wem haben wir diese Hölle zu verdanken? Wer hat diesen Brand gelegt? Das Haus meiner Väter und Großväter … die Pferde in den Ställen werden verbrennen … zu Hilfe! Zu Hilfe!«
»La bruja, beide Arme hebend«, sagte Lilith, ohne den Text anzusehen.
Ninon hob die Arme, man sah die Sommersprossen auf den hübschen, gut gepolsterten weißen Unterseiten dieser Arme, wie Käfer krochen sie bis hinein in die kurzen Ärmel ihres violetten Oberteils und weiter – was sie dort wohl erkundeten?
»Hierher«, sagte Ninon. »Komm hierher.« Und sie strich die langen Wellen ihres roten Haars zurück, Hexenhaar.
»Du?«, fragte Don Rodriguez alias Otis.
»Komm!«, sagte Ninon und streckte eine Hand aus.
»Nehme ich ihre Hand?«, fragte Otis und schaute zum Wegner. »Im Text steht nichts davon.«
»Don Rodriguez zögert«, sagte die heisere Stimme der Bühnenanweisung. »Er will sie nicht berühren, er weiß, dass dies ein Band auf immer besiegeln würde. Dann ergreift er die Hand der Hexe doch. Ein brennender Balken stürzt von der Decke. Don Rodriguez schreit.«
»Moment, das steht da nicht«, sagte Tim.
»Doch«, sagte Lilith. »Hier steht: Brennender Balken stürzt, Don Rodriguez schreit.«
»Ja, das. Aber das andere, das davor …«, sagte jetzt auch Lars.
Lilith zuckte nur die Schultern.
Otis nahm Ninons Hand, sah dabei allerdings nicht zögernd aus, sondern eher gierig, und alle lachten, am meisten Ninon; ein fröhliches, übermütiges, hüpfendes Lachen, das ihren sehenswerten Busen zum Beben brachte wie einen Wackelpudding. Sie hatte das selbst einmal gesagt: »Ich mag meine Wackelpuddings.« Das Leben schien für Ninon eine einzige amüsante Geschichte zu sein, die jemand sich zu ihrer persönlichen Belustigung ausgedacht hatte.
Es gab Tage, an denen Tim sie gerne weggesperrt hätte, Tage, an denen er einfach nicht fröhlich sein konnte, Regentage, Erinnerungstage. Aber meistens mochte er Ninon.
Sie war perfekt in der Rolle der Hexe. Jetzt kletterte sie auf die Lehne des Sofas und zog Otis mit hoch, eine wackelige Angelegenheit.
»Was tust du da?«, fragte Lars, und Ninon sagte: »Na, ich rette ihn aus den Flammen!«
Dann fielen sie beide und landeten in einem prustenden Durcheinander aus Armen und Beinen, in dem sich auch Lars, der auf diesem Sofa gesessen hatte, verhedderte.
Einen Moment lang sehnte sich Tim schmerzhaft danach, genau auf diesem Sofa Teil genau dieses Knäuels zu sein und mit ihnen zu lachen.
Als sie sich schließlich aufgerappelt hatten, sagte Otis:
»Ihr habt mich hinausgeführt.«
»Ja«, hauchte Ninon, die Hexe.
»Ihr habt mein Leben gerettet.«
»Es ist an Euch, das zu entscheiden«, hauchte Ninon.
»Ich kann nicht behaupten, dass es mir behagt«, erklärte Otis mit übertriebenem Ernst. »Doch dies ist ein Band, das uns für immer bindet.«
»Die Hexe lacht«, las Lilith. »Dann hören wir den Hilferuf eines Kindes aus den Flammen.«
»Hilfe!«, rief Tim und kam sich blöd vor.
»Die Hexe geht zurück in die Flammen und findet darin das Kind, das sie mit sich nimmt. Beide husten, kriechen unter dem Rauch nach draußen …«
»Kriech, kriech, hust, hust«, sagte Tim lahm.
»Wir sehen die Flammen zurückweichen. Auf der Vorbühne gehen die Arbeiter des Don Rodriguez vorbei und unterhalten sich wispernd.«
»Die Hexe, die Hexe!«, flüsterten die beiden Mädchen aus der Zehnten. »Die Hexe hat den Herrn aus den Flammen gerettet. Aber wer hat das Gutshaus angezündet? Woher kam die Hexe, mitten in den Flammen? La bruja. Sie hat das Feuer gerufen. Vier hat sie umkommen lassen, zwei Knechte, eine Magd und einen Hund, aber den Herrn hat sie gerettet. Sie weiß, warum … La bruja, la bruja, la bruja. Mit ihrer schwarzen Macht hat sie die Flammen beschworen.«
Sie lachten über das spanische Wort für Hexe, mit dem gefauchten ch in der Mitte, sie waren keine Arbeiter auf einer mexikanischen hacienda, sie waren Gymnasiasten in Deutschland auf einem abgewetzten Sofa.
»Habt ihr sie gesehen?«, fragte der Wegner.
»Nein«, antworteten die Mädchen brav im Chor. »Aber wir haben sie lachen hören! Wer im Feuer lacht, der hat das Feuer zur Welt gebracht.«
»Das Feuer erstirbt«, wisperte Lilith. »Priester, vor der Bühne.«
»Ihr habt die Hexe lachen hören«, sagte Lars, der Priester. »Sie ist eine Gottlose, eine Mörderin.«
»Aber es gibt keine Beweise«, sagte Wenzel, der Sohn des Großgrundbesitzers.
»Mein Beweis ist die Gewissheit, die Gott mir schenkt«, verkündete der Priester Lars. »Geh, sieh nach deinem Vater. Er braucht deine Hilfe, der gute Don Rodriguez. So viel hat das Feuer verschluckt von seinen Besitztümern.«
»Und immer noch hat er mehr, als einer von uns sich je vorstellen könnte«, sagte ein Mädchen namens Luise oder Layla, Tim konnte sich das nie merken.
»Das Kind rennt unbeschwert und fröhlich über die Bühne in die Arme seiner am Rand wartenden Mutter«, las Lilith.
»Komm an meine Brust«, sagte der Wegner. »Ich bin die Mutter.«
Alle lachten wieder, und Wenzel sagte: »Wir haben ja das Theatercamp in den Osterferien, da können Sie für uns kochen und das Muttersein üben.«
»Dann warte mal, was du alles essen musst«, knurrte der Wegner. »Na gut, Rollentausch. Lars macht jetzt den Don Rodriguez, Otis den Priester. Hat doch was, ein Priester mit langen Haaren.« Er grinste. »Wenzel und Tim bleiben, was sie waren. Und la bruja …« Er sah sich um. Die Mädchen aus der Zehnten schüttelten kichernd die Köpfe. »Vergessen Sie’s.«
»Okay … Lilith?«
»Sie?«, fragte Ninon erstaunt, und auch Lilith sah den Wegner an, als hätte er einen völlig absurden Vorschlag gemacht. Was er hatte. Lilith war da, war körperlich anwesend, aber sie war nicht Teil der Gruppe. Sie hatte auch nie bei den Spielen mitgespielt, die sie im Schulhof gespielt hatten, früher, er erinnerte sich jetzt vage.
»Warum nicht?«, sagte der Wegner aufmunternd.
Er tat das aus Nettigkeit, das war klar. Nur schien Lilith die Nettigkeit gar nicht zu wollen.
»Wenn sich wieder jemand bemüßigt fühlt, auf ein Sofa zu klettern, zieht bitte vorher die Schuhe aus«, sagte der Wegner. »Und jetzt los.«
Lilith löste die Schnürsenkel ihrer schwarzen Schuhe, vielleicht hatte sie ihn falsch verstanden, vielleicht dachte sie, sie müsste das tun.
»Dios mío, hilf uns in unserer Not!«, rief Lars und strich das friseurbedürftige Haar aus der Stirn. »Die Pferde in den Ställen werden verbrennen … Zu Hilfe! Zu Hilfe!«
Und dann passierte etwas Unerwartetes.
Lilith stand auf, barfuß jetzt, stieg auf den Stuhl, sah zu den anderen hinunter.
Und die Welt veränderte sich. Auf einen Schlag.
Tim konnte es später nicht erklären.
Aber es geschah.
Lilith stand da, in ihrem zu weiten und zu langen schwarzen Pullover, mit ihren krankhaft dünnen Beinen, und hob beide Arme, Pulloverarme wie Fledermausflügel. Keiner lachte. Sie starrten sie alle an, wie sie die Hände spreizte, wie sie sich streckte und den Kopf hob, wie sie hinabsah auf das Feuer.
Die Flammen spiegelten sich in ihren Augen.
»Hierher«, sagte sie, und ihre Stimme war nicht die von eben. In dieser Stimme lag so viel Autorität, dass niemand ihr zu widersprechen wagte. »Komm hierher.«
Sie brauchte kein rotes Haar zurückzustreichen, ihr eigenes Haar war dunkel und hing in Strähnen herab. Sie hielt die Hände weiter gespreizt und erhoben, und Lars, der Großgrundbesitzer, erhob sich vom Sofa, von seinem Platz zwischen Tim und Ninon, und ging auf sie zu, langsam wie ein Schlafwandler. Sie hielt ihn mit ihren Augen fest, diesen Augen, die gleichzeitig dunkel waren und leuchteten. Einbildung, sagte Tim sich.
»Du?«, fragte Lars alias Don Rodriguez. Und das Wort war nicht länger nur ein Wort, das auf einem Blatt Papier stand, es war eine ernst gemeinte, eine erstaunte Frage.
»Komm«, sagte la bruja noch einmal und streckte eine Hand aus. Eine Hand mit mageren Fingern und abgekauten Nägeln. Tim sah zu Lars. Lars würde diese Hand nicht nehmen, ganz bestimmt nicht. Lars war Mädchenhände mit lackierten Nägeln gewohnt, die sich in seine schoben, Mädchenhände, die nach Seife und Parfum dufteten, und diese Hand hatte rußige Streifen und roch nach Feuer. Tim schüttelte unwillkürlich den Kopf.
Er hörte es, das Feuer, er fühlte die Hitze. Und er sah, dass auch Lars es spürte. Lars hatte Angst.
Tim machte sich klein, kauerte sich zusammen, dort auf dem Boden, wo man besser atmen konnte.
Ein brennender Balken stürzte herab.
Lars schrie.
Und dann nahm er die Hand der Hexe.
Er nimmt ihre Hand.
Es ist, als atmen alle gleichzeitig auf, als sich die Finger der Hexe um seine Finger schließen. Als sie ihn zu sich zieht, aus dem Flammenmeer, ihm den Ausweg zeigt, ihn rettet. Sie stehen draußen vor dem lodernden Scheiterhaufen des Guts, der Großgrundbesitzer und la bruja.
»Ihr habt mich hinausgeführt.«
»Ja.« Sie sieht ihn nicht an, während sie das sagt, sie sieht die Flammen an, konzentriert, suchend.
»Ihr habt mein Leben gerettet.«
»Es ist an Euch, das zu entscheiden.«
»Ich kann nicht behaupten, dass es mir behagt«, flüstert Don Rodriguez, »doch dies ist ein Band, das uns für immer bindet.«
Da lacht la bruja, die Hexe, sie lacht ein heiseres, dunkles Lachen, bitter und zugleich weich wie schwarzer Samt.
Das Kind, Tim, sitzt noch immer auf dem Boden des brennenden Gutshauses.
Was tut ein Kind überhaupt im Gutshaus, wenn es nicht das Kind des Gutsherrn ist? Der Rauch ist überall, das Kreischen der brechenden Balken ruft den Schmerz wach. Tim presst beide Hände auf seine Ohren.
»Rufen!«, sagt jemand. »Du musst rufen!«
Aber alles, was er herausbekommt, ist ein Wispern. Er bekommt keine Luft.
Es ist wie damals, als die Sache mit Charlotte passiert ist, die Sache, von der keiner weiß. Er wird ersticken, und die Flammen werden seinen Körper fressen wie herrenlose Hunde in einer mexikanischen Straße ein Stück Fleisch. Jemand zieht ihn auf die Beine und durch die Hitze und den Schmerz, und er kommt auf der anderen Seite heraus. Da ist Matsch, da ist Gras, da sind Bäume und ein blassgelber Hitzehimmel.
Stimmen.
»La bruja, la bruja!« Das sind die Arbeiterinnen. La bruja ist ganz nah, sie hat noch immer eine Hand auf Tims Schulter gelegt. Sie macht, dass er wieder atmen kann. Dass der Schmerz weicht.
»La bruja hat den Herrn aus den Flammen gerettet. Aber wer hat das Gutshaus angezündet? Sie! Sie selbst hat das Feuer gerufen! Vier hat sie umkommen lassen mit ihrer schwarzen Magie!«
Tim blinzelte.
Er saß auf dem Laminatboden des Theaterraums. Neben ihm kniete das dünne Mädchen. Sie hatte die Hand eben von seiner Schulter genommen.
Hinter ihr stand Lars.
Auf dem Sofa, in einer Reihe, standen die Mädchen, die die Arbeiterinnen gespielt hatten.
Eine seltsame Stille füllte den Raum.
Die Flammen waren fort. Das Gutshaus, der blasse mexikanische Himmel, das sonnengebleichte Gras. Die Hitze. Die Bedrohung.
Draußen sang eine Meise in einem Haselnussstrauch.
Und schließlich fing Lars an zu lachen. Er lachte auf eine langsame, seltsame Art, erleichtert, aber nicht ganz. Sie fielen alle mit ein. »So was«, sagte der Wegner. »Das war … ziemlich gut, wie du das gemacht hast.«
»Ich habe doch gar nichts gemacht«, sagte Lilith. »Ich habe nur zwei Sätze gesagt.«
»Entschuldigt mich kurz«, sagte Lars, und dann klappte die Tür, und er war nicht mehr im Raum.
Tim fragte sich, was die anderen gesehen hatten. Oder gefühlt.
La bruja war aufgestanden und hatte sich wieder auf ihren Stuhl zurückgezogen, in dieselbe Haltung auf der Lehne.
»Wir sollten uns das mit der Besetzung der Hexe sehr genau überlegen«, sagte der Wegner.
Er stand auf und trat ans Fenster, um in den Hof hinauszusehen, wo der Frühling herumlungerte wie an einer Bushaltestelle.
»Ninon hat rote Haare«, sagte irgendwer. »Hexen haben immer rote Haare.«
»Nicht in Mexiko«, sagte jemand anderer, und Tim merkte, dass er es war.
»Spielt das Stück denn in Mexiko?«, fragte irgendwer. »Ich meine, wenn es unser Stück ist? Oder spielt es hier? Oder einfach nirgendwo?«
Alle zuckten die Schultern. Und dann sagte Lilith leise: »Es spielt im Kopf.«
Sie starrten sie alle an, aber sie sah zu Boden.
»Lilith«, sagte der Wegner, ging hinüber und streckte die Hand aus; hob ihr Kinn leicht an, sodass sie ihn ansehen musste. Die Berührung ließ Tim zusammenzucken.
»Lilith, willst du la bruja sein? Die Hexe?«
Sie erwiderte etwas, es war nur ein Wispern, niemand hörte es außer dem Wegner, und er nickte.
»Lars gefiel mir ganz gut als Don Rodriguez«, sagte er dann. »Bis nächste Woche weiß ich auch, was die anderen spielen. Und wir müssen Pläne machen, wer im Mai mit ins Camp kommt. Der Ort liegt dieses Mal etwas einsamer, damit wir uns ganz aufs Spielen konzentrieren können.« Obwohl seine Worte fröhlich klangen, war da noch etwas anderes in ihnen. Ein Kratzen. Als hätten sie Widerhaken.
Sie standen in der zaghaften Sonne vor der Schule, als der Wegner über den Parkplatz zu seinem Auto ging. Er war groß, und das uralte Auto war winzig. Es war ein Rätsel, wie seine langen Beine hineinpassten.
Lars und Wenzel rauchten, und Ninon und Otis wischten auf ihren Handys herum. Die anderen waren schon gegangen.
»Wenn ich hier raus bin«, sagte Wenzel, »hole ich mir auch ein Auto. Ein richtiges, nicht so ’ne Schrottkarre. Ich meine, wozu machen wir den ganzen Scheiß, Lernen und alles? Irgendwann muss Geld reinkommen. Von mir aus schufte ich den ganzen Tag, aber irgendwann ist Feierabend, und dann steig ich in meinen Lamborghini.« Er grinste.
»Ich dachte, du machst weiter Musik«, sagte Tim.
»Schlagzeuger ist kein Beruf«, meinte Wenzel. »Frag meine Mutter. Ich meine, Otis hier wird seine Geige auch nicht heiraten.«
»Nee, ich heirate die Firma meines Vaters«, sagte Otis und gähnte. »Was soll’s.«
»Aber ihr kommt zur Bandprobe am Sonntag?«, fragte Lars. »Ich hab zwei neue Songs.«
Sie nickten alle und sahen vom Schulhof auf seinem Hügel auf die Stadt hinunter, die an diesem Tag winzig zu sein schien; eine Spielzeugstadt. Und sie waren Spielzeugfiguren auf einem Spielzeugschulhof, dachte Tim. Da draußen, irgendwo, musste es eine richtige Welt geben. Wahrer und größer, und es war, als wartete alles darauf, dass etwas Wahres und Großes geschah.
Aber das, was geschah, würde alles auf den Kopf stellen, und die Welt draußen, er wusste es, wäre eine Welt des Schmerzes, eine Welt, in der er sich nicht mehr abschalten ließ.
Er dachte an die Flammen zurück und sah sich um.
Sie war nicht mehr da. Lilith. Sie war mit ihnen in Richtung Aula gegangen, und dann? War sie abgebogen, durch die Tür mit der Aufschrift F. L. Kabuk getreten? Kauerte sie in diesem Moment auf einer Stuhllehne und sah dem Alten wieder dabei zu, wie er irgendwelche Dinge reparierte und ihm die Spucke aus dem Mundwinkel lief?
Wenzel stieß Lars an. »Was war vorhin los? Warum bist du plötzlich aus dem Theaterraum abgehauen?«
»Ich war nur auf dem Klo«, meinte Lars und sah am Rauch seiner Zigarette entlang in die Ferne. Dann legte er einen Arm um Ninon, und Ninon lehnte sich an ihn.
Sie kannten einander zu lange, um ernsthaft etwas miteinander zu haben. Lars hatte Sachen mit allen möglichen Mädchen, sie schienen Schlange zu stehen, aber am Ende war es immer Ninon, die mit ihm und den anderen ein Bier trinken ging.
»Was denkt ihr?«, fragte er leise. »Über diese Type?«
»Ziemlich schräg«, meinte Otis. »Wenn du mich fragst, Ninon sollte die Hexe spielen. La bruja … Wenn ich das richtig verstanden habe, hat das in Mexiko auch was Sexuelles, Männer aussaugen und so weiter … Das passt nicht zu der Wie-heißt-sie-noch.«
»Lilith«, sagte Tim. Lars sah ihn an, und er sah weg.
»Hm. Ich meine, allein die Klamotten!« Otis schnaubte. »Entschuldigung, aber der schwarze Pulli, das ist am ehesten ein Sack, und reden tut sie auch mit keinem. Wahrscheinlich kommt sie beim nächsten Mal sowieso nicht mehr, weil sie büffeln muss, so eine ist das doch, überall fünfzehn Punkte. Dann machst du die Hexe, Ninon, und wir sind wieder die alte Clique. Theater ist doch vor allem ein großer Spaß, oder nicht?«
Wenzel nickte. »Und dann kommt die und zündet ein Feuer auf der Bühne an.«
Tim starrte ihn an. »Du hast es gesehen? Das Feuer?«
»Quatsch«, sagte Wenzel. »Ich meinte nur … ich meinte …« Er brach ab.
»Du hast gesagt: Dann kommt die und zündet ein Feuer auf der Bühne an.« Tim holte tief Luft. »Da war keine Bühne. Und da war kein Feuer. Aber du hast es gesehen.«
»Ich hab nicht gesagt, ich hätte eine Bühne gesehen«, knurrte Wenzel, die muskulösen Arme verschränkt, fast wütend. Ninon glitt zu ihm hinüber, um sich an ihn zu schmiegen.
»Jungs! Kein Streit. Falls ihr glaubt, ihr müsst mir diese Rolle sichern …«, sagte sie. »Also, ich bin froh, wenn ich diesen Hammertext nicht lernen muss.«
»Ist unser letztes Stück.« Lars zuckte die Schultern. »Machen wir’s dem Wegner zuliebe.«
Dann stieg er auf sein Rad und fuhr über den Hof, verließ das Schattenmuster der Schulbäume, geriet ins Licht auf der Straße, das sein helles Haar zum Leuchten brachte. Die anderen zerstreuten sich ebenfalls. Ninon drückte kurz Tims Arm, ehe sie ging.
Ihr rotes Wellenhaar berührte seine Wange. Sie roch nach Pfefferminz und Mangoshampoo. So sauber. Kein bisschen nach Feuer und Asche.
Einen Moment stand Tim nur da.
Er schloss die Augen und versuchte, den Frühling zu riechen. Die Blüten, die noch nicht aufgeblüht waren. Die Knospen, die noch nicht gesprungen waren.
Aber er fühlte sich seltsam beobachtet.
Sie war hier. Lilith. Sie sah ihn, aber er sah sie nicht.
Er wusste, dass er sie hätte hören können, wenn er die Watte aus den Ohren genommen hätte.
Aber er würde es nicht tun, nicht hier.
Und dann entdeckte er sie.
Sie saß, sehr hoch oben, in einem der Bäume am Rand des Schulhofs, einer Ulme, deren Zweige sich mit den Zweigen der Nachbarbäume zu einem geheimen Flechtwerk verwoben hatten.
Er ging über den Hof und blieb unter der Ulme stehen.
»Komm runter«, sagte er leise, so leise, dass sie es nicht hören konnte. »Ich werde bestimmt nicht raufklettern.«
Hast du Angst? Er schüttelte den Kopf. Was willst du? Reden? Mit mir redet keiner.
Ein Windstoß bog die Zweige der Bäume. Frühlingswind. Und auf einmal wuchs eine seltsame Sehnsucht in Tim; eine Sehnsucht danach, von dort oben hinunterzusehen. Man kletterte in der Elften nicht auf Bäume. Es war kindisch. Lächerlich.
Er sah sich um. Es war niemand da, niemand, der ihn sehen konnte. Er stellte sich vor, wie es wäre, die raue Rinde mit beiden Händen zu berühren … Und dann umfasste er den untersten Ast, zog sich mit einem Klimmzug hinauf und holte tief Luft. Er fühlte sich merkwürdig. Freier als eben noch, auf dem Boden. Seltsam leicht. Und er stieg weiter, höher und höher, fast wie betrunken, wie auf Droge, auf einmal, wie jenseits von … von eigentlich allem. Dem Leben. Schließlich saß er zwischen den Ästen, an den Stamm gelehnt, auf gleicher Höhe wie sie.
Zwischen ihnen: ein Meter Luft und Zweige.
Sie saß weiter außen im Baum, ein Wunder, dass sie nicht fiel; sie hatte die Beine angezogen, die Arme um die Knie geschlungen, die der schwarze Pullover bedeckte. Ihre Hände waren Krallen, mit denen sie sich selbst umklammerte, ihr Gesicht ein blasses Oval zwischen dunklen Haarsträhnen.
Er sah weg, sah auf die Spielzeuglandschaft hinab. »Spielzeuglandschaft«, sagte er.
Und dann, sehr leise: »Wie geht das Stück weiter?«
Da wandte sie den Kopf und sah ihn an. Ihre Augen waren zu klein, aber groß geschminkt, das Make-up blätterte an den Rändern ab, es hatte etwas Sprödes wie die Rinde des Baums. Wie ihre trockenen Lippen, die in der Mitte einzureißen drohten.
»Hast du es nicht gelesen?«
»Das Stück? Der Wegner hat uns doch nur den Anfang gegeben. Ich dachte …« Er verstummte.
»Sie verbrennen sie«, sagte sie achselzuckend. »Das ist es, was mit Hexen passiert.«
»Das ist alles? Wie langweilig. Es ist immer dasselbe.«
»Ja«, sagte sie. »Alles auf der Welt ist immer dasselbe. All die schrecklichen Dinge. Man würde denken, die Leute ändern sie, weil es irgendwann langweilig wird. Aber sie ändern sie nicht.«
»Es muss vorher noch etwas passieren«, beharrte er. »Im Stück. Etwas mit den Menschen. Dem Gutsbesitzer, dem Kind, dem Priester … Wen gab es noch?«
Sie schloss die Augen, zählte auf. »Einen Revolutionär, ein Liebespaar, einen Polizeichef, eine fromme Frau, einen Folterknecht und die Arbeiter. Die, die es immer gibt.«
»Du hast dir das alles gemerkt?« Er lachte, mehr aus Höflichkeit. »Du bist gut im Auswendiglernen, was? Du lernst eine Menge.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß, dass sie das sagen. Es stimmt nicht.«
»Nein? Und … das Theater? Warum warst du früher nie dabei? Du kannst es. Irgendwie.«
Sie zuckte die Schultern. »Ich wusste nicht, dass ich es kann.«
Dann ließ sie ihre Knie los und fuhr mit dem Finger eine der Knospen entlang, in denen die Blätter des Baumes lebten, noch im Verborgenen, aber voller Ungeduld.
»Dieses Leben«, sagte sie. »Es ist überall. Hast du mal darüber nachgedacht, dass gerade jetzt jemand stirbt?«
»Was? Nein. Unsinn.«
»Doch, in dieser Sekunde stirbt jemand. Aber wir sind hier, und wir leben. Manchmal finde ich das fast unheimlich.«
Sie streichelte noch immer die Knospe, ganz sacht.
»Sie haben Angst«, wisperte sie. »Angst, sich zu öffnen. Aber sie warten auf den Tag, an dem sie es wagen werden, dennoch aufzugehen. Alles wartet, weißt du? Auf etwas Großes und möglicherweise Gefährliches. Nur die Spielzeugfiguren da unten merken es nicht.«
»Du liest Gedanken«, sagte Tim. »Lass das. Du bist nicht la bruja. Es ist nur ein Stück. Es gibt keine schwarze Magie.«
Sie zuckte noch einmal die Schultern. »Du hast gesagt, ich lese Gedanken.«
»Das war nur … ein Witz«, knurrte er. Was wusste sie? Wusste sie Dinge, die niemand wissen konnte? Er musste von diesem Baum runter. Verdammt, er saß tatsächlich auf einem Schulhofbaum wie ein Kind. Es war absurd. Was, wenn ihn doch jemand gesehen hatte?
Er stand auf seinem Ast auf und war auf einmal ärgerlich.
»Du solltest was auf deine Lippe schmieren«, sagte er. »Und du solltest dich normaler benehmen, wenn du mit uns dieses Stück machen willst. Leute in der elften Klasse sitzen nicht in Bäumen.«
Sie nickte. Ihre aufgesprungene Lippe zitterte kaum merklich. Sie fasste mit der Hand daran, und ein Tropfen Blut trat aus der Haut.
»Früher habe ich versucht, zu sein wie die anderen«, flüsterte sie. »Aber ich war nicht gut darin. Da dachte ich, ich kann es genauso bleiben lassen und gut darin werden, anders zu sein. Geh nach Hause, Tim.«
Er kletterte ohne ein Wort des Abschieds hinunter. Es war schwieriger, diesmal. Einmal brach ein zu dünner Ast. Endlich stand er mit beiden Beinen auf der Erde. Sie saß noch immer reglos, dort zwischen den Knospen, und dachte an die Leute, die in dieser Sekunde starben.
Lars hätte Tims Unbehagen weggelacht. Seht euch das an, hätte er gesagt, die Hexe im Baum, gleich fliegt sie los! Es hätte auch ein Spruch von Wenzel sein können, sogar von Otis. Tim hatte sich immer Mühe gegeben, zu sein wie sie. Ein hartes Stück Arbeit.
Er ging über den Schulhof, die Straße hinunter, zur Haltestelle, ohne sich nach der Gestalt im Baum umzudrehen.
Der Bus nahm Tim auf wie ein Rettungsboot, er ließ sich auf den plüschigen Sitz fallen, in die Alltagsnormalität, und wollte aufatmen. Doch er spürte ihren Blick noch immer, und er fror.
Er hatte Angst. Angst, dass sie wusste, wer er war.
Und auf einmal war es zu laut im Bus, die Straße, die hereinquoll, die Menschen, die Motorengeräusche, alles war zu laut, die Watte half nicht mehr, der ständige, aushaltbare Schmerz in seinen Ohren wuchs, dehnte sich, überflutete ihn. Ihm war übel.
»Hey«, sagte jemand, und er fuhr zusammen. »Tim? Hab ich dich erschreckt?«
»Ich … nein«, murmelte er, mühevoll den Schmerz wegschiebend, und sah in das junge Gesicht auf, das ihn anlächelte. »Clara.«
»Ja«, sagte sie. »Ist neben dir frei?«
Er nickte lahm, zog seinen Rucksack vom Nachbarsitz und wünschte, sie wäre einfach weitergegangen. Clara, zwölf Jahre alt, sechste Klasse, Tochter eines Kollegen seines Vaters. Er kannte sie, seit sie sechs war, und manchmal benahm sie sich, als wäre sie seine kleine Schwester. Jetzt fuhr sie durch ihr jungskurzes Haar und ließ sich neben ihn plumpsen.
»Hattest du bis jetzt Schule?«, fragte er. »So lange?«
»Hm«, sagte sie. »Akrobatikgruppe. Und du hattest Theater, oder? Was spielt ihr? Letztes Mal war ich drin, obwohl ich noch nicht auf der Schule war, das war der Sommernachtstraum, oder?«
»Ja«, sagte Tim. »Und ich war die Wand.«
»Du warst toll als Wand!« Der Blick ihrer großen, klaren Augen sagte ihm, dass sie es ehrlich meinte. »Was bist du diesmal?«
»Wahrscheinlich … ein Kind.«
»Ein Kind? Du?« Sie prustete los.
Er dachte an Charlotte. Charlotte, seine wirkliche Schwester. Die stille Charlotte, die zu Hause auf dem Teppich saß, das Gesicht in die Hände gestützt, gefangen in einem Traum. Sie war nur ein wenig älter als Clara. Er fragte sich, nicht zum ersten Mal, ob sie gewesen wäre wie Clara, wenn die Sache mit dem Bein nicht passiert wäre. Wenn sie sich normal hätte bewegen können.
»Blöd, dass man für die Theatergruppe mindestens in der Zehnten sein muss«, sagte Clara. »Sonst könntet ihr leicht ein richtiges Kind haben. Ich würde das machen, und du könntest eine anständige Rolle kriegen.«
»Danke«, sagte Tim. »Aber es ist schon okay. Ich meine, es ist nur Theater. Es ist vollkommen egal, ob ich eine Wand spiele oder ein Kind oder eine Kartoffel. Ich hab nicht vor, Schauspieler zu werden, keiner von uns wird das. Insofern.«
»Wäre doch gar nicht so schlecht, Schauspieler zu werden«, meinte Clara. »Willst du wissen, was ich werde?«
»Was denn?«
»Astronautin. Niemand glaubt, dass ich das wirklich mache, aber ich mache es. Früher, mit fünf, wollte ich Sterne mitbringen für alle Leute, die ich lieb hatte. Sterne, die ihnen Wünsche erfüllen.«
»Das ist schön«, murmelte Tim und sah aus dem Fenster.
»Ich muss jetzt raus«, sagte Clara. »Überleg dir das mit dem Kind.« Sie stand schon, beugte sich noch einmal zu ihm hinunter und flüsterte: »Ich würde dir auch einen Stern mitbringen.« Dann winkte sie und hüpfte durch den Gang zur Tür, die Stufen hinunter auf die Straße.
»Danke«, sagte er, zu spät. »Für den Stern. Ich glaube, ich kann ihn brauchen.«
Der Raum war sehr klein.
Das Haus war groß, weiß, hell, energiesparend, ein gut durchgeplantes Refugium für eine perfekte Familie. Aber der Raum war winzig. Früher war er ein Abstellraum gewesen. Charlottes Buggy hatte eine Weile hier gestanden, zusammengeklappt. Und ihre Winterstiefel, winzig kleine Winterstiefel. Tim hatte ihr oft geholfen, sie anzuziehen, auch an jenem Tag kurz nach Weihnachten.
Die Wände des Raums waren jetzt komplett mit Eierpappe ausgekleidet. Tim hatte sie selbst aufgeklebt, damals, in der Eiszeit, acht Jahre alt. Er sah seine eigenen Hände noch vor sich, wie sie mechanisch gearbeitet hatten: Kleber, Pappe, Kleber, und draußen die Nacht.
Am Ende war er auf dem Boden eingeschlafen, so hatten sie ihn am Morgen gefunden.
Das war lange her.
Jetzt saß er auf dem Boden, den Rücken gegen die Eierpappe gelehnt, und drehte einen Zweig in den Händen, an dem drei weiße Knospen wuchsen. Es war das erste Mal, dass er etwas mit in den schalldichten Raum brachte.
Er legte den Zweig auf sein Knie und nahm langsam zuerst die hautfarbenen, hörgerätähnlichen Plastikinlays und danach die Watte aus den Ohren. Dann atmete er tief durch. Er hörte seinen Herzschlag. Er hörte seinen Atem. Er hörte das Rascheln seiner Kleidung und das des Zweiges auf seinem Knie, wenn er sich bewegte. Sonst nichts.
Nichts konnte herein.
Er sah la bruja vor sich, ihre Augen, die ihn musterten, als würde sie ihn kennen, lange schon.
Ich habe dich all die Jahre lang beobachtet. Neun Jahre lang auf der gleichen Schule.
Ich weiß Dinge.
Er riss die drei Knospen alle einzeln aus, zerquetschte sie zwischen seinen Fingern, sah sie ihr Inneres offenbaren, die zarten, hoffnungsfrohen Blütenblätter, weiß wie Schnee, weiß wie Eis. Auf einmal vermisste er den Schmerz. Und er stand auf und verließ den Raum.
Minuten später saß er am Flügel.
Der Flügel: schwarz, glänzend, eine Fläche wie invertiertes Eis. Er stand im Wohnzimmer, das so leer war, dass es riesig wirkte: genügend Raum, um zu tanzen. Aber niemand tanzte dort, nicht mehr. Der Raum war ein Weltraum, eingefasst von Bücherregalen, die bis zu den Sternen reichten.
Clara wollte Astronautin werden.
Tim legte die Hände auf die Tasten und rief die Töne.
Er hatte die Watte wieder in den Ohren, aber die tarnenden Plastikteile lagen auf dem Flügel, und er hörte jede Saite, noch ehe er sie anschlug. Er spielte die Songs der Band, die Lars erschaffen hatte, zu schnell, zu laut, er hämmerte auf die Tasten ein wie ein Wahnsinniger, sah mitten im wühlenden Schmerz Worte durch den Wohnzimmerweltraum tanzen:
Ich würde dir auch einen Stern mitbringen.
Früher habe ich versucht, so zu sein wie die anderen. Aber ich war nicht gut darin.
Ihr habt die Hexe lachen hören. Drei Menschen sind zu Tode gekommen im Feuer!
Hast du Angst?
Der Schmerz in seinen Ohren war jetzt überwältigend, es war der Schmerz der Knospen, die er zerstört hatte, und mit einem letzten Akkord brach er ab und ließ den Kopf auf die Arme sinken.
»Tim?«
Er drehte sich um.
Charlotte stand in der Tür zum Wohnzimmer, in den Türrahmen gelehnt wie oft, sodass sie nur ein Bein belasten musste.
Jetzt kam sie herüber, quer durch den Raum. Man bemerkte nichts, wenn man nichts wusste, ihr Gang war beinahe wie der einer normalen Zwölfjährigen. Sie blieb einen Moment bei ihrem Kontrabass stehen, der in seinem Ständer wartete. Dahinter hing ein kleines gerahmtes Bild an der Wand: Charlotte, vier Jahre alt, wie sie versuchte, den Kontrabass ihrer Mutter zu spielen.
Jetzt war es ihrer.
Die Wohnzimmerwand war voll mit Auszeichnungen, die Charlotte erhalten hatte, vom Schulwettbewerb bis »Jugend musiziert«. Sie kam zu Tim und legte ihre Arme auf seine Schultern, ganz leicht. »Warum tust du dir weh?«
Er schüttelte den Kopf, lächelte. »Tue ich nicht. Ich übe. Die Band. Du weißt schon.«
»So übt keiner«, sagte sie und setzte sich auf seine Knie, wie sie es schon als kleines Kind getan hatte. Er spürte ihr Gewicht nicht. »Da ist dieses Mädchen«, sagte er leise. »Sie guckt einen an und … es ist, als wüsste sie alles. Wer ich bin. Was ich getan habe.«
Charlotte legte ihre Hände über seine Ohren. »Es ist alles in Ordnung«, wisperte sie.
Er nahm sie in die Arme, hielt sie fest und wusste, dass sie unrecht hatte.
Am Abendbrottisch unter der niedrigen alten Lampe spürte er den Blick seines Vaters auf sich. Draußen sang der Wind in den Zweigen, und irgendwo im Dorf rief eine Kuh eine andere. Kuhdorf, das war es, was Lars sagte, du und dein Kuhdorf, aber er sagte es mit einem freundlichen Grinsen. Er selber lebte, wenn man Lars glaubte, in Karnickeldorf, was auch nicht besser war. Es gab zu viele Dörfer hier, hübsche Dörfer mit einer großen Menge hübscher Häuser voller Leute, die eigentlich nicht hierhergehörten. Schlafdörfer für Professoren und Ärzte, hatte Mama einmal gesagt, kurz bevor sie gegangen war. Es ist alles so hübsch, hatte sie gesagt, ich muss raus hier, ich kann das nicht mehr.
Ihre Anwesenheit in der Küche war langsam verblasst, wie ein Licht, das gedimmt wird, und inzwischen war da nichts mehr. Sie hatten andere Stühle als früher. Wo Mama gesessen hatte, mit dem Rücken zum Fenster, saß jetzt Papa, und neben ihm saß Lena, Lena mit den runden Formen und den winzigen, kräftigen Händen.
Moritz, der seit einem Jahr anderswo studierte, hatte gesagt, es wäre eine Art Rückfall in Urreflexe, Lena hübsch zu finden, sie besäße alle weiblichen Attribute und sei klein genug, um Beschützerinstinkte in Männern zu wecken. In Wirklichkeit war das Unsinn, denn es war Lena, die ihren Vater beschützte, und nicht umgekehrt.
Sie verstand nichts von den Windkraftanlagen, die seine Firma instand hielt und reparierte. Sie konnte Seelen reparieren, jedenfalls glaubte Tims Vater mit einer an Fanatismus grenzenden Sturheit daran. Sie war seit zwei Jahren da. Tim mochte sie, aber sie reparierte gar nichts.
»Tim?«
Er ließ das Brot sinken, das er auf halbem Weg zwischen Mund und Brotbrett gehalten hatte.
»Du bist blass«, sagte sein Vater. »Wirst du krank?«
Er schüttelte den Kopf. »Es ist alles in Ordnung.«
Charlottes Worte. Er sah zu ihrem Platz, ihm gegenüber, vor der Schrankwand mit der Glastür, in der sein Spiegelbild ihn anblickte. Sein Vater hatte recht, der Spiegel-Tim sah anders aus als sonst. Als duckte er sich vor einer unsichtbaren Bedrohung.
»Ich habe heute früh gebacken«, sagte Lena. »Für den Kindergarten, aber es war zu viel. Da steht noch ein halber Schokoladengugelhupf auf der Anrichte. Schokoladengugelhupf hilft gegen Stress, wusstest du das?«
»Ich bin nicht drei, Lena, wie deine Kindergartenkinder«, sagte Tim. Aber sie war rührend, und er kratzte die Reste eines Lächelns für sie zusammen, schob seinen Stuhl zurück und ging den Teller mit dem Gugelhupf holen. »Natürlich hilft er«, sagte er. »Natürlich.«
In dieser Sekunde stirbt jemand.
Er träumte den Satz.
Und dann ging er am nächsten Morgen über den Schulhof, und es stand ein Krankenwagen dort. Ein stiller Krankenwagen mit sich lautlos drehendem Blaulicht.
Eine Schülermenge hatte sich vor der Treppe versammelt. Wenzel winkte, und Tim stellte sich zu ihm und den anderen. »Was …?«
Dann sah er die Bahre. Zwei Sanitäter trugen sie hinaus.
Die Gestalt auf der Bahre war komplett von einem Tuch bedeckt. Die Direktorin und eine Traube von Lehrern standen mit dem Notarzt herum, gestikulierten, spuckten zerhackte, irgendwie furchtsame Worte in den Frühlingsmorgen.
Nur eine Person folgte der Bahre bis zum Krankenwagen, eine Person, die sehr zerbrechlich aussah, ein schwarzer Pinselstrich in der Leere.
»Der alte Kabuk«, sagte Wenzel. »Friede seiner Asche.«
»Asche?«, fragte Ninon. »Noch sieht es aus, als wäre er am Stück.«
»Tot ist tot«, sagte Wenzel.
»Schhhh!«, machte Otis.
Tims Blick war an der schwarzen Figur hängen geblieben, die jetzt hinter dem Krankenwagen stand. Sie hob die Arme, als wollte sie etwas beschwören – doch sie hob sie nur halb und ließ sie wieder sinken.
Und schließlich fuhr der Krankenwagen ab. Ohne Sirenen. Er hatte es nicht eilig.
Später erfuhren sie, dass der alte Kabuk am Nachmittag des Vortages gestorben war, aber niemand schien ihn vermisst zu haben, vermutlich hatte er allein gelebt. Er hatte an diesem Morgen in seinem Raum auf der Erde gelegen, neben einem Stuhl. Offenbar war er gefallen. Mit ihm waren zwei leere Flaschen gefallen. Vielleicht, dachte Tim, waren sie für ihn gewesen wie Watte: ein Mittel gegen den Schmerz.
Er war, hieß es, an einer Gehirnblutung gestorben.
»Wusstet ihr, dass sie es war?«, fragte Ninon ein paar Tage nach jenem merkwürdigen Morgen. »Die ihn gefunden hat? La bruja. Unsere Hexe.«
»Wer sagt das?«, fragte Tim.
»Die Hagenbeck hat es in Französisch erzählt. Keine Ahnung, woher sie das weiß. Die Hexe hat ab und zu mit dem Alten geredet. Als Einzige.«
»Stell dir vor, wie der Kabuk auf dem Boden gelegen hat, ganz still«, flüsterte Ninon. »Ich frage mich, ob da Blut war. Und wie viel.«
»Fragt sich eigentlich niemand etwas anderes?«, sagte Otis und machte einen Pferdeschwanz aus seinen langen Haaren, was er nur tat, wenn er noch nervöser war als sonst. »Fragt sich niemand, ob er von ganz alleine gefallen ist?«
»Ach, Unsinn, das werden die schon untersucht haben«, sagte Ninon.
»Oder im Moment noch untersuchen«, sagte Lars.
Es war die Geburtsstunde eines Gerüchtes, das niemand aussprach.
Aber Gerüchte sind wie Quecksilbertropfen. Wenn sie den Boden berühren, teilen sie sich, rollen und fließen in Lücken und Spalten, vermehren sich, winzig, beinahe unsichtbar … giftig.
Beim nächsten Theatertreffen saß Clara schon vor der Tür, als Tim kam.
Noch war niemand sonst da.
»Ich will nur fragen, ob ich das Kind sein kann«, sagte sie und strahlte ihn an.
Sie sah so glücklich aus, dass er den Krankenwagen mit dem stillen Blaulicht vergaß.
Er hoffte für sie, dass sie das Kind sein konnte. Und er hoffte, dass Lilith nicht kommen würde, damit er nach dem Treffen mit den anderen über Bandproben und Schulstress und ungefährliche, unwichtige Dinge reden konnte.
Aber als sie eine halbe Stunde später wirklich nicht da war und der Wegner im Theaterraum Texte verteilte, spürte er einen seltsamen Stich in der Brust.
»Tja«, sagte der Wegner. »Clara. Was machen wir mit dir? Das Stück ist nicht für Kinder.«
»Ist klar«, sagte Clara.
»Das hier ist nicht der Sommernachtstraum«, sagte der Wegner. »Und wenn du das Kind spielen willst, musst du auf zwei Dritteln Stücklänge ziemlich überzeugend sterben.«
Clara nickte und sank zu Boden. Der Wegner hob ihre Hand. Als er sie losließ, sackte sie schlaff zu Boden. »Okay, das reicht, steh wieder auf«, sagte der Wegner, aber Clara rührte sich nicht, und schließlich verdrehte Wenzel die Augen und zog sie aus der Mitte des Raums, weil sie im Weg lag. Dann hob er sie hoch, Wenzel war stark und sie ein Fliegengewicht, und drückte sie Tim in die Arme. »Du kennst sie doch irgendwie, oder, die verrückte Kleine? Eine Cousine oder so?«
Tim grinste und hielt sie fest.
»So was Ähnliches«, sagte er, und zu Clara: »Ist okay. Das war überzeugend genug. Aber was bin ich, wenn Clara das Kind ist?«
»Der Arzt und Revolutionär aus der Stadt, der zu Beginn ins Dorf kommt«, sagte der Wegner. »Den hätte ich sonst machen müssen, zusätzlich zur Mutter.«
Clara schlug die Augen auf und lächelte Tim an. »Arzt und Revolutionär«, flüsterte sie. »Wow.«
»Ich weiß nicht«, sagte Tim. »Ich wäre eigentlich lieber jemand ohne viel Text.«
»Ich weiß«, flüsterte Clara. »Eine Kartoffel.«
»Heute«, sagte der Wegner feierlich, in der Mitte des Raumes stehend, »haben wir zwei Liebende, eine Leiche und eine schwarze Messe auf dem Programm, für die ich ein paar Teelichter mitgebracht habe. Natürlich ist offenes Feuer hier verboten … also pssst! Wir bräuchten eigentlich auch ein paar Federn von einem schwarzen Huhn.«
»Ist ein schwarzes Huhn anwesend?«, fragte Lars in die Runde.
»Boook«, sagte Otis.
»Oh, lass mich deine Federn rupfen …«, begann Lars, aber der Wegner schüttelte mit einem Grinsen den Kopf. »Kommt, wir müssen anfangen. Der Tote …«
»Ist eine Leiche anwesend?«, wisperte Lars.
»… wird nicht gebraucht. Zu Beginn des Stücks weiß nur ein einziger Mensch von dem Toten. Der Arzt, der ins Dorf kommt.«
Tim ballte die Fäuste sehr fest und so kurz, dass niemand der anderen es mitbekommen konnte.
Er hatte vor den anderen gewusst, dass der Kabuk tot war!
In dieser Sekunde stirbt jemand.
»La bruja macht heute dann …«
Ninon stand auf, strich das schöne rote Wellenhaar glatt –
und in diesem Moment öffnete sich die Tür. Da war sie.
Sie kam ganz leise herein, eigentlich lautlos. Sie sagte nicht »Ich bin zu spät« oder »Entschuldigung«.
Sie schloss die Tür, machte zwei Schritte in den Raum hinein und streckte die Hand aus. Der schwarze Pullover hing ihr bis fast zu den Knien, es war derselbe wie beim letzten Mal, die Leggins, die sie trug, betonte ihre zu dünnen Beine auf unkleidsame Weise. Sie öffnete die ausgestreckte Hand, ganz langsam.
Darin lagen drei kleine schwarze Hühnerfedern.
Einer der Federkiele hatte sich in ihre Haut gebohrt, auch sie musste die Fäuste sehr fest geballt haben, denn ein kleiner Tropfen Blut trat dort hervor. Er sah aus wie eine rote Glasperle. Die Teelichter auf den Fensterbrettern brannten.
Wer hatte sie angezündet und wann?
»La bruja«, flüsterte jemand.
Sie nickte. Dann trat sie ans Fenster und hob die Hand zu einem Winken. Hinten im Schulhof stand eine einsame Gestalt. Melek mit dem Kopftuch. Sie war erst seit drei Wochen da und vermied es, mit irgendwem zu sprechen. Melek erwiderte den Gruß nicht. Sie drehte sich um und hetzte über den Hof davon, erschrocken.
Die Hand im schwarzen Pulloverärmel sank wieder hinunter, aber Lilith sah nicht enttäuscht aus, sie lächelte ein geheimes Lächeln.
»Fangen wir an?«
Der Platz zwischen den Sofas und Stühlen war nicht groß genug.
Und dann ist er es plötzlich doch.
Die Kulisse: ein Dorfplatz. Sandiger, festgestampfter Erdboden, Häuser mit Scheinfassaden wie in einem Wildwestfilm. Links eine Gruppe von Männern mit breitkrempigen, hellen Hüten.
Frauen in bunt bestickten Kleidern, in Töpfen rührend, Mais schälend, in Fenstern lehnend. Hühner in der Gasse, Kinder, Hunde.
Auftritt Tomás Sánchez, Arzt aus der Stadt, jung, blinzelnd im gleißend hellen Mittagslicht.
»Teufel, was für eine Hitze!«, sagt er, korrekt nach Skript, und fährt sich mit einem Tuch über die Stirn.
Einer der Männer löst sich aus dem Kreis. »So leichtfertig sollte man den Teufel nicht anrufen!«, sagt er.
Ein zweiter tritt dazu. »Wir kennen den Teufel gut! Nachts schleicht er um die Häuser und wählt die Seelen, die er aussaugen will. Der Teufel ist eine Frau.«
Sie legen die Arme um die Schultern des jeweils anderen, bilden einen Halbkreis um Sánchez, flüstern im Chor: »La bruja! Sie hat das Feuer gerufen, drei Menschen hat sie sterben lassen, den vierten gerettet!«
»Den Gutsherrn, nur den!«, sagt der erste Mann. »Und als sie ihn aus den Flammen gezogen hat, hat sie seine Seele berührt mit ihren Krallenfingern. Seitdem denkt er nur noch an sie. Aber Don Rodriguez ist ein rechtschaffener Mann, er wird nicht zu ihr gehen, er bleibt standhaft. Seine Frau lebt nicht mehr, aber er hat nie eine andere genommen. Ein Hoch auf unseren Herrn!«
Sie rufen es alle zugleich: »Ein Hoch auf den Herrn, der unseren Lohn bezahlt!«
Und plötzlich sieht sich Sánchez umringt von tanzenden Männern und Frauen, von schwingenden Rüschenröcken, bis ihn schwindelt.
Bis sie stehen bleiben und einer fragt: »Was führt Euch hierher?«
»Oh, ich war zu lange in der Stadt«, erwidert Tomás Sánchez. »Ich bin Arzt und muss … sagen wir, ein wenig Landluft schnappen. Vielleicht ist dies ein Ort für mich? Eure Hexe interessiert mich. Wo lebt sie?«
Die Behausung, vor der er gleich darauf steht, ist aus Lehm, Ästen, Wellblech.
Im Zwielicht kauert eine Gestalt vor dem Feuer, und er will rufen, doch dann hört er Schritte und duckt sich hinter einen Stapel Brennholz.
Zwei Leute nähern sich der Hütte von verschiedenen Seiten: ein junger Mann und ein Mädchen. Er ist gut angezogen: Samtweste, Stoffhosen, heller Hut mit breiter Krempe. Sie trägt eine alte Bluse, oft geflickt, einstmals schön, mit Vögeln und Ranken, deren Stickgarn sich löst.
Ihr Gesicht ist flach und breit: die Züge der Indigenen.
La bruja lächelt ihnen entgegen. »Ihr seid also gekommen. Juan Pedro Rodriguez und Muyal. So ein schöner Name. Die Himmelswolke.« Sie streicht dem Mädchen über das glänzende schwarze Haar, und als sie die Hand zurückzieht, steckt eine rote Blume im Haar.
Juan Pedro sieht sich um, nervös. »Wir haben nur so lange Zeit, bis das Dorf aus der Siesta erwacht.«
»Habt keine Angst«, sagt la bruja. »Wer liebt, fürchtet nicht.«
Da zieht Juan Pedro das Mädchen an sich. »Wenn mein Vater erfährt, dass wir uns treffen, zündet er das Gut gleich noch einmal an und stößt uns ins Feuer.«
»Noch einmal? Was meinst du damit?«, fragt la bruja.
»Es war nur so dahingesagt. Dios, wie kann ich ihn so hintergehen?«
Er lässt Muyal los.
»Ja, sei ein braver Sohn«, sagt la bruja. »Heirate das reiche Mädchen, das dein Vater für dich auswählen wird. Leg dich jeden Tag mit einem kalten Fisch ins Bett. Vergiss die Schönheit aus den Bergen.«
»Nein!«, ruft Juan Pedro.
»Dann vergiss deine Angst.«
»Ich … habe auch Angst«, flüstert Muyal.
»Kniet nieder«, verlangt la bruja. »Ich werde einen Ort erschaffen, an dem ihr zusammen sein könnt, bis ihr den Mut habt, fortzugehen.«
Sie greift hinter sich, hält plötzlich ein schwarzes Huhn in den Händen und dreht ihm mit einer raschen Bewegung den Hals um. Dann beginnt sie, es zu rupfen und die Federn in einem Kreis um die beiden jungen Leute zu verstreuen, während sie Unverständliches murmelt. Als der Kreis sich schließt, lodert das kleine Feuer in der Hütte hoch auf, und die beiden ducken sich.
La bruja breitet die Arme aus, die Finger gespreizt. Hebt das Gesicht zum Himmel.
Und steht auf einmal im Freien, auf einem kahlen, schotterbedeckten Berg.
Der Kreis der schwarzen Federn mit den Liebenden befindet sich mit ihr dort.
Drei Mal schreitet sie um ihn herum. Drei Mal streckt sie die Hände zum Himmel. Dann hüllt sie sich in ihren Umhang – und ist fort. Nur ihre körperlose Stimme hängt noch in der Luft.
»Der Ort, an dem ihr allein sein könnt, ist erschaffen«, wispert sie. »Er befindet sich in der Kirche. Ihr müsst sie ohne jeden Laut betreten und auf dem Boden hinter dem Altar den Kreis mit der Kreide zeichnen, die ihr in meiner Hütte findet. Im Kreis seid ihr unsichtbar für die Außenwelt.«
Da ist sie wieder, die Hütte. Die Liebenden verlassen sie taumelnd, verwirrt, hoffend.
Tomás Sánchez, der draußen steht, nickt ihnen zu, doch sie fliehen – gehen in entgegengesetzte Richtungen davon.
Dann tritt la bruja aus der Hütte. Und auf einmal lacht Sánchez.
»Beeindruckend! Ein hübscher Zaubertrick.«
Sie mustert ihn. »Was wollt Ihr?«
»In den Bergen nördlich von hier liegt ein Mann. Jemand hat ihm die Kehle durchgeschnitten.«
Sie nickt. »Ja. Aber was wollt Ihr?«
»Der Tote trägt die Uniform der Polizei. Sein Gesicht sieht aus, als wäre man nicht gerade sanft mit ihm umgegangen, ehe er diese grausame Welt verlassen hat.« Er seufzt. »Ihr erkennt mich nicht, nein? Wir haben uns einmal gesehen, damals wart Ihr keine Hexe. Nur ein kleines Mädchen, das im Dreck spielte. Ich bin hier, um mit Eurem älteren Bruder zu sprechen.«
Sie zuckt zusammen. »Ich habe keinen Bruder.«
»Nein, und ich bin auch nicht Tomás Sánchez, und es gibt keine großen Ideen da draußen, und die Luft schmeckt nicht nach Revolution, und die Erde ist eckig.«
Sie schüttelt den Kopf. »Schweigt! Ihr bringt mehr Gefahr in Eurer Arzttasche mit, als ich in meinen Händen trage.«
»Wer liebt, fürchtet nicht.«
»Nein«, sagt sie. »Aber ich liebe nicht. Ich bin ein Prinzip. Ich habe keine eigene Seele.«
Er schnaubt nur. »Euren Bruder liebt Ihr auch nicht?«
Sie sieht weg. »Er ist tot. Lange her. Fragt nicht.«
»Tot? Wie …«
Doch ehe er weitersprechen kann, kommt aus dem Nichts ein Kind angerannt und fällt ihr in die Arme. Sie schiebt es fort, sanft. »Was tust du hier? Du sollst nicht herkommen, das weißt du.«
»Aber du hast mir das Leben gerettet!«, ruft das Kind. »Im Gutshaus! Ich hab dich lieb! Schau, ich habe etwas für dich eingeübt. Ich habe es mir bei den Mädchen im Dorf abgeguckt.«
Das Kind holt stolz eine breite Kerze aus der Tasche, entzündet sie und setzt sie sich auf die Stirn. Und ehe jemand es daran hindern kann, beginnt es zu tanzen, mit langsamen Schritten. Es balanciert die Kerze perfekt aus – und dann fällt sie. Ganz plötzlich.
Das trockene Gras fängt sofort Feuer.
Das Kind steht starr vor Schreck, mitten darin.
Da streift la bruja ihren dunklen Umhang ab und wirft ihn auf die Flammen, die sofort ersterben.
»Wie oft muss ich dich noch vor dem Feuer retten? Geh! Das Feuer ist nicht für dich. Es ist für mich.« Das Kind stolpert davon, und la bruja hebt den Umhang auf, hüllt sich hinein und ist mit einem Mal fort.
Sánchez steht allein vor dem verbrannten Gras.
»Wo bist du?«, flüstert er. »Wie konntest du das Feuer so schnell löschen? Welche Mächte haben die Kerze stürzen lassen?«
»Was ist hier geschehen?«
Sánchez fährt herum. Dort steht, leicht zu erkennen in seinem Ornat, der Priester des Dorfes.
»Nichts«, sagt Sánchez. »Ich war unachtsam, habe ein Streichholz fallen lassen. Aber ich habe den Brand mit den Füßen ausgetreten.«
»So, haben Sie das?«, fragt der Priester. »Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?«
»Halt! Abbrechen! Clara, alles okay? Clara?«