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Ein stürmischer Oktoberabend: In seinem Wochenendhaus am Starnberger See wird ein pensionierter Kinderarzt tot aufgefunden. An eine Heizung gefesselt, ist er langsam verdurstet - ein qualvoller Tod. War es Rache oder doch nur ein Raubmord? Kommissar Konstantin Dühnfort enthüllt nach und nach den dunklen Charakter des Toten und stößt auf ein Drama, das seine längst erwachsenen Kinder bis heute verfolgt.
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Das Buch
An einem stürmischen Herbstabend wird der pensionierte Kinderarzt Dr. Wolfram Heckeroth von seinem Sohn Albert tot und gefesselt im Wochenendhaus am Starnberger See aufgefunden. Kriminalhauptkommissar Konstantin Dühnfort übernimmt die Ermittlungen. Erste Untersuchungen ergeben, dass der alte Mann im Laufe mehrerer Tage verdurstete. Ein grausamer und qualvoller Tod, der in Dühnfort sofort die Frage nach dem Motiv aufwirft. Rache, Strafe, Sühne? Doch die Spuren deuten auf einen Raubmord hin.
Hinter der vordergründig heilen Familienfassade werden für Dühnfort schnell andere Wahrheiten sichtbar. Als ein zweiter Mord geschieht, droht die Situation zu eskalieren.
»Wie mit einem Skalpell fährt Inge Löhnig ihren Figuren zwischen die Nervenbahnen und seziert akribisch ihre Beweggründe.« BR zu Der Sünde Sold
Die Autorin
Inge Löhnig wurde 1957 in München geboren und studierte dort nach dem Fachabitur Grafik-Design. Nach einer Karriere als Art-Directorin in verschiedenen Werbeagenturen machte sie sich selbständig. Heute lebt sie als Grafik-Designerin und Autorin mit ihrer Familie bei München. In weißer Stille ist der zweite Kriminalroman in der Serie mit Kommissar Dühnfort.
Die Website der Autorin: www.inge-loehnig.de
In unserem Hause sind von Inge Löhnig bereits erschienen:
Die Kommissar-Dühnfort-Serie:Der Sünde SoldIn weißer StilleSo unselig schönSchuld währt ewigVerflucht seist duDeiner Seele GrabNun ruhet sanftSieh nichts BösesAußerdem:Gedenke meinMörderkind
Inge Löhnig
Kriminalroman
List Taschenbuch
Für meine Eltern, in Dankbarkeit
für eine wunderbare Kindheit.
Unter der Stiege, die in den Keller führte, befand sich ein Verschlag, der früher zum Einlagern der Kohle gedient hatte. Schwarzer Staub klebte noch in Ritzen und Ecken, aber das konnte der Junge, der dort auf einem Stapel alter Decken und Vorhänge kauerte, nicht sehen, da es beinahe dunkel war. Doch er nahm den öligen Geruch wahr.
Er fühlte sich aus seiner Welt geworfen, wie einer der Helden aus den Sagen, die er so gerne las. Auch wenn ihre Aufgaben unlösbar erschienen, kehrten sie stets siegreich zurück. Kühn, mutig und stark fanden sie immer einen Weg, ihre Ziele zu erreichen. Er dagegen war kein Held und er fand den Weg nicht, sosehr er auch danach suchte.
Durch den zerschlissenen Stoff drang die Kälte des Bodens; der alte Vorhang, den er wie die Decken aus der Altkleiderkiste genommen und sich um die Schultern gelegt hatte, wärmte nicht. Der Junge fror und war hungrig. Aber am schlimmsten war der Durst. Der Schlüssel zur Waschküche und damit zum Wasserhahn hing unerreichbar am Bord oben im Flur.
Nochmals griff er nach dem leeren Glas, vielleicht hatte sich etwas Feuchtigkeit daran niedergeschlagen. Seine trockene Zunge fuhr über die glatte Oberfläche. Sie war kalt, sonst nichts. Er ließ den Arm sinken, das Glas kullerte über den Boden. Der stumpfe Schmerz in seinem Kopf verstärkte sich von Minute zu Minute. Er legte ihn in den Nacken und war kurz davor zu weinen.
Von weiter oben drang ein schwacher Lichtschimmer in die Finsternis. Dort befand sich, dicht unter der Decke, ein vergittertes Fenster, das schon viele Jahre nicht mehr geöffnet worden war. Die Scheibe lag unter einer Schicht von Schmutz und Spinnweben verborgen. Ob es Tag oder Nacht war, erkannte der Junge daran, ob ein trüber Schein durchdrang oder nicht. Er ließ jedoch keine Rückschlüsse auf das Wetter zu, weder ob die Sonne schien noch ob es regnete. Er malte sich aus, dass es regnete. Ein Sommerregen, der mit einigen warmen Tropfen begann, die auf dem von der Sonne erhitzten Pflaster sofort verdampften. Spurlos, als wären sie nie gewesen. Ihnen folgte ein heftiger Schauer, der die Sandsteinplatten dunkel färbte und kleine Mulden in Pfützen verwandelte, in denen die nachfolgenden Tropfen frech spritzten wie tollende Kinder. Dann setzte ein warmer Wind ein, der den Regen vor sich hertrieb, Nässe schwer in Blütendolden setzte, sie nach unten bog, in Büsche und Bäume fuhr, sie ruppig streichelte wie ein Vater, der seinem Sohn mit einer beinahe groben Geste durchs Haar strich, einer Geste, in der doch alle Liebe und Anerkennung lag, die beide verband.
Unbewusst hatte der Junge begonnen, das Adagio aus Vivaldis L’Estate zu summen. Die Musik, die diese Bilder in ihm erweckte. Die Musik, die er beinahe über alles liebte. Beinahe. Warum fiel ihm die Entscheidung so schwer?
Die Beine waren ihm eingeschlafen, lagen taub unter seinem Körper, begraben wie tote Tiere. Langsam richtete er sich auf, streckte sie aus, wartete, bis das Blut schmerzhaft in sie schoss, mit tausend Nadeln stechend. Ihm wurde schwindlig, kalter Schweiß bildete sich auf seiner Haut, bunte Lichtpunkte tanzten vor seinen Augen, dann wurde es dunkel.
Als er wieder zu sich kam, klopfte der Schmerz in seinem Kopf, als wollte etwas Lebendiges den Schädelknochen durchdringen. Seine Zunge lag wie ein Stück Holz im Mund; die Lippen waren rissig und aufgeplatzt. Der Gedanke an ein Glas Wasser rief einen so fürchterlichen Schmerz in ihm hervor, dass er aufstöhnte. Mit letzter Kraft kroch er zurück auf die Decken. Er musste endlich zu einer Entscheidung kommen, erst dann durfte er nach oben gehen. Doch seine Gedanken drehten sich seit zwei Tagen im Kreis. Er wusste, was von ihm erwartet wurde, aber er wollte beides. Und das ging nicht. Das sah er ja ein. Trotzdem suchte er weiter einen Ausweg. Aber er hatte keine Kraft mehr zu denken. Der alles beherrschende Gedanke war der an einen Schluck Wasser.
Langsam erhob er sich, seine Beine zitterten vor Schwäche. Schwankend ging er auf die Treppe zu, stieg sie steif und ungelenk empor, zog sich am Handlauf Stufe um Stufe nach oben. Er schob die Tür zum Flur auf. Das Licht blendete ihn. Sein Blick fiel über den Gang in die Küche auf den Wasserhahn. Sein Herz begann zu rasen. Eine Gestalt kam auf ihn zu. Seine Mutter. Sie wollte ihn umarmen. Er stieß sie weg. Wasser. Er machte noch zwei Schritte, dann brach er zusammen.
Der Schein der Straßenbeleuchtung drang durch die cremefarbenen Vorhänge und füllte das Schlafzimmer mit Zwielicht. Ein Blick auf den Wecker zeigte Babs, dass es kurz vor sechs war. Montagmorgen. Sie könnte noch eine halbe Stunde schlafen. Aber Albert, der sich seit einiger Zeit hin und her wälzte, hatte sie aufgeweckt. Einen Moment überlegte sie, aufzustehen, in aller Ruhe eine Tasse Tee zu trinken und dabei Zeitung zu lesen. Normalerweise genoss sie diese ruhige Zeit, wenn die Zwillinge und ihr Mann noch schliefen, wenn noch niemand etwas von ihr wollte, wenn sie noch nicht funktionieren musste und ihren Gedanken nachhängen konnte.
Doch heute war es anders. Sie war nervös. Um elf Uhr stand ihr das erste Vorstellungsgespräch ihres Lebens bevor, und das mit fünfunddreißig Jahren. Da konnte Caroline noch so oft sagen, dass es in diesem Fall allein auf ihre Fähigkeit, Räume zu gestalten, ankam und niemand eine Diplomurkunde sehen wollte. Babs hatte das Studium der Innenarchitektur kurz vor Schluss abgebrochen und außerdem keinerlei berufliche Praxis vorzuweisen – wenn man mal davon absah, dass sie ab und zu Freunden und Verwandten half, kleinere oder größere Wohnprobleme zu lösen. So wie bei Alberts Schwester Caroline, die als Managerin zwar genügend Geld verdiente, um sich mit Designermöbeln einzurichten, aber weder die erforderliche Zeit noch das Händchen dafür hatte. Sie war von der neuen Einrichtung derart begeistert gewesen, dass sie sich in ihrem Netzwerk nach einem Job für Babs umgesehen hatte und fündig geworden war. Eine Redakteurin der Wohnzeitschrift Interior & Design suchte Innenarchitekten für die Rubrik Ein Problem – drei Lösungen. »Das ist ideal für dich«, hatte Caroline gesagt. »Du bekommst zwar keine feste Anstellung, sondern wirst nach Auftrag bezahlt, dafür kannst du zu Hause arbeiten. Außerdem ist das kein Job, der dich vierzig Stunden in der Woche fordert, sondern vielleicht zwanzig im Monat. Reich wirst du damit nicht, aber es ist ein Einstieg, und wer weiß, was daraus wird.« Dank Carolines Vermittlung bot sich ihr nun eine einzigartige Möglichkeit, vom Hausfrauendasein wegzukommen und den Schritt in eine noch unbekannte Welt zu tun. Sie war gespannt, wie das Gespräch verlaufen würde.
Albert warf sich im Bett herum und murmelte im Schlaf etwas vor sich hin, das wie Schatzilein klang. Schatzilein? Zu ihr sagte er immer Mäuschen. Schatzilein? Hatte er … Schon seit einiger Zeit trug Babs eine Sorge mit sich herum, die sie jedoch nicht genauer betrachten wollte: die Sorge, dass Albert es auch in diesem Punkt seinem Vater gleichtun würde. Dem Mann, der für ihn Vorbild in allen Lebenslagen war, dem Mann, der seine Frau Elli ein über vierzig Jahre währendes Eheleben lang betrogen hatte. Bis dass der Tod euch scheidet. Elli hatte sich daran gehalten. Doch im Grunde konnte Babs sich nicht vorstellen, dass Albert sie betrog. Sicher hatte er geträumt.
Im Bett war es gemütlich warm. Vielleicht gelang es ihr, noch ein wenig zu dösen. Als sie gerade am Einnicken war, drehte sich Albert schon wieder herum. Normalerweise schlief er tief und ruhig. Ob er noch sauer war wegen des Streits am Hochzeitstag? Das war jedoch schon eine Woche her. Babs gehörte weder zu den Frauen, die Wert darauf legten, dass dieser Tag feierlich begangen wurde, noch zu denen, die ein Geschenk erwarteten. Eigentlich machte sie sich aus solchen Jubiläen nichts. Trotzdem war es ein besonderer Tag, und manchmal, wenn sie wünschte, Albert möge ihr zeigen, dass er sie noch liebte, dass er noch zu ihr und den Kindern stand, dass ihm seine Familie wichtig war, dann maß sie solchen Tagen eben doch eine Bedeutung bei, die sie ihnen sonst nicht zugestehen wollte. Sollte ihre Ehe tatsächlich scheitern, dann würde ein stilvoll begangener Hochzeitstag sie auch nicht retten.
Ob es nun ein schlechtes Zeichen war, dass ausgerechnet der Dreizehnte in einem Fiasko geendet hatte? Babs seufzte. Sie war nicht abergläubisch und außerdem übertrieb sie. Es war kein Fiasko gewesen. Aber eine große Enttäuschung.
Als sie am vergangenen Montag beim Frühstück vorgeschlagen hatte, für den Abend einen Tisch im La Bretagne zu bestellen, war Albert erfreut gewesen. Sie hatte das nachmittags erledigt und ihn dann in der Praxis angerufen, um Bescheid zu sagen. Die Jungs würden bei Freunden übernachten, und Babs hatte sich einen Abend mit Champagneraperitif, einem exquisiten Menü und leichtem Wein ausgemalt, begleitet von einem guten Gespräch und liebevollen Blicken, die Funken aus dem Feuer schlagen würden, das, wie sie vermutete, nur noch schwach in ihm glimmte, wenn es nicht schon ganz erloschen war. Sie hatte sich neue Dessous gekauft, nicht verrucht in Schwarz oder Rot und auch ohne Firlefanz wie Strapse oder unpassende Öffnungen – meine Güte, was es alles gab! –, sondern Wäsche, in der sie sich ebenso wohl wie begehrenswert fühlte, schlicht, mit ein wenig Spitze und in einem Cremeton, der hervorragend zu ihrer bronzefarbenen Haut passte. Doch dann hatte Albert gegen halb sieben angerufen. Sein Vater hatte ein Problem mit einem verstopften Siphon am Küchenwaschbecken im Wochenendhaus. »Ich fahre kurz raus und repariere den Abfluss«, hatte er gesagt. Die Fahrt dorthin dauerte eine Dreiviertelstunde. Bis um acht konnte er nicht zurück sein.
»Gibt es in Münsing keinen Klempner?«
»Er hat mich gebeten, und ich will ihm das nicht abschlagen, nach allem, was er für uns getan hat. Keine Sorge, ich bin rechtzeitig zurück.«
Die Frage, ob die Reparatur nicht bis morgen warten konnte, verkniff sie sich. Albert würde sich nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen. Wie immer. Nicht nur, wenn es um seinen Vater ging. Babs ließ sich ihre Verärgerung nicht anmerken. »Fahr vorsichtig«, sagte sie stattdessen.
Nach allem, was er für uns getan hat! Schließlich war es sein Wunsch gewesen, dass Albert die Praxis übernahm. Die Kinderarztpraxis Dr. Heckeroth, das Lebenswerk ihres Schwiegervaters, blieb so erhalten, und das bedeutete ihm viel.
Kurz vor acht rief Albert an. Die Reparatur war beendet, er würde jetzt noch schnell mit seinem Vater einen Happen essen und dann losfahren.
»Einen Happen essen.« Sie klang wie sein Echo.
»Es tut mir leid, aber ich habe einen Bärenhunger. Du legst doch sonst nicht solchen Wert auf Jahrestage. Wir können doch auch ein andermal schön essen gehen.«
Babs bestellte den Tisch ab, ließ sich aber per Kurier eine Flasche Champagner, einen Vorspeisenteller mit Lachsterrine, Creme de Canard und Baguette sowie zwei Portionen Crème brûlée aus dem La Bretagne schicken. Vielleicht hatte Albert ja noch Lust auf ein Dessert.
Als er endlich kam, hatte sie die Flasche halb geleert und beide Desserts gegessen. Frustfraß, dachte sie, aber schlank, wie sie war, konnte sie sich das leisten. Die Enttäuschung über Alberts liebloses Verhalten war verflogen, übrig geblieben war Resignation. Sie machte ihm keine Vorwürfe, dass er wieder einmal seinem Vater den ersten Platz in seinem Leben eingeräumt hatte.
Am Anfang ihrer Beziehung hatte Babs Albert um das gute Verhältnis zu seinem Vater beneidet. Mit ihrem eigenen stand sie meist auf Kriegsfuß, da er kaum eine ihrer Entscheidungen guthieß und häufig an ihr herummäkelte. Als Barbara jedoch gemerkt hatte, welchen Raum der Vater in Alberts Leben einnahm, und sie sich mit ihrer Liebe zu ihm hinten anstellen musste, da war die Bewunderung bald dem beschämenden Gefühl der Eifersucht gewichen.
Sie hörte die Wohnungstür. Kurz darauf kam Albert ins Wohnzimmer und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Überrascht blickte er auf die Champagnergläser, schenkte sich ein Glas voll und stieß mit ihr an. »Mach jetzt bitte keine Szene.« Er ließ sich in den Sessel fallen und massierte sich mit einer Hand die Schulter. »Ich habe einen anstrengenden Tag hinter mir und keinen Nerv für emotionale Ausbrüche.« Mit zwei Schlucken trank er das Glas leer, während Babs versuchte, die Wut zu unterdrücken, die in ihr hochkochte wie eine Urgewalt.
»Entschuldige, Liebes. Ich habe das nicht so gemeint.« Albert nahm sie in den Arm.
Warum sagst du dann so etwas?, dachte sie, lehnte aber ihren Kopf an seine Schulter.
»Ich weiß auch nicht, was heute mit mir los ist. Ich wollte dich nicht verletzen. Verzeihst du mir?« Natürlich verzieh sie ihm, aber ihre zaghaften Versuche, eine Versöhnung durch Zärtlichkeiten herbeizuführen, wies er zurück; er sei völlig erschöpft. Sein Verhalten kränkte Babs, und wieder einmal fragte sie sich, ob ihr Mann sie je geliebt hatte oder ob er sie nur der Kinder wegen und auf Drängen seines Vaters geheiratet hatte. Des Vaters, den er so bewunderte. Irgendwann würde er es ihm gleichtun und sich anderweitig vergnügen.
Zehn nach sechs. Draußen heulte ein Motor auf, ein Wagen fuhr mit quietschenden Reifen los. Seufzend starrte Babs zur Decke. Albert wälzte sich schnaufend auf die linke Seite und brabbelte etwas im Halbschlaf. Daran, wie sein Atem sich veränderte, erkannte sie, dass er aufgewacht war. Langsam drehte sie ihm den Rücken zu.
War es nicht verrückt, jemanden zu lieben, und das über so viele Jahre hinweg, dem man unterstellte, diese Gefühle nicht zu erwidern? Dabei hatte sie Albert anfangs fast übersehen. Susi hatte ihn zu Studienzeiten in ihre gemeinsame Clique eingeführt, und Babs hatte erst nach einiger Zeit bemerkt, wie sehr ihr seine ruhige und überlegte Art gefiel. Er war kein Angeber, keiner von denen, die ständig im Mittelpunkt stehen mussten und zu jedem Thema etwas zu sagen hatten. Albert war ein in sich gekehrter Mensch, der gerade den Hauch an Melancholie ausstrahlte, den sie anziehend fand. Als sie während eines Grillfests an der Isar vom Regen überrascht wurden, überließ Albert ihr nicht nur ritterlich seine Jacke, sondern suchte mit ihr Unterschlupf unter einer alten Kastanie. Sie wurden von Schauern durchnässt, ohne es wirklich wahrzunehmen, weil sie die Anziehung, die sie aufeinander ausübten, so plötzlich entdeckten, wie der Sommerregen über sie hereingebrochen war.
Schon wieder wälzte Albert sich herum. Kurz darauf fühlte sie die Wärme seines Körpers an ihrem, spürte seinen Atem im Nacken und seinen Arm auf ihrer Hüfte. Er vergrub seinen Kopf in der Mulde zwischen Schulter und Hals und ließ ihn dort einen Augenblick ruhen, bevor er begann, diese Stelle zu küssen. Babs’ Puls beschleunigte sich, ihr Atem wurde schneller, ihr Körper füllte sich mit einem lange nicht mehr empfundenen Begehren. Sie wollte sich ihm zuwenden, doch der Druck auf der Hüfte verstärkte sich. Albert schob seinen anderen Arm unter ihrem Körper hindurch und zog das T-Shirt hoch, das ihr das Nachthemd ersetzte. Seine Hand fühlte sich kühl an ihrer Brust an. Sie wollte sich umdrehen, ihm in die Augen sehen, seine Lippen auf ihren fühlen. Aber er hielt sie fest. Sein Körper drängte näher an ihren, sie spürte seine Erregung und in sich Widerstand wachsen.
Mit einem energischen Ruck drehte er sie auf den Bauch, zog ihr den Slip aus und drängte mit seinem Körper zwischen ihre Beine. »Albert, bitte … « Mit der Linken griff er in ihr Haar und zog ihren Kopf zurück, während seine Rechte über Brust und Bauch bis in ihre Scham wanderte. Seine ungewohnte Hastigkeit und Direktheit verwirrten sie. Sie wollte das nicht, nicht so. Seit Monaten hatten sie nicht miteinander geschlafen. Sie hatte sich danach gesehnt und konnte ihn doch jetzt nicht zurückweisen? Er hob ihr Becken an, drang in sie ein und verfiel in einen schneller werdenden Rhythmus. In dieser Position konnte sie sich nicht bewegen, nicht einmal den Versuch unternehmen, einen Gleichklang mit ihm zu finden.
Als er fertig war und sie nebeneinanderlagen, dachte Babs, dass dieser Akt nichts mit ihr zu tun gehabt hatte. Diese rabiate Seite kannte sie an Albert nicht, bisher war er immer sanft und rücksichtsvoll gewesen. Sie blickte zu ihm hinüber. Er lag auf dem Rücken, die Augen geschlossen. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck, der ihn fremd erscheinen ließ, ein neuer Zug, den sie nicht benennen konnte. Sie beugte sich über ihn. Er schlug die Augen auf.
»Das habe ich dringend gebraucht. So einen richtig guten Fick«, sagte er.
Babs zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen.
Lachend zog er sie an sich. Seine Bartstoppeln kratzten, als er ihr einen Kuss auf die Lippen drückte. »Ach, Mäuschen. Das war ein Scherz, du hättest dein Gesicht eben sehen sollen.«
»Was war da so amüsant?«
»Na ja, das war der Blick einer prüden Klosterschülerin, die gerade verbotene Dinge getan hat. Eine Mischung aus Schockiertheit und dem geilen Wunsch nach mehr.«
Kannte er sie wirklich so schlecht? Glaubte er ernsthaft, sie hätte Spaß gehabt? Der Wecker klingelte. Babs rollte sich auf die Seite und schaltete ihn aus. Immerhin hatte Albert sich nach Monaten des Desinteresses daran erinnert, dass er eine Frau hatte. Vielleicht war dies ein Anfang. Doch wie es weiterging, würde sie nicht ihm alleine überlassen. »Das nächste Rendezvous mit der Novizin muss warten«, sagte sie und ging ins Bad.
Anschließend weckte sie die Jungs und deckte den Frühstückstisch in der geräumigen Küche. Sie mochte die Altbauwohnung im Herzen Schwabings, die sie seit der Hochzeit bewohnten. Großzügige Räume, hohe stuckverzierte Decken, knarrendes Parkett und weiße Sprossenfenster bedeuteten für sie Lebensqualität und waren ihr allemal lieber als ein sachlicher Bau aus Glas, Stahl und Beton. Sie blickte aus dem Fenster hinunter in die Kaiserstraße. Es war kurz nach sieben und noch dämmrig. Vereinzelte Sterne schimmerten blass am heller werdenden, wolkenlosen Himmel. Es würde ein schöner Herbsttag werden.
Noel und Leon stürmten in die Küche und ließen sich auf ihre Plätze plumpsen. »Guten Morgen, Mami«, sagten sie wie aus einem Mund. Sie trugen die gleichen Sachen: Jeans und graue Kapuzenshirts. Das war ungewöhnlich. Seit sie in die Pubertät kamen, grenzten sie sich mehr und mehr voneinander ab. Auch deshalb war die Entscheidung, sie in Parallelklassen unterzubringen, richtig gewesen. So hatten es nicht nur die Lehrer mit der Unterscheidung der Zwillinge leichter, sondern auch die Jungs die Möglichkeit, sich unabhängig voneinander zu behaupten, denn nach und nach kristallisierten sich Unterschiede in ihren Fähigkeiten heraus. Während Noel gut in den naturwissenschaftlichen Fächern war, lag Leons Begabung im Bereich der Musik und der Sprachen. Seit einigen Jahren lernte er mit großem Erfolg Querflöte und hatte bereits bei einigen Schulkonzerten mitgewirkt. Beim Sommerfest der Musikschule war er der Star des Abends gewesen. Mit Vivaldis Flötenkonzert in D-Dur hatte er alle begeistert. Alle bis auf Albert. Babs erinnerte sich nicht gerne daran. Sie fuhr Leon mit der Hand durchs Haar und setzte sich zu den Jungs an den Tisch. Während sie Tee trank, warf Noel Leon einen verschwörerischen Blick zu. Leon grinste wie ein Messdiener, der vorhatte, die Hostien zu verstecken. Babs überlegte kurz, was sie wohl ausheckten, aber dann fiel ihr ein, dass Noel heute eine Schulaufgabe in Latein schrieb. Sie hoffte, dass er gestern noch Vokabeln gelernt hatte. Die erste Latein-Ex des Jahres hatte er verhauen. Wobei das natürlich subjektiv betrachtet war – er hatte eine Drei geschrieben. Aber in Alberts Augen war das eine schlechte Zensur, und deshalb hatte er Noel angedroht, seine Mitgliedschaft im Volleyballverein zu kündigen, wenn die Noten nicht besser wurden.
»Hast du gestern noch Latein gelernt?«
Noel nickte und hielt ihrem Blick stand, bis sich ein Lächeln in seine Mundwinkel stahl. Leon grinste bis über beide Ohren.
»Hat Leon dich abgefragt?« Er hatte mit Latein keinerlei Probleme, war sogar Klassenbester. Wieder nickte Noel und schob eilig eine Ladung Flakes in den Mund. Irgendwas war hier faul. Babs musterte die beiden eingehend.
Noel prustete los und spuckte dabei Flakes zurück in die Müslischale. »’tschuldigung, Mami«, sagte er und wischte sich den Mund mit der Serviette ab.
Leon schaufelte konzentriert und ohne aufzusehen Frühstücksflocken in sich hinein. Plötzlich ahnte sie, was die beiden planten. Noel war ein begeisterter Volleyballspieler, beinahe jedes Wochenende war er mit der Mannschaft bei Turnieren, und Albert war ein strenger Vater. Er würde mit seiner Drohung Ernst machen. Mit Fleiß alleine würde Noel keine besseren Noten erzielen, ihm fehlte einfach das Gefühl für diese Sprache, ganz im Gegensatz zu Leon. Trugen sie deshalb identische Klamotten? Planten sie für heute einen Klassentausch?
Wenn sie eine gute Mutter sein wollte, konnte sie einen solchen Betrug nicht durchgehen lassen. Sie musste ihre Söhne von dieser Scharade abhalten. Doch das Kind in ihr, das sie einmal gewesen war, kicherte still in sich hinein. Musste sie nicht nur dann einschreiten, wenn sie wusste, was die Kinder planten? Und um es zu wissen, musste sie ihnen auf den Zahn fühlen.
Als hätten die beiden ihren inneren Disput bemerkt, beendeten sie in Windeseile ihr Frühstück und stürmten aus der Küche. »Wir müssen noch unsere Sachen packen«, sagte Leon, bevor er die Tür hinter sich schloss.
Die beiden holten ihre Pausenbrote und verabschiedeten sich in dem Moment, als Albert zum Frühstück kam. Er fuhr ihnen durch die Haare und wünschte Noel viel Erfolg bei seiner Schulaufgabe. Die Wohnungstür fiel ins Schloss. Babs ging zum Fenster wie jeden Morgen und sah ihren Jungs nach, bis sie um die Ecke verschwanden. Albert trat hinter sie und legte seine Arme um ihre Hüften. Seine Bemerkung, dass er einen Fick dringend nötig gehabt hatte, ging ihr wieder durch den Kopf. Allein dieses Wort, das bisher nicht zu seinem Wortschatz gehört hatte und das auch nicht zu ihm passte. Und dann sein Versuch, diese Äußerung in einen Scherz umzumünzen, nachdem er ihre Bestürzung bemerkt hatte. Hatte er sich womöglich einfach sexuell abreagiert? War es ihm nur darum gegangen? Nicht um Nähe, Liebe und Vertrautheit?
Albert löste sich von ihr und setzte sich. »Gibt’s schon Kaffee?«
Babs fuhr aus ihren Gedanken hoch, schenkte ihm eine Tasse ein und schob ihm den Brotkorb mit den aufgetauten Semmeln hinüber. Obwohl sie bisher ausschließlich Hausfrau war, hatte ihr Ehrgeiz, daraus eine Profession zu machen, seine Grenzen. Jeden Morgen frische Semmeln zu holen ersparte sie sich. Mit etwas Glück würde der heutige Tag zum Wendepunkt und sie von der Nurhausfrau zu einer Frau mit Doppelbelastung.
Eine halbe Stunde später ging sie mit Albert in die Kinderarztpraxis. Sie lag um die Ecke in einem vierstöckigen Haus am Kurfürstenplatz, das ihrem Schwiegervater gehörte. Die Hoffnung auf einen schönen Herbsttag schien sich zu erfüllen. Über den blauen Himmel stoben ein paar Wolken, der Wind war allerdings zu kalt für diese Jahreszeit. Babs zog den Mantel fester um sich.
Als sie die Praxis betraten, saß Margret Hecht, die Sprechstundenhilfe, schon hinter dem Empfangstresen und suchte Patientenakten heraus. Sie war eine magere Fünfundzwanzigjährige mit bleichem Teint, sommersprossigem Gesicht und der Neigung, Hektik zu verbreiten, wo Ruhe angebrachter gewesen wäre.
Babs verschwand im Büro und erledigte bis halb zehn Schreibarbeiten. Das tat sie hin und wieder, froh, dem Hausfrauendasein ein wenig entfliehen zu können. Heute allerdings diente ihr diese Beschäftigung eher als Ablenkung vom bevorstehenden Vorstellungsgespräch. Als sie fertig war, ging sie zu Albert, um sich zu verabschieden. Er brachte sie zur Tür und gab ihr im Hausflur einen flüchtigen Kuss. Noch anderthalb Stunden bis zu ihrem Termin.
»Drück mir die Daumen.«
Ein ratloser Ausdruck erschien auf Alberts Gesicht. »Weshalb?«
Er hatte es vergessen! Schon als sie ihm von Carolines Vermittlung erzählt hatte, war seine Reaktion gleichgültig gewesen. »Aus finanziellen Gründen musst du das nicht tun«, hatte er gesagt. Als ob es darum ginge.
»Für meinen Termin bei der Wohnzeitschrift.«
»Ach das«, sagte er lächelnd. »Das wird schon klappen.«
Ein Ruf von der Treppe unterbrach sie. »Herr Doktor!« Loretta Kiendel, die Mieterin der Wohnung unter dem Dach, kam durchs Treppenhaus herunter. Von Beruf war sie Fachverkäuferin für Haushaltswaren. Aber nebenbei putzte sie bei Alberts Vater und verdiente sich so seit der Trennung von ihrem Mann einen Teil der Miete. Das perfekt aufgetragene Make-up konnte weder die Blässe noch die Sorgenfalte an der Nasenwurzel kaschieren, die sich seit dem Unfall ihrer Tochter dort eingegraben hatten. Franziska, eine patente Siebzehnjährige, war letzten Montag von einem Führerscheinneuling angefahren worden und lag seither im Koma.
Loretta Kiendel kam die letzten Stufen herunter und blieb vor ihnen stehen. Sie trug Jeans, ein schwarzes T-Shirt mit Glitzerapplikation und Pantoletten mit fünf Zentimeter hohen Absätzen. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass Putztag war. Die blondgefärbten Locken hielt ein schwarzes Band aus dem Gesicht. »Ihr Vater wollte doch gestern Abend zurück sein. Aber in der Wohnung ist er nicht, und sein Auto steht nicht im Hof. Hat er sich vielleicht bei Ihnen gemeldet?«
Albert schüttelte den Kopf. »Vielleicht war ihm der Wochenendverkehr zu viel. Sicher kommt er im Laufe des Vormittags, das hat er doch schon häufiger gemacht.«
»Aber nicht, wenn er weiß, dass ich putze. Vielleicht ist ihm etwas passiert.« Auf ihrer Stirn erschienen Sorgenfalten.
»Bei einen Unfall hätte uns die Polizei verständigt«, erwiderte Albert.
»Und wenn er im Haus gestürzt ist? Meine Schwiegermutter lag zwei Stunden mit gebrochenem Oberschenkelhals im Flur, bis jemand ihre Hilferufe gehört hat. Aber Ihren Vater kann ja niemand hören in diesem einsamen Haus im Wald.«
Babs konnte sich ihren Schwiegervater nicht hilflos vorstellen. Er hielt immer alle Fäden in der Hand, und selbst wenn er unglücklich gestürzt wäre, hätte er sein Handy gezückt und einen Notarzt gerufen oder, in einem minder schweren Fall, Albert zu sich zitiert.
»Mein Vater hat ein Mobiltelefon für solche Fälle«, sagte Albert. »Aber wenn es Sie beruhigt, rufe ich ihn an.«
Loretta Kiendel sah Albert mit zusammengekniffenen Augen an. »Mich brauchen Sie nicht zu beruhigen. Er ist ja nicht mein Vater.« Sie machte auf dem Absatz kehrt, blieb aber auf der untersten Stufe stehen. »Soll ich nun putzen oder nicht?«
»Bitte, tun Sie das.«
Die blonden Locken flogen, als sie sich umdrehte und die Treppe hinaufstapfte, jeder Schritt ein vorwurfsvolles Klackern auf den Stufen.
Albert machte sich nun doch Sorgen. Babs bemerkte den angespannten Zug um seinen Mund und die hochgezogenen Schultern. Er rieb sich die Nasenwurzel. »Besser, ich rufe an.«
Wolfram war kein gebrechlicher Mann. Vermutlich würde er unwirsch auf diese Kontrolle reagieren, aber es war Alberts Entscheidung. »Ja, mach das«, sagte Babs und versuchte sich die Enttäuschung über seine Gleichgültigkeit bezüglich ihres Vorstellungsgesprächs nicht anmerken zu lassen.
Zu Hause duschte sie, föhnte die halblangen Haare über die Rundbürste und schminkte sich. Für den Termin hatte sie einen grauen Hosenanzug aus einer Leinenseidenmischung gekauft und dazu eine weiße Bluse. Nicht zu elegant, nicht zu businessmäßig, genau das richtige Verhältnis aus edel und salopp. Perfekt, dachte sie, als sie in den Mantel schlüpfte, nach der Handtasche griff und die Wohnung verließ.
Die Redaktion von Interior & Design befand sich in der Leopoldstraße. Babs ging zu Fuß und betrat pünktlich das Bürogebäude. Die Dame am Empfang meldete sie telefonisch an und schickte sie dann in die dritte Etage. »Frau Jäger holt Sie am Lift ab.«
Veronika Jäger war eine Bekannte Carolines und leitete das Ressort Küchen und Bäder. »Sie fordert von ihren Mitarbeitern viel, ist aber trotzdem nett. In der Redaktion nennt man sie auch die Königin der Nasszellen«, hatte Caroline gesagt.
Der kurze Spaziergang hatte Babs gutgetan. Erleichtert bemerkte sie, während der Fahrstuhl nach oben fuhr, dass die Aufregung verflogen war. Sie hatte nichts zu verlieren, nur zu gewinnen. Der Lift stoppte, die Türen öffneten sich. Sie trat auf einen mit lichtgrauem Teppichboden ausgelegten Flur. Eine höchst unpraktische Farbe für eine Lauffläche, aber das war nicht ihr Problem. Während sie sich umsah, kam eine mollige Frau in Jeans und grauem Kaschmirpulli auf sie zu. Kupferrote Haare ringelten sich in widerspenstigen Locken um ihren Kopf und wippten bei jedem Schritt mit. Ein blasser Teint und Sommersprossen um die Nase ließen vermuten, dass die Haarfarbe echt war. Sie reichte Babs die Hand. »Schön, dass Sie Zeit haben, Frau Heckeroth. Jemanden mit Ihrem Händchen suche ich schon lange. Gehen wir zuerst zu mir. Den Rundgang machen wir dann hinterher.«
Vorbei an der Graphikabteilung und der Chefredaktion gingen sie in Veronika Jägers Büro. Die dort vorherrschenden Farben waren Grau und Weiß; mit einem hellen Grün kombiniert verlieh das dem Raum eine frische Atmosphäre. Lediglich die Glaswand zum Flur, die allen Büros eigen war, irritierte Babs. Wie auf dem Präsentierteller, dachte sie. Im gegenüberliegenden Konferenzraum verwehrten Stofflamellen den Einblick. Sich dahinter bewegende Schemen verrieten, dass dort eine Besprechung im Gang war.
Veronika Jäger bot Babs einen Platz und Kaffee an und kam dann gleich zur Sache. »Caroline hat mir erzählt, dass Sie das Studium abgebrochen haben, als die Kinder kamen …«
Babs nickte. »Eigentlich wollte ich den Abschluss nachholen …«
»… da machen Sie sich mal keine Sorgen. Was für uns zählt, ist das Ergebnis. Und was Sie aus Carolines Wohnung gemacht haben, ist absolut überzeugend. Haben Sie sich unser Heft schon mal angesehen?«
Natürlich hatte Babs sich die aktuelle Ausgabe gekauft. Interior & Design unterschied sich wohltuend von den Hochglanzmagazinen für die oberen Zehntausend. »Mir gefallen vor allem die Reportagen«, sagte sie, »und die Tatsache, dass die vorgestellten Möbel und Accessoires auch für Otto Normalbürger erschwinglich sind.«
Veronika Jäger lächelte. »Genau das ist unser Konzept. Wir machen unseren Lesern keine langen Zähne, sondern zeigen ihnen, wie sie zu erschwinglichen Preisen und mit pfiffigen Ideen ihre Wohnung aufhübschen können. Und dazu gehört auch unser Leserservice Ein Problem – drei Lösungen. Jeden Monat wählen wir aus den von unseren Lesern eingesandten Sorgenkindern eines aus und entwickeln dafür drei Vorschläge, die sich nicht nur im Design unterscheiden, sondern auch nach Budget gestaffelt sind. Also eine Low-Budget-Variante, einmal Mittelklasse und dann noch eine für Leute, die das Sparschwein schlachten wollen. Für die nächste Ausgabe bin ich mal wieder mit einem Problembad dran, und außerdem habe ich noch ein Sonderheft Küchen an der Backe. Wenn Sie wollen, lasse ich Ihnen mit dem Bad freie Hand.«
»Wie?« Babs war überrascht. »Ich bekomme gleich einen Auftrag?«
»Na klar.« Die Redakteurin nahm eine Mappe vom Stapel. »So sehe ich am schnellsten, was Sie können. Haben Sie Lust?«
»Natürlich.« Babs war um den festen Klang ihrer Stimme bemüht.
In der nächsten halben Stunde besprachen sie das Problembad einer jungen Frau, die sich eine Altbauwohnung gekauft hatte. Das Bad war klein, unvorteilhaft geschnitten und die Installationen planlos. Außerdem fehlte Stauraum.
»Schaffen Sie das bis nächsten Montag?«
In nur einer Woche sollte sie drei Vorschläge ausarbeiten. Das war nicht machbar. Oder doch?
»Erste Entwürfe. Ich will nur die Marschrichtung sehen.«
»Das kriege ich hin«, sagte Babs, obwohl sie keine Ahnung hatte, wie.
»Gut. Dann reden wir noch übers Geld.« Veronika Jäger nannte ihr eine fixe Summe, die für dieses Projekt zur Verfügung stand, und Babs stimmte zu.
»Prima. Dann machen wir jetzt den Rundgang.«
Als Babs mit der Mappe unter dem Arm auf den Flur trat, wurde die Tür des Konferenzraums geöffnet. Unter den herauskommenden Mitarbeitern erkannte sie Carsten Morgenroth. Sein Blick traf ihren, während er sich mit einer Kollegin unterhielt. Er stutzte und lächelte dann. Es war noch das gleiche jungenhafte Lächeln wie in jenen Semesterferien, als eine kurze Affäre sie für einen Sommer verbunden hatte.
Babs wandte den Blick ab, als Veronika Jäger sie leicht am Arm berührte und sie einigen Redaktionsmitgliedern vorstellte. Inzwischen beendete Carsten das Gespräch und kam zu ihr herüber.
»Hallo, Barbara. Das ist ja eine Überraschung!« Er schien kaum gealtert zu sein. Sein Haar war dunkel, wie Waldhonig, seine Figur noch immer athletisch und der Blick aus braunen Augen warm und freundlich.
»Du kennst Frau Heckeroth?« Veronika Jäger hakte einen Daumen in den Gürtel. »Sie wird für die nächste Ausgabe für Ein Problem – drei Lösungen die Entwürfe machen.«
»Wir haben zusammen studiert«, erwiderte Carsten an Veronika Jäger gewandt. Dann reichte er Babs die Hand. »Aber damals hast du noch Meining geheißen. Du hast tatsächlich Albert geheiratet?« Er klang überrascht, als wäre Albert der größte Langweiler.
»Vor dreizehn Jahren schon. Uns geht es gut. Die Praxis läuft, und die Jungs sind inzwischen aus dem Gröbsten raus. Jetzt versuche ich den Seiteneinstieg in meinen Beruf. Und was machst du hier?«
Carsten lächelte. »Ich bin der Clown vom Dienst. Jongliere mit Themen und Terminen, bändige wild gewordene Fotografen, schwinge die Peitsche, damit das Heft pünktlich am Kiosk ist, und hypnotisiere gelegentlich den Herausgeber. Man kann auch sagen: Ich bin der Chefredakteur. Wir werden uns in Zukunft also häufiger sehen. Schön.« Das Handy, das er in einer Halterung am Gürtel trug, begann zu klingeln. »Bis demnächst.« Er zwinkerte ihr zu und griff dann nach dem Telefon.
Auf dem Heimweg arbeiteten zwiespältige Gefühle in Babs. Einerseits war sie stolz auf den ersten Auftrag und auf das Vertrauen, das man in sie setzte. Andererseits war sie unsicher wegen des Termins. Eine Woche. Sie hatte ja nicht einmal einen Schreibtisch. Eigentlich hatte sie geplant, die Speisekammer neben der Küche in ihr Büro zu verwandeln. Aber dafür blieb nun keine Zeit.
Es war beinahe schon Mittag, als sie heimkam. Sie schlüpfte in Jeans und T-Shirt, kochte für die Jungs Spaghetti bolognese und aß mit ihnen gemeinsam, als sie von der Schule kamen. Ihre Frage an Noel, wie es denn bei der Schulaufgabe gelaufen sei, beschied er mit einem »Passt schon«, während Leon die Lippen zusammenpresste, um, wie Babs vermutete, ein verräterisches Grinsen zu unterdrücken.
»Ich vertue meine Zeit nicht, wenn ich die Volleyballshirts wasche? Es reicht für eine Zwei?«
»Locker«, entfuhr es Leon mit vollem Mund. Dann lief er rot an und blickte so konzentriert auf seinen Teller, als würde sich dort gleich ein Orakel offenbaren.
Noel, der zusammengezuckt war, griff hastig zur Gabel.
Babs sah von einem zum anderen. »Habt ihr etwas zu beichten?«
Beide Köpfe fuhren gleichzeitig hoch. »Nö. Wieso?«
»Glaubt ihr, ich bin doof? Schaut euch doch mal an. Heute kann ich euch fast nicht unterscheiden. Also?«
Leon konnte sich das Grinsen nicht länger verkneifen.
»Ihr habt also die Rollen getauscht. Findet ihr das richtig?«
Es folgte eine Diskussion über die Nutzlosigkeit von Latein und darüber, dass die Lehrerin den Schwindel ja nicht gemerkt habe und niemandem geschadet worden sei.
»Doch, natürlich habt ihr jemandem geschadet. Euren Klassenkameraden, die fleißig lernen und keinen Doppelgänger haben, der für sie einspringt. Was ihr gemacht habt, ist Betrug.« Babs wusste, dass dies ein hartes Wort war, trotzdem war es angebracht. Es entsprach dem Sachverhalt.
Plötzlich sahen Noel und Leon betreten drein. Vielleicht war sie zu streng. Aber auch wenn sie ihr Verhalten verstand, musste es Konsequenzen haben, und das erklärte sie ihnen. Natürlich würde sie ihre Jungs nicht in der Schule anschwärzen. Also suchte sie nach einer anderen Lösung. »Vielleicht eine soziale Arbeit. Habt ihr eine Idee, oder soll ich mir etwas überlegen?«
Noel stützte den Kopf in die Hände und zog eine Schnute. »Wir könnten für die Katzameier einkaufen.«
»Für Frau Katzameier.« Die alte Dame wohnte über ihnen im vierten Stock und war noch gut zu Fuß. Da sie aber beinahe blind war, hatte sie Angst, beim Treppensteigen zu stürzen, und verließ deshalb kaum noch die Wohnung. »Das ist ein guter Vorschlag. Ihr könnt gleich damit anfangen. Besser, man schiebt so etwas nicht auf die lange Bank. Und mit einem Mal ist das nicht erledigt. Ich denke, ihr solltet diesen Dienst vier Wochen machen.«
»Vier Wochen!« Der Widerspruch erklang zweistimmig.
»Und falls Frau Katzameier eure Hilfsbereitschaft entlohnen möchte, lehnt ihr dankend ab. Alles klar?«
Ihre Jungs sahen nicht begeistert aus, trollten sich aber. Babs hörte sie die Treppen nach oben poltern und an der Tür der alten Dame klingeln.
Die nächsten anderthalb Stunden, bis die Jungs wiederkamen, verbrachte sie mit Hausarbeit. Dann kochte sie eine Kanne Tee und nahm sich die Unterlagen für das Problembad vor. Einige vage Ideen hatte sie schon im Verlag gehabt, die wollte sie nun skizzieren. Aus Alberts Arbeitszimmer holte sie einen Block und setzte sich an den Küchentisch. Ihre Arbeitsweise war mittlerweile antiquiert, aber sie besaß keinen PC und auf Alberts fehlte die nötige Software. Demnächst würde sie dafür ihr Sparbuch plündern müssen. Sie wusste selbst nicht genau, weshalb sie Albert nicht bitten wollte, ihr die Grundausstattung ihres Büros zu finanzieren.
Als die Skizzen fertig waren, überlegte sie, was sie zum Abendessen kochen sollte. Etwas Leichtes und für später würde sie eine Flasche Prosecco kaltstellen. Der erste Schritt ihrer beruflichen Laufbahn musste schließlich gefeiert werden. Sie rief Albert an und fragte, wann er nach Hause kommen würde.
»Ich weiß es nicht. Das Wartezimmer ist voll, und dann war gerade Frau Kiendel da. Vater ist noch immer nicht zurück, und ich kann ihn telefonisch nicht erreichen. Vielleicht sollte ich doch fahren und nachschauen, was los ist.«
Wenn Albert nach der Sprechstunde ins Wochenendhaus fuhr, würde es wieder spät werden. Heute Abend sollte ihr Schwiegervater ihr nicht in die Quere kommen. Sicher hatte Wolfram den Akku nicht aufgeladen. Das vergaß er manchmal.
»Denkst du wirklich, dass das nötig ist? Er ist doch schon oft länger draußen geblieben. Wenn er dich bräuchte, hätte er dich angerufen. Das macht er doch sonst auch wegen jeder Kleinigkeit.« Diese Spitze konnte sie sich nicht verkneifen. Doch wenn Albert nicht fuhr, würde er sicher ständig versuchen, seinen Vater zu erreichen. Ein entspannter Abend würde das nicht werden. »Ich kann doch fahren. Dann bin ich zurück, bis die Sprechstunde vorbei ist, und wir können uns …«
»Nein. Ich fahre.«
Okay, dachte Babs, vergiss es. Sie blickte aus dem Fenster. Mittlerweile hatte es zu regnen begonnen.
* * *
Es war kurz vor acht und bereits dunkel. Regentropfen rannen am gekippten Küchenfenster herab und fielen auf das Alublech. Durch die Bäume auf dem alten Südfriedhof fegte der Wind. Kriminalhauptkommissar Konstantin Dühnfort konnte ihr Ächzen bis in die Küche hören.
Er stand vor dem Herd. Neben ihm lagen auf einem Holzbrett zwei dicke Steaks. Bestes Angusrind. Hinter ihm am Küchentisch saß Agnes mit noch feuchten Haaren und machte den Salat an. Sie hatte gerade geduscht. Kurz nach sechs Uhr hatte sie angerufen und gefragt, ob er Zeit habe. Sie hatte eine Typographie-Ausstellung besucht und keine Lust, schon zurück nach Mariaseeon zu fahren, wo sie wohnte. Natürlich hatte er sich gefreut, sie zu sehen. Wie immer. Natürlich waren sie nach einer halben Stunde im Bett gelandet. Wie immer. Ich bin ein Depp, dachte er und wunderte sich einen Augenblick, dass er, der Hamburger, nun dieses Wort in seinen Sprachschatz aufgenommen hatte. Doch nach fünf Jahren in München war es dafür auch nicht zu früh.
Er nahm einen Holzkochlöffel und hielt den Stiel in die Pfanne. Kleine Blasen bildeten sich, feiner Rauch stieg auf. Das Fett war heiß genug.
Agnes stand auf und trat hinter ihn. Er spürte ihre Wärme, als sie beide Arme um seinen Körper legte und ihren Kopf auf seine Schulter. Er wandte sich zu ihr um, sah den Blick aus ihren blauen Augen auf sich gerichtet und fuhr ihr durch die streichholzkurzen Haare. Als er Agnes im Mai kennengelernt hatte, waren sie beinahe hüftlang gewesen. Wie lange würde es wohl noch dauern, bis sie die Geister, die sie beherrschten, abgeschüttelt hatte, bis es für ihn einen Platz in ihrem Leben gab? Sein Handy begann zu klingeln. »Merde«, fluchte er halblaut, löste sich von Agnes und meldete sich.
»Hast du schon zu Abend gegessen?« Es war Berentz von der Einsatzabteilung.
»Wollte ich gerade.«
»Verschieb es auf später. Es gibt Arbeit für euch. Scheint kein schöner Anblick zu sein. Ein alter Mann liegt draußen am Starnberger See in seinem Wochenendhaus. Anscheinend schon länger. Besser, du isst hinterher.« Berentz gab Dühnfort Adresse und Wegbeschreibung. Das Haus sei nicht einfach zu finden, hatte der Sohn des Toten erklärt.
Agnes schaltete den Herd aus und legte die Steaks in den Kühlschrank. »Du musst los, oder?«
»Aber deswegen musst du ja nicht gehen – und schon gar nicht hungrig.« Er wollte, dass sie blieb. Wenigstens ein Mal. »Du könntest doch hier schlafen.«
Sie zog die Schultern hoch. »Mal sehen.«
Er versuchte sich seine Freude nicht anmerken zu lassen. »Mach dir doch eines der Steaks. Im Kühlschrank ist ein gut gekühlter Soave und im Dritten kommt gleich Casablanca, den könntest du dir doch ansehen. Bis der Film vorbei ist, bin ich zurück.«
Er gab ihr einen Kuss und schlüpfte in den Mantel. Als er seine Wohnung verließ, stand Agnes in der Tür und sah ihm nach. Dieses Bild sah falsch und gleichzeitig richtig aus. Keine Zeit zu grübeln. Die ausgetretenen Stufen des Treppenhauses knarrten unter seinen Schritten. Er trat vors Haus.
Es war dunkel, ein kalter Ostwind wehte, feiner Nieselregen fiel lautlos. Das Licht der Straßenlaternen beleuchtete die herbstlich gefärbten Blätter einer Linde. Ein alter Mann, der einen Rauhaardackel an der Leine führte, näherte sich. Der Hund schnupperte kurz an Dühnforts Schuhen und hob dann sein Bein am Baum. Der Alte nickte grüßend. Er wirkte eingesunken, wie eine alte Mauer, deren Fundament nachgab. Ein anderer alter Mann lag tot in seinem Wochenendhaus. Dühnfort ging zu seinem Wagen.
Als er auf die Garmischer Autobahn einbog, griff er zum Telefon und forderte ein Team der Spurensicherung und einen Rechtsmediziner an. Dann wählte er die Nummern von Alois und Gina und vergewisserte sich, dass beide unterwegs waren.
Anschließend schaltete er das Autoradio ein. Auf dem Kulturkanal gab es eine Buchbesprechung. Der Moderator verlief sich in Formulierungen. Er sprach vom namenlosen Ich, vom Erotiker, der im Gegensatz zum Faun, der ja ein Sammler und Eroberer sei, keine Siege zähle, sondern allenfalls Kapitulationen.
Dühnfort schaltete ab. Er hatte die Stadt hinter sich gelassen. Die Nacht war dunkel, die Scheibenwischer quietschten. Zum ersten Mal fragte er sich, wie lange er sich noch auf diese Art unverbindlicher Beziehung einlassen wollte, die er mit Agnes hatte. Vielleicht sollte auch er kapitulieren.
Bei Wolfratshausen verließ er die Autobahn und fuhr über Münsing nach Holzhausen. Kurz nach dem Ortsende verlangsamte er die Fahrt, um die Abzweigung des Feldweges nicht zu verpassen. Die Lichter streiften über Schlaglöcher und Unkraut am Wegesrand. Ein Stein flog krachend gegen die Karosserie. Dann führte der Weg in den Wald. Die Dunkelheit verdichtete sich. Für einen kurzen Moment tauchte ein Kaninchen im Scheinwerferlicht auf. Nach etwa einem Kilometer bemerkte er Lichter zwischen den Bäumen. Er war da. Ein Geländewagen und ein Polizeifahrzeug parkten auf dem schmalen Weg vor einem Grundstück, in dessen Mitte ein Blockhaus stand. Die Außenbeleuchtung war eingeschaltet. Neben der Haustür lehnte eine Streifenpolizistin an der Wand. Im Haus brannte Licht. Die Beifahrertür des Streifenwagens stand offen. Auf dem Sitz saß ein Mann, vermutlich der Sohn des Toten. Er hatte den Kopf in die Hände gestützt und blickte nicht auf, als Dühnfort stoppte und ausstieg.
Für einen Moment blieb er neben dem Wagen stehen. Der Regen hatte nachgelassen. Durch ein Loch in der Wolkendecke schien der Vollmond und beleuchtete dürftig den Weg, der zur Uferstraße in etwa fünfzig Metern Entfernung führte. Dahinter glitzerte das Wasser des Starnberger Sees. Die Fahrertür des Steifenwagens wurde geöffnet. Ein Polizist stieg aus. Sein schmales Gesicht und die hervorstehenden runden Augen erinnerten Dühnfort an einen Karpfen. Der Kollege stellte sich vor: »Fischer. Der Tote ist im Bad.«
»Außer Ihnen hat niemand das Haus betreten?«
»Nein. Nur ich und natürlich Dr. Heckeroth. Er hat ihn ja gefunden.«
Als der Mann auf dem Beifahrersitz seinen Namen hörte, stand er auf. »Es ist meine Schuld«, sagte er.
Dühnfort musterte ihn. Im Mondlicht erschien sein Gesicht beinahe grau, die Lippen farblos. Die braunen Haare waren sehr kurz geschnitten, aber oberhalb der rechten Schläfe sträubte sich ein Wirbel.
»Wie meinen Sie das?«
Heckeroth fuhr sich über die Augen. »Eigentlich wollte er gestern Abend zurück sein, und als er heute Morgen noch nicht da war, hätte ich gleich nach ihm schauen sollen.« Langsam ließ er die Hand sinken. »Aber das hätte ja auch nichts mehr geändert.«
Dühnfort wollte sich den Toten ansehen. In aller Ruhe. Das war der Grund, weshalb er nach Möglichkeit Spurensicherung und Rechtsmedizin mit einer kleinen zeitlichen Verzögerung informierte. So blieben ihm einige ungestörte Minuten, bevor der Trubel losging. »Ich sehe mir das jetzt an. Sie warten bitte hier.«
Die Polizistin neben der Tür grüßte ihn. Sie hatte die gedrungene Figur, den rosigen Teint und die frische Ausstrahlung eines Landmädchens. »Polizeihauptmeisterin Christine Meingast. Kann ich mit reinkommen?«
»Besser nicht. Das ist sicher kein schöner Anblick.«
»Der Kollege Fischer hat mich schon nicht reingelassen und nun auch noch Sie. Ich will mich für das Auswahlverfahren zum gehobenen Dienst bewerben. Von daher wäre es gut, wenn ich mir das mal anschauen könnte.«
»Später. Es reicht, wenn der Leiter der Spurensicherung auf mich sauer ist.« Dühnfort zog Überschuhe an, sog die frische Luft ein und betrat das Haus.
Es stank unbeschreiblich. Nach Urin und Exkrementen, aber vor allem nach Verwesung. Vor ihm lag ein schmaler Flur. Holzboden, Flickenteppich. Eine Matratze lehnte links an der Wand. Die Tür rechts zum Schlafzimmer stand offen. Kissen, Decken und Laken waren auf dem Boden verstreut. Die beiden Matratzen des Doppelbetts fehlten. Die Tür auf der linken Seite des Flurs war geschlossen. Dühnfort streifte Latexhandschuhe über, bevor er sie öffnete. Eine Welle von warmer Luft und Verwesungsgeruch brandete ihm entgegen und nahm ihm den Atem. Der alte Mann saß vor dem Heizkörper auf dem Boden, die Beine ausgestreckt, den durch die fortgeschrittene Verwesung bereits grün verfärbten Kopf zur Brust gesenkt, die Arme ausgebreitet auf Schulterhöhe. Dühnforts Blick blieb an den Gürteln hängen, die um die Handgelenke geschlungen und an den Halterungen des Heizkörpers befestigt waren. Wolfram Eberhard Heckeroth hatte verzweifelt versucht, sich zu befreien. Haut und Fleisch waren weggescheuert, blanke Knochen schienen hervor. Dühnfort hätte gerne durchgeatmet, aber das musste noch einen Augenblick warten. An der Hose fehlte der Gürtel, der Bund schnitt in den durch Faulgase geblähten Bauch des Toten. Der Eintritt des Todes lag sicher schon drei, eher vier Tage zurück. Vor dem Fenster lehnte die zweite Matratze. Dühnfort blickte auf das Thermometer neben dem Spiegel – dreiundzwanzig Grad – und verließ das Bad.
Das Wohnzimmer war rustikal eingerichtet. Holzboden, Holzwände, bunte Flickenteppiche, dunkle Polstermöbel. Ein Kreuzworträtselheft lag auf dem Couchtisch. In der nicht abgetrennten Küche stand auf der Ablagefläche neben dem Herd ein Tablett, darauf ein Teller mit einem Salamibrot. Die vertrockneten Ränder bogen sich nach oben, Butter und Salamifett waren geschmolzen und in der Brotscheibe versickert. Ein beinahe leeres Weinglas stand daneben. Eine tote Fliege schwamm in einer Pfütze Rotwein. Ein zweites Glas und ein Teller befanden sich im Spülbecken.
Dühnfort ging hinaus, schloss die Tür hinter sich und sog die frische Waldluft tief ein. Sie trug den Geruch von Herbst und Pilzen, von See und Regen in sich. Dennoch konnte sie den Leichengeruch nicht verdrängen, der in seinem Mund klebte wie schmieriger Belag. »Gibt es hier noch andere Häuser?«
»Zwei liegen gleich dahinter.« Christine Meingast deutete auf eine Fichtenhecke, die das Grundstück im Norden begrenzte. »Und ein Stückchen weiter im Süden ist noch eines. Aber um die Jahreszeit sind die Leute selten am See.«
Fahrzeuglichter tauchten zwischen den Bäumen auf. Die Busse der Spurensicherung kamen vor dem Gartenzaun zu stehen. Frank Buchholz, der Leiter des Teams, zwängte sich aus dem ersten. Er trug eine schwarze Lederhose, Lederjacke und ein weißes Hemd. Sein Bauch quoll über den Bund. Buchholz’ Markenzeichen, eine Mähne graumelierter Locken, war im Juli einem der heißesten Sommertage zum Opfer gefallen. An den Anblick des seither kahlrasierten Schädels hatte Dühnfort sich noch immer nicht gewöhnt.
Buchholz begrüßte ihn mit Handschlag, während seine Leute Kisten und Lampen aus den Fahrzeugen holten. »Du warst natürlich schon drinnen und natürlich wieder ohne Overall. Du lernst das nie.«
Beschwichtigend hob Dühnfort die Hände. »Du hättest mich sowieso gleich reingelassen. Es gibt keine vertretenen Blutspuren.«
»Aber nicht ohne Overall.«
Eine Dreierkolonne Autos stoppte auf dem Weg. Vorneweg Ginas roter Golf, dahinter Alois’ schwarzer Mini und zum Schluss Dr. Ursula Weidenbach im silberfarbenen BMW. Dühnfort arbeitete gerne mit der Rechtsmedizinerin zusammen. Sie ließ Befunde nicht per Dienstpost übermitteln, sondern setzte sich mit an den Besprechungstisch, und außerdem zog sie eine klare Sprache dem Medizinerlatein vor. Mit zwei Alukoffern in den Händen kam sie auf ihn zu, groß und schlank, die grauen Haare kurz geschnitten. Die Lachfältchen um die ungeschminkten Augen wurden von einer silbergefassten Brille vergrößert. »Wenn Ihre Kollegen mich nicht aufgegabelt hätten, hätte ich nie hierhergefunden.« Mit einem Blick auf das Haus sog sie die Luft ein, als ob sie Witterung aufnähme. »Welch ein Odeur. Duftet nach wenigstens drei Tagen. Aber nageln Sie mich nicht fest. Später weiß ich mehr.«
Gina trug eine ihrer obligatorischen Cargohosen und eine Jeansjacke. »Guten Abend, Boss.« Alois trat hinter sie. Er nickte Dühnfort zu. Im kittfarbenen Trenchcoat über dem dreiteiligen Anzug sah er aus, als wäre er der Leiter der Ermittlung.
* * *
Dühnfort ging mit Albert Heckeroth, der die Ankunft des Teams vom Beifahrersitz des Streifenwagens aus verfolgt hatte, auf die Terrasse. Die Beleuchtung wurde, wie neben der Haustür, durch einen Bewegungsmelder eingeschaltet. In einer windgeschützten Ecke standen Stühle und ein Tisch. Sie setzten sich. Durch das Fenster beobachtete Dühnfort die Männer der Spurensicherung, die wie emsige weiße Käfer im Haus arbeiteten und zu denen sich nun Christine Meingast gesellte. Ihr Gesicht nahm eine käsige Farbe an, trotzdem sah sie sich aufmerksam um.
In den folgenden Minuten erfuhr er, dass Albert Heckeroth Kinderarzt war und eine Praxis in München hatte. Seine weiße Hose und die weißen Schuhe ließen Dühnfort vermuten, dass er direkt von der Praxis hierhergefahren war. Kurz vor halb acht war er eingetroffen, um nach seinem Vater zu sehen, den er eigentlich schon Sonntagabend zurückerwartet hatte. Aber das Auto war weg und das Haus verschlossen. »Ich dachte erst, unsere Wege hätten sich überschnitten.« Mit dem Zeigefinger fuhr Albert Heckeroth einen Wirbel am Haaransatz nach.
Gina und Alois, die sich im Haus einen ersten Eindruck verschafft hatten, kamen heraus und setzten sich mit an den Tisch.
»Warum sind Sie dann doch ins Haus gegangen?«, fragte Dühnfort.
Albert Heckeroth griff nach seinem Handy, das auf der Tischplatte lag. »Ich habe versucht, ihn zu erreichen, auch zu Hause. Aber er hat sich nicht gemeldet. Plötzlich hatte ich ein schlechtes Gefühl. Aber das …«, er deutete auf das Haus, »das habe ich nicht erwartet. So etwas nicht.«
»Die Haustür war also verschlossen?«
Albert Heckeroth setzte zu einem Nicken an, hielt dann aber mitten in der Bewegung inne. »Nein, sie war zugezogen, aber nicht abgesperrt.«
»Wer hat einen Schlüssel?«
»Natürlich mein Vater und ich. Meine Schwester auch, und ob mein Bruder einen hat, das weiß ich nicht. Aber ich hatte meinen nicht dabei. Der liegt in der Wohnung. Ich habe den Reserveschlüssel aus dem Versteck geholt.« Er deutete auf einen Blumentopf in der Ecke.
»Seit wann war Ihr Vater hier?«, fragte Dühnfort.
»Er ist vorletzten Freitag gefahren …«
Alois zog die Brauen zusammen. »Und wollte bis Sonntag bleiben. Zehn Tage. Was macht man hier, bei diesem Wetter?«
»Meine Mutter ist vor vier Wochen gestorben. Vater hatte das noch nicht verkraftet. Deshalb hat er sich hierher zurückgezogen. Er wollte seine Ruhe haben.«
Dühnfort liebte es nicht, während einer Befragung unterbrochen zu werden, aber offensichtlich hatte Alois, der seit Mai dem Team angehörte, das noch immer nicht verstanden. »Das Auto Ihres Vaters ist also verschwunden. Welches Fabrikat? Können Sie mir das Kennzeichen sagen?«
»Ein silberfarbener Grand Cherokee Jeep.« Albert Heckeroth nannte die Autonummer. Dühnfort bat Alois, die Fahndung nach dem Fahrzeug herauszugeben. Danach suchte Heckeroth im Telefonverzeichnis seines Handys die Namen und Nummern der Nachbarn. Dühnfort bat Gina und Alois nachzusehen, ob einer von ihnen sich in seinem Wochenendhaus aufhielt. Er wollte wissen, ob jemandem etwas aufgefallen war und wann die Nachbarn den alten Heckeroth zuletzt gesehen hatten. »Wenn sie nicht da sind, dann ruft an.« Gina und Alois machten sich auf den Weg.
»Fehlen außer dem Auto weitere Wertsachen?«
Der Sohn des Toten zog die Schultern hoch. »Ich weiß es nicht. Ich bin gleich wieder raus und habe die Polizei gerufen.«
»Gut, dann holen wir das jetzt nach. Schaffen Sie das?«
Albert nickte und stand auf. Sie gingen durch die Räume – alles war an seinem Platz. Fernsehapparat und CD-Player, Mikrowellenherd und Espressomaschine ebenso wie das Handy.
Dühnfort ging in den Flur, durchsuchte die Jacke des Opfers, die am Garderobenhaken hing, und holte eine Brieftasche hervor. Sie enthielt ein paar Münzen, Personalausweis und Führerschein. Dühnfort sah sich nach dem Schlüsselbund um. »Hatte Ihr Vater Bargeld und Kreditkarten bei sich?«
Albert lehnte an der Wand. Sein Gesicht war fahl, jegliche Farbe aus den Lippen gewichen. »Hätte ich doch nur früher nach ihm gesehen.«
Die Tür zum Bad stand offen.
Dühnfort folgte Alberts Blick. Dr. Weidenbach hatte die Gürtel gelöst, sie lagen neben der Leiche auf dem Boden. »Diese Gürtel …«
»Das sind beide Vaters.«
Er nahm Albert am Arm. »Lassen Sie uns auf die Terrasse gehen.«
Als sie wieder unter dem Vordach saßen, erhielt Dühnfort die ausstehende Antwort.
»Mein Vater hat eine American-Express-Karte und eine Bankkarte für sein Girokonto. Außerdem hat er immer ausreichend Bargeld dabei. Das ist … war ein Tick von ihm, seit er einmal nicht zahlen konnte, weil die Karte nicht funktionierte und er kein Geld dabeihatte.«
»Wie viel ist ausreichend?«
»Mindestens dreihundert Euro. Glauben Sie, dass er deswegen umgebracht wurde?«
Dühnfort glaubte noch nichts. Er sammelte. Raubmord war eine Möglichkeit. »Sonst fehlt nichts?«
Albert schüttelte den Kopf. »Ich glaube … doch, vielleicht schon. Mein Vater hat eine sehr teure Armbanduhr. Er trägt sie eigentlich immer.«
Dühnfort ging zurück ins Haus. Ursula Weidenbach verzog bedauernd den Mund, als er nach der Uhr fragte, und deutete auf das linke Handgelenk. »Und der Schlüsselbund?«
Die Rechtsmedizinerin breitete die Hände aus. »Die Taschen sind leer.«
Dühnfort bat Buchholz, nach den Schlüsseln Ausschau zu halten, kehrte zu Albert zurück und ließ sich eine Beschreibung der Uhr geben. Es handelte sich um einen Schweizer Chronographen mit Mondphasenkalender im Wert von knapp achttausend Euro. Albert hatte sie seinem Vater vor zwei Jahren zum siebzigsten Geburtstag geschenkt.
»Wann haben Sie Ihren Vater zuletzt gesehen?«
»Das war letzten Montag. Also vor einer Woche.« Albert schien sich wieder gefangen zu haben. Die Blässe war aus seinem Gesicht gewichen. »Der Siphon in der Küche war verstopft. Er hat mich gebeten, zu kommen und das zu reparieren. Ich bin nach der Sprechstunde hierhergefahren. Danach haben wir gemeinsam zu Abend gegessen. Als mein Vater mir dann noch eine neue CD vorspielen wollte, habe ich mich verabschiedet. Ich war etwas in Eile, meine Frau hat auf mich gewartet. Ich habe ihn auf ein andermal vertröstet.« Er fuhr sich über die Stirn. »Und jetzt gibt es kein andermal mehr.«
»Sie sind also nach dem Abendessen gegangen?«
»Ich habe mein Geschirr ins Spülbecken gestellt, dann hat Vater mich zur Tür gebracht. Das muss gegen neun Uhr gewesen sein.«
»Ist Ihnen jemand aufgefallen, als Sie das Haus verlassen haben?«
»Nein. Da war niemand.«
»Als Sie heute angekommen sind, haben Sie den Schlüssel aus dem Versteck geholt und sind hineingegangen. Erzählen Sie mir, wie Sie Ihren Vater gefunden haben.«
Albert faltete die Hände ineinander und atmete durch, sichtlich um Fassung bemüht. »Ich bin Arzt und kenne daher Leichengeruch. Mir war sofort klar, dass etwas nicht stimmt, als ich das gerochen habe … aber etwas in mir hat sich geweigert, Vater damit in Verbindung zu bringen. Komischerweise habe ich an eine tote Katze gedacht.« Er sah auf. »Vor zwei Jahren im Herbst hat mein Vater aus Versehen eine Katze im Schuppen eingesperrt. Er hatte sie nicht bemerkt und ist heimgefahren. Als wir ein paar Wochen später wiederkamen und den Schuppen öffneten … also es stank entsetzlich. Deshalb habe ich wohl an eine Katze gedacht. Aber dann habe ich das Chaos im Schlafzimmer gesehen … und dann die Matratze vor der Badtür. Ich habe sie beiseitegestellt und bin reingegangen.« Albert legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. »Ich glaube, ich habe das Licht ausgemacht. Ich wollte das nicht sehen.«
»Das Licht war also an, als Sie hineingingen.«
Albert nickte.
»Haben Sie eine Vermutung, wer das getan haben könnte?«
»Einbrecher, war mein erster Gedanke, als ich das durchwühlte Schlafzimmer gesehen habe.«
Dr. Weidenbach trat ans Fenster und gab ihm ein Zeichen hineinzukommen. Dühnfort entschuldigte sich bei Heckeroth und traf die Rechtsmedizinerin im Flur.
»Sie können die Leiche jetzt abholen lassen. Hier kann ich nichts mehr für ihn tun.« Sie zog ein Tuch aus dem Ärmel des weißen Overalls und begann ihre Brille zu putzen.
»Haben Sie schon einen ungefähren Todeszeitpunkt?«
»Das wird schwierig. Bei dem Zustand der Leiche … Ich schaue, was ich machen kann, aber dafür muss er auf den Seziertisch.« Sie wies mit dem Kinn Richtung Badezimmer und setzte die Brille wieder auf.
»Und eine Todesursache?«
»Es gibt nur unwesentliche äußerliche Verletzungen. Die Abschürfungen an den Handgelenken und eine kleine Wunde am Kopf. Daran ist er nicht gestorben. Der Rest wäre Spekulation. Gedulden Sie sich bis morgen.«
Dühnfort rief Berentz an und bat ihn, den Transport der Leiche in die Rechtsmedizin zu organisieren. Dann kehrte er auf die Terrasse zurück und fragte Albert, ob er alleine nach Hause fahren könne.
»Es geht schon.«
Dühnfort begleitete ihn zu seinem Auto. Während er den Rücklichtern nachblickte, kam Gina vom Nachbargrundstück herüber. Die kinnlang geschnittenen dunklen Haare wippten im Takt ihrer Schritte.
»Sein Haus ist seit Montagabend verschlossen. Die Nachbarin, eine Frau Ullmann, ist an diesem Abend gegen halb zehn mit ihrem Hund Gassi gegangen. Da waren die Fensterläden schon zu und das Auto weg.«
»Seit einer Woche also. Ist sie sicher, dass es Montag war?«
Gina nickte. »Sie hat Heckeroth noch am Vormittag getroffen und ihn für Dienstagnachmittag zum Tee eingeladen. Er hat zugesagt, und deshalb hat sie sich gewundert, dass er weggefahren ist, ohne die Verabredung abzusagen. Das ist sonst nicht seine Art. Wie machen wir weiter?« Gina verschränkte die Arme vor der Brust und zog die Schultern hoch. Anscheinend war ihr kalt.
Buchholz würde noch Stunden brauchen. Das Gelände um den Tatort wollte Dühnfort bei Tageslicht absuchen lassen. Er wählte erneut die Nummer der Einsatzabteilung und bat Berentz, sobald die Sonne aufgegangen war, einen Zug der Bereitschaftspolizei dafür einzuteilen. Dann sagte er, an Gina gewandt: »Wir machen für heute Schluss.«
Alois kam den Weg von der Uferstraße hoch. »Keiner da. Die Besitzer der Häuser habe ich telefonisch erreicht. Einer war seit Monaten nicht am See. Aber die anderen, ein Ehepaar aus München, haben das vorletzte Wochenende hier verbracht und dabei auch Heckeroth senior gesehen. Am Sonntagmittag hat er mit seinem anderen Sohn im Garten gegrillt. Mit Bertram.«
Ein alter Mann, der ein gutes Verhältnis zu seinen Kindern hatte. Der eine Sohn kam zum Grillen, der andere, um Reparaturen auszuführen – eine intakte Familie. Und nun fehlte plötzlich ihr Dreh- und Angelpunkt. Alles würde sich verschieben.