Indisches Nachtstück und Ein Briefwechsel - Antonio Tabucchi - E-Book

Indisches Nachtstück und Ein Briefwechsel E-Book

Antonio Tabucchi

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Beschreibung

Die Geschichte einer Suche: Einer fährt nach Indien, um einen ehemaligen Freund zu treffen, einen Portugiesen, der auf geheimnisvolle Weise verschollen ist. Nachrichten, Briefe, verschlüsselte Botschaften lassen ihn von Bombay über Madras bis nach Goa reisen, wobei der Anlaß der Reise mehr und mehr verschwimmt. Ist es die Suche nach einem Doppelgänger oder nach einer wirklichen Person - oder erschöpft sich der Sinn der Reise im Unterwegssein, an dessen Ende ein Buch steht? Am Ende sitzt der Erzähler mit einer Reisebekanntschaft auf einer Hotelterrasse und erzählt den Inhalt des Romans, an dem er gerade schreibt: die Geschichte der Suche nach einem Mann, der in Indien verlorengegangen ist. Und plötzlich sieht er ihn, den anderen, ein paar Tische weiter.

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Über das Buch

Die Geschichte einer Suche: Einer fährt nach Indien, um einen ehemaligen Freund zu treffen, einen Portugiesen, der auf geheimnisvolle Weise verschollen ist. Nachrichten, Briefe, verschlüsselte Botschaften lassen ihn von Bombay über Madras bis nach Goa reisen, wobei der Anlaß der Reise mehr und mehr verschwimmt. Ist es die Suche nach einem Doppelgänger oder nach einer wirklichen Person — oder erschöpft sich der Sinn der Reise im Unterwegssein, an dessen Ende ein Buch steht? Am Ende sitzt der Erzähler mit einer Reisebekanntschaft auf einer Hotelterrasse und erzählt den Inhalt des Romans, an dem er gerade schreibt: die Geschichte der Suche nach einem Mann, der in Indien verlorengegangen ist. Und plötzlich sieht er ihn, den anderen, ein paar Tische weiter.

Antonio Tabucchi

Indisches Nachtstück

undEin Briefwechsel

Aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl

Carl Hanser Verlag

Menschen, die schlecht schlafen,scheinen mehr oder weniger schuldig:was tun sie? Sie machen die Nachtgegenwärtig.Maurice Blanchot

Inhalt

Vorbemerkung

Verzeichnis der Schauplätze dieses Buches

Erster Teil

Zweiter Teil

Dritter Teil

Ein Briefwechsel

Vorbemerkung

Dieses Buch ist nicht nur das Ergebnis von Schlaflosigkeit, sondern auch eine Reise. Die Schlaflosigkeit gehört dem, der das Buch geschrieben hat, die Reise dem, der sie unternahm. Da jedoch auch ich dieselben Orte aufgesucht habe wie der Protagonist der Geschichte, hielt ich es für angebracht, eine kurze Liste dieser Orte beizulegen. Ich weiß nicht, ob dazu die Illusion beigetragen hat, ein topografisches Verzeichnis könne, dank der Kraft des Realen, ein Licht auf dieses Nachtstück werfen, das von der Suche nach einem Schatten handelt, oder vielmehr die unsinnige Annahme, ein Liebhaber zielloser Reisen könne es eines Tages als Führer verwenden.

A. T.

Verzeichnis der Schauplätze dieses Buches

1.Khajuraho Hotel. Suklaji Street, ohne Nummer, Bombay.

2.Breach Candy Hospital. Bhulabai Desai Road, Bombay.

3.Taj Mahal Inter-Continental Hotel. Gateway of India, Bombay.

4.Railway’s Retiring Rooms. Victoria Station, Central Railway, Bombay. Übernachtungsmöglichkeit mit gültiger Fahrkarte oder Indrail-Paß.

5.Coromandel Hotel. 5 Nungambakkam Road, Madras.

6.Theosophical Society. 12 Adyar Road, Adyar, Madras.

7.Autobushaltestelle von Madras nach Mangalore, ca. 50 km von Mangalore entfernt, unbekannte Ortschaft.

8.Arcebispado e Colégio de S. Bonaventura. Straße von Calangute nach Panaji. Velha Goa, Goa.

9.Zuari Hotel. Swatantrya Path, ohne Nummer, Vasco da Gama, Goa.

10.Strand von Calangute. Ca. 20 km von Panaji entfernt, Goa.

11.Mandovi Hotel. 28 Bandodkar Marg, Panaji, Goa.

12.Oberoi Hotel. Bogmalo Beach, Goa.

Erster Teil

I.

Der Taxifahrer trug einen Spitzbart, ein Haarnetz und einen Zopf, der von einem weißen Bändchen zusammengehalten wurde. Ich hielt ihn für einen Sikh, denn die Anhänger dieser religiösen Bewegung wurden in meinem Reiseführer genau so beschrieben. Mein Reiseführer hieß India, a travel survival kit, und ich hatte ihn in London vor allem aus Neugier gekauft, denn die darin enthaltenen Informationen über Indien waren reichlich seltsam und auf den ersten Blick überflüssig. Erst später sollte ich feststellen, wie nützlich er war.

Der Mann fuhr für meinen Geschmack viel zu schnell, und er hupte laut und heftig. Mir schien, als ob er die Fußgänger mit Absicht streifte, und auf seinem Gesicht lag ein undurchschaubares Lächeln, das mir nicht gefiel. Seine rechte Hand steckte in einem schwarzen Handschuh, was mir ebenfalls nicht gefiel. Als er auf den Marine Drive einbog, schien er sich beruhigt zu haben und reihte sich friedlich in eine der Fahrspuren ein, auf der Seite des Meeres. Mit der behandschuhten Hand wies er auf die Palmen entlang der Uferpromenade und auf den Bogen des Golfs. »Das ist Trombay«, sagte er, »vor uns liegt die Insel Elephanta, aber man sieht sie nicht. Sie wollen sie bestimmt besichtigen, die Schiffe fahren jede Stunde vom Gateway of India ab.«

Ich fragte ihn, warum er über den Marine Drive fahre. Ich kannte mich in Bombay nicht aus, aber ich versuchte, unsere Fahrt auf dem Plan zu verfolgen, den ich auf den Knien hielt. Meine Anhaltspunkte waren Malabar Hill und der Chor, der Diebsmarkt. Mein Hotel befand sich zwischen diesen beiden Punkten, und um es zu erreichen, mußte man nicht über den Marine Drive fahren. Wir fuhren in die genau entgegengesetzte Richtung.

»Das Hotel, das Sie mir genannt haben, liegt in einem Elendsviertel«, sagte er freundlich, »und die Ware ist von minderer Qualität, die Touristen, die zum erstenmal nach Bombay kommen, landen oft an wenig empfehlenswerten Orten, ich bringe Sie in ein Hotel, das für einen Herrn wie Sie angemessen ist.« Er spuckte aus dem Fenster und blinzelte mir zu. »Und mit erstklassiger Ware.« Er setzte ein aalglattes Lächeln auf, das komplizenhaft sein wollte, und das gefiel mir noch weniger.

»Halten Sie an«, sagte ich, »sofort.«

Er drehte sich um und sah mich unterwürfig an. »Aber das geht hier nicht«, sagte er, »es gibt zuviel Verkehr.«

»Ich steige trotzdem aus«, sagte ich, öffnete die Tür und hielt sie gut fest.

Er bremste abrupt und ließ einen Schwall von Worten in einer Sprache los, die wohl Marathi war. Er blickte wütend drein, und die Worte, die er zwischen den Zähnen hervorstieß, waren wahrscheinlich nicht gerade höflich, aber das war mir egal. Ich hatte nur einen kleinen Koffer bei mir, der neben mir auf dem Sitz lag, und so brauchte er nicht einmal auszusteigen, um mir das Gepäck auszuhändigen. Ich gab ihm einen Hundert-Rupien-Schein und stieg auf dem enormen Gehsteig des Marine Drive aus; am Strand wurde ein religiöses Fest gefeiert, oder vielleicht war es auch ein Jahrmarkt, eine große Menschenmenge drängte sich vor etwas, was ich nicht sehen konnte, auf der Uferpromenade hielten sich Vagabunden auf, die ausgestreckt auf dem Mäuerchen lagen, kleine Jungen, die Krimskrams verkauften, Bettler. Da war auch eine Reihe Motorrikschas, ich sprang in eine der gelben Kabinen, vor die ein Moped gespannt war, und rief dem Männchen darauf die Straße zu, in der sich mein Hotel befand. Er trat auf das Startpedal, fuhr mit Vollgas an und ordnete sich in den Verkehrsstrom ein.

Das »Viertel der Käfige« war noch schlimmer, als ich erwartet hatte. Ich kannte es von den Fotos eines berühmten Fotografen und hatte gemeint, auf das menschliche Elend hier gefaßt zu sein, aber Fotos schließen die sichtbare Welt in einem Viereck ein. Ohne Rahmen ist das Sichtbare immer etwas anderes. Und dazu strömte das, was hier sichtbar war, einen allzu starken Geruch aus. Oder vielmehr viele Gerüche.

Als wir das Viertel betraten, dämmerte es bereits, und in der kurzen Zeit, in der wir eine Straße entlangfuhren, wurde es Nacht, so plötzlich wie immer in den Tropen. Die meisten Häuser im »Viertel der Käfige« bestehen aus Holz und Strohmatten. Die Prostituierten sitzen in Hütten aus lose zusammengefügten Brettern und stecken den Kopf durch die Fugen. Manche dieser Hütten waren kaum größer als ein Schilderhäuschen. Und dann gab es Baracken und Zelte aus alten Lumpen, die vielleicht Läden waren oder in denen andere Geschäfte abgewickelt wurden, von Petroleumlampen erhellt und mit Menschentrauben davor. Aber das Khajuraho Hotel hatte ein kleines beleuchtetes Schild und befand sich beinahe an der Ecke einer Straße, an der Gebäude aus Stein standen. Die Halle, sofern man sie als solche bezeichnen konnte, war nicht schmutzig, sondern wirkte nur etwas zwielichtig. Sie war ein kleines, im Halbdunkel liegendes Zimmer mit einem Empfangstisch, der so hoch war wie die Theken in englischen Pubs und an dessen Enden sich zwei Lampen mit roten Schirmen befanden, und dahinter stand eine alte Frau. Sie trug einen auffälligen Sari, ihre Nägel waren blau lackiert, und ihrem Aussehen nach hätte sie Europäerin sein können, auch wenn sie auf der Stirn ein Mal trug wie eine Inderin. Ich zeigte ihr meinen Paß und sagte, ich hätte telegrafisch ein Zimmer reserviert. Sie nickte zustimmend und begann betont sorgfältig meine Personalien zu notieren, dann schob sie mir das Formular zum Unterschreiben hin.

»Mit oder ohne Bad?« fragte sie mich und nannte mir die Preise.

Ich nahm ein Zimmer mit Bad. Mir schien, als würde die Empfangsdame mit leicht amerikanischem Akzent sprechen, aber ich erkundigte mich nicht weiter.

Sie nannte die Zimmernummer und hielt mir den Schlüssel hin. Der Schlüsselanhänger war aus durchsichtigem Zelluloid, mit einem Abziehbild darin, das zum Hotel paßte. »Möchten Sie zu Abend essen?« fragte sie mich. Sie betrachtete mich argwöhnisch. Ich begriff, daß das Hotel von Reisenden aus dem Westen nicht frequentiert wurde. Gewiß fragte sie sich, was ich hier suchte mit meinem bescheidenen Gepäck, nachdem ich vom Flughafen aus telegrafiert hatte.

Ich bejahte. Die Aussicht, hier zu essen, war nicht besonders verlockend, aber ich hatte Hunger, und es schien auch keine gute Idee zu sein, um diese Zeit im Viertel herumzulaufen.

»Der Dining-room schließt um acht«, sagte sie, »nach acht servieren wir nur noch aufs Zimmer.«

Ich sagte, daß ich lieber unten essen würde, und sie führte mich hinter einen Vorhang am anderen Ende der Halle, in einen Raum mit gewölbter Decke und dunkel getünchten Wänden, in dem niedrige Tische standen. Die Tische waren fast alle leer, und das Licht war sehr schwach. Die Speisekarte versprach eine Unzahl von Gerichten, aber als ich bestellen wollte, erfuhr ich vom Kellner, daß ausgerechnet an diesem Abend alles ausgegangen sei. Es gab nur noch Nummer fünfzehn. Also aß ich hastig das Fischgericht mit Reis, trank ein lauwarmes Bier und kehrte in die Halle zurück. Die Empfangsdame saß noch immer auf ihrer Bank und war offensichtlich damit beschäftigt, bunte Steinchen auf einer Art Spiegel anzuordnen. Auf dem Diwan in der Ecke neben der Eingangstür saßen zwei sehr dunkelhäutige, westlich gekleidete Männer, mit Hosen, die nach unten hin weiter wurden. Sie schienen mich nicht zu bemerken, aber ich verspürte augenblicklich ein gewisses Unbehagen. Ich blieb vor dem Empfangstisch stehen und wartete darauf, daß die Frau zu sprechen begann. Und sie begann tatsächlich zu sprechen. Sie sagte mit neutraler, gleichgültiger Stimme Zahlen auf, ich verstand nicht recht, was sie damit meinte, und bat sie, sie zu wiederholen. Es war eine Tabelle. Ich merkte mir nur die erste und die letzte Zahl: von dreizehn bis fünfzehn Jahren dreihundert Rupien, ab fünfzig fünf Rupien.

»Die Frauen sind im Zimmer im ersten Stock«, sagte sie abschließend

Ich zog den Brief aus der Tasche und zeigte ihr die Unterschrift. Ich kannte den Namen auswendig, aber um Mißverständnisse auszuschließen, zeigte ich ihn ihr lieber schriftlich. »Vimala Sar«, sagte ich. »Das Mädchen, das ich möchte, heißt Vimala Sar.«

Sie warf einen raschen Blick auf die beiden Männer auf dem Diwan. »Vimala Sar arbeitet nicht mehr hier«, sagte sie, »sie ist fortgegangen.«

»Wohin?« fragte ich.

»Das weiß ich nicht«, antwortete sie, »aber wir haben Mädchen, die schöner sind als sie.«

Die Sache fing nicht gerade vielversprechend an. Aus den Augenwinkeln heraus glaubte ich gesehen zu haben, daß die beiden jungen Männer eine kleine Bewegung machten, aber vielleicht täuschte ich mich.

»Suchen Sie sie«, sagte ich rasch, »ich warte auf dem Zimmer.« Zum Glück hatte ich zwei Zwanzig-Dollar-Scheine in der Tasche. Ich legte sie zwischen die bunten Steinchen und nahm meinen Koffer. Als ich die Treppe hinaufging, hatte ich einen Einfall, den ich meiner Angst verdankte. »Auf der Botschaft weiß man, daß ich hier bin«, sagte ich laut.

Das Zimmer war offenbar sauber. Es war hellgrün gestrichen, und an den Wänden glaubte ich Drucke von den erotischen Skulpturen in Khajuraho zu erkennen, aber ich hatte keine besondere Lust, mich davon zu überzeugen. Das Bett war sehr niedrig, daneben stand ein zerschlissener Sessel, und auf dem Boden lag ein Haufen bunter Kissen. Auf dem Nachttisch standen ein paar unmißverständliche Gegenstände. Ich zog mich aus und nahm frische Wäsche aus dem Koffer. Das Bad war ein mit Ölfarbe gestrichener Verschlag, und an der Tür befand sich ein Poster mit einer Blondine darauf, die auf einer Coca-Cola-Flasche ritt. Das Poster war vergilbt und mit Fliegendreck übersät, die Blondine trug eine Frisur à la Marilyn Monroe, im Stil der fünfziger Jahre, was den Kontrast zur Umgebung noch verstärkte. Die Dusche besaß keinen Brausekopf, sie bestand nur aus einem Rohr, das in Kopfhöhe aus der Wand ragte und aus dem Wasser sprudelte, aber ich empfand es dennoch als höchste Wonne, mich zu waschen: Ich hatte acht Stunden Flug hinter mir, einen dreistündigen Aufenthalt am Flughafen und die Fahrt durch Bombay.

Ich weiß nicht, wie lange ich schlief. Vielleicht zwei Stunden, vielleicht auch länger. Als ich von einem Klopfen an der Tür geweckt wurde, stand ich ganz mechanisch auf, um zu öffnen, und zunächst war mir gar nicht bewußt, wo ich mich befand. Das Mädchen schlüpfte mit raschelnden Kleidern herein. Sie war klein und trug einen leichten Sari. Sie schwitzte, und die Schminke in ihren Augenwinkeln begann zu zerfließen. Sie sagte: »Guten Abend, mein Herr, ich bin Vimala Sar.« Sie blieb mitten im Zimmer stehen, gesenkten Blicks und mit hängenden Armen, als ob ich sie begutachten sollte.

»Ich bin ein Freund von Xavier«, sagte ich.

Sie hob den Blick, und ich sah großes Erstaunen auf ihrem Gesicht. Ich hatte ihren Brief auf das Nachtkästchen gelegt. Als sie ihn sah, begann sie zu weinen.

»Warum ist er hier gelandet?« fragte ich. »Was wollte er hier? Wo ist er jetzt?«

Sie begann leise zu schluchzen, und ich verstand, daß ich ihr zu viele Fragen gestellt hatte.

»Beruhigen Sie sich«, sagte ich.

»Als er erfuhr, daß ich Ihnen geschrieben habe, wurde er sehr wütend«, sagte sie.

»Und warum haben Sie mir geschrieben?«

»Weil ich Ihre Adresse in Xaviers Notizbuch gefunden habe«, sagte sie. »Ich wußte, daß Sie sehr gute Freunde waren, früher einmal.«

»Und warum wurde er wütend?«

Sie hielt sich die Hand vor den Mund, wie um nicht weinen zu müssen. »In der letzten Zeit war er böse geworden«, sagte sie. »Er war krank.«

»Was machte er eigentlich?«

»Er lebte von Geschäften«, sagte sie, »ich weiß es nicht, er erzählte mir nichts, er war nicht mehr gut zu mir.«

»Welche Art von Geschäften?«

»Ich weiß es nicht«, wiederholte sie, »er erzählte mir nichts, manchmal schwieg er tagelang, und dann war er plötzlich sehr unruhig und bekam heftige Wutanfälle.«

»Wann ist er hier angekommen?«

»Vor einem Jahr«, sagte sie, »er kam aus Goa, er machte Geschäfte mit ihnen, dann wurde er krank.«

»Mit wem?«

»Mit denen aus Goa«, sagte sie, »aus Goa, ich weiß es nicht.«

Sie setzte sich auf den Diwan neben dem Bett, inzwischen weinte sie nicht mehr, sie schien sich beruhigt zu haben. »Trinken Sie etwas«, sagte sie, »in dem kleinen Schrank da sind alkoholische Getränke, eine Flasche kostet fünfzig Rupien.«

Ich ging zu dem Schrank und nahm mir ein Fläschchen mit einer orangefarbenen Flüssigkeit darin, einem Mandarinenlikör. »Aber wer war das in Goa?« fragte ich hartnäckig. »Erinnern Sie sich wenigstens an den Namen, an irgend etwas?«

Sie schüttelte den Kopf und begann wieder zu weinen. »Die aus Goa«, sagte sie. »Aus Goa, ich weiß nicht. Er war krank«, wiederholte sie.

Sie machte eine Pause und stieß einen tiefen Seufzer aus. »Manchmal schien ihm alles gleichgültig zu sein«, sagte sie, »auch ich. Lediglich die Briefe aus Madras interessierten ihn ein wenig, aber am nächsten Tag war er dann wieder wie zuvor.«

»Was für Briefe?«

»Die Briefe aus Madras«, sagte sie treuherzig, als ob dies eine ausreichende Information wäre.

»Aber von wem stammten sie?« insistierte ich. »Wer schrieb ihm?«

»Ich weiß es nicht«, sagte sie, »eine Gesellschaft, ich erinnere mich nicht, er hat sie mich nie lesen lassen.«

»Und er hat geantwortet?« fragte ich weiter.

Vimala war wie in Gedanken versunken. »Ja, er hat geantwortet, ich glaube schon, er verbrachte viele Stunden mit Schreiben.«