Taste of Royalty - Ein Prinz zum Verlieben - Lilly Autumn - E-Book
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Taste of Royalty - Ein Prinz zum Verlieben E-Book

Lilly Autumn

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Beschreibung

Kluge Frauen lassen sich auf keinen Prinzen ein – erst recht nicht, wenn er ein Herzensbrecher ist. Anea liebt ihren Job als Journalistin, allerdings verdient sie ohne eine Beförderung nicht genug, um ihre Familie zu unterstützen. Deshalb zögert sie nicht, als sie ein unmoralisches Angebot von einem Vorgesetzten erhält: Sie soll sich undercover ins Königshaus einschleusen, um etwas über die königliche Familie herauszufinden. Der Plan gerät allerdings ins Wanken, als Anea erfährt, dass sie als Assistentin für Prinz Hendrik arbeiten soll – den jüngsten Sohn des Königs, der vor allem für seine Skandale berüchtigt ist. Nicht nur das, die Königinmutter hofft, dass Anea ihrem Enkel den Kopf verdreht und ihn so davon abhält, sich weiterhin in Schwierigkeiten zu bringen. Die Chancen dazu stehen schlecht, denn Hendrik ist genau der arrogante Herzensbrecher, den Anea sich ausgemalt hat – zumindest vordergründig. Doch immer wieder blitzt an ihm eine weiche, fürsorgliche Seite auf, die so gar nicht zu ihm passen will. Kluge Frauen lassen sich vielleicht auf keinen Prinzen ein, doch Anea ist fest entschlossen, Hendriks Geheimnissen auf den Grund zu gehen. Und davon hat er mehr, als es zunächst den Anschein macht … ​​​​​​​Einzelband mit spicy Elementen in einem romantischen, royalen Setting.

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Taste of Royalty - Ein Prinz zum Verlieben

LILLY AUTUMN

Copyright © 2024 by Lilly Autumn

c/o WirFinden.Es

Naß und Hellie GbR

Kirchgasse 19

65817 Eppstein

www.lillyautumn.at

[email protected]

Umschlaggestaltung: Madeleine Hirdt

Lektorat&Korrektorat: Julie Roth

Satz: Bettina Pfeiffer

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form sind vorbehalten. Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Für alle klugen Frauen da draußen. Lasst euer Licht nie dämpfen, nur, weil jemand Angst davor hat.

Inhalt

1. Anea

2. Hendrik

3. Anea

4. Hendrik

5. Anea

6. Hendrik

7. Anea

8. Hendrik

9. Anea

10. Hendrik

11. Anea

12. Hendrik

13. Anea

14. Anea

15. Hendrik

16. Hendrik

17. Anea

18. Hendrik

19. Anea

20. Hendrik

21. Anea

22. Hendrik

23. Anea

Willst Du einen kleinen Blick in die Zukunft werfen?

Danksagung

Über den Autor

Bücher von Lilly Autumn

Kapitel1

Anea

Wenn ich denke, dass ich in meinem beruflichen Leben den Tiefpunkt bereits erreicht hätte, kommt das Schicksal um die Ecke und beweist mir das Gegenteil. Heute in Form meines Vorgesetzten: Magnus Holmstott, jüngster Chefredakteur des Wirtschaftsbereichs des Helsingholm Avdenblatts aller Zeiten. Oder vielmehr in Form des Flyers, den er mir bei unserer Teambesprechung zuwirft.

Mit angehaltenem Atem starre ich auf das bunte Papier mit Fotos unzähliger Katzen. Ich muss die Überschrift nicht lesen, um zu wissen, worum es hier geht. Das ist ein Prospekt zu der jährlichen Katzenausstellung, bei der jeder mitmachen und sein Tier präsentieren darf. Für Familien und Katzenbegeisterte sicher lustig, für eine Reporterin ein Graus. Und ich bin Reporterin. Das scheint Magnus nur ständig zu vergessen.

Langsam hebe ich den Blick von dem abscheulichen Zettel und sehe meinem Chef in die hellgrünen Augen. Als ich beim Avdenblatt angefangen habe, war er noch nicht Chefredakteur. Allerdings war er schon damals eine Legende. Mit seinen kurzen blonden Haaren, den großen Augen, den dunklen Augenbrauen und seiner Größe von knapp zwei Metern ist Magnus ein optischer Leckerbissen. Kann sein, dass ich mich Hals über Kopf in ihn verliebt habe. Jede Frau in diesem Büro findet Magnus attraktiv, also ist es nicht schlimm. Schlimm ist nur, dass ich immer noch für ihn schwärme, obwohl er mich wie eine Angestellte zweiter Klasse behandelt.

»Was ist das?«, frage ich, weil mir nichts Besseres einfällt.

Magnus hebt eine Augenbraue. »Du kannst lesen, Anea.«

»Ja, aber wieso gibst du mir das?«

Um mich erklingt Gekicher. Neben Magnus und mir sind die beiden Praktikantinnen von der Uni anwesend sowie die Teamassistenten – zwei junge Männer, die gerade ihren Abschluss gemacht haben. Außerdem Leif, Arne und Sven – das glorreiche Trio, das gerade hinter vorgehaltenen Händen lacht. Sie haben etwa gleichzeitig mit mir begonnen, werden aber von Magnus bevorzugt behandelt. Ihnen gibt unser Chef aufregende Themen wie Reportagen über geplante Gesetzesänderungen oder Berichte über Staatsempfänge mit hochrangigen Politikern mit Hinblick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen für Valora. Mir überlässt er so wundervolle Aufgaben wie … eine Katzenausstellung.

»Weil jemand darüber schreiben muss«, erklärt Magnus in einem Tonfall, als würde er mit einer Dreijährigen reden. Das Gekicher wird lauter. »Du hast Zeit, soweit ich weiß.«

So ruhig ich kann, lege ich den Zettel auf den Tisch und halte dem Blick meines Vorgesetzten stand. »Die Ausstellung ist morgen. Da findet auch eine Sondersitzung des Ausschusses für die geplante Unterrichtsnovelle statt. Ich hatte gehofft …«

»Sven übernimmt die Sondersitzung«, unterbricht Magnus mich. »Er ist dafür besser geeignet.«

»Ist das so?« Ich straffe die Schultern. »Weswegen? Wir haben an derselben Uni studiert, gleich viel Erfahrung …«

»Anea«, fällt mir der Chefredakteur erneut ins Wort. »Du bist unerfahrener, weil du fast ausschließlich Berichte über kleine Veranstaltungen verfasst.«

»Was daran liegt, dass ich immer nur diese Artikel zugeschanzt bekomme«, erwidere ich aufgebracht.

Magnus’ Augenbraue wandert höher. »Was willst du hier behaupten? Dass ich dich ungerecht behandle?«

Ich hebe das Kinn. So oft habe ich mir vorgenommen, Magnus zu sagen, dass er in mir mehr sehen muss als ein hübsches Gesicht. Wenn wir allein sind, macht er mir Komplimente, berührt mich verstohlen an der Schulter, lächelt. Wir beide flirten miteinander und es ist für mich okay. Nicht okay ist, dass er in mir eine weniger kompetente Person sieht als in den glorreichen drei.

»Ich will, dass du mir dieselben Chancen gibst wie Leif, Arne und Sven. Ihnen würdest du niemals einen Flyer für eine Katzenausstellung – zu der man kostümiert gehen muss – geben. Ich habe einen Abschluss von der Helsingholm Hogeschool, und zwar Magna cum laude. Das kann nicht jeder vorweisen.«

Magnus weiß sehr gut, dass seine drei Lieblinge ihren Abschluss nur mit Ach und Krach geschafft haben. Trotzdem fördert er sie, während ich Korrekturarbeiten machen und … ja, manchmal sogar Kaffee für ihn kochen darf, weil die Assistenten gerade mit anderen Dingen beschäftigt sind.

»Mag sein.« Magnus räuspert sich. »Wir reden in meinem Büro weiter. Die Sitzung ist fürs Erste beendet.«

Ehe ich noch ein Wort herausbringe, springen alle auf und stürmen aus dem Raum. Magnus wirft mir einen finsteren Blick zu und deutet mit dem Kopf auf seine Bürotür.

In meinem Magen rumort es. Eigentlich ist Magnus eine Respektsperson. Er stammt aus einer vornehmen Familie aus dem niederen Adel, hat Privatschulen besucht, ehe er auf der Helsingholm Hogeschool in Rekordzeit seinen Abschluss gemacht hat. Außerdem ist er charmant und ich genieße es, wenn er mich umschmeichelt. Darum verstehe ich nicht, wieso er mir immer diese lächerlichen Themen zuteilt. Jegliche meiner Reportagen-Ideen hat er abgelehnt, weil sie angeblich nicht zur aktuellen Situation passen würden. Kurz darauf hat einer seiner Lieblinge genau über diese Themen geschrieben.

Meine Finger kribbeln, als ich Magnus in sein mit dunklen Holzmöbeln ausgestattetes Büro folge. Er wird mich doch nicht entlassen? Ich brauche diesen Job.

Seit mein Vater meine Mutter verlassen hat, kämpft sie mit finanziellen Schwierigkeiten. Ich war damals vierzehn, meine Schwester Astrid gerade erst geboren. Schon früh war mir klar, dass ich härter als andere arbeiten muss. Für Astrid habe ich mir ein einfacheres Leben gewünscht, weswegen ich immer noch zu Hause wohne und Geld spare, damit sie für ihre letzten vier Jahre auf eine Privatschule wechseln kann. Dafür muss ich diesen Job behalten. Nein, ich muss noch viel mehr erreichen.

»Was ist in dich gefahren, Anea?« Magnus’ Stimme ist eiskalt, als er sich zu mir umdreht. »Ich habe dir einen Job gegeben und erwarte, dass du ihn erledigst.«

Ich schließe die Tür und verschränke die Arme vor der Brust, damit sie nicht zittern. »Ich habe nur angesprochen, was mich schon länger beschäftigt. Du überlässt Leif, Arne und Sven die interessanten Themen und ich kriege, was übrig bleibt.«

»So läuft das manchmal.«

»Es läuft nicht manchmal so«, erwidere ich aufgebracht, »sondern immer. Die drei bekommen, was immer sie wollen, und egal, was ich sage oder vorschlage, du lehnst es ab. Allerdings werden meine Ideen dann doch aufgegriffen – nur eben nicht von mir.«

»Wovon sprichst du?«

»Ein Beispiel? Ich habe vorgeschlagen, die Finanzen der königlichen Familie zu hinterfragen, nachdem Prinz Hendrik mit seiner Yachthafenparty für einen Skandal gesorgt hatte. In der Bevölkerung wurde viel darüber geredet, ob die Royals nicht längst zu teuer seien, da solche Partys eindeutig von Steuergeldern finanziert werden. Du meintest, das Thema wäre zu öde. Drei Tage später hat Sven genau dazu einen exklusiven Bericht in mehreren Ausgaben veröffentlich.«

»Dann habe ich sicher nicht gesagt, dass es zu öde wäre, sondern dass schon jemand anderes daran arbeitet«, erwidert Magnus ruhig. »Da musst du dich verhört haben.«

»Es ist nicht das einzige Beispiel.« Ich öffne den Mund, um weiterzureden, da hebt Magnus eine Hand.

»Schon gut, ich sehe, du fühlst dich benachteiligt. Habe ich das richtig verstanden?« Wieder hat seine Stimme den Tonfall angenommen, den man einem kleinen Kind gegenüber benutzt, wenn man etwas Schwieriges in einfache Worte fassen möchte.

Es kostet mich all meine Kraft, die Hände nicht zu Fäusten zu ballen. »Ja«, presse ich zwischen den Zähnen heraus.

»Und es liegt nicht zufällig daran, dass der Posten als Ressortleiter im Kulturbereich freigeworden ist und du deswegen zeigen möchtest, was du kannst?« Ein überhebliches Grinsen erscheint auf seinen Lippen. »Ich habe deine Bewerbung dafür nämlich vorliegen, weil ich gefragt wurde, ob ich dich empfehlen kann.«

Ich weiß nicht wieso, aber ich fühle mich auf einmal schuldig. Hätte ich Magnus davon in Kenntnis setzen müssen, dass ich mich dafür bewerbe? Immerhin würde ich dieses Team dann verlassen und ein eigenes führen. Wir wären auf einer Ebene …

»Natürlich hat es auch damit zu tun«, erwidere ich, so ruhig ich kann. »Aber nicht nur. Wenn ich nicht genommen werde und hierbleibe, will ich wie ein vollwertiges Mitglied des Teams behandelt werden. Denn genau das fehlt mir.«

»Anea.« Er atmet geräuschvoll aus, kommt auf mich zu und legt seine Hände federleicht auf meine Schultern. »Ich schätze deinen Ehrgeiz sehr. Und ich unterhalte mich gerne mit dir. Deine Meinung ist mir wichtig, sonst würde ich dich nicht immer zu mir bitten und mit dir über die Artikel sprechen, die ich freigeben muss. Ich dachte, du wärst damit zufrieden.«

Ich zögere und sehe in Magnus’ Gesicht. Das sanfte Lächeln auf seinen Lippen lässt meinen Puls steigen. Meine Haut kribbelt und ich frage mich nicht zum ersten Mal, wie es wohl wäre, diese Lippen zu küssen.

Kaum merklich schüttle ich den Kopf. »Ich will nicht nur kleine Artikel schreiben, die gar nicht ins Wirtschaftsressort gehören. Und so schön ich es finde, dir zu helfen, ich möchte mehr.«

»Schon dass du behauptest, diese Themen würden nicht in unser Ressort gehören, zeigt mir, wie wenig Ahnung du hast.« Er spricht immer noch sanft, obwohl seine Worte schneidend sind. »Diese Ausstellung morgen ist für Helsingholm wirtschaftlich sehr wichtig. Sie bringt viele Übernachtungen in Hotels und einen guten Umsatz. Darum müssen wir darüber berichten.«

»Ja, aber …«

»Anea.« Seufzend lässt er mich los. »Du bist eine talentierte Redakteurin, deine Stärke liegt in meinen Augen aber eher im Bereich der Korrekturen. Deswegen mache ich auch so viel mit dir in diese Richtung. Ich möchte, dass du diese Aufgabe komplett übernimmst.«

Ich knete meine Hände. »Das ist aber nicht das, was ich möchte.«

Magnus’ Miene verhärtet sich. »Etwas anderes kann ich dir nicht bieten. Mit Leif, Arne und Sven habe ich starke Reporter, die ich überall einsetzen kann. Noch jemanden benötige ich nicht.«

Zornig balle ich nun doch die Hände zu Fäusten. »Dann sollten wir wohl beide hoffen, dass ich die Stelle als Ressortleiterin bekomme.«

Er lacht in sich hinein. »Wirst du nicht, das kann ich dir jetzt schon sagen.«

»Weil?«

Magnus lächelt selbstgefällig. »Ich dich nicht gehen lasse. So einfach ist das.«

Wut kriecht gemeinsam mit bitterer Galle meine Kehle hoch. Damit ich nichts sage, was ich später bereue, trete ich den Rückzug an.

Ich reiße die Tür auf und halte inne, als Magnus meinen Namen sagt.

»Ich weiß du bist jetzt sauer, weil du zu der Katzenausstellung musst. Aber glaub mir, ich traue diese Aufgabe niemand anderem als dir zu.«

»Falls du denkst, dass mich das besänftigt, hast du dich geirrt«, erwidere ich, stürme aus dem Raum und schleudere die Tür zu.

Das gesamte Großraumbüro blickt in meine Richtung. Aus den Augen der glorreichen drei sprüht förmlich die Schadenfreude. Ich halte es hier nicht mehr aus.

Tränen verschleiern meinen Blick, als ich zu meinem Schreibtisch hechte, mir meine Tasche schnappe und so schnell, wie ich in sieben Zentimeter hohen Absätzen laufen kann, den Raum verlasse.

Energisch drücke ich auf den Knopf des Lifts und als dieser nicht kommt, renne ich zu den Treppen.

Nicht weinen.

Ich darf deswegen nicht weinen.

Doch noch während ich die zwei Stockwerke des alten Gebäudes mitten in Helsingholm hinunterlaufe, fließen die Tränen über meine Wangen. Schluchzend wische ich sie weg.

Vor zwei Jahren, als Magnus befördert wurde, hat mir eine ehemalige Kollegin gesagt, dass ich mir besser keine Hoffnung machen solle, mit ihm als Vorgesetzten Karriere zu machen. Sie meinte, er sehe in Frauen nie etwas anderes als Angestellte für kleinere Tätigkeiten. Ich dachte, sie wäre nur verbittert, weil es Gerüchte gab, sie und Magnus hätten eine Affäre gehabt, die er beendet hatte. Aber vielleicht … hatte sie doch recht.

Ziellos laufe ich vom Bürogebäude weg und durch die Fußgängerzone. Die Altstadt von Helsingholm ist an sich wunderschön. Dicht an dicht stehen meist dreistöckige Gebäude aus dem späten neunzehnten Jahrhundert kreisrund um den Hauptplatz. Die bunten Fassaden verleihen der Stadt ihre Einzigartigkeit. Keine zwei Häuser nebeneinander haben dieselbe Farbe. Helle Rottöne wechseln sich mit cremigem Weiß, dunklem Blau und strahlendem Gelb ab. Dazwischen mischen sich Grün und Orange. Der Boden besteht aus dunklen Steinplatten, die bei Regen ziemlich rutschig werden können, jetzt, wo die Sonne strahlt, jedoch behagliche Wärme verströmen. Der Sommer ist nicht mehr weit, die Luft angenehm lau. Ich wünschte, ich könnte es mehr genießen.

Stattdessen weiche ich Menschen aus, die mit staunenden Augen meine Heimatstadt bewundern, und laufe zum Hafen.

Das Gekreische der Möwen empfängt mich, würzige Meeresluft zupft an meinen roten Haaren, die ich heute offen trage. Ich bleibe erst stehen, als ich an einem Steg ankomme und meine Schritte das Holz zum Knarren bringen. Mein Atem geht stoßweise, neue Tränen fließen über meine Wangen.

Wieso habe ich das nur mit mir machen lassen? Ich hätte schon vor zwei Jahren energischer darauf bestehen müssen, dass ich bessere Themen bekomme. Aber ich dachte, Magnus würde irgendwann erkennen, dass ich mehr draufhabe als Korrekturen und Kaffeekochen. Offensichtlich habe ich mich geirrt.

Wind kommt auf und fährt unter meinen knielangen grünen Plisseerock. Hastig presse ich die Hände auf die Oberschenkel und drücke den Stoff nieder.

Was soll ich jetzt nur machen? Ich brauche den Job. Um genau zu sein, brauche ich eine ordentliche Gehaltserhöhung, die meine Beförderung im Kulturressort mit sich gebracht hätte. Das Schulgeld für Astrid ist verdammt hoch und ich muss eine Anzahlung machen, damit sie ihre Zusage nicht verliert. Die habe ich, danach wird es aber so gut wie unmöglich, die monatlichen Raten zu bezahlen, wenn ich nicht deutlich mehr verdiene. Und Magnus wird mir in dieser Position sicher nicht mehr Gehalt bieten.

Bleibt nur kündigen. Aber so viele große Tageszeitungen gibt es in Helsingholm nicht. Und ich bin sicher, Magnus würde mir Steine in den Weg legen.

»Fuck«, wispere ich und sinke in die Hocke.

Ich bin echt am Arsch, kann nicht vorwärts und nicht zurück. Wenn ich kündige, steht meine Familie mittellos da. Mama verdient gerade genug für die Miete. Mein Vater, der Geld wie Heu hat, weigert sich, uns finanziell zu unterstützen. Er zahlt nur das, was das Gericht vor vierzehn Jahren festgelegt hat – und das ist nicht viel, weil er es irgendwie geschafft hat, seine Einkünfte zu verschleiern. Wie so viele reiche Männer. Auch ein Thema, über das ich schreiben wollte. Leif hat den Bericht dann verfasst. Schlecht recherchiert und aus der Sicht eines Mannes, der lieber seine Kinder verhungern lassen würde, als Alimente zu bezahlen.

Jedenfalls kann ich Astrid nicht auf die Privatschule schicken, wenn ich kündige. Und ohne Gehaltserhöhung kann ich das auch nicht.

In dem Moment klingelt mein Telefon. Ich schniefe, als ich Astrids Bild auf dem Display sehe, wische mir mit dem Handrücken über die Augen und hebe ab.

»Hey, Schwesterchen«, sage ich, so fröhlich ich kann.

»Hey. Ich bin gerade einkaufen und wollte wissen, ob du heute Lachs zum Abendessen magst.«

Es liegt mir auf der Zunge zu sagen, dass Lachs viel zu teuer ist. Aber ich lasse es.

»Klingt super. Kartoffeln und Spinat dazu?«, schlage ich vor.

»Würg, sicher kein Spinat.«

»Der ist gesund.«

»Ich finde mindestens fünf Studien, die das Gegenteil behaupten, wenn ich ihn dann nicht essen muss.«

Ich kann hören, dass sie grinst. Astrid ist schlau und wissbegierig. An der öffentlichen Schule langweilt sie sich nur, aber auf der Privatschule hätte sie zusätzliche Fächer, die sie fördern. Deswegen möchte ich ihr diese Chance bieten.

»Selbst wenn du zehn finden würdest, du musst ihn essen. Also kauf ihn und behaupte ja nicht, es hätte keinen gegeben.«

Meine Schwester seufzt. »Du bist schlimmer als Mama.«

»Ich sorge mich nur um dich.«

»Ich weiß«, sagt sie kleinlaut. »Wann kommst du heute?«

Am liebsten sofort. Aber ich kann jetzt nicht nach Hause. Meine Familie würde wissen, dass etwas nicht stimmt. Und solange ich keine Lösung habe, muss ich so tun, als wäre alles okay.

»Um sieben. Ich hoffe, ich muss heute nicht länger Korrekturlesen«, antworte ich.

»Dafür sollte Magnus Leute einstellen. Du bist Reporterin.«

»Ja. Er sucht angeblich schon.«

Das ist eine glatte Lüge, aber das muss Astrid ja nicht wissen. Sie soll sich nicht meinetwegen sorgen.

»Genau, angeblich.« Astrid schnaubt. »Egal. Hast du schon vom neusten Skandal des Prinzen gehört?«

»Hab heute noch nicht in die Nachrichtenanzeigen geschaut. Was war los?«

Meine Schwester kichert. »Er hat mal wieder eine Party geschmissen, diesmal in einem ehemaligen Jagdschloss. Es gibt Fotos von ihm ohne Hose, nur mit einer dunkelgrünen Jacke bekleidet und in sichtlich betrunkenem Zustand.«

Ich verdrehe die Augen. »Gott sei Dank wird er niemals König werden.«

»Genau.« Astrid kichert erneut. »Es soll demnächst einen Sonderausschuss seinetwegen geben. Möglich, dass man ihm die royale Würde aberkennt.«

»Unglaublich, das muss ich gleich recherchieren.«

Mir ist klar, dass Magnus jeden meiner Vorschläge zu diesem Thema ablehnen und einem anderen geben würde. Was der Prinz sich diesmal geleistet hat, weckt dennoch mein Interesse. Ich gebe zu, manchmal finde ich royalen Klatsch spannend.

»Mach das. Erzähl mir dann alles daheim. Ich koche inzwischen. Mama fühlt sich nicht so gut.«

Ich schlucke. »Wieder Migräne?«

»Ja. Seit unser Vater meinte, er würde wieder heiraten … Mama kommt damit nicht klar.«

»Ich weiß«, flüstere ich und beiße mir auf die Unterlippe. »Kauf ihr eine Packung Pralinen. Die teuren. Sie sollte etwas haben, auf das sie sich freuen kann.«

»Mache ich. Wir sehen uns später.«

»Ja.« Ich ringe mir ein Lächeln ab, obwohl Astrid es nicht sehen kann. »Hab dich lieb.«

»Ich dich auch.«

Damit legt sie auf und ich stecke das Handy weg. Immer noch ringen Wut und Enttäuschung in mir um die Oberhand. Aber ich kann nicht hinschmeißen. Meine Familie braucht mich, also muss ich da jetzt durch. Dann werde ich eben morgen zu dieser verdammten Ausstellung gehen – mit Katzenohren und aufgeschminkten Schnurhaaren. Und danach, wenn ich meinen guten Willen bewiesen habe, fordere ich von Magnus mehr Respekt und eine Gehaltserhöhung. Ansonsten … sollte mir schnell eine andere Möglichkeit einfallen.

Um so zu tun, als wäre ich aus einem akuten Hungeranfall aus dem Büro gestürmt, kaufe ich mir ein Fischbrötchen und eine Limo, ehe ich zur Redaktion zurückkehre.

Als wäre nichts gewesen, schlendere ich zu meinem Platz, verspeise dabei mein Brötchen und plumpse auf den Stuhl. Für die Ausstellung sollte ich ein wenig recherchieren, aber zuerst möchte ich mehr über den Skandal des Prinzen erfahren.

Dass die Royals Einkünfte aus diversen Unternehmen, die ihnen gehören, beziehen, ist mir bekannt. Ob Prinz Hendrik aber selbst für seinen skandalösen Lebensstil aufkommt, weiß ich nicht. Trotzdem bezweifle ich, dass der König glücklich über den Lebenswandel seines jüngsten Sohnes ist – egal ob der Prinz diesen selbst finanziert oder nicht. Ich denke eher, das Parlament hat langsam genug von den ganzen negativen Schlagzeilen, die weit über die Grenzen unseres kleinen Landes Valora hinausgehen. Das Königreich im Norden Europas braucht eine Lachnummer wie den Rüpelprinzen nicht. Vielleicht sind die Minister zu der Entscheidung gekommen, dass man auf den jüngsten Königsspross gerne verzichten kann, da er ohnehin nichts macht, als sich zu betrinken und Partys zu feiern.

Während ich die letzten Reste des Brötchens kaue, logge ich mich bei der Nachrichtenagentur ein und suche nach den letzten Meldungen zu dem Prinzen. Ehe die Ergebnisse aufploppen, räuspert sich jemand vor meinem Tisch.

Als ich aufsehe, steht Martin, der scheidende Leiter des Kulturressorts, vor mir. Mit seinen weißen Haaren und den tiefen Falten um die hellen Augen wirkt er wie ein gutmütiger Großvater. Irgendwie ist er das auch. Seit ich ihn kenne, trägt er Pullunder unter seiner Anzugjacke und steckt jedem ein Bonbon zu, wenn man ihm auf dem Gang begegnet.

»Martin, hallo«, sage ich lächelnd. »Was verschafft mir die Freude deines Besuchs?«

»Können wir reden?«, fragt er. »Mit Magnus gemeinsam. Ich brauche deine Hilfe.«

Ich schlucke. »Okay. Worum geht es?«

Er sieht sich verstohlen um und senkt die Stimme. »Um einen Spezialauftrag, für den ich eine aufgeweckte junge Frau wie dich brauche.«

»Klingt mysteriös«, erwidere ich interessiert.

»Könnte man so sagen.« Er zwinkert verschwörerisch. »Lass uns mit Magnus sprechen und ich erzähle euch alles.«

Eigentlich habe ich keine Lust auf ein weiteres Gespräch mit Magnus heute. Aber meine Neugierde ist geweckt.

»In Ordnung.« Ich schnappe mir einen Block und Stift. »Ich bin schon gespannt. Gibst du mir einen Tipp, worum es geht?«

Martin lacht in sich hinein. »Um das Thema das Tages: den Skandalprinzen und was jetzt aus ihm wird.«

Kapitel2

Hendrik

So ausdruckslos wie möglich starre ich vor mich hin und warte darauf, dass seine königliche Hoheit – mein Vater – von den Unterlagen in einem leuchtend roten Ordner aufsieht. Ich vermeide es, zu meinen perfekten Brüdern zu schauen, die links und rechts von Paps an der langen Tafel Platz genommen haben. Neben Alex, meinem ältesten Bruder, sitzt meine Großmutter. Wie eine geschlossene Front hat sich meine Familie vor mir aufgereiht. Ich bin allein auf dieser Seite des Tisches.

Im Esszimmer meiner Eltern bin ich, glaube ich, noch nie gescholten worden. Eine Premiere, auf die ich es angelegt habe. Wenn mein Kopf nicht so fürchterlich dröhnen würde, würde mir dieser Moment sicher leichter fallen.

Aber hier bin ich, verkatert, voller blauer Flecken – von denen ich nicht mehr weiß, woher ich sie habe – und hungrig wie ein Wolf. Nachdem die pikanten Fotos von mir ohne Hose aufgetaucht sind, wurde ich sofort nach Schloss Helsingborg, den Stammsitz der königlichen Familie, gebracht. Für Frühstück oder Mittagessen blieb keine Zeit. Wie immer.

Zwei Dinge sind mir einmal mehr verdeutlicht worden. Erstens: Ich sollte nicht betrunken mit heißen Frauen schlafen, die ich nicht kenne. Irgendjemand hat die kleine Blonde auf meine Party mitgebracht und offensichtlich hat sie für ein wenig Geld die Gunst der Stunde genutzt, mich nach unserer gemeinsamen Nacht in einem verletzlichen Moment abzulichten. Blöder Fehler. Der mich zu zweitens bringt: Ich darf niemals so naiv sein, jemandem zu vertrauen. Jeder Mensch in meinem Leben erhofft sich etwas von mir und nutzt mich aus. Das habe ich heute besser denn je verstanden.

Das Räuspern meines Vaters lässt mich die Gedanken verdrängen. Er hat den Blick gehoben, sieht mich jedoch nicht direkt an. Als er sich erneut den Unterlagen zuwendet, schaue ich verstohlen zu meiner Großmutter. Margrit de Witt-Anderson, die Königinmutter und beim Volk wohl das beliebteste Mitglied meiner Familie, erwidert meinen Blick mit gewohnter Strenge. Sie hat der Krone jahrzehntelang gedient und tut es immer noch, obwohl mit dem Tod meines Großvaters vor fünf Jahren mein Vater König wurde. Großmama übernimmt aber weiterhin viele Pflichten und entlastet meine Mutter auf diese Weise. Deswegen ist sie hier und nicht Mama. Ich weiß nicht, was Großmama gerade denkt, aber ich hoffe, sie vergibt mir einmal mehr. Wenn einer in diesem Raum mich verstehen könnte, dann sie.

Von den drei Beratern, die hinter dem Stuhl meines Vaters stehen, brauche ich nämlich ebenso wenig Mitgefühl oder Verständnis zu erwarten wie von meiner eigenen Familie. In ihren Augen bin ich ein Rebell und meines Titels unwürdig. Vermutlich haben sie damit sogar recht.

Schnaubend lässt Papa den Ordner auf den Tisch fallen und sieht mich an. Die Ader an seiner Schläfe pocht heftig und seine Wangen färben sich dunkler. In seinen Augen erkenne ich eine tiefe Enttäuschung, die mich beinahe meine gleichgültige Maske ablegen lässt. Ich weiß, dass ich nicht bin, was er sich wünscht. Das war ich nie. Nur habe ich seit meinem zwanzigsten Geburtstag aufgehört, es überhaupt zu versuchen.

»Hendrik.« Er spricht meinen Namen wie eine Drohung aus. »Ich versuche wirklich, verständnisvoll zu sein. Aber was zu viel ist, ist zu viel.«

Ich hebe einen Mundwinkel. »Findest du? Ich denke, die weibliche Bevölkerung fand die Bilder recht ansprechend.«

Mein Vater verzieht den Mund. »Nimmst du das wirklich nicht ernst? Ist es dir egal, dass das Parlament einen Antrag einbringen wird, um dir deinen Titel zu entziehen?«

Ich zucke mit den Schultern. »Für den Thron komme ich ohnehin nicht infrage.«

Mein Blick wandert zu meinen perfekten Brüdern, die perfekte Frauen geheiratet haben. Alex hat bereits einen Sohn, Nils und seine Frau erwarten ihr erstes Kind in wenigen Monaten, wenn der Herbst in Valora Einzug halten wird. So wie ich meine Brüder einschätze, werden sie der Krone einen Haufen Prinzen und Prinzessinnen schenken. Je mehr Kinder sie bekommen, desto weiter rutsche ich in der Thronfolge zurück. Das ist mir nur recht. Aber falls mir der Titel vorher entzogen wird, wäre mir das noch lieber.

Dann gehöre ich nicht mehr zu dieser Familie, kann mein eigenes Ding machen. Und hoffentlich in nicht allzu ferner Zukunft bei den Leuten in Vergessenheit geraten, sofern ich keine Skandale mehr verursache. Dann muss ich nie wieder Angst haben, dass jemand meine Schwäche erkennt.

»Das kannst du nie wissen.« Papa sieht mich finster an. »Deinen Brüdern und ihren Familien könnte etwas zustoßen. Gott bewahre, dass dies je geschieht, aber es wäre möglich. Dann bräuchten wir dich.«

»Genau, wenn die Streber ausfallen, braucht man den Klassenclown«, ätze ich. »Mich stört es nicht, dass das Parlament mich von meinen Pflichten entbinden will. In dieser Familie ist für mich ohnehin kein Platz.«

Als mein Vater zusammenzuckt, bereue ich meine Worte, allerdings nur kurz. Immerhin war es meine Familie, die mich als Kind bloßgestellt und im Stich gelassen hat. Es war die Entscheidung meiner Eltern, mich jahrelang von der Welt zu isolieren und dann, als ich vermeintlich geheilt war, wieder zu Auftritten für die Krone zu zwingen. Sie haben sich für mich geschämt und mir nie das Gefühl gegeben, dazuzugehören. Schön. Ich will auch gar nicht mehr dazugehören. Ich will frei sein, um zu tun und zu lassen, was ich will.

»Hendrik.« Diesmal ist die Stimme meines Vaters deutlich sanfter. »Du bist mein Sohn und ich möchte, dass es dir gut geht.«

Mehr als ein Grunzen bekommt er darauf nicht als Antwort. Meine Eltern haben nie gesagt, dass sie ihr Verhalten mir gegenüber bereuen. Weil sie es nicht tun. Sie denken, sie hätten richtig gehandelt. Egal. Die Vergangenheit kann ich nicht ändern.

»Welche Optionen haben wir, um Hendrik zu helfen?«, fragt mein Vater seine Berater, sieht dabei aber mich an.

Was will er beweisen? Dass ich ihm wichtig bin? Ich will seine Hilfe nicht. Nicht mehr.

»Um den Schaden einzudämmen, sollte seine königliche Hoheit, der Prinz, in den nächsten Tagen verstärkt bei Benefizveranstaltungen teilnehmen. Am besten in Begleitung einer angemessenen Partnerin«, erklärt einer der Berater mit hoch erhobener Nase. »Wir hätten schon einen Katalog zusammengestellt.«

»Ich brauche keine Katalogbraut«, verkünde ich gereizt. »Wenn ich eine Frau brauche, finde ich eine. Ob sie in den Augen des Königshauses angemessen ist …«

»Hendrik, bitte, nimm das ernst«, mischt sich Großmama nun ein. »Ich weiß, dass dir die Situation nicht so sehr am Arsch vorbei geht, wie du gerade behauptest.«

Bei dem Wort Arsch atmen alle Anwesenden – mir eingeschlossen – kollektiv entsetzt ein.

»Mutter«, stammelt mein Vater.

Großmama zuckt mit den Schultern. »Was denn? Ich bringe die Sache nur auf den Punkt. Hendrik gibt sich gleichgültig, aber ich weiß, dass es anders ist. Bei vielen Verpflichtungen drückt er sich oder zeichnet ein schlechtes Bild von seinem Benehmen. Warum er das macht, kann ich nur vermuten, aber ich weiß, dass es Dinge gibt, die ihm wichtig sind. Wenn es um wohltätige Termine geht, bei denen Kinder oder Frauen im Spiel sind – und damit meine ich Frauen, die Hilfe benötigen, weil ihre Männer sie misshandelt oder mittellos zurückgelassen haben –, bringt er vollen Einsatz. Und das, obwohl dort nie ein Kamerateam auf ihn wartet. Hendrik gibt sich also nur wie ein verzogener Prinz. Ich weiß, dass es in ihm anders aussieht.«

Meine Kehle brennt vor Rührung wie Feuer. Von Großmama bin ich Nachsicht und Verständnis gewohnt. Dass ihr nicht entgeht, wofür ich mich einsetze und was mir wichtig ist, hätte ich wissen müssen. In Schloss Helsingborghat sie ihre Augen und Ohren überall. Was auch einer der Hauptgründe ist, weswegen ich hier so wenig Zeit wie möglich verbringe. Sie soll ihre hohe Meinung von mir nicht verlieren, weil sie mitbekommt, wie viele negative Seiten ich wirklich besitze.

»Nehmen wir an, du hättest recht«, sagt mein Vater. »Was sollen wir dann machen, um Hendrik dazu zu bewegen, sich allgemein besser zu benehmen? Und wie können wir das Parlament davon überzeugen, dass es den Antrag zum Titelentzug gar nicht erst einbringt?«

Großmama mustert mich nachdenklich. Als ein schiefes Schmunzeln auf ihren hellrosa geschminkten Lippen erscheint, beschleunigt sich mein Puls.

»Ich glaube, ich habe da längst eine Idee«, verkündet sie immer noch schmunzelnd. »Wenn du erlaubst, Soren, kümmere ich mich darum.«

Mein Vater sieht sie blinzelnd an und scheint abzuwägen, ob es gefährlicher ist, Großmama die Zügel zu übergeben oder darauf zu hoffen, dass ich mich von selbst vorbildlich verhalte.

»Schön«, trifft er die Entscheidung. »Dann bitte, weihe uns in deinen Plan ein.«

»Oh, nicht doch.« Lächelnd erhebt Großmama sich, streicht ihr veilchenblaues Kostüm glatt und richtet sich die grauen Haare, die sie heute offen trägt. »Ich werde das jetzt in die Wege leiten und dich später unter vier Augen darüber informieren. Bis dahin entschuldigt mich bitte.«

Mit offenem Mund schaut mein Vater Großmama nach, bis sie durch die Tür tritt. Einen Moment ist alles still, dann räuspert er sich.

»Möge Gott uns gnädig sein«, murmelt er und sieht mich wieder an. »Auch wenn deine Großmutter sich um die Angelegenheit kümmern möchte, gibt es einige Dinge, die ich dir bereits jetzt mitgeben werde. Erstens sind Partys bis auf weiteres gestrichen. Ich habe deine Konten einfrieren lassen, wenn du Geld brauchst, musst du erst meine Erlaubnis einholen. Zweitens haben wir eine Liste an Veranstaltungen zusammengestellt, bei denen deine Anwesenheit zwingend notwendig ist. Ich erwarte einen makellosen Auftritt, egal ob mit oder ohne eine Frau an deiner Seite. Drittens …«

»Wieso ist es dir so wichtig, dass dieser Antrag abgewendet wird?«, unterbreche ich ihn frostig. »Ihr braucht mich nicht. Alex und Nils haben das mit ihren makellosen Manieren und ihren noch makelloseren Frauen doch im Griff. Soll das Parlament mir den Titel entziehen, es kümmert mich nicht.«

Ich zucke zusammen, als mein Vater mit der Faust auf den Tisch schlägt.

»Hör auf dir deine Zukunft durch deinen Gram zu verbauen!«, fährt er mich an. »Du grollst uns immer noch wegen etwas, das vor vielen Jahren gewesen ist. Aber du bist jetzt erwachsen, Hendrik. Mit einunddreißig solltest du es besser wissen und über die Vergangenheit hinwegkommen. Ich habe dir all diese überteuerten Therapiestunden bezahlt und so dankst du es mir?«

»Was erwartest du denn?« Ich fletsche die Zähne, stütze mich auf dem Tisch ab und stehe auf. »Dass ich dir vor Dankbarkeit um den Hals falle? Du wolltest mich nicht in deinem Leben! Und jetzt will ich nicht mehr Teil deines Lebens sein.«

Die Augen meines Vaters weiten sich. »Wie kannst du so etwas sagen?«

»Weil ich genau das empfinde.« Mit der flachen Hand schlage ich auf die Tischplatte. »Die royalen Pflichten können mir gestohlen bleiben, ebenso wie das Geld. Ich kann meinen eigenen Lebensunterhalt verdienen. Vielleicht werde ich nicht mehr in einer Luxusvilla leben und jeden Tag exquisite Speisen essen, aber dank meines Wirtschaftsstudiums bin ich durchaus in der Lage, mir einen Job zu suchen, der mich ernährt. Und wenn ihr g-g-g-glaubt …«

Ich beiße mir auf die Zunge. Fuck. Nicht jetzt. Ich brauche diese verfluchte Schwäche nicht ausgerechnet jetzt, wenn ich meinem Vater die Meinung geige.

Während ich tief durchatme, erhebt Paps sich und sieht mich mitfühlend an. Diesen Blick brauche ich noch weniger als mein dämliches Stottern.

»Hendrik, wir sollten …«

»Ich sollte gehen«, unterbreche ich ihn, wirble herum und stoße meinen Stuhl um.

Polternd fällt er zu Boden und ich steige darüber. Mein Vater ruft nach mir, doch ich bleibe nicht stehen.

Hastig stürme ich aus dem Raum und hetze durch die Gänge des Schlosses. Verstecken. Ich muss mich irgendwo verstecken. Also renne ich eine Treppe hoch bis ins oberste Geschoss und eile zielstrebig zu einer kleinen Tür.

Für die meisten sieht sie aus wie die Tür zu einer Abstellkammer. Aber ich weiß, dass dahinter der Aufgang zu einem der ungenutzten Türme des Schlosses liegt. Schnell sehe ich mich um, ob jemand mich beobachtet. Da ich niemanden entdecke, öffne ich die Tür und werfe sie hinter mir zu. Mit ein paar Schritten erklimme ich die schmale, gewundene Treppe und bleibe atemlos in dem Turmzimmer stehen. Staub wirbelt durch die Luft, legt sich auf die wenigen Möbel, die hier oben stehen. Ich glaube, seit siebzig Jahren wird dieser Raum nicht mehr genutzt. Ein alter Stuhl, der vermutlich aus der Barockzeit stammt, und ein zerbrochener Tisch befinden sich in der Nähe eines Fensters. Auf dem Boden liegen kleine Spielfiguren, die einst mir gehört haben. Immer, wenn ich allein sein wollte, habe ich mich hier versteckt.

Zittrig fahre ich mir durch die Haare, bewege mich auf die Spielfiguren zu und sinke neben ihnen auf den Boden. Er ist ebenfalls staubig, aber es ist mir egal. Auf meinem dunkelgrauen Anzug wird man das nicht sehen und wenn doch, ist es nicht wichtig für mich.

Ich wünschte, mir wäre alles so gleichgültig, wie ich mich meiner Familie gegenüber gebe. Aber das ist es nicht. Jedes Mal, wenn ich in die Öffentlichkeit gestoßen werde, wenn meine Mutter selig lächelt, weil Alex und Nils sie so stolz machen, oder mein Vater lobend über meine Brüder spricht, bohrt sich der Stachel in meinem Herzen tiefer hinein. An mich richten sie nie ein freundliches Wort. Weil ich der Schandfleck der Familie bin. Das war ich schon, bevor ich angefangen habe, meinen Ruf zu zerstören.

So lange habe ich vor meinem Vater nicht mehr gestottert. Aber heute … gerade heute … musste es wieder passieren. Ich dachte, nun, da mir alles gleichgültig geworden ist, hätte ich das abgelegt. Deswegen pflege ich keine Freundschaften, lasse niemanden zu nah an mich heran. Wenn ich von Frauen nur eine heiße Nacht will, kann ich charmant sein, ohne ständig zu stammeln. Ich will niemanden jemals wieder meine Schwäche zeigen. Wieso habe ich es dann heute getan?

Zornig schüttle ich den Kopf. Egal, was Großmama plant, es wird ihr nicht gelingen. Ich will nicht mehr Teil dieser Familie sein. Je eher ich mich lösen kann, desto besser. Dann schaffe ich es vielleicht endlich, mir keine Anerkennung mehr zu wünschen. Die werde ich nie bekommen. Und ich habe sie auch nicht verdient.

Kapitel3

Anea

Wenn Blicke töten könnten, würden Martin und ich jetzt blutüberströmt in Magnus’ Büro zusammenbrechen. Mein Chef schaut uns so finster an, dass mir schlecht wird. Ich kann mir denken, dass er sich seinen eigenen Reim macht und glaubt, ich würde ihn hintergehen, indem ich mich wegen der Beförderung an Martin wende. Auf die Idee wäre ich nicht einmal gekommen und Magnus sollte das wissen.

Als wir uns an den runden Besprechungstisch in seinem Büro setzen, richtet Magnus seinen finsteren Blick ausschließlich auf mich. Falls Martin die Anspannung bemerkt, ignoriert er sie zum Glück.

»Was verschafft mir die Ehre, Martin?«, brummt Magnus, sieht aber weiterhin mich an.

»Nun, ich brauche ein wenig Unterstützung bei einer Reportage«, erwidert Martin heiter. »Zufällig ist Anea die Person, die mir hier am besten helfen kann.«

»Ist sie das?« Magnus schnaubt. »Worum geht es?«

Martin legt einen dünnen Ordner auf den Tisch. »Bitte fragt mich nicht, wie ich zu den Kontakten gekommen bin, aber ich habe sie.«

Er lacht in sich hinein. Vor Anspannung kann ich nicht miteinstimmen und Magnus sieht so aus, als würde er eher Säure trinken, als mitzulachen.

Räuspernd verstummt Martin und öffnet den Ordner. »Eine Agentur, mit welcher das Königshaus zusammenarbeitet, hat mich kontaktiert und mir mitgeteilt, dass die Königinmutter eine neue Assistentin sucht. Sie hat recht klare Anforderungen genannt, was den Lebenslauf betrifft. Ein abgeschlossenes Studium, gute Umgangsformen und die Fähigkeit, Texte zu formulieren, sind die fachlichen Voraussetzungen, die sie sich wünscht. Was allerdings erstaunlich ist: Sie hat klare Angaben zum Aussehen der Kandidatin gemacht.«

Er dreht die Mappe herum und schiebt sie mir zu. Ich überfliege die Zeilen und schnappe nach Luft.

»Sie will eine rothaarige Frau Ende zwanzig«, stammle ich.

Magnus zieht den Ordner zu sich heran, liest keine fünf Sekunden, ehe er schnaubt. »Was hat das mit Anea zu tun?«

»Sie erfüllt all diese Anforderungen«, antwortet Martin.

»Ja, aber warum zeigst du uns das?«, will Magnus wissen.

Verschwörerisch schmunzelnd lehnt Martin sich nach vorn. »Weil ich auf eine Chance wie diese gewartet habe. Ich möchte jemanden undercover in Schloss Helsingborg einschmuggeln, um eine Reportage über das Leben hinter den Palastmauern zu schreiben. Der Zeitpunkt könnte nicht besser sein, immerhin hat Prinz Hendrik sich erst heute einen neuen Fauxpas erlaubt. Das Parlament setzt der Familie das Messer an die Brust. Eine exklusive Berichterstattung ist genau das, was die Leute jetzt lesen möchten.«

»Du vergisst, dass das Königshaus bestimmt eine Verschwiegenheitsklausel in seine Verträge einbauen lässt.

---ENDE DER LESEPROBE---