Im Land Gottes - Joan Didion - E-Book

Im Land Gottes E-Book

Joan Didion

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Beschreibung

Zur US-Wahl 2024: Amerikanische Gesellschaftsgeschichte erzählt von einer wichtigsten Stimme der USA.  Im Wahljahr 2024 richtet sich der Blick der Weltöffentlichkeit auf die USA. Wie ist die Supermacht zu dem geworden, was sie heute ist? In sieben brillanten Reportagen entwirft Joan Didion ein präzises Bild der Entwicklung der amerikanischen Demokratie zwischen 1988 und 2000. Ausgehend von ihren persönlichen Beobachtungen unmittelbar nach den Anschlägen auf das World Trade Center, dringt ihr messerscharfer Blick durch die Fassade der US-Demokratie, bis zum inneren Terror der Siebzigerjahre. Faktenreich berichtete sie aus den Zentren der Macht und erforscht die Verquickung von Religion und Politik innerhalb der konservativen Eliten. 

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Im Land Gottes

Joan Didion, geboren 1934 in Sacramento, Kalifornien, arbeitete als Journalistin für verschiedene amerikanische Zeitungen und war Mitherausgeberin der Vogue. Sie gilt als eine der wichtigsten Stimmen der amerikanischen Literatur, die mit ihren fünf Romanen und zahlreichen Essaybänden das intellektuelle Leben der USA entscheidend prägte. Joan Didion verstarb im Dezember 2021.In unserem Hause sind von Joan Didion bereits erschienen:Blaue Stunden · Das Jahr magischen Denkens · Menschen am Fluss · Wir erzählen uns Geschichten, um zu leben · Sentimentale Reisen · Süden und Westen · Woher ich kam · Das Letzte, was er wollte · Was ich meine · Slouching Towards Bethlehem · Das weiße Album · Play It As It Lays · Wie die Vögel unter dem Himmel · Demokratie

»Eine der scharfsichtigsten Beobachterinnen Amerikas.« FAZIm Wahljahr 2024 richtet sich der Blick der Weltöffentlichkeit auf die USA. Wie ist die Supermacht zu dem geworden, was sie heute ist? In sieben brillanten Reportagen entwirft Joan Didion ein präzises Bild der Entwicklung der amerikanischen Demokratie zwischen 1988 und 2000. Ausgehend von ihren persönlichen Beobachtungen unmittelbar nach den Anschlägen auf das World Trade Center dringt ihr messerscharfer Blick durch die Fassade der US-Demokratie, bis zum inneren Terror der Siebzigerjahre. Faktenreich berichtete sie aus den Zentren der Macht und erforscht die Verquickung von Religion und Politik innerhalb der konservativen Eliten. Neu rausgegeben und mit einem Vorwort von Antje Rávik Strubel versehen, vereint der vorliegende Band sieben fulminante Essays, darunter Im Reich des Fischerkönigs, Newt Gingrich, Superstar und das titelgebende Im Land Gottes. Amerikanische Gesellschaftsgeschichte erzählt von der wichtigsten weiblichen Stimme der USA.

Joan Didion

Im Land Gottes

Wie Amerika wurde, was es heute ist

Aus dem Amerikanischen von Sabine Hedinger und Mary Fran Gilbert

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:www.ullstein.de

»Starre Positionen oder der Angelpunkt der Geschichte« ist entnommen aus: Vintage Didion, © 2004 by Joan Didion; »Im Land Gottes«, »Clintons Gegenspieler oder hohe Einsätze und heiliger Eifer«, »Newt Gingrich, Superstar« sind entnommen aus: Political Fictions, © 2001 by Joan Didion; »Im Reich des Fischerkönigs«, »Shooters Inc.«, »Golden Girl aus dem Goldenen Westen« sind entnommen aus: After Henry, © 1992 by Joan Didion. Alle Rechte vorbehalten. Sabine Hedinger übersetzte »Starre Positionen oder der Angelpunkt der Geschichte«, »Im Land Gottes«, »Clintons Gegenspieler oder hohe Einsätze und heiliger Eifer«, »Newt Gingrich, Superstar«; alle anderen Texte sind Gemeinschaftsübersetzungen von Sabine Hedinger und Mary Fran Gilbert.

 

Neuausgabe im Ullstein Taschenbuch1. Auflage August 2024© der deutschsprachigen Neuausgabe in dieser Zusammenstellung Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2008/List Verlag© 2006 by Tropen Verlag GmbH, BerlinAlle Rechte an der Übertragung ins Deutsche bei Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek 1995.Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.Umschlaggestaltung: Sabine Wimmer, BerlinTitelabbildung: Ted Streshinsky Photographic Archive © Kontributor / Getty ImagesAutorinfoto: © Brigitte Lacombe

E-Book-Konvertierung powered by PepyrusAlle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-8437-3202-4

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Inhalt

Titelei

Das Buch

Titelseite

Impressum

 

Vibrierende Klingen

Joan DidionIm Land Gottes

Starre Positionen oder der Angelpunkt der Geschichte

Im Land Gottes

Clintons Gegenspieler oder hohe Einsätze und heiliger Eifer

Newt Gingrich, Superstar

Im Reich des Fischerkönigs

Shooters Inc.

Golden Girl aus dem goldenen Westen

Übersetzung

Anhang

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Vibrierende Klingen

Vibrierende Klingen

Ein Vorwort von Antje Rávic Strubel

»Ich sage euch nicht, macht die Welt besser. Ich glaube, Fortschritt ist nicht Teil der Abmachung. Ich sage euch nur, lebt in ihr. [ …] Und wenn ihr mich fragt, warum man sich damit herumschlagen soll, würde ich euch sagen, dass das Grab ein guter und entlegener Ort ist, aber niemand, glaube ich, wird dort umarmt. Sie singen dort auch nicht oder schreiben oder diskutieren oder sehen die Flutwellen des Amazonas aufschlagen oder berühren ihre Kinder. Das alles aber gibt es hier zu tun, und macht es, solange ihr könnt, und viel Glück damit.«

Diese Empfehlungen gab Joan Didion den Absolventinnen und Absolventen der University of California in Los Angeles im Jahre 1975 mit auf den Weg. Sie hatten das Glück, die Schriftstellerin anlässlich ihrer Studienabschlussfeier persönlich reden zu hören.

Ich entdeckte Joan Didion 2001, nach Abschluss meines eigenen Studiums. In einem Berliner Antiquariat fand ich einen Roman mit dem Titel »Demokratie«. Der Schutzumschlag war verloren gegangen, sodass ich keine Anhaltspunkte zum Inhalt hatte oder zur Autorin. Allein der Titel zog mich magisch an. Demokratie. So groß. So schlicht. So alles und nichts.

Der Roman begann mit einem Sonnenuntergang über Atollen im Pazifik, auf denen soeben Nukleartests stattgefunden hatten. Er begann mit einer erzählerischen Schärfe, die mich umwarf.

Ich kaufte das Buch.

Als ich es ausgelesen hatte, verstand ich Folgendes: Didion erklärt uns nicht, was wir denken sollen. Sie erklärt nichts, schon gar nicht Gefühle. Didion zeigt sie. Offenbart sie. Seziert sie. Didion wirft Messer. Ihre Sätze zischen durch die Luft. Treffsicher landen sie im Holz, mit vibrierenden Klingen. Am Ende ergibt sich eine Form. Ein menschlicher Umriss. Didion zu lesen kommt dem Gefühl gleich, am Holzbrett einer Messerwerferin zu stehen.

Joan Didion wuchs am westlichsten Ende der westlichen Welt auf, in der lichtverwehten Landschaft Kaliforniens. Geboren 1934 in Sacramento, einer alten Goldgräberstadt zwischen Obstplantagen und Sacramento-River, als Nachfahrin der ersten weißen Siedler, die seit den 1850er-Jahren die Sierra Nevada überquerten und die Westküste besiedelten, schrieb sich Joan Didion ab den 1960er-Jahren tief ins kulturelle amerikanische Gedächtnis ein. Als eine der ersten Intellektuellen widmete sie sich dem mit der Counterculture der Westküste entspringenden Wertewandel innerhalb der amerikanischen Gesellschaft, beginnend bei den Blumenkindern von San Francisco, über die »Black Power«-Bewegung, die Studentenunruhen, die Frauenbewegung bis hin zu den Vietnamprotesten. Mit dem Einzug Ronald Reagans ins Weiße Haus beobachtete sie das Aufkommen einer neuen rechten Strömung, sah bereits in den 1980er-Jahren die Polarisierung der Gesellschaft, ihre Manipulation durch Populisten vorher, die mit Trump ihren bisherigen Höhepunkt erreichten. In gesellschaftskritischen und sprachskeptischen Essays sezierte sie mit spitzer Feder und präziser Schärfe Wahlkämpfe der Republikaner und Demokraten, die wachsende Korrumpierbarkeit amerikanischer Politik, immer wieder den amerikanischen Traum, auch am Beispiel Hollywoods, und zweifelte 1991 in einem großen Artikel über den sogenannten Central Park Jogger Case in der New York Times Book Review die Rechtmäßigkeit der Verurteilung von fünf latein- und afroamerikanischen Jugendlichen an, was zur Aufdeckung des größten Justizskandals der jüngeren US-Geschichte beitrug und eine breite Rassismusdebatte auslöste.

Sie selbst gehörte zu den Wohlhabenden der kalifornischen Gesellschaft, deren hohe Jaguar-Dichte mit der Zahnlosigkeit der Parkplatzwächter kontrastiert, deren teure Architektenhäuser in den reichen Vierteln L. A.s und Trailer und Wellblechbuden an der Peripherie hart aufeinanderprallen und der rote Teppich des Oscar-gesättigten Hollywoods vor den Füßen der in Kartoffelsäcke gehüllten Obdachlosen endet. Widersprüche, harte Brüche, Gegensätze zogen sie zeitlebens an. Ihre Hochzeit beispielsweise fand in derselben Kirche statt – in San Juan Bautista –, in der wenig später Kim Novak in Vertigo vom Glockenturm fiel. Während in der nahe gelegenen Sierra Nevada Atomwaffen getestet wurden. Immer wieder porträtierte Didion auch die Landschaft, die wüste Leere rings um L. A., mit ihrem wehenden Licht, den atemberaubend schnellen Wechseln der Vegetation, den drohenden Feuern und Erdbeben, gefährlichen Winden und den Kojoten, die zuweilen die Villenviertel der Stadt unsicher machen, als markierten sie die Grenzen der Zivilisation, als zeugten sie von einer Zeit, in der die Natur jede Spur menschlichen Lebens längst überformt hat.

Das ist Didions »goldenes Land, in dem die Zukunft immer gut aussieht, weil sich niemand an die Vergangenheit erinnert«, wie sie einmal schrieb. Der letzte Ort für jene, die alles zurückgelassen haben, um der Utopie von einem besseren Leben nachzujagen. Was brüchige Biografien hervorbringt. Minderwertigkeitskomplexe und Selbstüberschätzung. Bestechung, Depression und Gewalt. Ein Leben mit zweierlei Maß. Doppelte Böden. Eine formelhafte Sprache. Selbstbetrug.

Didion kennt sich aus mit der upper class und ihren Floskeln. Sie kennt die Partys der Snobs in Malibu und Beverly Hills, den Glamour der Filmwelt und den Umgangston von Senatoren und Präsidentschaftsanwärtern, sie kennt die Feinheiten der Mode aus ihrer Zeit bei Vogue, denn auch an der Ostküste hat sie lange gelebt, eine Zeit pendelte sie zwischen Malibu und New York. Ihr Insiderwissen, ihr Blick aufs Detail machte sie sich als unkorrumpierbare Kritikerin zunutze; eine Kritik, deren stilistisches Anliegen Präzision und Eleganz ist. Nur darf man sich nicht täuschen. Didion ist keine Autorin, die auf die Barrikaden geht. Der große öffentliche Auftritt, die Polemik, die Rolle der moralischen Aufklärerin sind ihre Sache nicht. Sie ist eine Wirklichkeitsseziererin. Ihr Anti-Illusionismus macht dem Vertrauen darauf, dass die Welt sich bessert, keine Zugeständnisse. Sie erschüttert das Fundament und lässt uns zurück inmitten eingestürzter Bauten. Sie ist die skeptische Beobachterin, die aufmerksame, empfindliche Zuhörerin und dabei von so kleiner, fragiler Gestalt, dass die Leute ihre Anwesenheit vergessen, wie sie im Vorwort ihres Essaybandes »Slouching Towards Bethlehem« schreibt:

»Mein einziger Vorteil als Journalistin besteht darin, dass ich von so kleiner Statur bin, so unscheinbar und auf so neurotische Weise um Worte verlegen, dass die Leute anfangen zu vergessen, dass meine Anwesenheit ihren Interessen schaden könnte. Und sie schadet immer. Denn eines sollte man niemals vergessen: Schriftsteller liefern immer jemanden ans Messer.«

Demokratie, der Titel ihres vierten Romans, verrät viel über ihr Schreiben. Er verrät ihr Interesse an den Mustern, die eine Gesellschaft wie die amerikanische den Lebensläufen einprägt. Es verrät ihr Interesse an den Gelenken dieser Gesellschaft, an den Stellen, an denen es knirscht, wo die Verwachsungen und Risse deutlich werden, wo Psychogramme entstehen, die leicht als persönliches Schicksal missinterpretiert und in die eigene Verantwortung abgeschoben werden, als Ergebnis dieses strapaziertesten aller amerikanischen Stoßgebete: Vom Tellerwäscher zum Millionär.

Der Titel verrät auch etwas über Didions Nähe zum New Journalism, eine Schreibweise, bei der Fakten mithilfe literarischer Techniken erzählerisch präsentiert werden und der Standpunkt der Autorin offenkundig ist. Ihre Romane sind so geschickt konstruiert, dass die Trennlinie zwischen Fakt und Fiktion verschwimmt. Ihre Erzählerinnen sind distanzierte Berichterstatterinnen, die sich mehr und mehr in ihr Thema verstricken. Die Bücher sind die Ergebnisse dieser (fiktionalen) Recherchen. Galt Truman Capotes Buch Kaltblütig noch als erster nicht fiktionaler Roman, dreht Didion das Ganze um: Ihre Bücher sind Reportagen über Romane. Sie erfindet den Stoff, indem sie ihn mit journalistischem Handwerkszeug zerlegt. Denn für Didion ist die Wirklichkeit nichts anderes als Narration. Indem sie erzählt, als handele es sich um eine Recherche, führt sie die Wirklichkeit als Erfindung vor.

Didion begann selbst als Journalistin, sie schrieb Essays zur Hippie- und Frauenbewegung, sie schrieb Buch- und Filmrezensionen, später auch Drehbücher, sie schrieb Porträts von Westküstenikonen wie Georgia O’Keeffe und John Wayne und demontierte Doris Lessing.

Ihre Texte sind beherrscht von dem, was ausgespart wird. Mit zwei, drei Sätzen entwirft sie eindringliche Szenen, im knappsten Dialog gewinnt sie die Essenz der Figur.

Oft stehen Frauen im Mittelpunkt, ihre Suche, ihr existenzielles Ringen um Integrität, um eine aufrechte Haltung in einer zerfasernden Welt, die sich als illusorisch, als selbstbetrügerisch herausstellt. Es sind Selbstbetrügerinnen, die um ihren Betrug wissen.

Einem Buch über die Gattin eines Senators zur Zeit des Vietnamkriegs, deren Vater ein Mörder, deren Geliebter ein Waffenhändler ist, in den Schattenräumen amerikanischer Politik den Titel »Demokratie« zu verleihen verrät vor allem eins: Didions desillusionierten Standpunkt. Einen solchen Roman virtuos auf den Grenzen zwischen Farce, romantischer Liebesgeschichte und Tragödie anzusiedeln, verrät ihre schriftstellerische Größe. Ein Kritiker schrieb über sie: »Didion kann mit einem einzigen Satz eine ganze Gesellschaft zum Einstürzen bringen.«

Didion geht nicht davon aus, dass etwas ist, wie es scheint. Sie fragt danach, wie es ist. Wie es wurde, was es ist. Gefühliges spart sie aus. Vielleicht gelingen ihr gerade deshalb so anrührende Szenen. Anschaulich werden die Muster, in denen wir Menschen uns bewegen. Gefühle sind das Resultat solcher Muster, Gewebe aus Konventionen, Verhaltenskodizes, aus Ideologie und Moral. All das lagert sich in der Sprache ab, all das legt Didion frei, und auf diese Weise ist die Sprache ihr wesentlicher Gegenstand.

Sie misstraut ihr.

Über die Sprache entlarvt sie das, was man das Verrückte am Normalen nennen könnte: die vorbehaltlose Hingabe an die schönen Lügen, aus denen unser Alltag gestrickt ist.

»Als Autorin, lange bevor überhaupt etwas von mir veröffentlicht wurde, entwickelte ich ein Gefühl dafür, dass die eigentliche Bedeutung schon im Rhythmus der Worte und Sätze und Abschnitte angelegt ist; eine Technik, um genau das zu verschweigen, was sich, wie ich vermutete, hinter einer immer undurchdringlicheren Fassade befand«, schreibt sie in Das Jahr magischen Denkens.

Ihrer Poesie der Reduktion liegt eine entscheidende Erkenntnis zugrunde: Das wenige, was wir haben, muss sehr bewusst untergebracht werden.

Und doch ist Didion immer auch eine politische Autorin gewesen. In ihren gesellschafts- und kulturkritischen Essays der Sechziger- und Siebzigerjahre beschreibt sie eine Gesellschaft, die den Verlust ihres Wertekanons beklagt. Das brachte ihr den Ruf ein, liberal-konservativ zu sein. Oder auch konservativ im wörtlichen Sinne. Sie konserviere, hieß es, was sich im Verschwinden befinde. Wandelbarkeit und Verlust seien ihre Themen. Das Verschwinden eines provinziellen Kaliforniens, die Zersetzung einer bürgerlichen Idee von Kindheit und städtischem Leben, der Verlust von Männlichkeitsidealen. Sie selbst formulierte es in einem Interview in dem New York Review of Books einmal so: »Ich halte politisches Schreiben für einen in vielerlei Hinsicht sinnlosen Akt. Man ist verpflichtet, Dinge zu tun, die man für sinnlos hält. Es ist wie Leben.«

Die letztliche Sinnlosigkeit, die Didion hier anspricht, rührt aus der Vergänglichkeit, dem Vergehen, dem Sterben. Als Autorin denkt sie die Dinge oft von ihrem Ende her. Das absehbare Ende verleiht ihnen eine Konsequenz, die geradezu dazu zwingt, sie angstfrei und rücksichtslos von allen Seiten immer wieder neu zu betrachten. Eine doppelte Bewegung in ihren Texten zeugt davon: Die Essays machen den Gedanken der Vergänglichkeit, den sie aufwerfen, gleichzeitig erträglich. Und sie zeigen, wie angesichts einer letztlichen Sinnlosigkeit gerade die Offenlegung eines unsauberen Denkens zur moralischen Pflicht wird.

Ihr unsentimentaler Blick richtet sich auf die Perversion politischer Ideale, auf ein Denken, das sich in Modellen erschöpft, das an Wahrheit glaubt, wo höchstens Wahrscheinlichkeiten zu haben sind. Sie widersetzt sich dem Impuls, einer falschen Logik zu folgen, nur weil sie uns beruhigt. Ihr widerstreben kollektive Phantasmen, in denen sich Ereignisse verflüchtigen.

Ende der Siebzigerjahre wendete sie sich verstärkt diesem »sinnlosen Akt« zu. Sie begann, explizit über politische Ereignisse zu berichten. Ein Feld, in das zur Zeit des Vietnamkriegs, als sie als Kolumnistin anfing, noch ausschließlich »die Jungs« geschickt wurden. Sie schrieb über die Kontras im Iran, die Todesschwadronen in El Salvador und über Miami, diese vom Kalten Krieg surreal aufgeraute Stadt in der Nähe zu Kuba.

Ihre Blickrichtung hatte sich geändert. Wo sie früher kulturelle Strömungen und Brüche in der Gesellschaft analysiert hatte, diagnostizierte sie jetzt Schwächen und Anfälligkeiten der Politik. Rechter wie linker Politik, wobei die Linke, wie sie einmal sagte, »nie so weit gediehen ist, politische Wirkung zu erzielen«. Ihr Stil wurde knapper, weniger erzählerisch, ihre Schärfe behielt sie bei.

Und wieder ging sie vom Sprachlichen aus. Auch in den Essays im vorliegenden Band gilt ihr Gehör und Gespür den brüchigen Sätzen, den schlecht kaschierten Lügen, den gezielten Wiederholungen, mit deren Hilfe politische Ereignisse zu Erzählungen marginalisiert und so handlich gemacht werden für den Dienst an der Macht.