In den Tiefen des Meeres - Arthur C. Clarke - E-Book

In den Tiefen des Meeres E-Book

Arthur C. Clarke

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Beschreibung

Eine zweite Chance

Walter Franklin flog einst Raumschiffe von der Erde zur Marskolonie und zurück. Doch nach einem schrecklichen Unfall im All leidet er an Angstzuständen und kann nicht mehr fliegen. Er sitzt auf der Erde fest; seine Familie lebt auf dem Mars und würde wegen der geringeren Schwerkraft auf der Heimatwelt der Menschen nicht überleben. Franklins Therapeut rät dem ehemaligen Flieger, sich zum „Walboy“ ausbilden zu lassen. Diese Spezialisten schützen die gigantischen Meeressäuger vor Raubfischen, aber auch vor Wilderern. In seinem neuen Job lernt Franklin auch die Wissenschaftlerin Indira kennen, in die er sich verliebt. Aber nach wie vor nagt diese unerträgliche Angst an ihm, die er vielleicht niemals überwinden können wird …

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ARTHUR C. CLARKE

IN DEN TIEFEN

DES MEERES

Roman

Das Buch

Walter Franklin flog einst Raumschiffe von der Erde zur Marskolonie und zurück. Doch nach einem schrecklichen Unfall im All leidet er an Angstzuständen und kann nicht mehr fliegen. Er sitzt auf der Erde fest; seine Familie lebt auf dem Mars und würde wegen der geringeren Schwerkraft auf der Heimatwelt der Menschen nicht überleben. Franklins Therapeut rät dem ehemaligen Flieger, sich zum »Walboy« ausbilden zu lassen. Diese Spezialisten schützen die gigantischen Meeressäuger vor Raubfischen, aber auch vor Wilderern. In seinem neuen Job lernt Franklin auch die Wissenschaftlerin Indira kennen, in die er sich verliebt. Aber nach wie vor nagt diese unerträgliche Angst an ihm, die er vielleicht niemals überwinden können wird …

Der Autor

Titel der Originalausgabe

THE DEEP RANGE

Aus dem Englischen von Else v. Hollander-Lossow

Überarbeitete Neuausgabe

© der Originalausgabe 1957 by Arthur C. Clarke

Copyright © 2016 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Covergestaltung: Das Illustrat

Satz: Thomas Menne

ERSTER TEIL

Der Neuling

1

In den Schutzbezirk war ein Mörder eingebrochen. Die Beobachtungsflugzeuge des südlichen Pazifik hatten gesehen, wie ein großer, in den Wellen treibender toter Wal das Meer rot färbte. Wenige Sekunden hatten genügt, um das komplexe Alarmsystem in Gang zu setzen. Von San Francisco bis Brisbane saßen Männer an den Messapparaten und zeichneten Kreise auf die Seekarten. Und Don Burley stand, sich noch den Schlaf aus den Augen reibend, über das Armaturenbrett des Patrouillen-U-Bootes gebeugt, während es zwanzig Faden in die Tiefe ging.

Er freute sich, dass dieser Alarm seinen Bezirk betraf. Es war die erste wirkliche Aufregung seit Monaten. Sogar noch beim Beobachten der Instrumente, von denen sein Leben abhing, schweifte sein Geist weit umher. Was mochte geschehen sein? Die kurze Nachricht hatte keine Einzelheiten enthalten; es war nur gemeldet worden, dass ein soeben getöteter Wal an der Meeresoberfläche liege, etwa zehn Seemeilen hinter dem Hauptschwarm, der sich noch immer in panischer Flucht nordwärts bewege. Man nahm an, dass es einigen Schwertwalen gelungen sei, durch die Sperrzäune einzudringen, die den Bezirk schützten. Wenn das zutraf, hatten Don und alle seine Kollegen eine bewegte Zeit vor sich.

Die grünen Lichter auf dem Schaltbrett waren ein Zeichen der Sicherheit. Solange sie unverändert blieben, solange keiner dieser smaragdenen Sterne in Rot überging, war mit Don und seinem kleinen Fahrzeug alles in Ordnung. Luft, Treibstoff, Kraft waren das Triumvirat, das sein Leben beherrschte. Wenn einer dieser Faktoren ausfiel, würde Don in einem stählernen Sarg in die Meerestiefe hinuntersinken, so wie es im vorigen Jahr Johnnie Tyndall ergangen war. Aber es gab keinen Grund, warum sie aussetzen sollten, und Don sagte sich zu seiner eigenen Beruhigung, dass die Unfälle, die man voraussah, niemals diejenigen waren, die wirklich eintraten.

Er beugte sich über das kleine Schaltbrett und sprach in das Mikrofon. U-5 war dem Mutterschiff noch so nahe, dass die Radioverbindung funktionierte, aber bald würde er auf Ultraschallwellen übergehen müssen.

»Kurs 255, Schnelligkeit 50 Knoten, Tiefe 20 Faden, Entfernung vom Ziel schätzungsweise 40 Minuten. Ich berichte alle zehn Minuten, bis ich angelangt bin. Das ist alles. Ende.«

Die Antwort der »Rorqual« war kaum hörbar, und Don stellte den Apparat ab. Es war Zeit, Umschau zu halten.

Er verdunkelte die Beleuchtung in der Kabine, um den Registrierschirm deutlicher sehen zu können, setzte die Polaroidbrille auf und spähte in die Tiefe hinunter. Es dauerte einige Sekunden, bis die beiden Bilder in seinem Geist verschmolzen. Dann gewann alles plastisches Leben.

Dies war der Augenblick, in dem Don sich wie ein Gott fühlte, da er einen zwanzig Meilen weiten Umkreis des Pazifik beherrschte und bis zu den großenteils noch unerforschten Tiefen 2000 Faden unter ihm hinabblicken konnte. Der langsam rotierende Strahl des unhörbaren Schalls durchforschte die Welt, in der er sich bewegte, und erspähte Freund und Feind in der ewigen Dunkelheit, die kein Licht durchdrang. Tonlose Schreie, zu hoch selbst für das Gehör der Fledermäuse, die Jahrmillionen vor den Menschen die Verständigung durch Schallwellen erfunden hatten, schwangen sich hinaus in die Meeresnacht. Schwache Echos kamen zurück, wurden aufgefangen und verstärkt und verwandelten sich in schwimmende blaugrüne Flecken auf dem Registrierschirm.

Dank seiner langen Praxis konnte Don die Botschaft mühelos lesen. Hundertfünfzig Meter unter ihm, bis zu den Grenzen seines Unterwasserhorizonts, erstreckte sich die Schicht des Lebens, die die halbe Welt bedeckte. Die Triften des Meeres hoben und senkten sich mit der Bahn der Sonne, hielten sich aber immer am Rande der Dunkelheit. Während der Nacht waren sie fast an die Oberfläche emporgestiegen, aber die Morgendämmerung trieb sie in die Tiefen zurück.

Sie bildeten für seine Schallwellen kein Hindernis. Don konnte deutlich durch ihre dünne Substanz bis zu dem Schlamm des Meeresgrundes hinuntersehen, über dem er hoch wie eine Wolke über dem Lande schwebte. Aber die äußersten Tiefen gingen ihn nichts an. Die Walherden, die er bewachte, und die Feinde, die sie verheerten, lebten in den oberen Schichten der See.

Don drehte am Schalter, und sein Schallstrahl legte sich horizontal. Die schimmernden Echos aus den Meerestiefen verschwanden, und er konnte jetzt deutlicher sehen, was ihn hier in der stratosphärischen Höhe des Ozeans umgab. Die glühende Wolke zwei Seemeilen vor ihm war ein ungewöhnlich großer Schwarm von Fischen; er fragte sich, ob sein Stützpunkt wohl darüber orientiert sei, und machte eine Eintragung in sein Logbuch. Am Rande des Schwarms standen einige größere Punkte – die Raubfische, die die Walherde verfolgten und dafür sorgten, dass das endlos sich drehende Rad von Leben und Tod niemals zum Stillstand kam.

U-5 glitt nach Westen, eine stählerne Nadel, schneller und tödlicher als irgendeine Kreatur der Meere. Die winzige Kabine, die jetzt nur von dem Geflacker der Lichter auf dem Armaturenbrett beleuchtet war, pulsierte von Kraft, während die summenden Turbinen das Wasser beiseiteschleuderten. Don blickte auf die Seekarte und stellte fest, dass er die Hälfte des Weges zu seinem Ziel schon zurückgelegt hatte. Er überlegte, ob er zur Oberfläche emporsteigen solle, um sich den toten Wal anzusehen. Aus der Art der Verletzungen konnte er vielleicht auf den Angreifer schließen. Aber das würde eine weitere Verzögerung bedeuten, und in Fällen wie diesem war Zeit wichtig.

Der Aufnahmeapparat quiekte, und Don stellte auf den Fernschreiber um. Er hatte es nie gelernt, nur mit dem Gehör ein Kodetelegramm aufzunehmen, aber der Papierstreifen, der aus dem Fernschreiber kam, ersparte ihm diese Mühe.

»Patrouillenflugzeug meldet Schwarm von 50 bis 100 Walen 95 Grad zu Schutzgitter X 86 593 Y 432 011. Schnelle Vorwärtsbewegung nach Kursänderung. Keine Spur von Raubfischen, vermuten sie aber in der Nähe. Rorqual.«

Dass diese letzte Schlussfolgerung stimmte, hielt Don für höchst unwahrscheinlich. Wenn die gefürchteten Schwertwale wirklich die Schuldigen waren, müssten sie jetzt aufzuspüren sein, da sie an die Oberfläche kamen, um zu atmen. Außerdem hätten sie sich durch das Patrouillenflugzeug niemals von ihrem Opfer wegscheuchen lassen, sondern sich vielmehr daran gütlich getan, bis sie nicht mehr konnten.

Ein Umstand war günstig für ihn. Die aufgescheuchte Herde kam jetzt gerade auf ihn zu. Don wollte schon die Koordinaten einstellen, sah aber, dass es nicht nötig war. Am äußersten Rande seines Registrierschirms war ein Schwarm schwacher Sterne aufgetaucht. Er änderte den Kurs ein wenig und schoss gerade auf den näherkommenden Schwarm zu.

Ein Teil der Meldung war sicher richtig. Die Wale bewegten sich mit ungewöhnlicher Schnelligkeit. Wenn sie dieses Tempo beibehielten, würde er in fünf Minuten mitten zwischen ihnen sein. Er stellte die Motoren ab und merkte, dass der Rückstrom des Wassers ihn schnell zum Stehen brachte.

Don Burley saß wie ein gepanzerter Ritter in seiner winzigen, matt beleuchteten Kabine dreißig Meter unter den hellen Wogen des Pazifik und prüfte seine Waffen für den Kampf, der ihm bevorstand. In diesen Augenblicken des gespannten Wartens, bevor die Aktion begann, sah er sich selbst oft genau so, obwohl er es keinem Menschen in der Welt eingestanden hätte. Er empfand auch eine Verwandtschaft mit allen Hirten, die im Frührot der Zeiten ihre Herde gehütet hatten. Nicht nur war er Sir Lancelot, sondern er war auch David in den alten Bergen Palästinas, auf der Wacht vor den Berglöwen, die es auf seines Vaters Schafe abgesehen hatten.

Aber zeitlich und geistig viel näher waren ihm die Männer, die vor kaum drei Generationen die großen Rinderherden auf den amerikanischen Steppen gehütet hatten. Sie hätten seine Arbeit verstanden, obwohl seine Hilfsmittel ihnen noch wie Zauberei erschienen wären. Die Idee war die gleiche, nur die Maße der Dinge hatten sich inzwischen verändert. Es war kein fundamentaler Unterschied gegen damals, dass die Tiere, die Don hütete, hundert Tonnen wogen und auf den endlosen Savannen der See weideten.

Der Schwarm war nur noch kaum zwei Seemeilen entfernt, und Don stellte seinen ständig kreisenden Sucher so ein, dass er sich auf das Gebiet vor ihm konzentrierte. Das Bild auf dem Schirm wandelte sich zu einem fächerförmigen Keil, als der Schallstrahl von einer Seite zur anderen zu gleiten begann. Jetzt konnte Don jeden Wal in dem Schwarm zählen und sogar seine Größe gut abschätzen.

Er hatte nie erklären können, was ihn auf einmal auf die vier Echos am Südrand des Schwarms aufmerksam machte. Sie hatten sich allerdings etwas von den Übrigen getrennt, aber andere waren ebenso weit zurückgeblieben. Ein Mann bekommt, wenn er lange genug auf einen Registrierschirm gestarrt hat, gleichsam einen sechsten Sinn, der ihn befähigt, mehr aus den sich bewegenden Flecken zu schließen, als eigentlich daraus hervorgeht. Ohne einen bewussten Gedanken griff Don nach den Hebeln und setzte die Turbinen wieder in Gang.

Die Hauptmasse des Walschwarms strich jetzt ostwärts an ihm vorbei. Er fürchtete keinen Zusammenstoß. Die großen Tiere konnten selbst in ihrer Panik seine Anwesenheit genauso spüren wie er die ihre und mit ähnlichen Mitteln. Er überlegte, ob er sein Warnungssignal anstellen solle. Vielleicht erkannten sie den Ton und beruhigten sich dadurch. Aber der noch unbekannte Feind würde ihn vielleicht auch erkennen und dadurch gewarnt werden.

Die vier Echos, die Dons Aufmerksamkeit erregt hatten, waren fast in der Mitte des Schirms. Er beugte sich tief darüber, als wolle er sich durch bloße Willenskraft auch die letzte Information aneignen, die das Horchgerät geben konnte. Da waren zwei große Echos, etwas voneinander entfernt, und das eine war von zwei kleineren Satelliten begleitet. Don überlegte, ob er schon zu spät käme. Vor seinem geistigen Auge sah er den Todeskampf, der weniger als eine Seemeile vor ihm im Wasser stattfand. Die beiden schwächeren Echos mussten Feinde sein, die einen Wal angriffen, während sein Weibchen in hilflosem Entsetzen zusah, ohne alle Verteidigungswaffen außer seinen mächtigen Flossen.

Jetzt war Don fast nahe genug, um sehen zu können. Die Fernsehkamera im Vorderteil des U-5 versuchte die Dunkelheit zu durchdringen, konnte aber zunächst nichts zeigen außer dem Planktonnebel. Dann erschien eine riesige, schattenhafte Gestalt in der Mitte des Schirms, von zwei kleineren Schatten unter ihr begleitet. Don sah in der größeren Deutlichkeit, jedoch unabänderlich begrenzten Reichweite des Lichts das, was die Horchgeräte ihm bereits übermittelt hatten.

Fast sofort erkannte er seinen unglaublichen Irrtum: die beiden Begleiter waren Junge. Zum ersten Mal sah er hier einen Wal mit Zwillingen. Unter normalen Umständen hätte dieser Anblick ihn begeistert, jetzt aber musste er einsehen, dass er einen falschen Schluss gezogen und kostbare Minuten verloren hatte. Er musste die Suche von Neuem beginnen.

Er richtete die Kamera auf den vierten Fleck auf dem Registrierschirm, das Echo, das er der Größe nach für einen anderen ausgewachsenen Wal gehalten hatte. Es ist merkwürdig, wie eine vorgefasste Meinung das Verständnis eines Menschen für das, was er sieht, beeinflussen kann. Sekunden vergingen, bevor Don das Bild vor seinen Augen ausdeuten konnte, bevor er begriff, dass er endlich an die richtige Stelle gekommen war.

»Himmel!«, sagte er leise. »Ich wusste nicht, dass sie so groß werden können!« Es war ein Hai, der größte, den er je gesehen hatte. Die Einzelheiten waren noch im Dunkel, aber er konnte nur zu einer bestimmten Gattung gehören. Walhai und Riesenhai mochten von ähnlicher Größe sein, waren aber harmlose Pflanzenfresser. Dies war der König aller Knorpelfische, der Carcharodon, der Große Weiße Hai. Don versuchte sich an die Maße der größten bekannten Arten zu erinnern. Im Jahre 1990 oder etwa um diese Zeit war ein fünfzehn Meter langer Hai vor Neuseeland getötet worden, doch dieser hier war anderthalbmal so groß.

Diese Gedanken schossen ihm durch den Kopf, und im gleichen Augenblick sah er, wie das große Untier zum Angriff überging. Es fuhr auf einen der Jungwale los, ohne die aufgeregte Mutter zu beachten. Ob das Feigheit oder Vernunft war, konnte man nicht sagen. Vielleicht waren solche Unterscheidungen für das kleine und ganz andersartige Hirn des Hais ohne Belang.

Es gab nur eines zu tun. Mochte auch die Aussicht, den Hai schnell zu töten, dadurch zunichtewerden – das Leben des Jungwals war wichtiger. Don drückte auf den Knopf der Sirene, und ein kurzes mechanisches Heulen drang in das umgebende Wasser hinaus.

Hai und Wale waren gleichermaßen entsetzt über dies betäubende Geheul. Der Hai machte eine unglaublich schnelle Wendung, und Don wäre fast von seinem Sitz geschleudert worden, als die selbsttätige Steuerung das U-Boot auf einen anderen Kurs brachte. Mit einer Gewandtheit, die der eines Seetiers gleicher Größe nicht nachstand, begann sich U-5 an den Hai heranzuarbeiten; sein Elektronengehirn folgte automatisch dem Schallecho, was Don die Möglichkeit gab, seine Waffen vorzubereiten. Er brauchte diese Handlungsfreiheit. Die nächste Operation würde schwierig sein, wenn er nicht wenigstens fünfzehn Sekunden lang einen ruhigen Kurs halten konnte. Im Notfall konnte er seine kleinen Raketen-Torpedos zum Töten benutzen. Wäre er allein gewesen und hätte er sich einem Schwarm von Schwertwalen gegenübergesehen, so hätte er sicherlich in dieser Weise gehandelt. Aber das war roh und brutal. Er hatte das Rapier immer der Handgranate vorgezogen.

Jetzt war er nur noch fünfzehn Meter entfernt und näherte sich schnell. Der günstigste Moment war da. Er drückte auf den Auslösungsknopf.

Unter dem Rumpf des U-Bootes schoss etwas nach vorn, was wie ein Stachelrochen aussah. Don hatte die Schnelligkeit seines eigenen Fahrzeuges vermindert; er brauchte nicht mehr näher heranzufahren. Das kleine, pfeilförmige Wasserflorett, das nur wenige Meter breit war, konnte sich schneller bewegen als sein Boot und würde in Sekunden sein Ziel erreichen. Während es vorwärtsschoss, zog es den dünnen Kontrolldraht hinter sich her, wie eine Unterwasserspinne, die ihr Netz webt. Durch diesen Draht wurde die Energie geleitet, die das Geschoss antrieb, und die Signale, die es zu seinem Ziel führten. Es reagierte so schnell auf alle Befehle, dass Don das Gefühl hatte, ein empfindsames, temperamentvolles Pferd zu lenken.

Der Hai bemerkte die Gefahr weniger als eine Sekunde vor dem Anprall. Die Ähnlichkeit des Geschosses mit einem gewöhnlichen Rochen verwirrte ihn, wie es die Erfinder der Waffe beabsichtigt hatten. Und bevor seinem kleinen Gehirn bewusst wurde, dass sich kein Rochen so verhielt, hatte das Geschoss schon getroffen. Die stählerne Spitze, die von einer Platzpatrone vorwärtsgetrieben wurde, durchschlug die Hornhaut des Tieres, und der große Fisch geriet in Raserei. Don fuhr rasch rückwärts, denn ein Schwanzschlag hätte ihn wie eine Erbse in einem Topf herumgeschleudert und vielleicht sogar das U-Boot beschädigt.

Der todgeweihte Räuber versuchte den Leib zu krümmen, um nach dem vergifteten Pfeil zu schnappen. Don hatte jetzt das Geschoss in sein Gelass mitten unter dem Schiff zurückschnellen lassen, erfreut, dass es ihm gelungen war, die Waffe unbeschädigt zurückzuholen. Er beobachtete ernst und mit gelassenem Mitleid, wie das große Untier von einer Lähmung befallen wurde.

Die Zuckungen wurden schwächer. Jetzt schwamm der Hai ziellos hin und her, und einmal musste Don schnell zur Seite weichen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Als der sterbende Hai die Kraft zu schwimmen verlor, wurde er an die Oberfläche emporgetrieben. Don machte sich nicht die Mühe, ihm zu folgen. Das hatte Zeit, bis er eine wichtigere Sache erledigt hatte.

Er fand die Walkuh und ihre zwei Jungen weniger als eine Meile entfernt und sah sie sich genau an. Sie waren unverletzt, er brauchte also nicht den Tierarzt in seinem hochspezialisierten Zwei-Mann-U-Boot zu Hilfe zu rufen, das bei jeder Walkrisis vom Leibweh bis zum Kaiserschnitt eingriff.

Die Wale zeigten keine Aufregung mehr, und eine Prüfung mit dem Horchgerät ergab, dass der ganze Schwarm seine panikartige Flucht eingestellt hatte. Don fragte sich, ob sie wohl schon wüssten, was sich ereignet hatte; man hatte ihre Verständigungsmöglichkeiten ja bereits weitgehend erforscht, aber vieles war doch noch ein Geheimnis.

»Ich hoffe, du weißt das zu schätzen, was ich für dich getan habe, alte Dame!«, murmelte er. Und in dem Gedanken, dass fünfzig Tonnen Mutterliebe ein recht ehrfurchteinflößender Anblick seien, gab er Gas und stieg zur Oberfläche empor.

Dort war es still, sodass er die Luke öffnete und den Kopf aus dem kleinen Befehlsturm hinausstreckte. Das Wasser stand nur wenige Zentimeter unter seinem Kinn, und von Zeit zu Zeit machte eine Welle einen kräftigen Anlauf, ihn zu überfluten. Es bestand aber keine Gefahr, dass dies geschehen könnte; denn er passte so genau in die Luke hinein, dass er fast wie ein Pfropfen wirkte.

In fünfzehn Meter Entfernung wiegte sich ein langer grauer Hügel wie ein gekentertes Boot auf der Oberfläche. Don betrachtete den Kadaver nachdenklich und überlegte, wie viel komprimierte Luft er wohl hineinspritzen müsse, um zu verhüten, dass er unterging, bevor eines der Wärterschiffe hierhergelangte. In wenigen Minuten würde er seinen Bericht hinüberfunken, aber im Augenblick genoss er es noch, die frische Pazifikbrise einzuatmen, den freien Himmel über sich zu fühlen und zu beobachten, wie die Sonne ihren langen Aufstieg zur Mittagshöhe begann.

Don Burley, der glückliche Krieger, ruhte aus nach der einen Schlacht, die der Mensch stets auszukämpfen haben würde. Er hielt das Gespenst der Hungersnot in Schach, das alle früheren Zeiten bedroht hatte, das aber die Welt niemals wieder ängstigen würde, solange die großen Planktonfarmen ihre Millionen Tonnen Protein lieferten und all die Walfischherden ihren Meistern gehorchten. Der Mensch war nach Äonen des Exils zum Meer zurückgekehrt. Bis die Ozeane vereisten, würde er nie wieder hungrig sein …

Aber dies war seine geringste Genugtuung, das wusste Don. Selbst wenn das, was er tat, nicht von praktischem Wert gewesen wäre, hätte er doch den Wunsch gehabt, es zu tun. Gerade dies. Nichts anderes, was das Leben bieten konnte, kam der Befriedigung und dem ruhigen Machtgefühl gleich, die ihn erfüllten, wenn er eine Aufgabe wie die heutige durchführte. Macht? Ja, das war das rechte Wort. Aber es war keine Macht, die jemals missbraucht werden würde. Dazu fühlte er sich zu sehr verwandt mit allen Geschöpfen, die die Ozeane mit ihm teilten, selbst mit denen, die er vernichten musste.

Allem Anschein nach war Don völlig entspannt. Hätte aber einer der vielen Zeiger an seinen Apparaten seine Aufmerksamkeit angerufen, so wäre er sofort auf dem Posten gewesen. Seine Gedanken waren bereits zur »Rorqual« zurückgekehrt, und es fiel ihm immer schwerer, sie von dem längst fälligen Frühstück fernzuhalten. Damit die Zeit schneller herumginge, begann er im Geist seinen Bericht aufzusetzen. Mehrere Leute, das wusste er, würden dadurch überrascht sein. Die Ingenieure, die die unsichtbaren Schall- und Elektrizitäts-Sperrzäune instand zu halten hatten, ein System, das den mächtigen Pazifik in kontrollierbares Gebiet einteilte, würden sich auf die Suche nach der Durchbruchsstelle machen müssen. Die Biologen, die so sicher waren, dass Haie niemals Wale angriffen, würden sich auf Ausreden besinnen müssen. Don war fest davon überzeugt, dass beides erfolgreich erledigt würde, und dann wäre die Kontrolle wiederhergestellt, bis die See eine neue Krise heraufführte.

Aber die Krise, zu der Don jetzt ohne sein Wissen zurückkehrte, war von Menschen verursacht; ohne böse Absicht gegen ihn hatten höchste amtliche Stellen sie organisiert. Es begann mit einem Vorschlag im Ministerium für Weltraumfahrt, der an das Weltsekretariat weitergeleitet wurde und dann noch weiter nach oben wanderte, bis er das Weltparlament erreichte und den unmittelbar interessierten Senatoren zu Ohren kam. Nachdem er auf diese Weise aus einem Vorschlag zu einem Befehl geworden war, sickerte er über das Sekretariat zu der Welternährungsorganisation durch, von da zu der Abteilung für das Seewesen und gelangte schließlich zum Walamt. Der ganze Vorgang hatte die unglaublich kurze Zeit von vier Wochen beansprucht.

Don wusste davon natürlich nichts. Soweit sie ihn betraf, war die ganze komplizierte Arbeit der globalen Bürokratie in dem Gruß beschlossen, mit dem sein Kapitän ihn empfing, als er auf der »Rorqual« die Messe betrat, um sein verspätetes Frühstück einzunehmen.

»Morgen, Don! Das Hauptquartier wünscht, dass du nach Brisbane fährst – sie haben irgendeine Aufgabe für dich. Hoffentlich dauert es nicht lange. Du weißt, wie knapp an Arbeitskräften wir sind.«

»Was für eine Aufgabe?«, fragte Don argwöhnisch. Er erinnerte sich an einen unangenehmen Gelegenheitsauftrag: damals hatte er einen Unterstaatssekretär führen müssen, der ein rechter Strohkopf zu sein schien und den er demgemäß behandelt hatte. Hinterher hatte sich dann herausgestellt, dass der Unterstaatssekretär, wie man aus seiner Stellung hätte schließen können, ein ausgesprochen kluger Mann war und genau wusste, was Don tat.

»Das hat man mir nicht gesagt«, erwiderte der Kapitän. »Ich bin mir nicht klar, ob sie es selbst wissen. Grüße Queensland und halte dich von den Kasinos an der Goldküste fern.«

»Bei dieser Besoldung ist die Gefahr nicht groß!«, brummte Don. »Als ich das letzte Mal im Seemannsparadies war, konnte ich froh sein, dass ich mein Hemd behalten hatte.«

»Aber bei deinem ersten Besuch hast du ein paar Tausender mitgebracht.«

»Anfängerglück – das ist nie wieder vorgekommen. Seitdem habe ich alles wieder verloren. Für mich gibt es kein Spiel mehr.«

»Wollen wir wetten? Setzt du einen Dollar drauf?«

»Sicherlich!«

»Dann her mit dem Geld. Du hast schon verloren, als du auf die Wette eingingst.«

Ein Löffel veredelten Planktons schwebte einen Augenblick in der Luft, während Don nach einem Ausweg aus der Falle suchte. »Na, da bemüh dich nur, mich zum Zahlen zu bringen«, gab er zurück. »Du hast keine Zeugen, und ich bin kein Gentleman.« Er trank hastig den Rest seines Kaffees aus, dann schob er seinen Stuhl zurück und stand auf. »Da muss ich wohl gleich packen, denke ich. Bis nachher, Käpten!«

Der Kapitän der »Rorqual« sah seinen Ersten Inspektor wie einen Orkan aus dem Raum sausen. Einen Augenblick hörte man Dons Schritte in den Gängen des Schiffes hallen, dann trat wieder verhältnismäßige Stille ein.

In Gedanken entwarf der Kapitän eine meisterhafte Denkschrift an das Hauptquartier, in der er anfragte, wie er ein Schiff in Gang halten solle, wenn dreißig Prozent der Besatzung dauernd auf Urlaub oder auf Sondermission seien.

Als er auf die Kommandobrücke zurückkehrte, hatte er die Denkschrift nur deshalb nicht zu Papier gebracht, weil er sich trotz aller Anstrengungen keinen besseren Posten als den seinen vorstellen konnte.

2

Obwohl Walter Franklin erst wenige Minuten wartete, ging er schon ungeduldig im Vorzimmer auf und ab. Flüchtig betrachtete er die Tiefsee-Aufnahmen, die an den Wänden hingen. Dann setzte er sich einen Augenblick auf den Tischrand und durchblätterte den Haufen der Zeitschriften und Berichte, die sich an solchen Orten immer ansammeln. Die Unterhaltungszeitschriften hatte er bereits gesehen; denn in den letzten Wochen hatte er wenig anderes zu tun gehabt als zu lesen, und von den anderen Zeitschriften sahen nur wenige interessant aus. Irgendjemand musste vermutlich diese verschwenderisch ausgestatteten Berichte über die Nahrungsproduktion von Berufs wegen lesen, und Franklin fragte sich, wie diese Leute es fertigbrächten, nicht von den endlosen Zahlenreihen hypnotisiert zu werden. Neptun, die Hauszeitschrift der Abteilung für das Seewesen, wirkte etwas verheißungsvoller, aber da ihm die meisten der in den Spalten erwähnten Persönlichkeiten unbekannt waren, fühlte er sich bald davon gelangweilt. Die Artikel setzten eine Kenntnis technischer Ausdrücke voraus, die er nicht besaß.

Die Vorzimmerdame beobachtete ihn. Wahrscheinlich hatte sie seine Ungeduld bemerkt und vermutete, dass Nervosität und Unsicherheit dahintersteckten. Mit Gewalt zwang sich Franklin, ruhig zu sitzen und seine Aufmerksamkeit auf die Ausgabe des Brisbaner Kuriers vom Tag vorher zu konzentrieren. Er begann sich gerade in einen Leitartikel über das australische Cricket zu vertiefen, als die junge Dame ihn freundlich anlächelte und sagte: »Wollen Sie jetzt bitte hineingehen?«

Er hatte erwartet, den Direktor allein zu treffen oder vielleicht zusammen mit einer Sekretärin. Der kräftige junge Mann, der in dem anderen Besucherstuhl saß, schien nicht in dieses strenge Büro zu passen und sah ihn mit mehr Neugier als Freundlichkeit an. Franklin erstarrte sofort. Sie hatten über ihn gesprochen, das wusste er, und automatisch ging er zur Verteidigung über.

Direktor Cary, der fast so viel über menschliche Wesen wusste wie über die Säugetiere des Meeres, spürte sofort die Spannung und gab sich Mühe, sie zu zerstreuen.

»Nun, da sind Sie ja, Franklin«, sagte er mit etwas übertriebener Herzlichkeit. »Ich hoffe, Sie haben Ihren Aufenthalt hier genossen. Haben meine Leute sich um Sie gekümmert?«

Franklin hatte nicht nötig zu antworten, denn der Direktor ließ ihm keine Zeit dazu. »Ich möchte Sie mit Don Burley bekannt machen«, fuhr er fort. »Don ist der Erste Inspektor auf der ›Rorqual‹ und einer der besten, die wir haben. Er hat den Auftrag bekommen, Sie in die Arbeit einzuführen. Don, darf ich Ihnen Walter Franklin vorstellen?«

Sie schüttelten sich gemessen die Hände, einander gegenseitig abschätzend. Auf Dons Gesicht erschien ein zögerndes Lächeln. Es war das Lächeln eines Mannes, dem man eine Aufgabe zugeteilt hat, an der ihm nichts liegt, der aber beschlossen hat, sie so gut wie möglich zu erledigen. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Franklin«, sagte er. »Willkommen bei der Nixenpatrouille.«

Franklin versuchte über den uralten Witz zu lachen, aber ohne viel Erfolg. Er wusste, dass er freundlich hätte sein sollen und dass diese Leute ihr Bestes taten, um ihm zu helfen. Aber dieses Wissen kam aus dem Kopf, nicht aus dem Herzen. Er konnte sich nicht entspannen und ihnen auf halbem Wege entgegenkommen. Die Furcht, bemitleidet zu werden, der nagende Argwohn, dass sie hinter seinem Rücken über ihn gesprochen hätten, trotz aller Versicherungen, die ihm gegeben worden waren, lähmten seinen Willen zur Freundlichkeit.

Don Burley spürte nichts von diesen Dingen. Er wusste nur, dass das Büro des Direktors nicht der richtige Platz war, um mit einem neuen Kollegen bekannt zu werden, und ehe Franklin noch ganz begriffen hatte, was geschah, war er schon aus dem Gebäude hinaus, bahnte sich seinen Weg durch die hemdsärmelige Menge in der George Street und wurde in eine kleine Kneipe gegenüber dem neuen Postamt hineingelotst.

Der Lärm der Stadt verhallte, obwohl Franklin durch die farbigen Glaswände die schattenhaften Gestalten der Fußgänger hin und her gleiten sah. Es war angenehm kühl hier nach den heißen Straßen. Ob in Brisbane eine Klimaanlage zu schaffen sei oder nicht, und wer eventuell den Multimillionenvertrag bekommen sollte, das war noch eine Streitfrage unter den Politikern, und inzwischen verschmachteten die Einwohner in jedem Sommer von Neuem.

Don Burley wartete, bis Franklin sein erstes Glas Bier getrunken hatte und eine weitere Lage bestellt worden war. Dieser neue Schüler war von irgendeinem Geheimnis umgeben, und so bald wie möglich gedachte Don dem Rätsel auf den Grund zu kommen. Irgendeine hohe Stelle, vielleicht sogar jemand im Weltsekretariat selbst, musste dies in die Wege geleitet haben. Ein Erster Inspektor wurde nicht aus seinem Pflichtenkreis abberufen, um Kindermädchen bei einem Menschen zu spielen, der augenscheinlich zu alt war, um den normalen Ausbildungsgang durchzumachen. Schätzungsweise war Franklin Anfang dreißig. Don hatte bisher nie gehört, dass ein Mann dieses Alters eine solche Vorzugsbehandlung genoss.

Eines sah man Franklin sofort an, und das machte das Rätsel nur noch größer. Er war zweifellos ein Weltraummann. Das gäbe einen guten Eröffnungszug, aber dann fiel Don ein, dass der Direktor ihn gewarnt hatte: »Stellen Sie Franklin nicht zu viele Fragen. Ich kenne seine Vergangenheit nicht, aber wir sind ausdrücklich angewiesen worden, nicht mit ihm darüber zu sprechen.«

Das konnte seine Ursachen haben, dachte Don. Vielleicht war er ein Weltraumpilot, der nach irgendeinem unverzeihlichen Fehler entlassen worden war – vielleicht hatte er zum Mars fliegen sollen und war aus Versehen auf der Venus gelandet.

»Sind Sie zum ersten Mal in Australien?«, begann Don vorsichtig.

Es war kein sehr glücklicher Beginn, denn Franklin erwiderte: »Ich bin hier geboren.«

Don war jedoch nicht so leicht einzuschüchtern. Er lachte nur und sagte halb entschuldigend: »Niemand erzählt mir jemals irgendetwas, daher tappe ich immer im Dunkeln. Ich bin auf der anderen Seite der Erde geboren, drüben in Irland, aber seit ich der Pazifikabteilung unserer Verwaltung zugeteilt bin, sehe ich Australien mehr oder minder als meine zweite Heimat an. Nicht dass ich viel Zeit an Land verbringe. Bei unserer Arbeit ist man vier Fünftel der Zeit auf See. Viele lieben das nicht, wissen Sie.«

»Mir würde es zusagen«, erwiderte Franklin, fügte aber nichts weiter hinzu.

Burley begann sich erschöpft zu fühlen. Es war eine schwere Arbeit, aus diesem Mann irgendetwas herauszuholen. Die Aussicht, in den nächsten Wochen mit ihm zu arbeiten, schien sehr wenig verlockend, und Don fragte sich, was er verbrochen habe, um eine solche Strafe zu verdienen. Aber er kämpfte mannhaft weiter.

»Der Chef sagt mir, dass Sie eine gute wissenschaftliche und technische Grundlage hätten. Ich kann also annehmen, dass Sie die meisten Dinge kennen, die unsere Leute im ersten Jahr lernen müssen. Hat man Sie in die Verwaltung eingeführt?«

»Man hat mir eine Menge Zahlen und Tatsachen in der Hypnose eingetrichtert, sodass ich Ihnen einen stundenlangen Vortrag über die Abteilung für Seewesen halten könnte, über ihre Geschichte, ihre Organisation und die laufenden Projekte, mit besonderer Berücksichtigung des Walamtes. Aber vorstellen kann ich mir darunter im Augenblick noch nichts.«

Jetzt scheinen wir etwas weiterzukommen, dachte Don. Der Mann kann immerhin reden. Noch ein paar Glas Bier, und er wird vielleicht ganz menschlich.

»Das ist die Schwierigkeit bei der hypnotischen Schulung«, stimmte Don zu. »Man kann Ihnen das Wissen einpumpen, bis es zu den Ohren wieder herauskommt, aber Sie sind nie ganz sicher, wie viel Sie wirklich wissen. Und man kann Ihnen keine Handfertigkeit eintrichtern und Sie auch nicht dahin bringen, in einer Notlage richtig zu reagieren. Es gibt nur eine Art, etwas richtig zu lernen, indem man nämlich die Arbeit tatsächlich ausführt.«

Er hielt inne, einen Augenblick abgelenkt durch eine zierliche Silhouette, die sich auf der durchsichtigen Wand abzeichnete. Franklin bemerkte die Richtung seines Blicks, und seine Züge entspannten sich in einem leisen Lächeln. Zum ersten Mal wich die Spannung, und Don kam es nicht mehr ganz so hoffnungslos vor, einen Kontakt zu diesem rätselhaften Menschen herzustellen, für den er jetzt die Verantwortung trug.

Er tauchte den Zeigefinger in Bier und begann auf der Kunststoffplatte Karten zu zeichnen. »Unser Hauptschulungszentrum für Flachwasser-Operationen ist hier in der Capricorn-Gruppe«, begann er, »etwa 400 Seemeilen nördlich von Brisbane und 40 Meilen von der Küste. Der Südpazifik-Sperrzaun beginnt hier und führt ostwärts bis nach Neukaledonien und Fidschi.

Wenn die Wale von den polaren Futterplätzen auf die Wanderung gehen, um in den Tropen ihre Jungen zu bekommen, müssen sie durch die Öffnungen hindurch, die wir im Sperrzaun gelassen haben. Die wichtigste dieser Öffnungen von unserm Gesichtspunkt aus befindet sich hier an der Küste von Queensland, am Südeingang zum Großen Barrierriff. Dieses Riff bildet eine Art natürlichen Kanal, im Durchschnitt etwa 50 Meilen breit, der fast bis zum Äquator reicht. Wenn die Wale erst in diesem Kanal sind, können wir sie gut kontrollieren. Wir hatten gar nicht viel zu tun. Viele von ihnen nahmen diesen Weg, lange bevor wir auf dem Schauplatz erschienen. Jetzt haben sich die übrigen so daran gewöhnt, dass ihr Wanderungsweg sich nicht ändern würde, selbst wenn wir den Sperrzaun abstellten.«

»Ist dieser Sperrzaun nur elektrisch?«, warf Franklin ein.

»O nein, elektrische Absperrungen sind für Fische ausgezeichnet, funktionieren aber bei Säugetieren wie den Walen nicht befriedigend. In der Hauptsache arbeitet der Sperrzaun mit Ultraschallwellen, er stellt eine Schallwand dar, die von einer Kette von Generatoren eine halbe Meile unter der Meeresoberfläche erzeugt wird. Wir können an den Eingängen durch bestimmte Schallwellen eine gute Kontrolle ausüben. Man kann eine ganze Herde nach jeder gewünschten Richtung treiben, indem man eine Bandaufnahme eines in Gefahr befindlichen Wales wiedergibt. Aber zu einer so drastischen Maßnahme brauchen wir nur selten zu greifen. Die Wale sind wie gesagt heute schon zu gut geschult.«