Hunting the Beast: Sammelband zur Fantasy-Reihe »Hunting the Beast« - Cosima Lang - E-Book
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Hunting the Beast: Sammelband zur Fantasy-Reihe »Hunting the Beast« E-Book

Cosima Lang

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Beschreibung

**Zwischen Liebe und Hass, Vertrauen und Verrat**  Dot gehört zur Gilde der »Reds«, die Jagd auf Nachtwesen aller Art macht – bisweilen am Rande der Legalität, doch damit nimmt es Dot nicht so genau. Denn seit ihre Familie brutal von Wölfen überfallen wurde, lebt sie für ihre persönliche Rache. Als sie den sexy-nerdigen Werwolf Ben kennenlernt, gerät ihre Welt aus den Fugen und die Grenzen zwischen Gut und Böse scheinen immer mehr zu verschwimmen. Aber für Dot geht es nicht nur um die Frage, mit wem sie ihr Leben verbringen will. Sie muss unbedingt herausfinden, was damals im Wald mit ihrer Schwester geschah – und warum. Rasante Märchenadaption für Urban-Fantasy-Fans Statt »Rotkäppchen und der böse Wolf« heißt es jetzt »Dot und der sexy Werwolf« – Cosima Lang nimmt ihre Leserinnen mit in eine düster-romantische Welt, die bevölkert ist von Werwölfen, Hexen und anderen magischen Kreaturen. Eine gefühlvolle Fantasy-Liebesgeschichte in drei Bänden, die alle Herzen höherschlagen lässt. Leserstimmen: »SEHR lesenswert!!!« »Herzergreifend, voller Tempo und Intensität« »großartige Story – Bestsellerniveau« (Leserstimmen zur Reihe »Hunting the Beast« auf Amazon) //Dies ist der Sammelband zur märchenhaften Urban-Fantasy-Reihe »Hunting the Beast«. Er enthält alle Bände der Reihe: -- Hunting the Beast 1: Nachtgefährten -- Hunting the Beast 2: Dunkelwesen -- Hunting the Beast 3: Finsterherzen// Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Impress Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2020 Text © Cosima Lang, 2019, 2020 Lektorat: Martina König Coverbild: shutterstock.com / © Ekaterina Jurkova / © Croisy / © Pictureguy / © Tom Reichner Covergestaltung der Einzelbände: formlabor Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck / Derya Yildirim Satz und E-Book-Umsetzung: readbox publishing, Dortmund ISBN 978-3-646-60581-5www.carlsen.de

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Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.

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Cosima Lang

Hunting the Beast. Nachtgefährten

**Rache oder Liebe – welche Wahl triffst du?**

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Vita

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© Helmut Kirch

Cosima Lang entdeckte früh ihre Leidenschaft für Bücher, insbesondere für Fantasy- und Liebesromane. Nach ihrem Abitur begann sie selbst zu schreiben. Fremde Welten und Magie bieten ihr die Möglichkeit, aufregende Abenteuer und Mysterien zu erleben und starke Heldinnen und Helden zu erschaffen. Cosima Lang studiert Germanistik und Anglistik in Düsseldorf.

Für den Hipsterbuchmesseclub. Weil es ohne euch nicht dasselbe wäre.

Prolog

Zwölf Jahre zuvor, in einem Wald in Bayern

Die Vögel zwitscherten in den Bäumen, sanft fiel das Sonnenlicht zwischen den Blättern auf den Weg. Leise pfeifend hüpfte Dorothy über den Waldweg, ihren kleinen blauen Rucksack auf dem Rücken.

»Dotty! Lauf bitte nicht so weit vor«, rief ihre Mutter ein gutes Stück hinter ihr.

Sofort blieb das Mädchen stehen und drehte sich um. Ihre Eltern spazierten Hand in Hand über den Weg, während ihr Vater eine Karte studierte. Beide trugen Wanderkleidung und dicke Schuhe, auf dem Rücken hatten sie Rucksäcke. Sie waren schon seit frühmorgens unterwegs und inzwischen waren sie alle sehr müde.

Hinter ihren Eltern schlenderte Alice den Weg entlang, den Blick auf den Boden gerichtet, die Schultern hochgezogen. Sie hatte von allen am wenigsten Lust auf diesen Ausflug. Während der Fahrt hatte sie Kopfhörer in den Ohren gehabt und laut eine CD von einer Indie-Popband gehört. Wann immer ihre Mutter ihr eine Frage gestellt hatte, hatte sie die Augen verdreht und einsilbig geantwortet.

Dotty interessierte das nicht besonders. Die Zehnjährige war viel zu sehr damit beschäftigt, sich umzusehen. Vor einigen Stunden, als sie zum Mittagessen Rast gemacht hatten, hatte sie ein Häschen im Gebüsch gesehen. Leider war es davon gehüpft, bevor sie es erwischen konnte. Jetzt suchte sie jeden Busch danach ab. Sie wollte nichts lieber, als ein Häschen zu knuddeln.

»Kinder, kommt bitte mal her«, rief ihr Vater. Er winkte sie zu einer alten Bank, halb versteckt zwischen einigen Bäumen.

Dotty ließ ihren Rucksack achtlos zu Boden fallen und kletterte auf die Bank. Sie war klein für ihr Alter, doch das machte ihr nichts aus. Seufzend, als wäre es eine schrecklich nervtötende Aufgabe, half Ali ihr beim Hochklettern.

Mama und Papa breiteten die Karte aus und studierten sie genauer.

»Ich bin mir ganz sicher, dass wir hier rechts abgebogen sind«, sagte Mama nachdrücklich.

Papa schürzte die Lippen. »Nein, wir sind links abgebogen.« Er fuhr mit einem Finger einen Weg auf der Karte nach. »Deshalb sind wir jetzt auch hier!«

Dotty beugte sich vor und betrachtete die Karte. Für sie ergaben die Farben, Striche und Beschriftungen überhaupt keinen Sinn.

»Haben wir uns etwa verlaufen?«, fragte Ali mit der typischen genervten Stimme einer Fünfzehnjährigen, die mitten in der Pubertät steckt.

»Nein, Schatz, das haben wir natürlich nicht«, sagte Papa mit ruhiger Stimme.

Mama hob die Augenbrauen. »Haben wir nicht? Wie willst du das bitte nennen?«

Papa seufzte und rieb sich den Nasenrücken. »So weit können wir nicht vom Weg abgekommen sein.«

Ali verdrehte theatralisch die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Na super!«

»Ich werde mal schauen, ob ich hier irgendwo Empfang habe.« Papa holte sein Handy hervor und ging einige Meter weiter.

»Ich hab Hunger«, sagte Dotty und blickte ihre Mutter an. Diese hatte sich immer noch über die Karte gebeugt und hörte sie nicht.

»Warte, Dotty.« Ali nahm ihren Rucksack ab und suchte darin herum. »Willst du einen Apfel oder lieber Schoki?«

»Schoki, bitte!«, rief Dotty aus.

Mit einem kleinen Lächeln reichte Ali ihr eine ganze Tafel Schokolade. »Aber iss bitte nicht alles auf einmal, du bekommst Bauchweh.«

Dotty nickte, ohne wirklich zuzuhören. Zufrieden steckte sie sich ein Stück Schokolade in den Mund und reichte auch Ali eines. Deren mit dunklem Kajal umrandeten Augen betrachteten immer noch genervt die Karte. Sie seufzte noch einmal laut und verschränkte die Hände vor der Brust.

»Warum hast du so schlechte Laune?«, fragte Dotty. Sie brach ein weiteres Stück Schokolade ab und reichte es Ali.

»Ich bin kein Fan vom Wandern«, antwortete sie und nahm das Stück Schokolade.

»Aber warum nicht? Früher bist du so gerne mit uns gewandert.« Dotty blickte sie mit zur Seite gelegtem Kopf an.

»Früher war vieles anders.«

Das Mädchen zog die Augenbrauen zusammen und dachte über Alis Worte nach. Aber sie verstand sie nicht. Was war denn jetzt anders als vor zwei Jahren bei ihrem letzten Urlaub?

»Langweilst du dich denn nicht?«, fragte Ali leicht gelangweilt.

»Nein, ich suche nach einem Kaninchen«, erklärte Dotty nickend.

»Willst du ihm dann in sein Kaninchenloch folgen?«, kicherte Ali und knuffte ihre Schwester in die Seite.

»Nein! Das ist doch deine Aufgabe! Ich will es nur streicheln«, erklärte Dotty ernst.

»Das kannst du doch auch im Streichelzoo. Und da musst du sie nicht erst jagen«, sagte Ali altklug.

»Aber ich will hier ein Häschen streicheln«, betonte das Mädchen.

Bevor die beiden weiter über Häschen und Zoos streiten konnten, kam Papa wieder zurück zur Bank. »Ich habe hier oben einfach keinen Empfang.«

Mama warf die Hände in die Luft. »Na wunderbar! Und jetzt?«

Beide beugten sich wieder über die Karte und fuhren einige Wege mit den Fingern nach.

»Es wird bald dunkel«, nörgelte Ali.

»Danke, Alice. Deine Aussage ist wie immer sehr hilfreich«, sagte Papa voller Sarkasmus. Er warf ihr einen bösen Blick zu.

»Aber sie hat recht«, seufzte Mama. Sie sah auf ihre Armbanduhr mit dem schönen türkisfarbenen Band. »In etwa einer Stunde wird es dunkel sein.«

»Dann sollten wir uns wieder auf den Weg machen. Ab jetzt keine Pausen mehr«, erklärte Papa.

Sie packten ihre Sachen zusammen und machten sich auf den Weg. Dotty hüpfte wieder vor ihren Eltern her und suchte weiter nach ihrem Häschen. Langsam wurde es dunkler um sie herum, die Sonne sank hinter einen Berg. Dem Mädchen machte die Dunkelheit nichts aus, es mochte die Nacht. Und im Wald war sie besonders aufregend.

Auf ihrer Klassenfahrt im letzten Herbst hatten sie eine Nachtwanderung in einem alten Moor gemacht. Während die anderen Mädchen sich zusammen gedrängt hatten und ängstlich bei jedem Geräusch zusammengezuckt waren, war sie ganz vorne mitgerannt und hatte jeden Moment genossen.

Ali ging mit verschränkten Armen neben ihr und verdrehte immer mal wieder die Augen. Trotzdem machte sie Dotty auf ein Rascheln im Gebüsch aufmerksam. »Vielleicht ist dein Häschen ja dort!«

Sofort rannte Dotty auf den Busch zu.

»Dorothy! Wir haben keine Zeit herumzualbern! Kommt bitte!«, rief Mama beinahe schon böse.

Einen Moment überlegte Dotty, einfach in den Busch zu schlüpfen, aber Mama klang so ernst, dass sie sich lieber benahm.

Sie wanderten weiter durch den immer düsteren Wald, ab und an diskutierten ihre Eltern, welchen Weg sie nehmen sollten. Dotty versteckte ein Gähnen hinter der Hand und rieb sich die Augen.

»Ich bin auch ganz müde!«

Ali reichte ihr die Hand und Dotty nahm sie. Hand in Hand folgten die beiden ihren Eltern. Mittlerweile war es zwischen den dichten Bäumen so dunkel, dass sie ihre Taschenlampen rausholen mussten.

In der Ferne hörte Dotty plötzlich ein langes, tiefes und gruseliges Heulen. Sie blieb stehen und drehte sich langsam um. »Habt ihr das gehört?«, fragte sie ihre Eltern.

»Was denn?«, wollte Papa abwesend wissen.

»Da hat ein Wolf geheult.« Sie drückte sich näher an ihre Schwester.

»Es gibt hier keine Wölfe, Dotty«, versuchte Mama sie zu beruhigen.

»Aber ich habe doch gerade einen heulen gehört!«, rief Dotty aus. Doch Mama und Papa hatten sich schon wieder umgewandt.

»Ich habe es auch gehört«, sagte Ali ernst. Ihr Blick huschte zwischen den Bäumen hin und her. »Aber Mama hat recht, hier gibt es keine Wölfe.«

»Und was war das dann?«, fragte Dotty trotzig.

Ali zuckte nur mit den Schultern.

Schweigend gingen sie weiter, bis das Mädchen das Heulen noch einmal hörte. Diesmal näher. Ihre Eltern schienen es wieder nicht zu hören oder zu ignorieren, und so biss sie sich auf die Zunge und schwieg.

»Wenn wir diesem Weg folgen, kommen wir wieder auf den großen Hauptweg und von dort auch zum Parkplatz.« Papa leuchtete mit seiner Taschenlampe auf den Weg.

Dotty gähnte laut und folgte ihnen. Sie hatte schon wieder großen Hunger und wollte nur noch ins Bett.

Ein eiskalter Schauer rann ihren Rücken hinab und vertrieb die Müdigkeit auf einen Schlag, als sie das Heulen zum dritten Mal hörte. Diesmal direkt hinter ihr.

Langsam drehte sie sich um und leuchtete mit ihrer Taschenlampe in das Gebüsch. Goldene Augen reflektierten das Licht. Eine riesige Schnauze mit langen, triefenden Zähnen schob sich zwischen den Blättern hervor.

Ali stieß einen panischen Schrei aus und ließ ihre Taschenlampe fallen. Schnell wirbelten ihre Eltern herum, sie entdeckten den Wolf ebenfalls. Mama schrie auf. Papa holte laut Luft.

Ali packte Dottys Hand fester und zog ihre kleine Schwester hinter sich her. Diese umklammerte ihre Taschenlampe und tat alles, um nicht über ihre eigenen Füße zu stolpern. Sie konnte den heißen Atem des Wolfes in ihrem Nacken fühlen.

Ihre Mutter schrie. Das Geräusch zerriss die Stille und ließ Dottys Blut gefrieren. Dann hörte der Schrei auf einmal auf.

Die Stille war noch schlimmer.

Sie rannten zwischen den Bäumen entlang, Dornen blieben in ihren Kleidern hängen und Zweige schlugen in ihre Gesichter. Aber sie blieben nicht stehen. Ali zerrte sie weiter, einfach immer weiter. Tiefer in den Wald hinein und weg von ihren Eltern.

Vor einem großen Baum blieb Ali so plötzlich stehen, dass Dotty in sie hineinrannte. »Du musst jetzt klettern, Dotty.« Ali nahm erst ihren, dann den Rucksack ihrer Schwester ab und warf beide ins Gebüsch. Ihre Finger zitterten wie verrückt und sie blickte sich immer wieder um.

»Warum?«, fragte Dotty ängstlich. Dicke Tränen liefen über ihr Gesicht.

»Komm, hoch mit dir.« Ali hob sie zum ersten Ast und half ihr weiter zu klettern.

»Was ist mit dir?«, rief Dotty.

»Scht! Nicht so laut! Klettere bitte einfach weiter, Dotty.« Jetzt liefen auch Ali Tränen über die Wangen. »Klettere so weit du kommst, dann such dir einen dicken Ast, auf dem du sitzen kannst. Und komm nicht runter, bevor ich dich rufe!«

Das Mädchen folgte ihren Anweisungen. Immer wieder blickte sie hinunter und wartete, dass Ali ebenfalls anfing zu klettern. Doch ihre Schwester stand einfach nur unter dem Baum und wartete.

Nach einigen Metern fand Dotty eine Astgabel, in die sie sich setzen konnte. So gut sie konnte, machte sie es sich bequem. »Ich bin oben«, rief sie so leise sie konnte nach unten.

Ali nickte. Sie griff nach dem untersten Ast, als plötzlich drei Wölfe aus dem Gebüsch schossen. Ali warf einen kurzen Blick zu Dotty hoch, mit den Lippen formte sie die Worte Ich hab dich lieb!, dann stürmte sie weiter durch das Gebüsch.

Die Wölfe folgten ihr sofort.

Dotty stand unter Schock, trotzdem fiel ihr auf, dass die Wölfe zu groß waren. Sie waren beinahe doppelt so groß wie ein normaler Wolf.

Sie klammerte sich am Stamm des Baumes fest, die Stille hatte sich wieder über den dunklen Wald gelegt. Nur Dottys Atem war noch zu hören. Er hallte in ihren Ohren und sie hatte Angst, dass die Wölfe sie hören könnten.

Stunde um Stunde wartete sie, dass ihre Schwester oder ihre Eltern wieder kamen. Ihre Finger konnte sie schon längst nicht mehr fühlen, sei es aufgrund der Kälte oder weil sie sich an den Baum klammerte. Ihre Zähne klapperten, ihre Augen fielen ihr immer wieder zu.

Doch Dotty konnte nicht schlafen.

Ihre Angst und Panik hielten sie wach.

Ihr Magen knurrte und ihre Blase drückte. Ab und an weinte sie leise, doch das Geräusch war so schrecklich laut in der Stille, dass sie sich schnell wieder zusammen riss.

Die ersten Sonnenstrahlen fielen durch die Blätter. Vögel fingen an zu zwitschern. Alles wirkte friedlich und ruhig.

Langsam löste Dotty ihre schmerzenden Finger aus der Rinde des Baumes und streckte ihre schmerzenden, steifen Beine. Unbeholfen kletterte sie den Baum hinunter, immer wieder rutschte sie ab und riss sich die Haut an Armen und Beinen auf. Auf dem Boden angekommen, gaben ihre Beine nach. Für einen Moment saß sie auf dem kalten, feuchten Waldboden.

Dotty rieb sich das Gesicht und nahm ihre letzten Kräfte zusammen. Mit zitternden Knien stand sie wieder auf und blickte sich um.

Ihre Flucht hatte eine deutliche Spur im Gebüsch hinterlassen. Dort hatte sie ihre Eltern das letzte Mal gesehen. Vielleicht konnte Dotty sie dort auch wiederfinden?

Langsam folgte sie der Spur. Ihr Blick huschte über die Büsche, sie erwartete immer wieder, diese schrecklichen gelben Augen zu sehen. An einigen umgeknickten Zweigen war Blut.

Sie stolperte auf den Weg und blieb wie erstarrt stehen. Der sandige Boden hatte sich mit Blut vollgesogen. Er leuchtete rot im Morgenlicht. Weiter entfernt lagen ihre Eltern, über und über mit Blut bedeckt.

Dotty stolperte zurück, stolperte und rutschte aus. Ihre Hände landeten in dem blutigen Sand. In einiger Entfernung leuchtete etwas türkis zwischen dem Rot. Die Armbanduhr ihrer Mutter, immer noch an ihrem abgetrennten Arm.

Dottys Fluchtinstinkt setzte ein. Sie wirbelte herum und rannte den Weg entlang. Doch schon nach wenigen Hundert Metern verließen sie die Kräfte und sie sackte auf dem Boden zusammen.

Ihre Eltern waren tot. So viel hatte ihr kindlicher Verstand begriffen. Die beiden waren zerstückelt und ausgeweidet worden. Diese schrecklichen Wölfe hatten sie einfach umgebracht. Doch Alis Leiche hatte sie nicht entdeckt.

»Ali!«, brüllte Dotty in den Wald. »Ali! Ali!«

Die Vögel stoben aus den umliegenden Bäumen und flogen davon.

Sie drehte sich um sich selbst und rief solange weiter bis sie keine Stimme mehr hatte. Tränen fingen wieder an über ihr Gesicht zu laufen. Sie weinte, schrie und weinte, bis sie vor Erschöpfung ohnmächtig wurde.

Kapitel 1

Dot

Mit langsamen und geübten Bewegungen fuhr Dot mit dem Schleifstein über ihren Dolch. Sie konzentrierte sich ganz und gar auf diese einfache und doch wichtige Aufgabe und blendete alles andere um sich herum aus.

In dem Gemeinschaftswohnzimmer saßen außer ihr sechs andere Rotkäppchen, sie unterhielten sich leise oder schauten eine Realityshow im Fernsehen. Sie alle trugen normale Straßenkleidung oder Trainingsklamotten.

»Jo, Dot!« Leslie schmiss sich neben ihr aufs Sofa und legte die Füße auf den Tisch. Er trug nichts weiter als eine tiefsitzende Jogginghose, die Muskeln seiner nackten Brust tanzten, als er den Arm um Dot legte. »Immer noch so schlechte Laune?«

Für einen kurzen Moment überlegte sie, ob sie einfach schweigen und ihren Kollegen ignorieren sollte. Dann legte Dot den Schleifstein zur Seite und steckte den Dolch in seine Scheide in ihrem Stiefel. »Ich habe keine schlechte Laune, Leslie. Ich bin lediglich etwas angespannt.«

»Ja, das merkt man!«, sagte Ruby in ihrem typischen herablassenden Ton. Sie setzte sich auf den Tisch vor Dot und schlug die Beine übereinander. Sie strich sich die langen blonden Haare über die Schulter und taxierte Dot lauernd.

Diese Freindschaft existierte schon seit Jahren zwischen ihnen beiden. Zwar verhielten sie sich in der Öffentlichkeit wie Freundinnen und standen füreinander ein, doch Ruby hielt den Konkurrenzkampf zwischen ihnen am Leben.

Wenn Dot eine gute Note geschrieben hatte oder von den Lehrern gelobt wurde, hatte Ruby alles getan, um sie zu übertreffen.

Wenn Dot einen dieser stinkenden Wölfe fand und erledigte, meldete Ruby sich sofort für die nächste Jagd.

Wenn Dot den neuen Rekruten beim Lernen half, machte Ruby dies ebenfalls. Nicht, um den neuen zu helfen – Ruby war niemand, der anderen einfach half – sondern um selbst besser dazustehen.

»Wir sind alle etwas angespannt. Heute werden sie uns endlich reinen Wein einschenken.« Sie schenkte Dot ein gewinnendes Lächeln, das ihre perfekten weißen Zähne zeigte.

Was mal wieder Dots Erkenntnis bestätigte: Man musste nicht klug sein, um effizient töten zu können.

»Ich bin sicher, dass sie die richtige Entscheidung treffen werden«, sagte Leslie langsam, während er mit seinen Fingerspitzen über Dots nackten Arm fuhr.

Sie wandte ihre Aufmerksamkeit ganz ihm zu.

Leslie war gutaussehend, mit kantigem Kinn, ausdrucksstarken braunen Augen und einem sinnlichen Mund, den er auch einzusetzen wusste. Sein Körper war genauso muskulös wie die der anderen männlichen Rotkäppchen. Alles in allem war Leslie äußerlich ein absoluter Traummann.

Doch leider hatte er eine beschissene Persönlichkeit, die er nicht zu verstecken versuchte. Leslie war grundlegend ein Arschloch. Er blickte auf alle herab und behandelte jeden, als wäre er weniger wert als er selbst.

Meistens blendete Dot das, was Leslie sagte, einfach aus. Er war ein großartiger Kämpfer, auf den sich seine Teamkollegen immer verlassen konnten.

Teamkollegen, das waren diese beiden Rotkäppchen für Dot. Seit drei Jahren gingen sie zusammen auf die Jagd und würden sie nicht so gut zusammenarbeiten, würde Dot gar nicht erst mit ihnen reden.

»Es ist völlig egal, welche Entscheidung sie treffen werden. Wir werden uns daran halten«, sagte Dot leicht genervt. Sie hatte überhaupt keine Lust, sich noch weiter mit den beiden abzugeben.

»Was bleibt uns auch anderes übrig? Diese alten Säcke haben ja leider das Sagen«, erwiderte Leslie abwertend. »Ich meine, jetzt mal ehrlich. In ein paar Jahren sind die doch alle zu alt, um selbst noch auf die Jagd zu gehen. Warum entscheiden sie also, wie es mit der Gilde weitergeht?«

»Weil sie die Ältesten sind und es besser wissen als wir!« Dot erhob sich abrupt. Leslies Arm fiel von ihrer Schulter und er grunzte unzufrieden. Ohne ein weiteres Wort verließ sie den Gemeinschaftsraum und suchte sich einen ruhigen Ort abseits von den anderen.

Das Hauptquartier der Rotkäppchengilde war ein altes riesiges Herrenhaus, einige Kilometer von München entfernt. Rundherum gab es nichts als Felder und Wald – eine Tatsache, die Dot viele Jahre lang Angst eingejagt hatte. Seit der Ermordung ihrer Eltern konnte sie nicht mehr alleine in einem Wald sein, selbst wenn es nur ein winziger war.

Sie stieg die Steintreppe in den dritten Stock hoch und schlüpfte durch eine Tür auf den Balkon. Die angenehm warme Abendluft umfing sie, Dot nahm einen tiefen Atemzug. Ihre innere Anspannung hielt sie schon seit einigen Tagen fest im Griff.

Sie stützte sich mit den Armen auf dem Geländer ab und schaute in den Hof. Einige der Rotkäppchen trainierten trotz der einsetzenden Dunkelheit. Dot konnte das Klirren ihrer Waffen bis zu sich nach oben hören.

Sie strich mit den Fingern über das auf ihrem Oberteil eingestickte Wappen der Gilde, zwei blutrote Dolche gekreuzt auf einem silbernen Vollmond. Sie trug dieses Wappen schon seit fast zehn Jahren und seit vier Jahren durfte sie sich aktives Mitglied der Gilde nennen.

Doch vor einigen Wochen hatte sich etwas verändert.

Etwas Grundlegendes und sehr Wichtiges.

Die Ältesten der Gilde dachten tatsächlich darüber nach, die Jagd auf die Werwölfe einzugrenzen. Da diese Monsterviecher wohl ganz plötzlich mehr waren als nur Tiere.

Dot war da ganz anderer Meinung. Diese menschenfressenden Monster verdienten kein glückliches, sorgloses Leben in Frieden. Nicht, wenn sie ihre Freizeit damit verbrachten, Menschen zu jagen und zu töten.

Die Gilde kümmerte sich schon seit Jahrhunderten um die Werwölfe. Seitdem das erste Rotkäppchen vor so langer Zeit den ersten getötet hatte. Sie hatte andere Krieger und Kriegerinnen zusammengetrommelt, um die Gilde zu gründen. Ein wichtiger Beitrag für die Sicherheit der Menschen, die auch heute noch genauso wichtig war. Denn Werwölfe konnten ihr inneres Tier nicht im Zaum halten. Sie töteten, ohne darüber nachzudenken.

Die Gilde hatte Dot aufgefangen und großgezogen, nachdem ihre Eltern auf so grausame Art umgebracht worden waren und Ali verschwunden war. Man hatte ihre Schwester nie gefunden, nicht einmal einen winzigen Teil von ihr, tot oder lebendig. Dot war alleine auf der Welt gewesen, von einem Tag auf den anderen. Und plötzlich war sie kein Kind mehr gewesen.

Wenn man die abgetrennten Körperteile seiner Eltern fand, verlor man seine kindliche Unschuld für immer. Und für eine gewisse Zeit auch seinen Verstand.

Dot war in einem Krankenhaus aufgewacht. Völlig orientierungslos hatte sie die weiße Decke angestarrt und verzweifelt versucht, ihren Albtraum zu verstehen.

Ein Albtraum.

Sie hatte sich selbst eingeredet, dass alles nur ein Albtraum gewesen war. Ihren Eltern ging es gut, das musste es einfach! Ihr Verstand war mit dem Gedanken einfach nicht klargekommen. Sie hatte die Wahrheit so lange verbogen, bis es für sie wieder gepasst hatte. Und für eine viel zu lange Zeit hatte sie den Kontakt zur Wirklichkeit verloren.

Erst als Nicole zu ihr gekommen war, hatte Dot zurück in die Realität gefunden. Und einen neuen Grund zu leben. Nicole hatte sie aus der Pflegefamilie geholt, die nichts mit ihr anfangen konnte, und zu den Rotkäppchen gebracht. Zu ihrer neuen Familie.

Und jetzt stand die Gilde vor einer riesigen Veränderung, die Dot in Angst und Schrecken versetzte. Sie wusste nicht, wie sie auch nur mit der Möglichkeit umgehen sollte, die Werwölfe nicht länger zu jagen.

Zumindest nicht mehr alle von ihnen.

Denn scheinbar hatten diese Monster ebenfalls ein Recht auf ein ruhiges und friedliches Leben mit ihren Familien. In Vorstadthäusern, mit Familienkutsche und perfekt gepflegtem Vorgarten. So als wären sie ganz normale Menschen.

Dot ballte die Fäuste. Ihre Fingernägel gruben sich in ihr Fleisch. Bevor wieder einmal Blut fließen konnte, löste sie den Griff und atmete tief durch. Sie musste ruhig bleiben. Die Ältesten würden das niemals zulassen.

Ein lauter Gong erklang auf dem ganzen Gelände. Die Rotkäppchen legten ihre Waffen ab und eilten in die Versammlungshalle. Dot atmete noch einmal tief durch und folgte ihnen dann.

Die große Versammlungshalle lag im Haupthaus und ging über zwei Stockwerke. In der Mitte gab es eine Bühne, auf der eine lange Tafel mit sieben hohen Lehnstühlen stand. Jetzt waren sie leer, doch bald würden dort die Ältesten Platz nehmen.

Dot schlenderte in aller Ruhe zwischen den Reihen entlang und suchte nach einem guten Platz. Sie versuchte Ruhe und Entspannung auszustrahlen. Sich bloß nichts anmerken lassen.

Die Sitzbänke knarrten unter dem Gewicht der Rotkäppchen, leise hallten ihre Stimmen von den hohen Wänden zurück.

Dot setzte sich an den Rand der zweiten Reihe, weit weg von Leslie und seinem Gefolge. Er saß zusammen mit Ruby und einigen anderen Rotkäppchen, die ihn bewunderten, ganz hinten in der Mitte. Sein Blick verfolgte jeden genau, der die Halle betrat. Ab und an sagte er etwas und sein Gefolge lachte.

»Hast du dich endlich von deinen nervigen Freunden losgelöst?«

Dot zuckte zusammen und wandte sich dem Rotkäppchen zu, das sich neben sie gesetzt hatte.

Anna warf Leslie einen angeekelten Blick zu. »Er ist so ein blasierter Lackaffe!«

»Wir wissen beide, dass Leslie nicht mein Freund ist. Genauso wenig wie die anderen«, sagte Dot leicht gelangweilt.

Einen Moment schwiegen beide, dann kicherte Anna. »Na, da bin ich aber froh.« Sie griff nach Dots Hand. »Wie geht es dir?«

Dot erwiderte den leichten Händedruck ihrer Freundin. »Ganz ehrlich? Keine Ahnung.«

Dot hatte Anna vor vier Jahren kennengelernt, als sie aus einem anderen Quartier der Gilde nach München gekommen war. Anna war anders als Dots Teammitglieder. Sie war ruhiger, weniger konkurrierend. Dot genoss es manchmal einfach nur mit ihr zusammen zu sitzen und zu schweigen.

Anna strich sich eine blonde Strähne hinters Ohr und seufzte. »Alle sind so unruhig. Als würde es eine Rolle spielen, was sie von der Entscheidung halten.«

»Spielt es denn keine Rolle?«, fragte Dot nach.

»Nicht wirklich. Wir haben hier keine Entscheidungsmacht. Und wenn es einem nicht passt, kann er immer noch aus der Gilde ausscheiden.« Anna zuckte mit den Schultern.

»Ja, das ist auch eine Möglichkeit«, flüsterte Dot. Nur für sie nicht.

Endlich betraten die Ältesten den Saal. Sie trugen normale Straßenkleidung und darüber lange dunkelrote Roben. Sie wirkten müde und genervt. Immerhin hatten sie fast achtundvierzig Stunden beraten, um endlich zu einer Einigung zu kommen.

Sofort heftete Dot ihren Blick an Nicole. Die Älteste betrat als Letzte den Raum, ihr hübsches Gesicht war blass, die dunklen Augenringe zeichneten sich deutlich ab. Sie rieb sich den Nacken und folgte Igor zu den Stühlen. Die Ältesten ließen sich Zeit beim Platznehmen, so als wollten sie die Spannung hinauszögern.

Dot krallte sich in ihre Hose und versuchte verzweifelt Nicoles Aufmerksamkeit zu erregen, ohne etwas zu sagen. Vielleicht würde sie ihr einen Hinweis geben. Doch die Älteste blickte strikt in eine andere Richtung.

Dot schluckte.

Das war schlecht.

Igor erhob sich wieder und blickte sich im Raum um. Es waren beinahe hundert Rotkäppchen in allen Altersklassen anwesend. Manche von ihnen waren noch im aktiven Dienst, andere Ausbilder oder Angestellte. Aber sie alle waren ein wichtiger Teil der Gilde.

»Danke, dass ihr alle gekommen seid und so lange auf unsere Entscheidung gewartete habt«, begann Igor, nachdem er sich geräuspert hatte. »Wie ihr alle sicher wisst, haben die Rudelführer der Werwölfe vor einigen Wochen Kontakt mit uns aufgenommen und einen Friedensvertrag vorgeschlagen. Ein Vorschlag, mit dem wir nie gerechnet haben, aber für den wir sehr dankbar sind.«

Also war es beschlossen. Dot biss sich auf die Zunge, um ruhig zu bleiben. Blut rann über ihre Finger, als sich ihre Nägel in ihren Handballen bohrten. Sie war nicht die Einzige, die mit der Entscheidung nicht zufrieden war. Einige andere schrien durcheinander, standen auf und schüttelten die Fäuste.

»Schweigt!«, schallte Nicoles kräftige Stimme durch den Raum. Beinahe sofort schwiegen alle und setzten sich. Sie nickte Igor zu, dieser nahm Platz und übergab das Wort an Nicole. Ernst ließ sie ihren Blick durch die Reihen wandern. Herzschlag um Herzschlag verging, während Nicole die Kontrolle über den Raum erlangte.

»Die Rotkäppchengilde beschützt die Menschen schon seit Jahrhunderten. Wir setzen unser Leben aufs Spiel und verlieren es auch manchmal, um Unschuldige vor einem schrecklichen Tod zu bewahren. Wir kämpfen gegen die Wesen der Nacht. Werwölfe, Hexen, Vampire, Dämonen und so viele andere. Aber in den letzten Jahren hat sich viel verändert, in der Welt um uns herum und auch in der Gilde.«

Sie erhob sich und trat hinter dem Tisch hervor. Sie fuhr sich durch die schulterlangen braunen Haare. Eine dicke graue Strähne fiel ihr wie immer vor die braunen Augen.

Sie strich über den roten Stoff der Robe. »Unsere größte Waffe sind die Mäntel, die uns vor ihnen verbergen, uns einen Vorteil gegenüber ihren Instinkten bringen. Ihre Magie ist älter als unsere Gilde und vielleicht auch älter als die Menschheit. Sie ist der einzige Grund, weshalb wir gegen die Nachtwesen bestehen können. Das dürfen wir niemals vergessen. Aber wir sind auch nur Menschen. Egal wie sehr wir trainieren, wie gut unsere Waffen sind oder wie schlau wir vorgehen, wir sind ihnen körperlich unterlegen. Und wir haben schon so viele Freunde und Mitglieder verloren.«

Einige im Saal senkten traurig die Köpfe. Dots Schultern hatten sich so versteift, dass sie sich kaum bewegen konnte. Sie hing an Nicoles Lippen und wartete auf die Begründung für die Entscheidung.

»Aber wir sind nicht die Einzigen, die Verluste verzeichnen. Wir sind sehr gut in unserer Arbeit und haben schon viele Nachtwesen getötet. Manche zu Unrecht. Denn wir können nicht sehen, ob einer von ihnen wirklich böse ist. Wir töten auf den Verdacht hin, dass sie jemanden getötet haben oder es noch tun werden. Ich bin mir sicher, wir haben schon einige Unschuldige getötet.«

Ein unterdrückter Schrei verließ Dots Lippen. Unter den lauten Protesten der anderen Rotkäppchen ging er jedoch unter. Trotzdem huschte Nicoles Blick sofort zu Dot.

»Ich kann euch verstehen, sehr gut sogar. Aber wir alle haben zu viele Verluste zu verkraften, um weiter gegeneinander zu kämpfen. Also kommen wir zu den neuen Regeln, an die ihr euch von nun an alle halten müsst. Immer. Ganz egal ob ihr einem Werwolf, einer Hexe, einem Dämon oder einem anderen Nachtwesen gegenüber steht. Wir töten nicht mehr, sobald wir einen von ihnen sehen. Sollte es einen Vorfall geben, werden wir genau ermitteln, wer es war. Und wir werden nur dieses eine schuldige Wesen töten, niemanden sonst. Außerdem werden wir von nun an mit den Nachtwesen zusammenarbeiten. Wenn sie wissen, dass einer der ihren Menschen tötet, werden sie es uns mitteilen und wir werden uns darum kümmern.«

Diesmal ließ Nicole die Rotkäppchen laut diskutieren. Völlig entspannt ging sie über die Bühne, den Blick gesenkt und die Hände vor dem Bauch verschränkt. Nach und nach verstummten die Stimmen wieder, sie alle warteten, was Nicole weiter sagen würde.

»Wer mit dieser Entscheidung nicht zufrieden ist, dem steht es selbstverständlich frei, uns zu verlassen. Wir werden niemandem einen Vorwurf machen. Aber eines muss euch klar sein: Diese Entscheidung ist endgültig. Und nichts wird sie mehr ändern.«

Bei dem letzten Satz blickte sie direkt zu Dot.

Diese hatte verstanden.

Und alles in ihr sträubte sich dagegen.

Kapitel 2

Ben

Seufzend nahm Benjamin seine Brille ab und rieb sich über die Augen. Er klopfte mit den Fingern auf den Tisch und betrachtete den Bildschirm. Seit mehreren Stunden versuchte er nun schon, den Fehler in dem Code zu finden, doch es funktionierte einfach nicht. Mit einem wütenden Knurren schaltete er den Computer aus und stand auf.

Während er sich streckte, ging er zum Fenster und öffnete es. Ein frischer Abendwind wehte ihm entgegen und er fuhr sich durchs blonde Haar. Die Sonne versank hinter den Häusern auf der anderen Straßenseite, es war also schon Abend.

Als Ben das letzte Mal mit seinem Bruder gesprochen hatte, hatte Noah noch nichts von den Ältesten der Rotkäppchen gehört. Diese arroganten Jäger berieten immer noch, ob sie aufhören sollten, Unschuldige abzuschlachten.

Über die Arbeit hatte Ben mal wieder die Zeit vergessen, was ihn sein Körper wissen ließ. Laut knurrte sein Magen und sein Mund war trocken. Damit er wieder Ruhe hatte, ging Ben in die Küche und öffnete seinen Kühlschrank. Er ließ den Blick über den Inhalt gleiten: Reste von gestern Abend, Pudding, Joghurt, Milch und Aufschnitt. Ben nahm sich die Frikadellen, dazu mehrere Becher Schokopudding und Schinken, den er ganz unten versteckt fand. Doch sein scharfer Geruchssinn warnte ihn sofort, dass der Schinken schlecht war. Er warf ihn weg und ging mit seiner Beute ins Wohnzimmer.

Er zappte durch die Kanäle, bis er eine Nachrichtensendung gefunden hatte. Er aß die Frikadellen kalt und verputzte auch den Pudding restlos. Mit dem Bier wollte er noch warten, bis er in der Bar war. Wie jeden Abend wollte er sich mit seinen Freunden in der Howling Bar treffen. Allerdings war es jetzt noch zu früh, um dort hinzufahren.

Ben rieb sich den Nacken. In den letzten Tagen hatte er eindeutig zu viel drinnen herum gesessen und gearbeitet. Aber er musste diesen blöden Fehler im Code finden, ansonsten konnten sie mit ihrem Projekt nicht weiter machen.

Ben arbeitete an einer App, die aktuell noch nicht funktionierte. Und in ein paar Tagen sollte er sich wieder seiner echten Arbeit widmen, immerhin brachte die Geld ein.

Im Allgemeinen saß Ben in letzter Zeit viel zu viel in seiner Wohnung herum. Er vergrub sich in Arbeit, um nicht über die Entscheidung der Rudelführer nachzudenken. Wenn er zu viel darüber nachdachte, wurde er wütend, und einen Tisch hatte er bereits zerschlagen. Von dem schicken neuen Loch in seiner Schlafzimmerwand ganz abgesehen.

Er könnte auch seinen Schlüssel nehmen, in den Wald fahren und die ganze Nacht laufen. Für einige Stunden sein menschliches Leben hinter sich lassen und einfach nur Wolf sein. Dieser Gedanke war ihm immer wieder gekommen, aber er hatte ihn unterdrückt und sich weiter auf seine Aufgaben konzentriert. Gerade war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich vor seinen Pflichten zu verstecken.

Als hätte er es heraufbeschworen, summte Bens Handy. Genervt fummelte er es aus der hinteren Tasche seiner Jogginghose.

Sie haben sich entschieden. Treffen in der Bar in einer halben Stunde.

Mehr hatte Noah nicht geschrieben. Mehr musste er auch nicht schreiben. Ben wusste genau, was los war. Noah hatte niemandem aus dem Rudel von den Gesprächen mit den Ältesten erzählt. Dass er sie nun alle zusammengerufen hatte, bedeutete, dass sie seinem Vorschlag zugestimmt hatten.

Einige Minuten blieb er auf dem Sofa sitzen und klopfte mit dem Handy auf seine Hand. Er wollte nicht hingehen und sich diesen ganzen Schwachsinn anhören, aber er konnte auch nicht wegbleiben. Sie mussten jetzt eine Einheit bilden. Also rappelte er sich auf, sprang unter die Dusche und zog sich dann an. Er schloss seine Lederjacke, schnappte sich seinen Schlüssel und Helm und verließ die Wohnung. Seine Maschine heulte laut auf, mit Vollgas fuhr er durch die Straßen von München.

Die Howling Bar lag einige Fahrminuten außerhalb der Stadt in einem kleinen privaten Waldstück. Nur selten verirrte sich ein Mensch in die Bar, meistens waren die Werwölfe unter sich. Als Ben ankam, standen auf dem kleinen Parkplatz Autos und Motorräder nebeneinander. Er schüttelte den Kopf, als er die Handvoll Fahrräder sah, die fein säuberlich nebeneinander angekettet waren.

Die Bar nahm den ganzen unteren Teil des Hauses ein, in den oberen beiden Stockwerken lebte Regina, die Besitzerin. Ein wenig erinnerte das Haus an eine Schenke aus dem Mittelalter, alte Holzbalken waren zu sehen und die Fenster bestanden aus Buntglas. Ben kam schon hierher, seit er ein kleiner Junge war, zusammen mit seiner ganzen Familie.

Als er die Tür öffnete, schlugen ihm die bekannten Gerüche und Geräusche entgegen. Frisch gekochtes Essen, Bier und der leichte Gestank von Rauch, der einfach nie wegging, auch wenn die Bar schon seit Jahren Nichtraucherzone war. Die Gäste lachten, redeten, einige sangen sogar. Aus dem hinteren Raum konnte er die Geräusche eines Billardspiels hören. Die Ersten entdeckten Ben, begrüßten ihn, schlugen ihm auf die Schulter oder nickten ihm zu.

Ben ließ seinen Blick durch den Raum gleiten und betrachtete die Gäste genau. An diesem Abend waren ausschließlich Rudelmitglieder anwesend, alte und junge, Erwachsene und Kinder. Langsam schlenderte er durch den Schankraum zu der langen, gut bestückten Theke, die genau in der Mitte stand. Dahinter befanden sich die Küche und die Treppe, die in die oberen Stockwerke führte.

Regina stand mit dem Rücken zu ihm und nahm einige Flaschen von den Glasregalen. Sie trug eine enge schwarze Jeans und ein kurzes dunkelrotes Top, das, so wie er sie kannte, einen beinahe unverschämten Ausschnitt hatte. Ihre kurzen schwarzen Haare standen verwuschelt von ihrem Kopf ab.

»Na?« Sie drehte sich mit einem breiten Grinsen zu Ben um.

»Na?«, fragte er zurück und setzte sich auf einen der Barhocker.

Regina nahm einen Shaker und machte sich daran, einen Cocktail zusammenzumischen. Gleichzeitig zapfte sie Ben ein Bier.

»Wie geht es dir, Kleiner?«

Ihre blauen Augen taxierten ihn genau, nahmen jedes noch so kleine Detail auf. Regina war für Ben wie eine coole Tante, manchmal auch wie eine Mutter.

»Wie soll es schon sein?« Ben rieb sich den Nacken. »Heute Abend ist sehr wichtig!«

»Wem sagst du das?« Sie nahm den Shaker hoch. Während sie den Raum betrachtete, schüttelte sie ihn und goss das inzwischen hellrosa Getränk in ein hohes Glas. Nachdem sie es mit Kirsche und Schirmchen verziert hatte, stellte sie es auf ein Tablett. Danach griff sie nach dem nächsten Shaker, stellte aber vorher das Bier vor Ben ab.

»Ganz schön was los heute.«

Eine von Reginas Kellnerinnen schlüpfte an der Theke vorbei in Richtung Küche, sie trug ein Tablett voll dreckigem Geschirr. Als sie die Schwingtür öffnete, wurden die Geräusche und Gerüche aus der Küche für einen Moment klarer. Bei dem Geruch von frischem Fleisch und Pommes lief Ben das Wasser im Mund zusammen.

»Ja, dein Bruder hätte uns ruhig etwas früher Bescheid geben können. Ich hatte heute nur zwei meiner Mädels da, an einem Dienstag brauche ich sonst nicht mehr. Jetzt habe ich Conny, Sarah und Aylin angerufen. Aber bis die alle hier sind …« Sie schüttelte den Kopf und stellte zwei weitere Cocktailgläser auf das Tablett. »Bin sofort wieder da.« Sie nahm das Tablett und ging zu einem Tisch weiter hinten im Raum, an dem eine Gruppe junger Frauen saß.

»Hallo, mein Hübscher«, erklang eine viel zu süße weibliche Stimme neben ihm.

Ben musste sich zusammenreißen, um nicht die Augen zu verdrehen oder direkt abzuhauen. Nach einem Schluck Bier drehte er sich zu Lotte um, die sich elegant auf den Barhocker neben ihm setzte. Sie trug ein hautenges Kleid, das ihre Kurven betonte und eine ganze Menge nackter Haut zeigte. Ihre platinblond gefärbten Haare lagen in großen Locken über ihrem Rücken. Sie lächelte Ben gewinnend an und streckte die Hand nach ihm aus. Schnell beugte dieser sich vor, griff über die Theke und holte Reginas versteckte Scotchflasche hervor. Er nahm einen großen Schluck, das Gespräch konnte er ohne einen härteren Drink nicht durchstehen, und wandte sich erst dann wieder Lotte zu. »Was kann ich für dich tun?«

Sie schürzte die vollen Lippen. »Ich wollte einfach nur mit dir reden. Wir haben uns so lange nicht gesehen.«

»Ja, und das aus einem sehr guten Grund. Ich wollte dich nicht sehen, Lotte«, knurrte Ben zwischen zusammengebissenen Zähnen.

Verletzt zog sie die Hand zurück und senkte den Blick. »Ich wusste nicht, dass es so schlimm um uns beide steht.«

»Doch, das wusstest du. Ich habe es dir mehrmals sehr ausführlich erklärt. Wo ist denn deiner neuer …« Er überlegte, was er sagen sollte. »Freund?«, beendete er die Frage.

»Wir haben uns getrennt«, sagte Lotte verschnupft. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und wich Bens Blick aus.

»Warum das?«, fragte er lauernd weiter.

»Er hat seine Gefährtin gefunden«, antwortete sie ganz leise.

Überrascht hob Ben die Augenbraue. Genugtuung erfüllte ihn. »Das tut mir so gar nicht leid für dich. Vielleicht klappt es ja beim Nächsten.«

Lotte blickte ihn geschockt an. Ein Anblick, den er sehr gerne sah. Es war zwar dumm, kindisch und arrogant von ihm, aber Ben genoss jeden Schmerz, sei er auch noch so klein, den er Lotte zufügen konnte.

Sie hatte sich wieder gefangen, ihr übliches sexy Lächeln zeigte sich auf ihren Lippen. Sie streckte ihre Hand aus und legte sie auf Bens Oberschenkel. »Ich verstehe, warum du mich so behandelst. Und ich habe es verdient. Aber können wir beide nicht wieder Freunde werden?« Sie drückte zu. »Vielleicht auch mehr?«

»Wenn ich einen netten Fick suche, komme ich sicher nicht zu dir. Sorry. Da waren mir inzwischen zu viele andere dran.« Ben schob ihre Hand von seinem Oberschenkel. Seine Hand zitterte, als er die Flasche an die Lippen setzte.

»Wow. So eine Aussage hätte ich wirklich nicht von dir erwartet«, sagte Lotte nach einigen Augenblicken. Tränen sammelten sich in ihren Augen. »Ich wusste nicht, dass du so schlecht von mir denkst.«

Bevor Ben antworten konnte, kam Regina wieder zurück zur Theke. »Solltest du nicht bei deinen Freundinnen sein, Lotte?«, fragte sie mit kühler Stimme.

Die Tränen verschwanden sofort aus Lottes Augen. Sie würde sich niemals so verletzlich vor anderen Frauen geben. Mit einem bösen Ausdruck in den Augen erwiderte sie Reginas Blick. »Du hast recht. Ich werde mal lieber gehen. Wir beide können unser Gespräch ja bald mal weiterführen, Ben.« Mit wiegenden Hüften ging sie davon.

»Ach Benjamin. Weißt du es denn immer noch nicht besser?« Regina stützte sich auf der Theke ab und blickte Ben mit hochgezogenen Augenbrauen an.

»Ich weiß es doch besser«, seufzte er. »Sie geht mir nur immer noch unter die Haut.«

»Solange sie dir nicht an die Wäsche geht, ist ja alles gut.«

Eine der Kellnerinnen kam mit einer neuen Bestellung und Regina machte sich ans Bierzapfen.

»Bei welchem armen Wolf hat sie es denn diesmal versucht?«, fragte sie Ben weiter.

»Irgendeiner aus dem Rudel Bonn. Aus irgendeinem Grund war der hier und hatte auch noch Anspruch auf den Alphaposten im Rudel. Allerdings hat es mal wieder nicht funktioniert«, erklärte Ben gelangweilt. Er leerte sein Bier und stellte es hinter die Theke neben die Spüle. »Brauchst du Hilfe?«

Regina nickte. »Warum verlässt sie unser Rudel nicht einfach, wenn sie so sehr nach jemand anderem sucht?« Kopfschüttelnd stellte sie das Bier aufs Tablett.

Ben schlüpfte hinter die Theke, er nahm sich zwei große Biergläser und machte sich ans Zapfen.

Nachdem er achtzehn geworden war, hatte er als Barkeeper bei Regina angefangen und während seines Studiums, bis er zweiundzwanzig war, dort gearbeitet. Auch jetzt, drei Jahre später, konnte er die Aufgaben eines Barkeepers im Schlaf.

»Sie hofft immer noch, dass ihr Gefährte ein hohes Rudeltier ist. Sie würde niemals riskieren, als illoyal zu gelten, wenn sie andauernd das Rudel wechselt«, erklärte Ben.

Die beiden konnten ihr Gespräch nicht weiterführen, Noah betrat die Bar. Es dauerte einige Augenblicke, dann bemerkten alle im Raum seine Anwesenheit und schwiegen.

Noah wirkte erschöpft, er hatte Augenringe, war blass und seine sonst gut gestylten Haare waren durcheinander. Er nickte Regina zu, die ihm sofort seine übliche Bestellung machte, und ging dann zu seinem Stammtisch in einer gut einsehbaren Ecke der Bar.

Regina reichte Ben das Tablett mit Noahs Bestellung. »Du kennst deinen Platz in dieser schweren Stunde. Steh deinem Bruder bei. Ansonsten versohle ich dir den Hintern!«

Mit einem schwachen Lächeln nahm er das Tablett und ging zu Noah. Abwesend nickte sein Bruder ihm zu, nahm das Getränk und räusperte sich. Sofort lag die komplette Aufmerksamkeit auf ihm.

»Danke, dass ihr alle heute so spontan hergekommen seid.« Noah leckte sich die Lippen, einen Moment stockte er. »Ich habe euch schon seit einigen Wochen eine wichtige Sache vorenthalten. Zusammen mit den meisten anderen Rudelführern hier in Deutschland haben wir uns mit der Rotkäppchengilde in Verbindung gesetzt und um einen Friedensvertrag gebeten.«

Sofort setzte Gemurmel ein. Die anderen Mitglieder des Rudels waren verwirrt, ängstlich und skeptisch. Einige waren sogar wütend.

»Was soll die Scheiße?«, rief jemand aus einer der hinteren Ecken.

Noah hob die Hände, nach einigen Augenblicken schwiegen alle wieder. »Bitte beruhigt euch! Ich weiß, dass es sehr plötzlich kommt. Aber sind wir mal ehrlich, dieser Gedanke ist nicht neu. Schon seit viel zu langer Zeit leben wir in Angst vor den Reds. Sie jagen uns, egal ob wir schuldig sind oder nicht. Und im Gegenzug jagen und töten wir sie. Ein Teufelskreis, der schon viel zu lange existiert. Wir alle haben Familie oder Freunde verloren. Oder mussten uns verstecken. Ohne dass es dafür einen Grund gab. Dagegen konnten wir nichts tun, denn die Reds sind uns in allem überlegen. Durch ihre Umhänge und durch den Schutz der Regierungen. Aber wir haben ihnen auch viele Verletzungen und Verluste zugefügt. Sie merken das! Und sie wollen diesen Frieden auch. Diese Verluste auf beiden Seiten hören ab heute auf!«

Noah atmete tief durch. Ben reichte ihm seinen Drink und behielt die anderen im Raum im Blick. Gerade jetzt dürfte Noah keine Schwäche zeigen, er musste ganz Alpha sein. Und Ben musste ihn unterstützen.

»Also wird es von heute an neue Regeln geben. Ab jetzt werden wir keine Reds mehr angreifen, unter gar keinen Umständen. Denn sie werden es auch nicht mehr tun. Wenn ihr einen von uns kennt oder entdeckt, der Menschen tötet, werdet ihr es mir oder den Reds melden. Von jetzt an werden nur noch die sterben, die Böses getan haben.«

»Und wie sollen wir sicher sein, dass sie uns nicht doch töten?«, fragte eine Frau ängstlich. Sie zog ihren kleinen Jungen näher an sich heran.

Ben unterdrückte ein Seufzen. Mit solchen Fragen hatte er gerechnet. Warum sollten die Reds ihren eigenen Vertrag einhalten?

»Wir müssen einfach Vertrauen haben! Dies ist eine einmalige Chance, um die Welt für uns alle besser zu machen. Stellt euch vor, keine Angst mehr haben zu müssen. Dass wir frei laufen können, ohne dass sie uns jagen. Aber dafür müssen wir uns alle an die Regeln halten. Solltet ihr das nicht wollen, steht es euch frei, das Rudel zu verlassen. Auf euch alleine gestellt, könnt ihr selbst entscheiden, ob ihr euch daran haltet. Es fällt dann nicht auf das Rudel zurück. Ich werde es euch nicht übel nehmen. Aber seid euch bewusst, dass ihr kein anderes Rudel finden werdet. Wir alle halten uns von nun an daran. Habt ihr verstanden?«

Noah blickte wieder jedem im Raum in die Augen und wartete. Nach und nach senkte jeder den Kopf und stimmte damit Noahs neuen Regeln zu. Das Rudel würde sich daran halten.

Noah leerte seinen Drink und setzte sich neben Ben. »Das haben wir also hinter uns.«

»Ja, was für eine tolle Sache«, murmelte sein Bruder sarkastisch.

»Ich habe verstanden, dass dir diese ganze Sache nicht gefällt, aber du solltest dich zusammen reißen«, knurrte Noah.

»Sie haben unsere Cousine ermordet«, zischte Ben mit unterdrückter Wut.

»Ja und genau deshalb tue ich das! Ich will nicht noch mehr Tote! Ich will, dass Familien in Sicherheit leben können.« Noahs Hand schoss vor und umfasste Bens Arm fest. »Du bist mein Beta. Wenn du es nicht schaffst, dann geh!« Seine Augen blitzten golden auf.

Einen Herzschlag lang schaute Ben auf Noahs Hand auf seinem Arm. »Ich werde dich unterstützen. Darauf kannst du dich verlassen.«

Kapitel 3

Dot

Mit geschlossenen Augen saß Dot auf ihrem Bett, ihre Hände lagen auf ihren Knien, ihr Rücken war gerade. Langsam und gleichmäßig atmete sie ein und aus. Sie versuchte sich nur darauf zu konzentrieren.

Atmen.

Ein und aus.

Ein und aus.

Nur darauf konzentrieren, nicht denken. Bloß nicht denken!

Der Geruch von Blut schlich sich in ihren Kopf. Rot auf grünen Blättern. Vögel, die aus den Bäumen stoben. Kalter Boden unter ihr. Das Stechen der Äste um sie herum.

Dot öffnete die Augen. Ihr Atmen ging panisch, ihre Hände zitterten. Heiße Tränen liefen über ihre kalten Wangen. Ihre Hände öffneten sich von alleine. Griffen nach den kalten Leichen ihrer Eltern.

Sie legte den Kopf in die Hände. Meditieren brachte auch nichts. Dot war völlig fertig. Sie fühlte sich gejagt und alleine gelassen.

Inzwischen waren einige Stunden seit der Ankündigung des Rates vergangen. Die meisten Rotkäppchen hatten sich aufgeregt, Fragen gestellt und sich dann beruhigt. Sie alle würden sich an die neuen Regeln halten, denn niemand wollte die Gilde verlassen.

Dot wollte nicht gehen. Sie wollte weiter ein Teil der Rotkäppchen sein. Die Gilde war ihre Familie und ihr Zuhause. Sie war ihr Halt, alles was sie hatte.

Aber diese Entscheidung verstand sie nicht. Sie konnte einfach nicht begreifen, warum sie nun plötzlich Gnade gegenüber diesen Monstern zeigen sollten.

Nein, das stimmte nicht. Sie konnte es auf logische Art begreifen. Alles was Nicole gesagt hatte, stimmte. Die Gilde hatte viel zu viele Verluste erlitten. Sie mussten etwas dagegen tun.

Aber wann immer sie versuchte damit klar zu kommen, setzte ihr Gehirn aus. Wie ein schlechter Film spielte sich der Morgen im Wald vor ihren Augen ab. Immer und immer wieder.

Unruhig sprang sie von ihrem Bett auf, ihr Blick huschte panisch durch den Raum. Sie konnte den metallischen Geschmack des Blutes beinahe auf ihrer Zunge schmecken. Schweiß rann ihren Rücken hinab, doch sie fühlte sich eiskalt an.

Sie kannte die Anzeichen. Sie näherte sich schon wieder einer Panikattacke. Früher hatte Dot regelmäßig welche gehabt. Eigentlich hatte sie gehofft, sie endlich hinter sich zu haben.

Ohne zu überlegen, eilte sie in das kleine Badezimmer, das zu ihrem Schlafzimmer gehörte, riss sich die Kleidung vom Leib und stieg unter die Dusche. Das heiße Wasser brannte auf ihrer Haut, holte sie aber aus ihren Erinnerungen. Wie eine Verrückte schrubbte sie sich ab. Als ihre Haut schon ganz rot war, hatte sie sich endlich beruhigt.

Dot lehnte ihren Kopf an die Duschwand und schloss die Augen. Sie musste sich damit abfinden, etwas anderes blieb ihr nicht übrig. Sie hatte nur diese eine Option!

Als sie aus der Dusche stieg, klopfte es an ihrer Tür. Sie verdrehte die Augen, während sie sich schnell in ein Handtuch wickelte und zur Tür eilte.

»Hätte ich gewusst, dass mich dieser Anblick erwartet, wäre ich früher gekommen.« Leslie lehnte am Türrahmen und blickte mit einem dreckigen Lächeln auf sie herab.

»Was willst du?«, fragte Dot genervt. Leslie war gerade die letzte Person, mit der sie reden wollte. Außer er forderte sie zu einem Zweikampf heraus.

»Wir haben ein kleines Treffen, um über die neuen Regeln zu sprechen. Vielleicht willst du ja daran teilnehmen.« Leslie beugte sich vor, bis sich sein Gesicht direkt vor Dots befand. »Wir können uns natürlich auch anders die Zeit vertreiben.«

Sie trat einen Schritt zurück und schlug wortlos die Tür zu.

»Na gut. Wir treffen uns in zehn Minuten in meinem Zimmer«, rief Leslie durch die geschlossene Tür.

***

Als Dot fünfzehn Minuten später in Leslies Zimmer schlüpfte, war es schon ganz schön voll. Die Zimmer der Rotkäppchen waren klein, es gab gerade genug Platz für ein Bett, einen Kleiderschrank und einen Schreibtisch. Alle Zimmer waren gleich aufgebaut und hatten ihr eigenes Badezimmer.

Sie lehnte sich an die Wand direkt neben der Tür und blickte sich schweigend im Raum um. Insgesamt mussten etwa zwanzig Rotkäppchen anwesend sein, alle waren in Dots Alter. Sie unterhielten sich leise, ab und an blickte einer über seine Schulter, als würden sie etwas Verbotenes tun.

Leslie thronte auf seinem Bett, Ruby saß neben ihm. Beide blickten überlegen in den Raum. Als Leslie Dot entdeckte, schenkte er ihr wieder dieses böse, beinahe grausame Lächeln.

»Da wir jetzt endlich vollständig sind«, Ruby warf Dot einen wütenden Blick zu, bevor sie fort fuhr, »wollen wir anfangen.«

Das schien Leslies Stichwort zu sein. Er sprang auf und stellte sich auf sein Bett. »Ich habe euch alle hergerufen, weil keiner von uns mit den neuen Regeln einverstanden ist. Unsere Aufgabe ist es, diese scheiß Wölfe und andere Dreckswesen zu jagen und zu töten! So war es schon immer und so sollte es auch bleiben.«

Er streckte die Hand in die Luft und wartete auf seinen Jubel. Doch die anderen reagierten eher verhalten.

»Wir sollten uns nicht an die dummen Regeln der Ältesten halten müssen. Wir sind immerhin diejenigen, die ihr Leben aufs Spiel setzen«, fuhr er fort.

Diesmal nickten einige.

»Ich werde nicht dabei zusehen, wie diese Viecher weiter durch die Welt laufen, sich fortpflanzen und weitere Menschen ermorden. Ich sage, dass wir ihnen ganz klar zeigen, dass wir den neuen Regeln nicht zustimmen!«

Das Jubeln wurde lauter.

»Und wie willst du das machen?«, fragte Dot gelangweilt. Mit hochgezogenen Augenbrauen blickte sie fragend zu Leslie.

»Ich weiß von einer Bar, in der Werwölfe jeden Abend rumhängen. Wir gehen hin und schlachten sie alle ab.«

Bei Leslies krankem Lächeln richteten sich Dots Haare auf. Er hatte keine Skrupel und sie war sicher, dass er verrückt war.

Die anderen im Raum fanden seine Idee auch nicht so toll. Unruhig rutschten sie auf ihren Plätzen hin und her und warfen sich gegenseitig verwirrte und verängstigte Blicke zu.

»Das ist nicht dein Ernst, oder?« Dot stieß sich von der Wand ab, mit verschränkten Armen stellte sie sich mitten in den Raum. »Du willst, dass wir in eine Bar gehen und Werwölfe töten? Einfach so? Ohne die Erlaubnis des Rates? Dafür werden wir alle aus der Gilde geworfen.«

Die anderen stimmten ihr leise zu.

Ruby sprang vom Bett und baute sich vor Dot auf. »Ich wusste ja schon immer, dass du keinen Mumm hast! Das hier wird eine Revolution! Wir holen uns die Kontrolle über die Rotkäppchengilde und dann beschützen wir die Menschheit weiter.« Sie warf Dot einen vernichtenden Blick zu und wandte sich dann den anderen zu. »Wir werden kämpfen. Selbst wenn wir die Ältesten nicht entmachten, müssen sie uns beschützen! Denn wenn sie uns rausschmeißen, gehen wir an die Öffentlichkeit. Und das wollen sie nicht. Denn dann weiß auf einmal die ganze Welt von uns und diesen Monstern. Eine Massenpanik wie diese würden sie niemals zulassen. Wir können heute Nacht nur gewinnen. Also töten wir die Viecher!«

Die Stimmung im Raum schlug wieder um, zumindest teilweise. Einige nickten zustimmend, andere saßen verschüchtert da.

»Wer nicht mitmachen will, der kann verschwinden. Aber seid euch sicher, wenn ihr uns verratet, werdet ihr es bereuen!«, sagte Leslie drohend.

Etwa die Hälfte der Anwesenden verzog sich sofort. Die anderen blieben sitzen und beobachteten Dot und ihre Reaktion.

Leslie schlenderte mit einem hinterlistigen Lächeln auf sie zu. »Oh, süße Dorothy. Jetzt tu doch nicht so. Ich weiß ganz genau, dass du sie alle abschlachten willst.«

Sie drehte den Kopf weg.

»Das sind keine Menschen und du weißt es genau«, fuhr Leslie leise fort. »Jetzt haben sie vielleicht noch niemanden umgebracht, aber das werden sie tun. Das tun sie immer. Wir sind Rotkäppchen geworden, um diese Monster aufzuhalten, bevor sie jemanden verletzen. Und die Ältesten halten uns davon ab! Sie haben Angst, wir aber nicht.« Er beugte sich vor und flüsterte in Dots Ohr: »Vielleicht sind auch die Wölfe da, die deine Eltern umgebracht haben. Irgendwo müssen sie ja sein.«

In einem Herzschlag hatte Dot ihre Entscheidung getroffen. Wut und Verzweiflung brannten wie ein heißes Feuer durch ihren Körper. Sie konnten nicht einfach nur dasitzen und warten. Leslies Weg war vielleicht primitiv und gefährlich, aber er war besser als der neue Weg der Ältesten.

Schnell und abgehackt nickte sie.

»Da seht ihr es!« Leslie wandte sich wieder der ganzen Gruppe zu. »Sogar Dot ist dabei. Also holt eure Waffen, Brüder und Schwestern, wir treffen uns in der Garage!«

***

Dot blendete alles um sich herum aus und konzentrierte sich ganz auf die Wut. Sie trieb sie an, ließ sie weitermachen. In ihrem Zimmer holte sie einige ihrer Dolche hervor und legte sie an. Damit war es schwerer einen Werwolf zu töten, aber die Pistolen mit Silberkugeln und die Mäntel wurden von den Ältesten weggeschlossen. Da kamen sie nicht ran.

In der Garage war außer ihnen niemand. Einige der Autos fehlten, manche Gildemitglieder waren noch unterwegs. Niemand würde bemerken, dass sie weg waren, immerhin überwachte sie niemand. Leslie hielt Dot mit einer Verbeugung die Autotür auf. Sie ignorierte ihn und stieg in ein anderes Auto.

Ihre Gruppe hatte sich etwas verkleinert, sie waren nur zu siebt. Leslie fuhr mit seinen beiden Anhängseln zuerst. Sie hatten die Fenster offen, laute Musik dröhnte aus dem Radio.

In Dots Auto herrschte völlige Stille. Sie alle waren nervös und überdachten ihre Entscheidungen. Dot kannte den Fahrer nicht sehr gut, sie hatte ihn nur im Gemeinschaftsraum gesehen und bisher noch nicht mit ihm geredet. Der Ausdruck in seinem Gesicht wechselte immer wieder zwischen tiefer Angst und böser Entschlossenheit.

Sie fuhren nur wenige Minuten, bevor Leslie in eine Seitenstraße einbog. Die Wagen holperten noch einige Minuten über einen Waldweg, dann kamen sie auf einen gut gefüllten Parkplatz. Sie stellten die Wagen versteckt am Waldrand ab und sammelten sich dann.

Dot betrachtete die Bar. Wie sie so da lag, in dem schwachen Licht der Laternen, sah sie fast wie das Haus der Hexe aus Hänsel und Gretel aus. Und gleichzeitig wirkte sie sehr friedlich. Leise Musik drang aus dem Gebäude, hinter den Fenstern konnte sie Gestalten entlang huschen sehen.

»Hier scheint ganz schön viel los zu sein«, merkte eine der Frauen an. Unsicher blickte sie zur Bar.

»Na und?«, fragte Leslie herausfordernd. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt. »Wir kommen schon mit ihnen klar. Außerdem werden die meisten von ihnen ziemlich betrunken sein.«

Dot zweifelte stark daran, aber bevor sie etwas sagen konnte, gab Leslie das Zeichen, dass es los ging. Gemeinsam machte sich die kleine Gruppe auf den Weg in die Bar.

***

Ben

Ben blickte sich in der Bar um. Es war immer noch voll im Howling. Reginas Kellnerinnen rannten wie verrückt durch die Gegend und brachten Bestellungen raus. Regina hatte ihn irgendwann von der Theke verbannt, sie brauchte keine Hilfe mehr, und so saß Ben an seinem üblichen Tisch und nippte an seinem Bier.

Auf dem Tisch standen vier leere Shotgläser und gerade brachte Aylin zwei weitere. Die anderen Wölfe gaben ihm und Noah immer wieder einen aus, sie zeigten ihre Loyalität. Ben nahm eines der Gläser, prostete dem Tisch, von dem es kam, zu, und exte den Drink. Der Sambuca brannte in seiner Kehle. Er musste dringend aufhören zu trinken, ansonsten musste er heute bei Regina schlafen.

Noah war irgendwo in der Menge verschwunden und unterhielt sich.

Ben war stolz auf seinen Bruder, er hatte die Situation gut gehandhabt. Er war der geborene Alpha, auch wenn er die Aufgabe viel zu früh übernommen hatte. In den letzten Jahren war er zu einem wahren Anführer geworden und hatte dem Clan von München eine höhere Stellung eingebracht.

Ben seufzte und rieb sich über das Gesicht. Vielleicht sollte er nach Hause fahren und etwas schlafen. Er fühlte sich unruhig und zittrig. Als würde irgendetwas in seinem Nacken sitzen und nur darauf warten ihn zu attackieren. Er war es gewohnt, auf seine Instinkte zu hören, sie ließen ihn niemals im Stich, doch diesmal wusste er nicht genau, was gemeint war.

»Du musst was essen, Kleiner!« Regina stellte einen großen Teller Pommes auf den Tisch, daneben ein Glas Cola. »Du siehst scheiße aus!«

»Danke für dein Feingefühl«, sagte er und griff nach einer Fritte. Gelangweilt kaute er darauf herum.

Regina setzte sich neben ihn und betrachtete den Schankraum. »Alle sind seltsam drauf. Keiner von ihnen weiß, wie es nun weiter gehen soll.« Sie schüttelte den Kopf und nahm sich ebenfalls eine Fritte.

»Wie geht es dir mit den neuen Regeln?«, fragte Ben.

»Ich akzeptiere die Regeln des Alphas.« Sie betrachtete ihn von der Seite. »Noah versucht nur, uns zu beschützen. Ich will nicht länger Trauerfeiern ausrichten und meine Freunde trösten. Und Noah hat es wirklich geschafft, alle anderen Alphas zu überzeugen.«

»Noah weiß, was er tut«, sagte Ben schlicht.

»Und du bist davon nicht sehr begeistert«, schlussfolgerte Regina.

Er antwortete nicht. Stattdessen nahm er einen Schluck Cola.

»Es geht um euren Vater.«

Das war keine Frage, trotzdem nickte Ben.

Regina schwieg und wartete, dass Ben ihr sein Herz ausschüttete.

»Ich kann es nur einfach nicht verstehen. Wegen diesen beschissenen Reds sitzt er im Gefängnis und Mama ist nur noch ein Zombie! Und trotzdem will er mit ihnen zusammenarbeiten.« Das Glas zersprang in Bens Händen und die Cola ergoss sich über seine Klamotten. Nur die wenigsten in der Bar nahmen davon Kenntnis, sie alle kannten die Ausbrüche.

Regina seufzte. Sie sammelte die Scherben ein und griff nach Bens Hand. Während sie nach Verletzungen suchte, sprach sie sanft weiter: »Noah ist deshalb genauso verzweifelt wie du. Aber er hat verstanden, dass es Wichtigeres gibt als das Wohl eines Einzelnen.« Sie blickte in Bens Augen. »Genau wie dein Vater.«

Darauf konnte Ben nichts antworten. Er wusste, dass Regina recht hatte. Aber es änderte nichts an seinen Gefühlen.

»Fahr nach Hause und schlaf, Kleiner!« Regina strich ihm über die Wange. »Du kannst eine ruhige Nacht gebrauchen.«

Ben nickte. »Okay, mache ich. Wir sehen uns die Tage.«

Regina stand auf und ging zurück zur Theke. Ben stopfte sich eine Handvoll Fritten in den Mund und erhob sich dann ebenfalls. Gerade als er überprüfte, ob sein Handy noch in seiner Hosentasche war, stellten sich seine Nackenhaare auf. Sein Blick fuhr hoch und er suchte nach der Bedrohung, die er spürte. Kein anderer in der Bar schien etwas zu bemerken, doch das Gefühl wurde mit jedem Herzschlag stärker. Sofort suchte Ben nach seinem Bruder und drängte sich durch die Menge zu ihm.