How to charm a Princess to be - Lilly Autumn - E-Book

How to charm a Princess to be E-Book

Lilly Autumn

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Beschreibung

»Mein Herz schlägt so schnell, als würde ich einen Marathon laufen. Vielleicht will es, dass ich tatsächlich fortlaufe. Noch kann ich umkehren. Noch könnte man die Verlobung als vermeintlichen Scherz abtun. Doch nach einem Blick auf Bas verwerfe ich den Gedanken. Ich will bei ihm sein. Für ihn werde ich stark bleiben, denn er ist all das wert.« Victoria hat in Sebastien wahrlich ihren Traumprinzen gefunden, aber die Vorstellung, an seiner Seite die Aufgaben einer Prinzessin zu übernehmen, macht ihr immer noch Angst. Doch für Sebastien ist sie bereit, diesen Schritt zu gehen. Bereits bei ihrer Ankunft im Schloss von Blanchebourg wird ihr klar, dass es nicht einfach wird. Als Bürgerliche muss sie nicht nur die Adeligen am Hof, sondern auch die Klatschpresse von sich überzeugen. Und dann ist da noch Claudette, die ihr eigenes Spiel spielt, um Sebastien zu erobern. Als der Fürst bekannt gibt, dass er aus Gesundheitsgründen bald zurücktreten wird, erhöht sich der Druck auf Victoria und Sebastien zusätzlich. Kann ihre Liebe wirklich alles überwinden? Oder wird sie an den Intrigen am Hof zerbrechen? Eine romantische Wohlfühlgeschichte mit großen Gefühlen und einer wichtigen Frage: Kann Liebe alles überwinden?

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How to charm a princess to be

LILLY AUTUMN

Copyright © 2023 by Lilly Autumn

c/o WirFinden.Es

Naß und Hellie GbR

Kirchgasse 19

65817 Eppstein

www.lillyautumn.at

[email protected]

Umschlaggestaltung: Nina Hirschlehner

Lektorat&Korrektorat: Julie Roth

Satz: Bettina Pfeiffer

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form sind vorbehalten. Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Für die, die ihren Traumprinzen noch suchen.

Inhalt

1. Victoria

2. Sebastien

3. Victoria

4. Sebastien

5. Victoria

6. Sebastien

7. Victoria

8. Sebastien

9. Victoria

10. Sebastien

11. Victoria

12. Sebastien

13. Victoria

14. Sebastian

15. Victoria

16. Sebastien

17. Victoria

18. Sebastien

19. Victoria

20. Sebastien

21. Victoria

22. Sebastien

23. Victoria

24. Sebastien

25. Victoria

26. Sebastien

27. Victoria

28. Sebastien

29. Victoria

30. Sebastien

31. Victoria

32. Sebastien

Danksagung

Über den Autor

Bücher von Lilly Autumn

KAPITEL1

Victoria

Der Lampion muss noch ein Stück höher!«, rufe ich Melissa zu.

Die schnaubt und sieht auf mich herab. »Dann brauche ich entweder eine höhere Leiter oder jemand gibt mir ein Wachstumsmittel, damit ich zehn Zentimeter wachse, sonst schaffe ich das nicht.« Trotzdem streckt sie sich, erreicht den Nagel, an dem die Dekoration angebracht werden muss, jedoch nicht. »Wo steckt eigentlich Thomas, wenn man ihn mal braucht?«

»In der Küche, wo ich hingehöre«, antwortet der Chefkoch, der in dem Moment mit einer Schale Bowle den Saal betritt. »Aber ich helfe dir gerne beim Dekorieren, wenn du mich auf die Leiter lässt.«

Er stellt die Bowle ab und kommt zu uns. Ohne zu zögern, steigt Melissa die Sprossen herunter, reicht Thomas die Lampions und macht für ihn Platz. Ich nicke ihm dankbar zu und halte die Leiter auch für ihn fest. Das Holz knarrt, als der fast zwei Meter große Koch hochsteigt und die Dekoration ohne Mühe an dem dafür vorgesehenen Platz befestigt.

»So, erledigt«, verkündet er und sieht mich an. »Soll ich noch etwas in luftigen Höhen anbringen?«

»Nein, das waren die letzten.« Ich schenke ihm ein Lächeln. »Danke.«

»Keine Ursache.« Er klettert wieder hinunter und betrachtet den Raum. »Dieses Jahr wird es also ein richtiger Sommerball, hm?«

Ich bejahe wortlos. Meine Gedanken wandern zu dem letzten Ball, der vor genau einem Jahr hier stattgefunden hat. Jener Ball, auf den Bas sich verkleidet geschlichen hat, um bei mir sein zu können. Mein Herz schlägt schneller, wenn ich nur an ihn denke. Gleichzeitig fühle ich diesen nagenden Schmerz in meiner Brust, weil sich nach heute Abend alles verändern wird. Und obwohl ich ein Jahr Zeit hatte, mich an den Gedanken zu gewöhnen, fällt es mir schwer, zu glauben, dass das Leben, das ich kannte, nun endet.

Leise Zweifel, ob ich das Richtige tue, flackern immer wieder auf, wenn ich mich im Hotel umsehe. Das hier ist mein Zuhause. Mein sicherer Hafen. Und ich gebe alles auf, um zu jemandem zu werden, der ich vielleicht gar nicht sein kann. Denn Bas – der eigentlich Sebastien de Violet heißt – ist der Erbprinz eines kleinen Fürstentums mit dem klingenden Namen Blanchebourg. Um an seiner Seite bleiben zu können, muss ich mein beschauliches Leben als unbekannte Hotelmanagerin aufgeben und versuchen, eine Prinzessin zu sein.

Wieder flüstert eine kleine, fiese Stimme, dass ich dazu nicht gemacht bin und fürchterlich scheitern werde. Doch nur so kann ich mit Bas zusammen sein. Nach einem Jahr, in dem wir uns nur selten treffen konnten und immer aufpassen mussten, dabei nicht erwischt zu werden, weiß ich, dass ich ihn liebe und mich nicht länger verstecken will. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich die Stärke habe, alle Aufgaben zu meistern.

»Irgendwann bleibt diese Falte«, zieht Sandra mich auf. Sie schenkt mir ein warmes Lächeln. »Grübelst du schon wieder?«

Sandra ist meine beste Freundin. An jenen Abenden, als die Sehnsucht nach Bas zu groß, die Zweifel zu erdrückend und meine Zuversicht zu dünn geworden ist, war sie bei mir, hat mich aufgemuntert und mir Mut zugesprochen. Wir kennen uns, seit wir die ersten Schritte gemacht haben. Sie zurückzulassen wird mir besonders schwer fallen.

»Würdest du an meiner Stelle nicht grübeln?« Ich greife nach einer verknoteten Lichterkette, um sie zu entwirren. Wenn ich meine Hände beschäftige, denke ich nicht so viel nach.

Sandra schnappt sich ebenfalls eine Lichterkette. »Ich an deiner Stelle würde mich einfach auf den Mann, den ich liebe, freuen. Und darauf, dass wir jetzt zusammen sein können.«

»Wenn er seine Meinung nicht geändert hat«, murmle ich vor mich hin.

Vor einem Jahr ist Bas überstürzt von hier abgereist, um mich zu schützen. Eine Reporterin hat Fotos von uns geschossen, und da ich nicht bereit war, mich der Herausforderung an Bas’ Seite zu stellen oder mein Leben sofort aufzugeben, musste er für zwei Monate eine andere Frau daten. Dabei handelte es sich um Mirabelle Chivenchy, eine Freundin von Bas’ Familie. Ich weiß, dass zwischen ihnen nie wirklich etwas gelaufen ist. Trotzdem hat mich jedes Bild von ihnen tief erschüttert. Denn Mirabelle wäre die perfekte Partnerin für Bas. Im Gegensatz zu mir stammt sie aus den adeligen Kreisen, kennt sich nicht nur mit dem Fürstentum, sondern Politik im Allgemeinen aus. Sie wäre den Aufgaben einer Prinzessin zweifellos gewachsen.

»Er hat seine Meinung nicht geändert.« Sandra verdreht die Augen. »Sebastien fährt alle zwei Wochen mehrere Stunden mit dem Auto, nur um eine halbe Nacht bei dir sein zu können. Denkst du, das würde er machen, wenn er sich anders entschieden hätte?«

Zögerlich schüttle ich den Kopf. Bas nimmt wirklich viel auf sich, damit wir uns regelmäßig sehen können. Er kann schließlich nicht einfach in einen Linienflug steigen. Das würde Fragen aufwerfen. Also schaufelt er sich unter der Woche einen Nachmittag und den darauf folgenden Vormittag frei, setzt sich ins Auto und fährt zu mir. Er hat zwar einen Fahrer bei sich, der übernimmt aber immer nur die Rückfahrt, damit Bas zumindest ein wenig Schlaf findet, bevor er wieder arbeitet. Und Bas … er ist richtig ehrgeizig geworden. Zumindest strahlen seine Augen, wenn er von seinen Aufgaben in den Ministerien spricht. Er übernimmt mittlerweile viel Verantwortung, unterstützt seinen Vater bei Staatsempfängen und saugt alles an Wissen auf, das er sammeln kann.

Bei dem Gedanken lächle ich. Bas ist der Mann geworden, der er immer hätte sein können, wenn das Schicksal ihm – und auch mir – nicht so übel mitgespielt hätte.

»Siehst du ein, dass die Vorstellung unsinnig ist?« Sandra stupst mich an. »Er liebt dich. Und er will dich an seiner Seite. Also grüble nicht, freu dich.«

Ich atme geräuschvoll aus. »Du weißt, wieso immer Wehmut in mir mitschwingen wird.«

Sandra reibt über meinen Arm. »Sicher, Süße. Du gibst viel auf. Aber dafür bekommst du auch viel.« Sie lächelt aufmunternd. »Und du wirst eine Prinzessin. Mir ist klar, dass dieser Job nicht so märchenhaft ist, wie man es sich als kleines Mädchen vorstellt, doch du wirst das wunderbar meistern. Außerdem werden wir dich besuchen kommen. Du wirst gar keine Zeit haben, das hier zu vermissen.«

Immer noch fühle ich einen gewaltigen Druck in meiner Brust. Trotzdem lächle ich. Sandra gibt sich Mühe, mich aufzuheitern, aber meine Sorgen kann sie nicht vertreiben.

Wenigstens muss ich mir um meine Eltern keine Gedanken machen. Mama hat es endlich geschafft, Hilfe anzunehmen. Die Pflegekraft ist für sie jetzt fast ein Teil der Familie und der Alltag läuft reibungslos. Noch wollen meine Eltern nicht nach Blanchebourg umziehen. Aber vielleicht … kann ich sie in einiger Zeit überreden, wenn ich mich im Fürstenhaus eingelebt habe. Es würde mich beruhigen, meine Eltern in meiner Nähe zu wissen. Allerdings verstehe ich auch, dass sie ihr bisheriges Leben nicht aufgeben wollen. Immerhin hadere ich selbst sehr damit, obwohl ich dafür den Mann bekomme, der mich vollständig macht.

»Den Rest der Vorbereitungen schaffen wir allein«, reißt Sandra mich aus meinen Gedanken. »Du kannst dich noch ein wenig ausruhen. Oder packen. Wobei ich sicher bin, dass du bereits mit allen Vorkehrungen fertig bist.«

»Na ja, ich muss ja nur ein bisschen Kleidung mitnehmen.« Ich räuspere mich, weil meine Stimme mit jedem Wort brüchiger wird. »Und die Andenken. Möbel oder so brauche ich nicht und Matthieu wird sich um die restlichen Dinge kümmern, sobald es geht.«

Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass ich mein Haus heute zum letzten Mal für längere Zeit betreten werde. Gleich nach dem Ball werden Bas und ich nach Blanchebourg fahren. Er wird seine Praktika in den Ministerien abschließen und ich werde von Matthieu – dem Privatsekretär des Fürsten – ausgebildet, um mit mehr Sicherheit aufzutreten. Seit einem Jahr unterrichtet Matthieu mich bereits, in letzter Zeit hauptsächlich online und mittels Unterlagen, die er für mich vorbereitet hat. Er muss schließlich den Fürsten und Bas unterstützen. Trotzdem hat er meine Ausbildung niemand anderem überlassen, was ich ihm hoch anrechne. Obwohl Matthieu ein wenig verschlossen ist, habe ich ihn lieb gewonnen und schätze seine Meinung sehr.

»Dann nutz die Zeit, um noch einmal durchzuatmen.« Sandra zwinkert. »Es mag vielleicht keine Überraschung mehr sein, aber du bekommst heute dennoch einen Antrag. Ich bin schon so gespannt, wie Sebastien das machen wird.«

Ich zwinge mich erneut dazu, zu lächeln. Natürlich freue ich mich über den Antrag. Aber er fühlt sich ein wenig wie eine Verpflichtung an, nicht wie etwas, das Bas und ich wollen. Der Fürst besteht darauf, dass ich als Bas’ Verlobte in Blanchebourg eintreffe. Nur so können sie mich offiziell vor der Presse schützen. Dennoch bleibt ein bitterer Beigeschmack.

»Gut, dann … gehe ich noch einmal nach Hause und ziehe mich um«, sage ich gedehnt.

»Mach das. Bis später.«

Sandra nimmt mir die Lichterkette ab und schiebt mich förmlich aus dem Ballsaal. Es wundert mich, dass sie hinter mir die Türen nicht schließt, sondern sich einfach umdreht und weiter dekoriert.

Ich schlucke gegen die Trockenheit in meinem Mund an. Obwohl um mich Dutzende Leute sind, fühle ich mich in diesem Moment unendlich einsam und unverstanden. Doch ich darf nicht in diesem Selbstmitleid versinken. Immerhin bekomme ich, was ich will: Bas. Er ist all das wert.

Das sage ich mir wieder und wieder, während ich durch das Hotel streife, das ich vier Jahre lang geleitet habe. Ich kenne jede Fliese in diesem Schloss, jeden Lichtschalter, jede quietschende Stelle. All das hinter mir zu lassen wird nicht einfach. Besonders, weil Bas und ich nicht ständig zusammen sein können, da er arbeitet. Ich straffe meine Schultern. Du schaffst das, sage ich mir in Gedanken. Für Bas und dich.

Bevor ich wieder zu grübeln beginne, verlasse ich das Hotel und gehe zu meinem Haus. Kartons stapeln sich in dem Vorzimmer, dessen Möbel noch von meiner Großmutter stammen. Das helle Holz habe ich selbst weiß lackiert, als ich hier eingezogen bin. In dem Mix aus nostalgischen Erinnerungen und modernen Elementen habe ich mich geborgen gefühlt. Jetzt lasse ich auch das hinter mir.

Im Wohnzimmer stehen die Koffer, die ich heute mitnehmen werde. Auf ihnen liegt eine Schachtel mit einer violetten Schleife. Es ist das Kleid, das Bas mir für den Ball schneidern hat lassen. Letztes Jahr hat er mich zu Prinzessin Funkelstern gemacht – einer Märchenfigur, die meine Großmutter einmal erfunden hat. Ich bin gespannt, was er heute ausgesucht hat.

Meine Finger streichen über das Satinband. Ich löse es und es fällt flatternd zu Boden. Langsam öffne ich den Deckel und halte den Atem an, als ein magentafarbenes Kleid zum Vorschein kommt. Es besteht aus schimmerndem Satin und raschelt, als ich es heraushebe. Der Rock breitet sich ab der Hüfte wie ein Fächer aus, entblößt ab Kniehöhe meine Beine. Ich presse das Kleid an meinen Oberkörper und stelle mich vor den Spiegel.

Da fällt etwas zu Boden. Ich bücke mich und hebe die Karte auf.

Du wirst eine Rose auf dem Ball sein. Verzeih mir, dass ich dir dieses Jahr keine Pfingstrosen schenken konnte, aber ich hoffe, das Kleid tröstet dich darüber hinweg. Ich kann es nicht erwarten, dich wiederzusehen. Ich liebe dich, mein Funkelstern. Bas.

Tränen der Rührung schimmern in meinen Augen. Das Kleid erinnert tatsächlich ein wenig an eine Pfingstrose. Ich atme tief ein und meine, den süßen Duft daran wahrzunehmen. Bas ist so aufmerksam. Er merkt sich selbst die kleinsten Dinge und kennt mich wie kein anderer. Wenn es nur um uns beide ginge, hätte ich keine Zweifel. Aber unsere Beziehung wird eine harte Prüfung bestehen müssen. Ich hoffe nur, ich bin stark genug dafür.

Ich lasse das Kleid sinken und drapiere es auf der Couch. Ziellos streife ich durch das Haus, präge mir alles genau ein. Ich habe keine Ahnung, wie es im Palast des Fürsten aussieht, da ich nie dort war. Bas und ich werden laut seiner Aussage ein Apartment im Schloss bewohnen, das extra für uns hergerichtet worden ist.

Ob ich mich dort wohlfühlen werde?

Ich schiebe den Gedanken von mir. Denn egal, wohin ich gehe, solange Bas bei mir ist, werde ich glücklich sein.

Da es mittlerweile Zeit wird, ziehe ich mich um und stecke meine Haare selbst auf. Ich habe keine Stylistin gebucht, obwohl Matthieu es mir empfohlen hat. Wenn mich jemand anderes schminkt, fühle ich mich, als würde mir eine Fremde aus dem Spiegel entgegenblicken.

Ich schlüpfe gerade in silberne Sandalen, als es an der Tür klingelt. Schnell sammle ich mein Handy und einen Lippenstift ein, schiebe beides in eine kleine Tasche und eile zur Tür.

Thomas steht davor. Er hat mir angeboten, mich mit dem Auto abzuholen. Das Hotel ist zwar nur wenige Minuten zu Fuß entfernt, aber in einem Ballkleid wollte ich nicht durch das Dorf laufen.

»Du siehst sehr hübsch aus«, sagt er, ohne eine Miene zu verziehen.

Er selbst trägt noch die Kochjacke, weil er heute Dienst hat.

»Danke. Ich … danke.«

Wir stehen uns schweigend gegenüber. Thomas scheint dennoch zu verstehen, wie ich mich fühle. »Brauchst du noch einen Moment?«

Ich schüttle den Kopf. »Lass uns gehen.«

Meine Hand zittert, als ich die Tür zuziehe und verschließe. Ich blicke nicht zurück. Wenn ich es mache, breche ich vielleicht in Tränen aus. Dabei sollte ich glücklich sein. Und das bin ich. Es ist nur alles so überwältigend im Augenblick.

»Deine Eltern sind bereits im Ballsaal«, sagt Thomas, während er mir die Beifahrertür öffnet.

Mit dem Rock muss er mir helfen, damit ich ihn nicht einklemme. Thomas schließt die Tür und steigt auf der Fahrerseite ein.

»Ist Sebastien schon angekommen?«, frage ich leise.

»Bisher habe ich ihn nicht gesehen. Aber er plant ja auch keinen fulminanten Auftritt, damit ihr Ruhe habt, bis … er dir die Frage stellen kann, die er dir bestimmt schon sehr lange stellen wollte.«

Ich schaffe es nicht, Thomas anzusehen. Er hat lange, bevor Bas und ich meine Freunde über unsere Beziehung informiert haben, geahnt, dass zwischen uns etwas läuft. Man merkt es dem brummigen Chefkoch nicht an, aber er hat ein Gespür dafür, was andere denken und empfinden.

»Denkst du, es ist überstürzt, dass wir …« Ich breche ab.

Thomas seufzt. »Ihr kennt euch so lange. Bei jedem anderen Paar hätte ich die Augen verdreht. Bei euch nicht. Ihr gehört einfach zusammen.« Als ich ihn verwirrt ansehe, zuckt er mit den Schultern. »Ist meine Meinung dazu. Wichtig ist allerdings, wie du das empfindest. Denkst du, es ist überstürzt?«

»Wenn ich nicht in ein Haifischbecken geworfen …«

»Victoria, vergiss, was passieren wird, wenn du mit ihm gehst. Wenn du all das beiseite lassen kannst, würdest du heute Sebastiens Antrag annehmen? Den Mann heiraten wollen, der er ist? Ohne Titel, ohne Presse, vor der er dich damit schützen möchte?«

»Ja«, antworte ich, ohne darüber nachdenken zu müssen.

Thomas lächelt schwach. »Dann ist es nicht überstürzt. Vergiss alles andere, so schwer es auch fällt. Du und Sebastien gehört zusammen. Der Rest wird sich fügen.«

»Wenn du das sagst, klingt es so einfach«, murmle ich und betrachte das Hotel, das mit der festlichen Beleuchtung wie ein Märchenschloss aussieht.

»Manchmal ist es so einfach. Eure Liebe ist stärker als alles, das sich euch in den Weg stellen will. Das habt ihr mehr als einmal bewiesen.«

Thomas stellt den Motor ab, steigt aus, umrundet den Wagen und öffnet die Tür. Nachdem er mir aus dem Auto geholfen hat, hält er meine Hand einen Moment fest. Ich schließe die Augen und lehne mich an ihn. Er legt einen Arm um mich und tätschelt meinen Rücken.

»Alles wird gut«, sagt er leise.

»Danke«, wispere ich und löse mich von ihm. »Wirst du im Saal sein, wenn …«

»Ich lasse mir das doch nicht entgehen.« Mit einem Zwinkern deutet er auf das Schloss. »Geh rein. Sebastien wird sicher bald bei dir sein.«

Ich nicke und wende mich langsam von Thomas ab. Durch einen Nebeneingang betrete ich das Schloss. Aus dem Garten und dem Ballsaal dringt bereits leise Musik. Der Duft von Schokolade liegt in der Luft und weckt Erinnerungen an die Bälle vor vielen Jahren.

Mit unsicheren Schritten gehe ich durch den menschenleeren Flur. Ich halte auf die Tür zum Ballsaal zu, da berührt jemand meinen Ellbogen.

Panisch wirble ich herum, weil ich niemanden bemerkt habe. Mein Herz setzt einen Schlag aus und ich lächle. »Bas.«

Er öffnet die Arme für mich. Ich schmiege mich an ihn und spüre, wie die Last der letzten Tage von meinen Schultern fällt. Von ihm gehalten zu werden schenkt mir die Kraft, die ich brauche.

»Komm«, flüstert er mir ins Ohr.

Er verschränkt seine Finger mit meinen und führt mich durch die leere Hotelhalle zu meinem Büro. Ich trete vor ihm ein und drehe mich zu ihm um, während er die Tür schließt.

Mein Blick schweift über sein kantiges Gesicht mit dem Dreitagebart. Er trägt einen Smoking mit schwarzer Fliege, in dem er umwerfend gut aussieht. Allerdings stört mich etwas. Die sonst so strahlenden blauen Augen wirken stumpf. Tiefe Schatten liegen darunter.

Besorgt überwinde ich die Entfernung zwischen uns und umfasse sein Gesicht.

»Ist alles in Ordnung?«, frage ich sanft.

Bas’ Blick nimmt meinen gefangen. Ich versinke in dem hellen Blau, das ich so vermisst habe.

»Vi.« Er seufzt und schließt die Lider halb. »Ich habe mich so lange auf diesen Abend gefreut.«

Bas macht eine Pause. Ich bekomme kaum noch Luft. Etwas stimmt hier nicht. Was ist nur los?

»Sag mir, was geschehen ist«, bitte ich ihn.

Er öffnet die Augen und sieht mich einen Moment schweigend an. »Ich muss dir etwas mitteilen. Und ich weiß nicht, ob du mich noch begleiten willst, wenn du es erfahren hast.«

In mir zerbricht etwas. Er hat sich anders entschieden. Er will mich nicht mehr. Wieso tut er mir das an?

»Bitte«, bringe ich heiser heraus. »Sag es einfach. Quäl … mich nicht.«

Seine Pupillen weiten sich. »Vi, ich …« Er fährt sich durch die Haare. »Ich habe heute etwas erfahren, das alles ändern könnte. Und du sollst es wissen, denn … es wird auch dich beeinflussen.«

KAPITEL2

Sebastien

Beim Anblick ihrer zitternden Unterlippe verlässt mich der Mut. Wenn ich es ihr sage, wird sie Angst bekommen. Ich erkenne Vis Zweifel und ihre Sorgen, auch wenn sie versucht, vor mir stark zu sein. Sie fürchtet sich vor dem Leben, das ich ihr bieten werde. Und wenn ich diese Bombe platzen lasse, verliere ich sie vielleicht.

Aber ich brauche sie. Ich brauche Vi dringender als die Luft zum Atmen. Besonders jetzt. Ohne sie … schaffe ich das alles nicht. Nur wäre es unfair, ihr einfach einen Antrag zu machen und sie erst später in das Geheimnis einzuweihen, das mir heute Morgen den Boden unter den Füßen weggezogen hat.

»Bas.« Ihre Stimme ist nur noch ein Krächzen. Ich lasse mir zu lange Zeit. »Wenn du mich verlassen willst, dann …«

»Gott, Vi, nein«, unterbreche ich sie hastig. »Ich würde dich nie verlassen. Niemals.« Bevor ich weiß, was ich tue, ziehe ich sie in meine Arme und vergrabe mein Gesicht in ihren dunkelbraunen Haaren. »Du bist alles für mich, Vi. Ich liebe dich.«

Sie schluckt lautstark. »Dann kann das, was du mir sagen musst, nicht so schlimm sein.« Vi sieht zu mir auf. »Bitte, erzähl mir, was dich so belastet.«

Mein Mund wird staubtrocken, als ich etwas Abstand zwischen uns bringe und sie ansehe. Ihre Finger beben und in ihren Augen lese ich nicht nur Sorge, sondern Angst. Eine Angst, die ich ihr nicht nehmen kann. Im Gegenteil, ich werde sie jetzt verstärken.

Räuspernd ziehe ich sie zum Schreibtisch und bedeute ihr, sich auf die Tischkante zu setzen. Vi lehnt sich dagegen und umschließt meine Hand mit ihren. Wärme breitet sich auf meiner Haut aus. Sie zu sehen lindert den Schmerz in meiner Brust. Was soll ich nur machen, wenn sie sich gegen mich entscheidet?

»Ich habe in den letzten Wochen sehr viele Termine meines Vaters übernommen«, beginne ich zu erzählen. »Für mich war es ein Vertrauensbeweis von ihm. Er hat mich viele Staatsangelegenheiten regeln lassen, mich nur beraten, aber selbst keine Entscheidung gefällt oder an den Terminen teilgenommen.« Meine Brust wird eng und ich kämpfe darum, ruhig weiterzusprechen. Doch mein Atem stockt. Zu frisch ist der Schmerz. »Ich weiß jetzt, dass er mir damit nicht nur sein Vertrauen zeigen wollte.«

Meine Stimme bricht. Ich senke den Kopf, schaffe es nicht mehr, Vi anzusehen. Tränen brennen in meinen Augen. Ich kann sie nicht wegblinzeln.

»Bas, was ist los?« Vi klingt unendlich sanft. Ihre Sorge um mich wärmt mich und bricht mir zugleich das Herz. Ich darf sie nicht verlieren.

»Mein Vater«, sage ich heiser und hebe schwerfällig den Blick, »hat mir heute gestanden, dass er … krank ist.«

Vi legt den Kopf schief und mustert mich. »Krank?«

Ich presse meine Lippen zu einem schmalen Strich zusammen, erkaufe mir einen Moment, um noch einmal Luft zu holen. »Er hat Lungenkrebs. Wohl schon länger.«

»Oh Bas.« Vis Augen füllen sich mit Tränen. »Das tut mir so leid.«

Ich schlucke, weil ich jetzt aussprechen muss, wovor ich mich fürchte. »Die Ärzte meinen, es sei nicht mehr heilbar. Sie haben alles versucht, und …« Ich atme zittrig ein. »Papa wird diesen Kampf nicht mehr gewinnen. Ihm bleiben nur noch ein paar Monate.«

Ihre Nasenflügel beben, während sie schluchzend einatmet. Wortlos steht sie auf, schließt ihre Arme um mich und hält mich. Ich lehne mich an sie, atme ihren Duft nach Pfingstrosen und Flieder ein. So vertraut. Alles an ihr ist mir vertraut. Ich brauche sie.

»Vi … ich dachte, wir hätten einige Jahre, in denen wir nur in der zweiten Reihe stehen werden«, krächze ich. »Ich wollte dir Zeit geben, dir nicht zu viel auf einmal aufbürden. Aber wenn ich meinen Vater verliere, bin ich der Fürst. Und du … die Fürstin, sofern du mich jetzt nicht verlässt.«

Sie gibt einen heiseren Laut von sich. »Denkst du wirklich, dass ich dich jetzt, wo du mich brauchst, verlasse?« Energisch schüttelt sie den Kopf. »Ich wünsche mir für dich, dass dein Vater noch lange lebt und ihr viele schöne Tage habt. Aber wenn das nicht der Fall sein sollte, werde ich bei dir bleiben und dich stützen, so gut ich kann.«

»Vi.« Ich umarme sie fester. »Meine Vi. Du weißt nicht, was mir das bedeutet. Ich dachte … Ich hatte Angst …«

»Ich habe so viel Angst, Bas«, gesteht sie. »Jetzt noch mehr als zuvor. Doch du bist wichtiger als meine Bedenken. Wenn du mich an deiner Seite willst, bin ich dein.«

»Ich will«, flüstere ich. »Und ich werde alles tun, damit du diese Entscheidung nie bereust.«

Sie schluchzt nur. Jetzt muss ich mich noch mehr anstrengen, um ihr gerecht zu werden. Ich werfe sie förmlich ins kalte Wasser. Lange werden wir nicht mehr verheimlichen können, dass Papa schwer krank ist. Dann wird sich die Aufmerksamkeit auf mich richten. Und auf Vi, die bereits morgen offiziell als meine Verlobte vorgestellt werden soll. Doch dazu fehlt noch etwas …

Behutsam löse ich mich von Vi. Ihre Augen schimmern von Tränen. Ich hoffe, dass gleich neue dazukommen – diesmal jedoch aus Freude.

Langsam sinke ich vor ihr auf ein Knie und ziehe dabei ein Kästchen aus violettem Samt aus meiner Hosentasche.

»Victoria Kaltenbach, du bist die Liebe meines Lebens«, sage ich mit brüchtiger Stimme. »Ich möchte keinen Tag mehr ohne dich verbringen, möchte deine Wünsche zu meinen machen und dich für den Rest meines Lebens auf Händen tragen. Du bist meine beste Freundin, meine Seelengefährtin. Ohne dich schmeckt selbst die herrlichste Süßspeise schal. Deswegen …« Ich öffne das Kästchen. Zum Vorschein kommt ein violetter Saphir, der von kleinen Diamanten umrahmt ist wie eine Blüte. »… bitte ich dich um deine Hand, Vi. Bitte, werde meine Frau und mach mein Leben vollständig.«

Zitternd hebt sie die linke Hand. »Du bist alles, was ich mir wünsche, Bas. Ich werde gerne deine Frau.«

Der Felsbrocken, der von meinem Herzen fällt, müsste eigentlich das Schloss beben lassen. Doch alles, das ich spüre, ist mein Puls, der gleich die Schallmauer durchbricht. Beinahe rutscht mir der Ring aus den Fingern, bevor ich ihn Vi anstecken kann. Zum Glück passt er ihr wie angegossen.

Ich hauche einen Kuss auf ihre Hand, erhebe mich und bedecke ihre Lippen mit meinen. Sie hat mich nicht verlassen, obwohl sich ihr Leben noch schneller und stärker verändert, als wir zuerst angenommen haben. Gedanklich schwöre ich mir einmal mehr, alles zu geben, um sie glücklich zu machen. Damit ich ihrer Liebe würdig bin.

Nachdem sie den Kuss beendet hat, lehne ich meine Stirn an ihre. Diesen Moment stehlen wir uns noch. Ein Atemzug, in dem nur uns beiden dieses Glück gehört, das ich gerade empfinde. Vi wird meine Frau. Jetzt weiß ich, dass ich alles überstehen werde, denn sie ist bei mir.

»Bist du bereit, mein Funkelstern?«, frage ich leise.

»Nein«, gesteht sie. »Aber wenn du bei mir bist, werde ich es schaffen.«

Zärtlich küsse ich ihre Nasenspitze. »Danke, Vi. Danke, dass du bei mir bleibst.«

Unsere Lippen finden sich für einen flüchtigen Kuss. »Danke, dass du ehrlich zu mir bist«, flüstert sie. »Und mir vertraust.«

Ich küsse sie noch einmal, ehe ich etwas Abstand zwischen uns bringe. Am liebsten würde ich sie jetzt in ihr Haus bringen, mich dort verstecken und die Welt vergessen. Doch das hätte der alte Bas getan. Der neue stellt sich den Herausforderungen, und dank Vi hat er dafür die Kraft.

Mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen nehme ich Vis Hand und führe sie aus dem Büro.

Im Schloss ist es mittlerweile dunkel. Die Lobby ist nur schwach erleuchtet, ebenso der Gang, der zum Ballsaal führt. Dort ist jedoch alles lichtgeflutet und bunt dekoriert. Warme Luft strömt durch die in den Garten geöffneten Türen herein.

Kaum dass wir den Saal betreten, richten sich alle Blicke auf uns. Das liegt bestimmt an Vi, die in ihrem Kleid einfach hinreißend aussieht. Sie wirkt wie die Königin eines Märchenreichs und bewegt sich anmutiger als jede Frau, die ich jemals gesehen habe.

Wir bleiben stehen und ich drücke ihre Hand. Dennoch beben ihre Finger in meinen. Sie sieht sich um und atmet hörbar auf, als sie ihre Eltern entdeckt. Valerie und Dominik wissen längst, dass wir heute unsere Verlobung verkünden werden. Sie freuen sich für Vi und mich, auch wenn sie selbst noch nicht mit nach Blanchebourg kommen wollen.

Ich suche den Saal ab, bis ich Thomas, Melissa und Sandra ausgemacht habe. Zu den drei habe ich in meiner Zeit hier eine enge Bindung aufgebaut. Es ist mir wichtig, dass sie mich akzeptieren. Da sie mir aufmunternd zunicken, weiß ich, dass sie mit der Verlobung einverstanden sind, obwohl ich ihnen Vi wegnehme.

Ich schenke ihnen ein strahlendes Lächeln, um darüber hinwegzutäuschen, dass sich meine Gedanken im Kreis drehen. Wenn ich Papa öfter vertreten muss, habe ich noch weniger Zeit für Vi als geplant. Ich werde sie in dieses Leben stoßen und ihr nicht beistehen können. Doch auch die Sorge um meinen Vater lässt meine Brust enger werden. Vermutlich werde ich ihn sehr bald verlieren und ich bin nicht bereit dafür. Ich bin für nichts von alldem bereit.

Aber das sage ich Vi nicht. Wenn sie den Mut hat, mit mir zu kommen, werde ich ihr den Halt geben, den sie braucht.

Matthieu erscheint neben uns. Keine Ahnung, wo er den Stab herhat, den er jetzt lautstark dreimal auf den Boden schlägt, oder wozu er das macht. Immerhin starren uns bereits alle an.

Einige Hotelgäste tuscheln schon. Diesmal habe ich mir nicht die Mühe gemacht, mich zu verkleiden. Jeder soll wissen, wer ich bin. Das Versteckspiel hat jetzt ein Ende.

»Mesdames et Messieurs«, ruft Matthieu und die Tuscheleien verstummen. »Es ist mir eine Ehre und ein Vergnügen zu verkünden, dass Madame Victoria Kaltenbach den Heiratsantrag seiner Durchlaucht, Prince Sebastien de Violet, angenommen hat.« Er hebt eine Hand und Kellner huschen mit Tabletts voller Champagnerflöten umher. Matthieu reicht sowohl Vi als auch mir eine davon. »Ein Hoch auf das künftige Brautpaar.«

»Ein Hoch!«, rufen die Hotelmitarbeitenden, die eingeweiht waren. Die Hotelgäste wirken eher verwirrt, aber das ist mir recht, weil sie nicht gleich ihre Handys zücken und die Neuigkeiten auf Social Media verkünden.

Ich wende mich Vi zu, stoße mit ihr an und trinke einen Schluck Champagner. Dann reiche ich das Glas Matthieu. Langsam lehne ich mich nach vorn. Wie von selbst hebt Vi mir ihr Gesicht entgegen und schließt die Augen, als ich sie beinahe schüchtern küsse.

Applaus brandet auf. Ich nehme ihn nur gedämpft wahr. Dieser Auftritt war eine Pflichtübung und ich hätte sie Vi und mir gerne erspart, nur mit ihren Freunden und Eltern angestoßen. Aber es muss so sein.

Matthieu erklärt bereits, dass Vi und ich noch heute Abend nach Blanchebourg aufbrechen. Er folgt dem Protokoll Punkt für Punkt. Ich bin froh, dass er das alles macht und ich so an Vis Seite bleiben kann.

Um ihr ein wenig Zeit zu geben, führe ich sie zu ihren Eltern, die uns beglückwünschen. Vi fällt ihrer Mutter Valerie um den Hals. Ihr Vater Dominik sitzt im Rollstuhl, also beuge ich die Knie, damit wir uns ebenfalls umarmen können. Er klopft mir auf den Rücken.

»Mach sie glücklich«, sagt er leise.

»Das werde ich«, verspreche ich. »Danke, dass ich sie heiraten darf.«

Er lacht. »Als hätte Victoria auf mich gehört, wenn ich es ihr ausgeredet hätte.«

»Aber ihr unterstützt uns. Dafür bin ich dankbar. Wirklich.«

Noch einmal klopft er mir auf den Rücken. »Du bist ein guter Junge, Sebastien. Ich wünsche euch nur das Beste.«

Ich räuspere mich und lasse ihn los. Vi geht zu ihrem Vater, während ich Valerie umarme.

»Pass auf sie auf«, flüstert sie.

»Natürlich. Ich beschütze sie.«

»Sei vor allem für sie da. Sie … sie ist stark. Und sie ist wie ich. Es fällt ihr schwer, um Hilfe zu bitten, auch wenn sie diese braucht. Achte darauf.«

»Das mache ich.« Ich drücke Valerie einen Kuss auf die Wange. »Ich verspreche dir, dass ich mich um sie kümmere.«

Sie antwortet nicht, küsst nur ebenfalls meine Wange und lässt mich los. Auch Sandra, Melissa und Thomas beglückwünschen uns. Nach und nach kommen alle Angestellten, umarmen Vi, sagen aufmunternde Worte und weinen, weil dies ein Abschied auf unbestimmte Zeit ist. Wenn wir wiederkommen, wird Vi nicht mehr die Leiterin dieses Hotels sein, sondern die Prinzessin von Blanchebourg. Alles wird anders sein. Ich weiß das und Vi … sie weiß es natürlich auch.

Nachdem alle Glückwünsche gesprochen sind, halte ich Vi meine Hand hin.

»Schenk mir diesen Tanz«, bitte ich sie.

Lächelnd legt sie ihre Hand in meine. Ich ziehe sie an mich und beginne mich im Takt der Musik mit ihr zu drehen. Vi schmiegt sich an mich. Sie fühlt sich so federleicht in meinen Armen an, so perfekt.

»Ich liebe dich«, flüstere ich ihr ins Ohr.

»Und ich liebe dich.« Vi hebt den Kopf. Ihr Lächeln wirkt traurig und mein Herz wird schwer. »Bringst du mich bitte fort? Ich schaffe es nicht, noch einmal Lebewohl zu sagen.«

Ich senke meine Lippen auf ihre und küsse sie sanft. »Alles, was du willst.«

Und während die Musik weiterspielt, drehen wir uns auf die Türen zu. Fort von Vis Familie und Freunden und hin zu einer ungewissen Zukunft.

KAPITEL3

Victoria

Vi.« Warme Lippen streifen über meine Schläfe. Ich lächle und schmiege mich noch enger an Bas. »Vi, wach auf. Ich möchte dir etwas zeigen.«

Seine Stimme ist rau, doch ihr Klang beruhigt mich. Blinzelnd öffne ich die Augen. Im Inneren des SUV ist es dunkel, nur das bläuliche Licht in den Türen schimmert. Die Sonne ist wohl noch nicht aufgegangen. Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Es ist kurz nach vier. Also sind wir jetzt knapp sieben Stunden unterwegs.

»Guten Morgen, mein Funkelstern«, raunt Bas mir ins Ohr.

Seufzend ziehe ich seine Jacke, die er über meine Schultern gelegt hat, höher, ehe ich mein Gesicht an seiner Brust vergrabe. Bevor wir aufgebrochen sind, habe ich das Kleid gegen Jeans und ein T-Shirt getauscht. Bas trägt noch die Smoking-Hose, seine Jacke liegt wie eine Decke über mich ausgebreitet. Die Fliege hängt offen um seinen Hals und die obersten zwei Knöpfe des Hemds hat Bas geöffnet. Irgendwie hat dieser zerstörte ›Partynacht‹-Look an ihm etwas verdammt Sinnliches.

»Wir sind bald da, Durchlaucht«, sagt Bas’ Fahrer. Matthieu, der auf dem Beifahrersitz Platz genommen hat, nickt zustimmend.

»Ich weiß, du bist müde.« Bas küsst erneut meine Schläfe. »Schaffst du es trotzdem, kurz mit mir auszusteigen?«

»Klar«, krächze ich.

Bas lächelt. Das spüre ich an meiner Haut. Und dieses Gefühl reicht, um alles in mir kribbeln zu lassen. Ich habe es getan. Ich habe mein vertrautes, sicheres Leben hinter mir gelassen, um an Bas’ Seite zu bleiben. So ganz realisiere ich noch nicht, was auf mich zukommt. Im Moment ist alles ein wenig … surreal.

Verstohlen kneife ich mich selbst in den Unterarm. Nein, Traum ist das keiner, sonst würden meine Fingernägel kein Brennen hinterlassen.

Der Wagen kommt zum Stillstand. Matthieu springt aus dem Auto und öffnet Bas’ Tür. Der schnallt uns beide ab und steckt mir die Ballerinas, die ich während der Fahrt ausgezogen habe, an die Füße. Bas verlässt das Auto als Erster, hält mir die Hand hin und wartet geduldig, bis auch ich es schaffe, von der wohlig warmen Rückbank zu klettern.

»Warum stehen wir auf einem Pannenparkplatz?«, frage ich verwirrt.

Wir befinden uns auf einer Ausbuchtung der kurvigen Straße, die zum Fürstentum Blanchebourg führt. Der Boden ist mit Sand und Schotter bedeckt und dicht neben uns blinkt das Licht eines Notfalltelefons. Vor uns erhebt sich ein großer Felsen, an dem ein schmaler Weg entlangführt. Malerisch, aber ich frage mich, was wir hier machen.

Bas lächelt und drückt meine Hand. »Komm, ich wollte dir das hier zeigen.«

Er geht los, verlangsamt seine Schritte jedoch, damit ich mich nicht so anstrengen muss. Er führt mich zu einem schmalen Steg, der den Felsen wohl umrundet.

»Du bist schon länger wach, hm?«, frage ich und unterdrücke dabei ein Gähnen.

»Ich habe gar nicht geschlafen«, gesteht er. »Matthieu und ich sind die Pläne der nächsten Tage durchgegangen.«

Einmal mehr verknotet sich mein Magen. Tagespläne. Sie haben gleich nach unserer Abfahrt darüber geredet, welche Schritte eingeleitet werden, jetzt, da Bas und ich verlobt sind. Als ich begonnen habe, zu hyperventilieren, hat Bas das Gespräch abgebrochen. Offensichtlich haben sie es fortgesetzt, nachdem ich eingeschlafen war.

»Vi, mach dir keine Sorgen«, redet Bas beruhigend auf mich ein. »Ich bin an deiner Seite. Matthieu und mein Vater werden dir ebenfalls helfen. Und du …« Er lächelt so sanft, dass meine Knie mit einem Mal butterweich werden. »Du, mein Liebling, bist jetzt schon die perfekte Prinzessin. Es gibt also keinen Grund, ängstlich zu sein.«

Ich würde ihm so gerne glauben. Aber es fällt mir nicht leicht.

Auf dem Steg können wir nur hintereinander gehen. Bas führt mich an, lässt meine Hand jedoch nicht los. Ich vermeide es, über das Geländer zu blicken, das der einzige Schutz vor einem Sturz in die Tiefe ist. Denn ich möchte lieber nicht wissen, wie weit ich fallen könnte, falls ich ausrutsche.

»Mach die Augen zu«, fordert Bas aus heiterem Himmel.

»Hier?« Ich keuche. »Aber … aber …«

Er dreht sich um und greift nach meiner zweiten Hand. »Ich führe dich. Vertrau mir.«

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Ein falscher Schritt und ich rutsche den Hang neben uns hinunter. Aber Bas hält mich. Er wird mich nicht fallen lassen.

Langsam schließe ich die Lider. Bas mäßigt sein Tempo noch mehr. Kühler Wind streicht durch meine zerstörte Frisur und bläst meine losen Haarsträhnen wild ins Gesicht.

Bas bleibt stehen. »Lass die Augen noch zu«, flüstert er, gibt meine Hände frei und stellt sich hinter mich. Seine Arme schließen sich um meine Taille, sein warmer Atem streicht über meine Wange. »Jetzt kannst du sie öffnen.«

Ohne zu zögern, hebe ich die Lider. Mein Atem stockt, als ich vor mir ein strahlendes Schloss auf einem weißen Felsen entdecke. Violette Flaggen wehen im Wind, das Licht der aufgehenden Sonne zaubert einen Roséton auf die hellen Wände. Direkt unter dem Schloss, als wären sie in den Stein gehauen worden, reihen sich Häuser dicht an dicht. Ein Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen, während ich die Stadt betrachte, in der ich ab heute leben werde.

»Was sagst du?« Bas klingt unsicher. »Ich habe diesen Platz gewählt, weil die Stadt von hier ein wenig … verzaubert wirkt. Besonders bei Sonnenaufgang.«

»Es ist wunderschön.«

»Wirklich?« Er räuspert sich. »Du kannst auch sagen, wenn es dir nicht gefällt. Ich bin nicht böse.«

»Bas, ich finde es tatsächlich unheimlich schön.« Ich drehe mich in seinen Armen um. »Es ist märchenhaft. Genau wie der Prinz, mit dem ich hier stehe.«

Er lächelt, aber es erreicht seine Augen nicht. »Märchenhaft ist nicht unbedingt das erste Wort, das mir zu mir selbst einfällt.«

»Richtig, weil du real bist. Und das finde ich noch besser.« Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und hauche einen Kuss auf seine Lippen. »Wärst du ein Märchenprinz, könnte ich dich nicht anfassen.«

Endlich leuchten seine Augen auf. »Das wäre aber schade.«

»Finde ich auch.« Ich streiche über seine Arme. »Dann nehme ich den Prinzen aus Fleisch und Blut, aber die märchenhafte Stadt dort.« Mit einem Seufzen wende ich mich wieder um und lehne mich an Bas. »Blanchebourg sieht bezaubernd aus.«

»Das ist es auch. Die Stadt wurde im späten Mittelalter errichtet. Viele Häuser sind seitdem nur modernisiert worden, von außen wirken sie noch sehr alt. Die Kopfsteinpflaster nerven zwar ein wenig, aber die kennst du ja von Greifenstein.«

»Dann ist die Umstellung vielleicht nicht so gewaltig, wie ich befürchtet habe«, ringe ich mir ab.

Ich weiß, dass Bas sich sorgt. Er hat befürchtet, dass ich seinen Antrag ablehnen könnte, jetzt, da sein Vater krank ist und wir viel schneller gekrönt werden, als wir gedacht haben. Ich möchte für ihn da sein. Allein die Vorstellung, meine Eltern irgendwann zu verlieren, treibt Tränen in meine Augen. Und Bas … er hat nur noch seinen Vater. Die nächsten Monate werden für ihn schon schwer genug. Er soll sich nicht auch noch um mich Gedanken machen müssen.

»Ich freue mich, wenn die Stadt dir gefällt. Hoffentlich finden wir eine Gelegenheit, sie uns anzusehen, ohne von Reportern belagert zu werden.« Er atmet geräuschvoll aus. »In den nächsten Tagen wohl eher nicht, aber wenn sich alles beruhigt hat, können wir es riskieren.«

Er bringt etwas Abstand zwischen uns und hält mir die Hand hin. Ich werfe einen letzten Blick auf die schlafende Stadt, die ab jetzt mein Zuhause sein wird. Das Schloss auf dem Felsen ist wunderschön. Es wirkt zwar ein wenig kühl und wie eine uneinnehmbare Festung … doch genau das sollte es vor einigen hundert Jahren auch sein.

Auf dem Weg zurück zum Wagen gehe ich die Geschichtsstunden mit Matthieu durch. Bas’ Ahnen haben dieses Schloss errichtet, um den Weg zu schützen. Seit über achthundert Jahren lebt seine Familie in diesen Mauern, seit knapp fünfhundert dürfen sie sich Fürsten nennen. Die Politik in Blanchebourg ist auch sehr speziell. Anders als in vielen Monarchien Europas hat der Fürst von Blanchebourg tatsächlich nicht nur repräsentative Aufgaben. Er kann das Parlament auflösen, Gesetze zur Abstimmung bringen oder sie aufheben lassen. Die Thronfolge ist dafür nicht ganz so streng wie in manchen anderen Ländern geregelt, denn Mädchen haben ein Recht auf den Thron, selbst dann, wenn sie jüngere Brüder haben. Das war zumindest in Großbritannien bis vor wenigen Jahren noch nicht möglich.

»Mylady«, sagt Bas galant, öffnet die Autotür und verneigt sich tief vor mir.

Ich kichere. Bis mir klar wird, dass diese Spielereien ein Ende haben, sobald wir das Schloss betreten. Vor dem Fürsten und Bas muss ich stets einen Knicks machen, wenn sie den Raum betreten, wobei Bas klar gemacht hat, dass er darauf verzichtet. Bis zur Hochzeit muss ich mich auch vor allen anderen Adeligen verneigen. Erst, wenn Bas und ich vermählt sind, steht nur noch der Fürst über mir. Irgendwie … fühlt sich das alles so seltsam an.

»Worüber denkst du nach?« Bas steigt neben mir in den Wagen, legt seinen Arm um mich und zieht mich wieder an sich.

»An unsere Zukunft«, murmle ich.

Bas schweigt einen Moment, ehe er aus dem Fenster sieht. »Du kannst noch ein wenig schlafen. Es dauert etwa eine Stunde, bis wir im Schloss ankommen.«

Ich nicke, schließe die Augen und schaffe es doch nicht, einzuschlafen. Bas und Matthieu unterhalten sich leise auf Französisch.

---ENDE DER LESEPROBE---