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Nun gibt es eine Sonderausgabe – Dr. Norden Aktuell Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Auf sie kann er sich immer verlassen, wenn es darum geht zu helfen. Das Telefon läutete. Fee Norden schreckte aus tiefstem Schlummer empor, drückte auf den Lichtschalter und sah auf den Wecker, bevor sie den Hörer aufnahm. Es war zwölf Minuten nach Mitternacht. Sie merkte es sich genau. »Norden«, sagte Fee noch ziemlich verschlafen. »Dr. Norden?«, ertönte eine erregte weibliche Stimme. »Ja, Dr. Norden!« »Hilfe, bitte, kommen Sie, Vanmeren, Frühlingstraße vier.« Und dann war die Verbindung unterbrochen. Fee hatte nur noch ein Keuchen gehört. »Daniel, ein Notruf«, sagte sie, während ihr Mann sich schon aufrappelte. »Vanmeren, Frühlingstraße 4.« »Was ist los?«, fragte er. »Ich weiß nicht.
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Seitenzahl: 146
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Das Telefon läutete. Fee Norden schreckte aus tiefstem Schlummer empor, drückte auf den Lichtschalter und sah auf den Wecker, bevor sie den Hörer aufnahm. Es war zwölf Minuten nach Mitternacht. Sie merkte es sich genau.
»Norden«, sagte Fee noch ziemlich verschlafen.
»Dr. Norden?«, ertönte eine erregte weibliche Stimme.
»Ja, Dr. Norden!«
»Hilfe, bitte, kommen Sie, Vanmeren, Frühlingstraße vier.« Und dann war die Verbindung unterbrochen. Fee hatte nur noch ein Keuchen gehört.
»Daniel, ein Notruf«, sagte sie, während ihr Mann sich schon aufrappelte. »Vanmeren, Frühlingstraße 4.«
»Was ist los?«, fragte er.
»Ich weiß nicht. Hat aufgelegt.«
»Bin schon unterwegs«, brummte er.
»Sieh dich vor, das kommt mir so komisch vor.«
»Mir nicht, mitten in der Nacht. Noch dazu, wenn man die Leute nicht kennt«, murmelte er.
Aber fünf Minuten später war er schon unterwegs. Schließlich war es ein Notruf.
Die Frühlingstraße kannte er. Das Haus Nummer vier auch. Da hatte eine Familie gewohnt, die vor vier Wochen nach Belgien gegangen war. Der Mann war ein hoher Regierungsbeamter, der versetzt worden war.
Es war ein schönes Haus. Weit dorthin war der Weg auch nicht. Dr. Daniel Norden, mitten aus tiefstem Schlummer gerissen, dachte nicht viel nach.
Er fand die Gartentür offen, dann auch die Haustür, und drinnen brannte Licht. Er trat ein.
»Vanmeren«, rief er, da er nicht wusste, ob es sich bei dem Anrufer um eine Frau oder einen Mann gehandelt hatte. Fee hatte es ihm in der Eile nicht gesagt.
Es kam keine Antwort. Er blickte sich um, sah dann auf dem Marmorfußboden in der Diele Blutstropfen. Er hielt die Luft an.
Es war totenstill. Nicht der leiseste Laut drang an sein Ohr. Langsam ging Daniel weiter, immer darauf vorbereitet einen Verletzten zu finden, aber er fand nichts.
Das Haus war komplett eingerichtet, durchaus nicht billig, aber es wirkte, als wohne niemand hier. Doch die Blutstropfen waren frisch. Das machte Daniel hellwach.
Er griff zum Telefon. Das Freizeichen ertönte, der Anschluss war vorhanden. Er rief die Polizei, was hätte er sonst tun sollen!
*
Dr. Daniel Norden war erleichtert, weil er wenigstens einen der Funkstreifenbeamten kannte. Er hieß Hans Lorenz und war schon mal wegen einer Verletzung bei Dr. Norden in Behandlung gewesen.
»Seltsame Geschichte«, sagte Daniel. »Es war ein Notruf, aber das Haus ist leer. Doch diese Blutstropfen da sind frisch.«
»Blutgruppe muss festgestellt werden«, sagte Hans Lorenz. »Sonst haben Sie keine Feststellung gemacht?«
»Keine«, erwiderte Daniel knapp. »Die Gartentür stand offen, ja, und auch die Haustür. Entschuldigen Sie, aber ich bin immer noch nicht ganz da. Es ist niemand im Haus. Ich bin durch alle Räume gegangen, wenigstens hier unten. Es sieht auch sonst nicht aus, als würde jemand hier wohnen.«
»Der Anrufer hat sich mit einem Namen gemeldet?«
»Vanmeren«, erwiderte Daniel.
»Mann oder Frau?«
»Da müssen wir meine Frau fragen. In der Eile sagte sie es mir nicht.«
»Und wann kam der Anruf?«
»Kurz nach Mitternacht, denke ich. Meine Frau hat sich das bestimmt auch gemerkt.«
So wurde auch Fee noch in dieser Nacht verhört, und sie konnte alles ganz genau sagen, denn sie hatte ein fantastisches Gedächtnis.
»Es war eine Frau, und sie hatte Angst«, sagte sie nachdenklich, nachdem sie den Wortlaut des Anrufs wiederholt hatte. »Ich vernahm ein Keuchen, bevor die Verbindung unterbrochen wurde.«
»Wir werden das untersuchen«, sagte der Beamte Lorenz. »Tut mir für Sie leid, dass Ihre Nachtruhe unterbrochen wurde, Frau Doktor.«
»Da sind wir wahrscheinlich wieder mal in was Unschönes gerasselt, liebster Schatz«, sagte Fee zu ihrem Mann. »Aber falls uns wieder schlaflose Nächte bevorstehen sollten, werden wir versuchen, jetzt doch noch ein paar Stunden zu schlafen.«
*
Am nächsten Tag erfuhren sie, dass das Haus von einem Mann namens Fabian Vanmeren gemietet worden war, der als Beruf Manager einer internationalen Handelsgesellschaft angegeben hatte. Der Makler hatte der Polizei auf Anfrage mitgeteilt, dass das Haus morgen bezogen werden sollte. Die Schlüssel hätte er Herrn Vanmeren bereits bei Vertragsabschluss übergeben, da dieser den beträchtlichen Mietpreis für ein halbes Jahr im voraus bezahlt hätte.
Das klang alles recht solide, und der Makler geriet in beträchtliche Aufregung, dass das Haus möglicherweise zum Schauplatz eines Verbrechens geworden sein könnte.
Spuren eines Kampfes hatte man allerdings nicht gefunden, und so musste man abwarten, dass dieser Fabian Vanmeren in Erscheinung trat.
Dr. Daniel Norden sollte ihn am Nachmittag dieses Tages kennenlernen. Als Loni ihm meldete, dass Herr Vanmeren ihn dringendst zu sprechen wünsche, ließ er ausnahmsweise andere Patienten warten.
Fabian Vanmeren, ein Mann Anfang dreißig von ausgesprochen romantischem Typ, etwa ein Meter achtzig groß, blauschwarzes Haar, dunkelbraune Augen, in einem schmalen, interessanten Gesicht, wirkte aufgeregt. Man hätte ihn eher als Künstler einschätzen können, nicht als cleveren Geschäftsmann, der er als Manager ja sein musste.
Er sprach außerordentlich gewählt, wenngleich seine Stimme ihm nicht recht gehorchen wollte.
»Man sagte mir, dass Sie heute Nacht einen Notruf von meiner Frau bekommen hätten, Herr Dr. Norden«, begann er leise. »Ich kann mir das nicht erklären. Meine Frau befand sich gestern noch in Straßburg. Ich habe mit ihr telefoniert. Meine Frau hätte gar nicht reisen können, da sie täglich mit der Geburt unseres Kindes rechnen müsste.«
»Und haben Sie heute wieder mit ihr telefoniert, nachdem Sie von dem seltsamen Zwischenfall erfuhren?«, fragte Dr. Norden nachdenklich.
»Ich habe es versucht, mehrmals versucht. Ich konnte sie nicht erreichen, auch meine Schwägerin nicht. Sie werden sich denken können, dass ich sehr bestürzt und besorgt bin. Ich habe keine Erklärung für den nächtlichen Notruf. Nein, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass meine Frau hier gewesen sein soll, in diesem Haus. Ich wollte es erst wohnlich einrichten, bevor ich sie mit dem Baby hole.«
»Hatte Ihre Frau denn Schlüssel zu dem Haus?«, fragte Daniel.
»Das musste ich auch schon auf der Polizei verneinen. Allerdings besitzt Frau Schramm, eine Freundin meiner Frau, die in München wohnt, Schlüssel. Sie hatte uns freundlicherweise angeboten, sich um das Haus zu kümmern. Ich will Sie nicht mit Nebensächlichkeiten aufhalten, Herr Dr. Norden. Ich wollte Sie nur fragen, ob meine Frau sich möglicherweise schon am gestrigen Tag an Sie gewandt hat.«
»Nein, nach Mitternacht kam der Anruf, und die Anruferin nannte den Namen Vanmeren. Ich kannte das Haus und die früheren Bewohner. Ich war schnell dort, aber Sie haben sicher schon auf der Polizei erfahren, was ich vorfand.«
»Es ist unbegreiflich. Das Blut wurde analysiert. Es ist eine andere Blutgruppe als die meiner Frau. Aber ich sehe, dass auch Sie mir nicht weiterhelfen können.«
»Es tut mir leid, Herr Vanmeren, ich kann verstehen, dass Sie beunruhigt sind«, sagte Dr. Norden. »Es ist eine sehr mysteriöse Angelegenheit, aber sicher werden Sie bald Nachricht von Ihrer Frau bekommen. Vielleicht kann Ihnen die Freundin Ihrer Frau mehr sagen als ich.«
»Das ist eben das Unglück, ich kann auch Frau Schramm nicht erreichen.«
Das alles ist mehr als mysteriös, dachte Dr. Norden, als sich Vanmeren verabschiedet hatte. Ob der Mann vielleicht log? Eigentlich machte er einen sympathischen Eindruck, aber auch solcher täuschte manchmal. Doch warum sollte er lügen?
*
Ja, warum sollte Fabian Vanmeren lügen? Das fragte man sich auf der Polizei auch. Aber dieses Geschehen sollte noch viel rätselhafter werden.
Nachdem Fabian noch mehrmals versucht hatte, seine Frau telefonisch zu erreichen und niemand sich meldete, entschloss er sich, nach Straßburg zu fahren. Das allerdings wurde von der Polizei verhindert, denn indessen hatte man dort einen Anruf bekommen, dass Fabian Vanmeren seine Frau beseitigt hätte. Die Anruferin war wieder eine Frau und sie erklärte, die Schwester von Denise Vanmeren zu sein, Susan Marchand. Sie würde nach München kommen, hatte sie auch gesagt.
Fabian Vanmeren war wie versteinert, als ihm dies vorgehalten wurde.
»Aber das ist unmöglich«, sagte er fassungslos. »Susan kann das doch nicht sagen, sie weiß, wie sehr ich meine Frau liebe. Wenn jemand Denise etwas zuleide getan hat … O nein, daran will ich nicht denken, das darf nicht sein. Warum auch? Wir haben keine Feinde, meine Frau schon gar nicht. Ich muss meine Frau finden, ich muss mit Susan sprechen, und auch mit Esther. Sie können mich doch nicht festhalten und mich zur Untätigkeit verdammen.«
»Wir werden Ihre Frau finden, wenn sie noch lebt«, wurde ihm gesagt.
»Wenn sie noch lebt«, murmelte Fabian mit erstickter Stimme, »oh, hätte ich sie doch nicht allein gelassen!«
Was war dieser Fabian Vanmeren für ein Mann, wo hatte er sich in den letzten Tagen aufgehalten, wie war diese Ehe wirklich, diese und noch viele andere Fragen mussten geklärt werden.
Über sich selbst berichtete Fabian, dass er in Brüssel geboren sei, als Sohn eines flämischen Großkaufmannes, der vor zwei Jahren verstorben sei. Seine Mutter lebte seitdem in Salzburg, woher sie auch stammte.
Er war mehrsprachig aufgewachsen, hatte in Paris und London studiert und sehr bald eine leitende Stellung bekommen.
Das wurde nachgeprüft und bestätigt, und man stellte ihm das beste Zeugnis aus.
Fabian Vanmeren hatte einen drei Jahre älteren Bruder, der Filmautor war. Vicco Vanmeren war verheiratet und lebte in Salzburg. Es konnte keinen Zweifel geben, dass das Familienleben der Vanmerens intakt war, denn am Abend dieses Tages war die ganze Familie in München, und auch Fabians Freund und Kollege Jonas Doorn kam aus Brüssel. Nur von Denise und ihrer Schwester Susan hatte man keine Spur gefunden. Es konnte aber keinen Zweifel mehr geben, dass Fabian mit dem Verschwinden seiner Frau nichts zu tun haben konnte.
Er war am Morgen, aus London kommend, in München eingetroffen und hatte für die zurückliegenden drei Tage genügend Zeugen, dass er London auch nicht für kurze Zeit verlassen hatte.
Gina Vanmeren, die Mutter von Fabian und Vicco, erlitt durch die Aufregungen einen Schwächeanfall, und so wurde Dr. Norden, der der einzige Arzt war, den man kannte, wieder in dieses Haus gerufen. Unheimlich konnte man es wahrhaftig nicht nennen, da nun Leben und Betriebsamkeit darin herrschte. Es war sehr großzügig gebaut, mit hellen großen Räumen, und von den Blutstropfen sah man nichts mehr.
Gina Vanmeren bekam eine Beruhigungsspritze. Sie machte einen apathischen Eindruck, war aber trotz ihrer sechzig Jahre noch eine attraktive Frau.
Zum ersten Mal sah Dr. Norden Fotos von Denise. Er sah ein Gesicht von ungewöhnlicher Ausdruckskraft und Anmut.
»Glauben Sie etwa, dass mein Sohn dieser bezaubernden Frau etwas antun konnte?«, fragte Gina mit zitternder Stimme. »Er liebt sie abgöttisch. Sie haben sich doch so auf das Baby gefreut. So entsetzlich alles ist, es muss etwas geschehen sein, sonst hätten wir längst Nachricht von Denise. Was war das für eine Stimme am Telefon?«, fragte sie dann.
»Ich weiß es nicht. Meine Frau war am Apparat, und sie sagt, dass die Stimme leise und aufgeregt klang. Da uns die Stimme Ihrer Schwiegertochter nicht bekannt ist, haben wir auch keine Vergleichsmöglichkeit. Glauben Sie mir, ich würde Ihnen sehr gern helfen, gnädige Frau.«
Im Wohnraum saßen die anderen beisammen. Jonas Doorn war am ruhigsten. Er war ein blonder Hüne, energisch und nüchtern.
»Wir müssen alles Punkt für Punkt überlegen«, sagte er, »und du, Vicco, wirst dein Autorenhirn anstrengen. Im Kombinieren bist du doch ganz groß, und logisch denken kannst du auch.«
»Was nützt das, wenn Denise verschwunden ist«, flüsterte Viccos Frau Diana unter Tränen. »Wir sollten lieber in Straßburg nachforschen.«
»Dort wird nachgeforscht. Und alle Krankenhäuser in der Umgebung werden abgegrast«, sagte Jonas. »Jetzt sei mal ganz ehrlich, Fabian. Hattet ihr Meinungsverschiedenheiten?«
»Aber nein, allerdings war Denise beim letzten Gespräch sehr eigenartig, irgendwie bedrückt. Vielleicht hatte es zwischen ihr und Susan etwas gegeben. Susan hatte mir doch versprochen, bei ihr zu bleiben.«
»Und sie ruft hier an und erklärt, du hättest Denise aus dem Wege geräumt.«
»Das ist mir eben unerklärlich. Warum ist sie denn nicht schon gekommen, wie sie es angekündigt hat? Da muss etwas anderes dahinterstecken«, warf Fabian ein. Und da läutete es. Fabian stürzte zur Tür. Vor ihm stand Esther Schramm, eine rassige schwarzhaarige Frau mit deutlich slawischem Einschlag.
»Na, da seid ihr ja schon«, sagte sie, Fabian überschwänglich umarmend. »Und wie die Autos verraten, sind die Salzburger zur Begrüßung gekommen. Ich wollte nur mal vorbeischauen, ob alles in Ordnung ist und wie es Denise geht.«
Fabian starrte sie stumm an. »Was ist los«, fragte Esther, »warum siehst du mich so an?«
»Warst du gestern hier?«, fragte er rau.
»Gestern? Nein, ich musste doch ein paar Tage verreisen. Ich wäre noch länger geblieben, wenn ich nicht wüsste, dass ihr heute hier sein solltet.«
»Denise ist nicht hier. Sie ist verschwunden«, stieß er hervor. »Wann hast du zuletzt von ihr gehört, Esther?«
»Jagt mir doch nicht solchen Schrecken ein«, murmelte sie. »Stimmt das, was du eben sagtest?«
»Damit scherze ich nicht. Komm herein. Vielleicht kannst du uns weiterhelfen.«
»Ich wüsste nicht wie«, murmelte sie. »Ich bin fassungslos.«
Viccos Gesicht wurde zur steinernen Maske, als Esther eintrat, und Diana setzte eine abweisende Miene auf.
»Ich bin völlig konsterniert«, flüsterte Esther. »Erklärt mir bitte, was geschehen ist.«
Diana war aufgestanden. »Ich gehe zu Mama«, sagte sie leise. »Dr. Norden wird wohl nicht länger bleiben können.«
»Dr. Norden«, fragte Esther hastig, »was ist denn?«
»Mama hatte einen Schwächeanfall. Sie hat sich sehr aufgeregt, verständlicherweise«, sagte Fabian dumpf.
»Kennst du ihn, Esther?«, fragte Vicco.
»Nein, nicht persönlich. Ich weiß nur, dass er hier ein bekannter Arzt ist. Gut, dass ihr gleich an ihn geraten seid«, erwiderte sie. »Aber nun möchte ich gern wissen, was mit Denise ist.«
»Wenn wir das nur wüssten«, sagte Fabian heiser. »Wann warst du zum letzten Mal hier im Haus, Esther?«
»Als die Möbel gebracht wurden. Auch das Telefon wurde an diesem Tage angeschlossen. Es war am Donnerstag. Ich musste dann nach Hamburg fahren zu Aufnahmen. Ich war sehr froh, dass hier alles in Ordnung war.«
»Und die Schlüssel hast du nicht aus der Hand gegeben?«, fragte Vicco.
»Na, hör mal«, brauste sie auf, »hier sind sie.«
»Entschuldige, Esther, so hat es Vicco nicht gemeint«, sagte Fabian. Dann berichtete er, was in der Nacht zuvor geschehen war.
Sie hatte den Kopf in die Hand gestützt, das dichte Haar fiel über ihr Gesicht, die Augen hatte sie geschlossen.
»Es könnten doch einfach Einbrecher gewesen sein, die überrascht wurden«, sagte sie.
»Und dann Dr. Norden anriefen?«
»Merkwürdig ist das schon. Vielleicht waren es Jugendliche. Es passiert ja so viel. Es könnte sich einer verletzt haben, daher die Blutspuren. Es sah vielleicht schlimmer aus, als es war, und dann haben sie es mit der Angst bekommen und sind doch getürmt, bevor der Arzt eintraf.«
»Und wieso ist Denise verschwunden?«, fragte Jonas. »Weißt du dafür auch eine Erklärung?«
»Nein, dafür nicht. Geht mit entsetzlich nahe. Wieso sitzt ihr hier eigentlich herum, und niemand sucht von Straßburg aus nach ihr?«
»Das besorgt die Polizei«, sagte Vicco. »Susan hat Fabian beschuldigt, Denise beseitigt zu haben?«
»Susan?«, wiederholte Esther gedehnt. »Das ist doch absurd.«
»Alles ist absurd«, sagte Fabian tonlos. »Es gibt nicht die geringste Erklärung für dieses Geschehen.«
»Und auch in Straßburg hat man keine Spur gefunden?«, fragte Esther.
»Bisher nicht.«
»Das ist allerdings sehr merkwürdig«, sagte Esther. In ihren grünen Augen glomm Furcht.
Diana kam zurück. »Dr. Norden ist gegangen«, sagte sie leise. »Mama schläft. Ich werde heute Nacht in ihrem Zimmer schlafen. Ihr habt nichts dagegen, wenn ich mich zurückziehe?«
Vicco sprang auf und begleitete sie hinaus. Sie hatte Esther nicht die Hand gegeben zum Abschied.
»Ich kann sie nicht ertragen, Vicco«, sagte sie leise zu ihrem Mann.
Er nahm sie in den Arm. »Du hast keinen Grund zur Eifersucht, Liebling. Ich kann sie auch nicht ertragen. Sie ist nun mal Denises Freundin.«
»Und das verstehe ich überhaupt nicht«, sagte Diana leise.
*
Esther ging nach elf Uhr. Fabian begleitete sie zur Tür.
»Du wirst mich auf dem Laufenden halten, Fabian«, sagte sie. »Ich möchte nicht mehr hier aufkreuzen, solange Vicco hier ist. Seine Frau hat etwas gegen mich. Sie scheint kleinlich zu sein. Du liebe Güte, unsere Romanze ist doch längst vergessen. Ich bin nicht so spießig.«
»Ich rufe dich an«, versprach Fabian. »Danke für alles, was du bisher für uns getan hast.«
»Reden wir doch nicht davon. Ich habe Angst, Fabian. Das Haus ist mir unheimlich.«
Ihm erging es ähnlich, aber er nahm sich jetzt zusammen.
»Jetzt kann ich wieder atmen«, sagte Vicco, als Fabian in den Wohnraum zurückkehrte.
Fabian warf ihm einen forschenden Blick zu. »Für Esther ist eure Romanze erledigt«, sagte er heiser.
»Romanze? Es war nur eine Affäre, und mich muss der Teufel geritten haben, mich mit diesem Weib einzulassen. Ich verstehe nicht, wie eine Frau wie Denise mit ihr befreundet sein kann.«
»Wenn du so denkst, verstehe ich auch nicht, wieso du dich mit ihr einlassen konntest«, warf ihm Fabian gereizt vor.
»Heute verstehe ich es auch nicht mehr«, sagte Vicco, »aber kehren wir zu wichtigeren Dingen zurück. Fahren wir da fort, wo wir aufgehört haben.«
»Wo haben wir aufgehört?«, fragte Fabian müde. »Bei deinem letzten Telefongespräch mit Denise. Wann hast du sie angerufen?«
»Vormittags. Es wird gegen elf Uhr gewesen sein.«
»Und Denise machte einen deprimierten Eindruck?«, fragte Vicco.
»So empfand ich es. Dann wurde das Gespräch auch unterbrochen.«
»Und es hat keine Differenzen zwischen euch gegeben?«, fragte Vicco drängend.
»Vor drei Wochen mal wieder ein Eifersuchtsanfall von mir, weil Maurice ihr Blumen schickte. ›Seiner unvergessenen Denise‹, stand auf der Karte. Da war ich sauer. Aber Denise hat darüber gelacht.«
»Und sie war nicht böse, dass du so kurz vor der Geburt weggefahren bist?«
»Sie wusste doch, dass es sein musste. Außerdem wollte Susan bei ihr bleiben.«