Lissabonner Requiem - Antonio Tabucchi - E-Book

Lissabonner Requiem E-Book

Antonio Tabucchi

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Beschreibung

Zwölf Stunden schlendert der Erzähler durch das glühendheiße Lissabon und schildert all die wunderlichen Dinge und Menschen, die ihm dort begegnen. Wie selbstverständlich tauchen neben realen auch erfundene oder tote Personen auf, die diese bunte Stadt in Wirklichkeit oder in der Literatur bevölkerten. Das heutige und das historische Lissabon verschmelzen, jedem reisenden Leser wird es gleichzeitig vertraut und faszinierend fremd erscheinen.

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Über das Buch

Eine hinreißende Liebeserklärung an Lissabon, seine Cafés, seine Museen, seine Friedhöfe, seine Menschen, verfasst von einem der größten Bewunderer dieser Stadt. Antonio Tabucchi beschreibt wieder einmal den fließenden Übergang zwischen Traum und Wirklichkeit, Realität und Fiktion.

Antonio Tabucchi

Lissabonner Requiem

Eine Halluzination

Aus dem Italienischen von Karin Fleischanderl

Carl Hanser Verlag

Vorbemerkung

Diese Geschichte spielt an einem Julisonntag in einem menschenleeren und glühendheißen Lissabon und ist das Requiem, das sich die Figur, die ich »ich« nenne, in Form dieses Buches aufzuführen gezwungen sah. Wenn mich jemand fragte, warum ich diese Geschichte auf Portugiesisch geschrieben habe, würde ich antworten, daß eine Geschichte wie diese nur auf Portugiesisch geschrieben werden konnte und basta. Aber noch etwas gibt es zu klären. Strenggenommen müßte ein Requiem auf Latein geschrieben werden, zumindest verlangt das die Tradition. Aber leider bin ich nicht sehr gut in Latein. Wie dem auch sei, es wurde mir klar, daß ich ein Requiem nicht in meiner eigenen Sprache schreiben konnte, und daß ich eine andere brauchte: eine Sprache, die ein Ort der Zuneigung und der Reflexion sein mußte.

Dieses Requiem ist nicht nur eine »Sonate«, sondern auch ein Traum, in dessen Verlauf meine Figur Lebenden und Toten auf ein und derselben Ebene begegnet: Personen, Dingen und Orten, die vielleicht eine Grabrede gebraucht hätten, eine Grabrede, die meine Figur jedoch nur auf ihre Weise halten konnte: in Form eines Romans. Aber vor allem ist dieses Buch eine Hommage an ein Land, das ich ins Herz geschlossen habe und das mich seinerseits ins Herz geschlossen hat, an ein Volk, das an mir Gefallen gefunden hat und an dem ich meinerseits Gefallen gefunden habe.

Würde jemand einwenden, daß dieses Requiem nicht mit der gebührenden Feierlichkeit aufgeführt worden ist, bliebe mir nichts anderes übrig als zuzustimmen. Um die Wahrheit zu sagen, ich habe es vorgezogen, meine Musik nicht mit einer Orgel zu spielen, einem Instrument, das zu Kathedralen paßt, sondern mit einer Mundharmonika, die man in die Tasche stecken kann, oder mit einer Drehorgel, die man über die Straße schiebt. Wie Drummond de Andrade habe ich immer billige Musik geliebt; und, so wie er, will ich nicht Händel zum Freund, und den Morgengesang der Erzengel höre ich mir nicht an. Mir reicht das, was die Straße mir gebracht hat, ohne Botschaft, und was wieder verlorengegangen ist, so wie wir verlorengehen.

A.T.

Die Personen, denen man in diesem Buch begegnet:

Der drogensüchtige Junge

Der hinkende Losverkäufer

Der Taxifahrer

Der Kellner aus der Brasiliera

Die alte Zigeunerin

Der Friedhofswächter

Tadeus

Herr Casimiro

Die Frau von Herrn Casimiro

Der Portier der Pension Isadora

Isadora

Viriata

Der junge Vater

Der Barmann des Museums für Antike Kunst

Der Kopist

Der Zugschaffner

Die Frau des Leuchtturmwächters

Der Maître der Casa do Alentejo

Isabel

Der Geschichtenverkäufer

Mariazinha

Der Gast

Der Ziehharmonikaspieler

1.

Ich dachte: Der Typ kommt nicht mehr. Und dann dachte ich: Ich kann ihn doch nicht »Typ« nennen, er ist ein großer Dichter, vielleicht der größte Dichter des zwanzigsten Jahrhunderts, inzwischen ist er seit vielen Jahren tot, ich muß ihn mit Respekt behandeln, besser gesagt, mit höchstem Respekt. Aber so allmählich war ich doch etwas verdrossen, die Sonne brannte, die Spätjuli-Sonne, und ich dachte noch: Ich bin im Urlaub, dort in Azeitão, im Landhaus meiner Freunde, ging es mir so gut, warum habe ich mich bloß auf dieses Treffen hier an der Mole eingelassen, das Ganze ist doch absurd. Und ich betrachtete meinen Schatten unter mir, und auch er erschien mir absurd und überflüssig, sinnlos, es war ein kurzer Schatten, der von der Mittagssonne flachgedrückt wurde, und da erinnerte ich mich: Er hatte zwölf gesagt, aber vielleicht hatte er zwölf Uhr Mitternacht gemeint, Geister erscheinen immerhin um Mitternacht. Ich stand auf und ging über die Mole. Auf der Straße war fast kein Verkehr, nur wenige Autos fuhren vorüber, einige davon mit Sonnenschirmen auf dem Gepäckträger, lauter Leute, die zu den Stränden in Caparica unterwegs waren, es war ein glühendheißer Tag, ich dachte: Was mache ich hier, am letzten Sonntag im Juli? Und ich ging schneller, um so rasch wie möglich in Santos zu sein, vielleicht war es im Park ein wenig kühler.

Der Park war menschenleer, nur der Zeitungsverkäufer stand vor seinem Kiosk. Ich ging zu ihm hin, und der Mann lächelte. Benfica hat gewonnen, sagte er strahlend, haben Sie es in der Zeitung gelesen? Ich schüttelte den Kopf, nein, ich hatte es noch nicht gelesen, und der Mann sagte: Ein Nacht-Match in Spanien, ein Benefizspiel. Ich kaufte A Bola und suchte mir eine Bank, um mich zu setzen. Ich las gerade, wie es dazu gekommen war, daß Benfica das entscheidende Tor gegen Real Madrid geschossen hatte, als jemand guten Tag sagte, und ich hob den Kopf.

Guten Tag, wiederholte der Junge mit dem Bart, der vor mir stand, ich bräuchte Ihre Hilfe. Hilfe wozu, erkundigte ich mich. Hilfe, um zu essen, sagte der Junge, ich habe seit zwei Tagen nichts gegessen. Es war ein ungefähr zwanzigjähriger Junge in Jeans und Hemd, der mir schüchtern die Hand hinhielt, als bettelte er um Almosen. Er war blond und hatte große Ringe unter den Augen. Seit zwei Tagen hast du dir keinen Schuß gesetzt, sagte ich aus einer Eingebung heraus, und der Junge erwiderte: Das ist dasselbe, es ist wie essen, zumindest für mich. Im Prinzip bin ich für alle Drogen, sagte ich, leichte wie schwere, aber nur im Prinzip, in der Praxis bin ich dagegen, entschuldigen Sie, ich bin ein bürgerlicher Intellektueller voller Vorurteile, ich akzeptiere nicht, daß Sie in diesem Park Drogen nehmen und Ihren Körper auf erbärmliche Weise zur Schau stellen, entschuldigen Sie, aber das ist gegen meine Prinzipien, ich könnte gerade noch tolerieren, daß Sie zu Hause Drogen nehmen, in Gesellschaft gebildeter und intelligenter Freunde, und dabei Mozart oder Erik Satie hören. A propos, fügte ich hinzu, gefällt Ihnen Erik Satie? Der drogensüchtige Junge sah mich verwundert an. Ist das ein Freund von Ihnen, fragte er. Nein, sagte ich, das ist ein französischer Musiker, der der Avantgarde angehörte, ein großer Musiker aus der Epoche des Surrealismus, sofern man von einer Epoche des Surrealismus sprechen kann, er hat vor allem Klaviermusik geschrieben, ich glaube, er war ein sehr neurotischer Mensch, wie Sie und vielleicht auch ich, ich hätte ihn gern kennengelernt, aber wir haben in verschiedenen Epochen gelebt. Bloß zweihundert Escudos, sagte der drogensüchtige Junge, zweihundert sind genug, den Rest habe ich, in einer halben Stunde kommt der Krebs vorbei, das ist der Dealer, ich brauche einen Schuß, ich bin auf Entzug. Der drogensüchtige Junge holte ein Taschentuch aus der Tasche und schneuzte sich heftig. Er hatte Tränen in den Augen. Sie sind böse, sagte der drogensüchtige Junge, ich könnte ja auch aggressiv werden, ich könnte Sie bedrohen, ich könnte mich tatsächlich wie ein Drogensüchtiger aufführen, aber nein, ich war freundlich und nett, wir haben sogar von Musik gesprochen, und Sie wollen mir nicht einmal zweihundert Escudos geben, unglaublich. Er schneuzte sich noch einmal und fuhr fort: Außerdem sind die Hunderterscheine hübsch, da ist Pessoa drauf, und jetzt stelle ich Ihnen eine Frage, gefällt dem Herrn Pessoa? Und wie er mir gefällt, antwortete ich, so sehr, daß ich Ihnen eine schöne Geschichte erzählen könnte, aber es lohnt sich nicht, ich glaube, ich bin ein wenig durcheinander, ich komme gerade von der Alcântara-Mole, aber auf der Mole war niemand, wahrscheinlich werde ich um Mitternacht noch einmal hingehen, ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen. Ich verstehe gar nichts, sagte der drogensüchtige Junge, aber das macht nichts, danke. Er steckte die zweihundert Escudos, die ich ihm hinhielt, in die Tasche und schneuzte sich noch einmal. Ist gut, sagte er, entschuldigen Sie, ich muß den Krebs erwischen, Sie müssen entschuldigen, es hat mir großen Spaß gemacht, mit Ihnen zu sprechen, ich wünsche Ihnen einen schönen Tag, auf Wiedersehen, wenn Sie gestatten.

Ich lehnte mich auf der Bank zurück und schloß die Augen. Es war schrecklich heiß, und ich hatte keine Lust mehr A Bola zu lesen, vielleicht hatte ich auch ein wenig Hunger, aber je schwerer es mir fiel, aufzustehen und mich auf die Suche nach einem Restaurant zu begeben, desto mehr genoß ich es, dazusitzen, im Schatten, fast ohne zu atmen.

Morgen ist Ziehung, sagte eine Stimme, möchten Sie nicht ein Los kaufen? Ich öffnete die Augen. Es war ein ungefähr siebzigjähriger, kleiner Mann, der einfach gekleidet war, in dessen Gesicht und in dessen Benehmen jedoch ein Rest verlorener Würde lag. Er kam hinkend auf mich zu, und ich dachte: Den kenne ich doch, und dann sagte ich zu ihm: Augenblick, wir haben uns doch schon irgendwo gesehen, Sie sind der hinkende Losverkäufer, natürlich sind wir einander schon begegnet. Wo? fragte der Mann und setzte sich mit einem Seufzer der Erleichterung zu mir auf die Bank. Ich weiß nicht, sagte ich, im Augenblick könnte ich es nicht sagen, ich habe ein absurdes Gefühl, ich glaube, ich kenne Sie aus einem Buch, aber vielleicht ist die Hitze oder der Hunger daran schuld, hin und wieder spielen einem die Hitze oder der Hunger solche Streiche. Ich habe den Eindruck, der Herr ist ein wenig verrückt, sagte der Alte, entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen das sage, aber Sie kommen mir ein wenig verrückt vor. Nein, sagte ich, das Problem liegt woanders, das Problem besteht darin, daß ich nicht einmal weiß, warum ich hier bin, es ist, als ob ich halluzinierte, ich könnte nicht einmal erklären, was ich Ihnen da erzähle, sagen wir, ich war in Azeitão — kennen Sie Azeitão? —, ich war im Landhaus von Freunden, ich lag unter einem großen Baum, der dort steht, einem Maulbeerbaum, glaube ich, ausgestreckt in einem Liegestuhl, und las ein Buch, das ich sehr liebe, und auf einmal war ich hier, ach ja, jetzt erinnere ich mich, es war Das Buch der Unruhe, Sie sind der hinkende Losverkäufer, der Bernardo Soares vergeblich auf die Nerven ging, genau, daher kenne ich Sie, aus diesem Buch, das ich unter einem Maulbeerbaum gelesen habe, in einem Landhaus in Azeitão. Die Unruhe kenne ich auch, sagte der hinkende Losverkäufer, auch ich habe den Eindruck, ich sei einem reich illustrierten Buch mit üppig gedeckten Tafeln und prächtigen Salons entsprungen, aber der Reichtum ist inzwischen verlorengegangen, und Bernardo war mein Bruder, Bernardo António Pereira de Melo, er hat das Vermögen verpulvert, London, Paris und Weiber, und so wurden die Landgüter im Norden um ein Spottgeld verscherbelt, eine Krebsoperation in Houston besorgte den Rest, bald war kein Geld mehr auf der Bank, und ich stehe nun da und verkaufe Lose. Der hinkende Losverkäufer holte Atem und sagte: Wie dem auch sei, entschuldigen Sie vielmals, ich möchte keinen Streit vom Zaun brechen, aber da ich Sie als Gentleman behandle, verstehe ich nicht Ihre Vertraulichkeit mir gegenüber, gestatten Sie, daß ich mich vorstelle, Francisco Maria Pereira de Melo, sehr erfreut, Sie kennenzulernen. Der Herr muß mir verzeihen, antwortete ich, ich bin Italiener, hin und wieder lasse ich mich von euren Umgangsformen täuschen, die portugiesischen Umgangsformen sind so kompliziert, haben Sie Nachsicht mit mir. Wenn es dem Herrn lieber ist, können wir auch englisch sprechen, sagte der hinkende Losverkäufer, auf englisch gibt es kein Problem, man sagt immer you, ich spreche gut englisch und auch französisch, auch da kann man sich nicht täuschen, man sagt immer vous, ich spreche auch sehr gut französisch. Nein, antwortete ich, entschuldigen Sie, ich würde lieber portugiesisch sprechen, dies ist ein portugiesisches Abenteuer, ich möchte nicht aus meinem Abenteuer heraustreten.

Der hinkende Losverkäufer streckte die Beine aus und lehnte sich zurück. Und jetzt entschuldigen Sie mich, sagte er, ich möchte ein wenig lesen, jeden Tag widme ich einen Teil meiner Zeit der Lektüre. Er holte ein Buch aus der Tasche und begann zu lesen. Es war die Zeitschrift Esprit, und er sagte: Ich lese den Aufsatz eines französischen Philosophen über die Seele, ist es nicht merkwürdig, daß man wieder einmal etwas über die Seele liest, seit einiger Zeit, zumindest seit den vierziger Jahren, wurde nicht mehr von ihr gesprochen, jetzt scheint sie wieder einmal in Mode zu kommen, sie wird wiederentdeckt, ich bin nicht katholisch, aber ich glaube an die Seele als an etwas Lebendiges und Kollektives, vielleicht im Sinne Spinozas, glaubt der Herr an die Seele? Sie ist eines der wenigen Dinge, an die ich glaube, sagte ich, zumindest jetzt, hier, in diesem Park, in dem wir uns gerade unterhalten, meine Seele hat mir das alles eingebrockt, ich meine, ich weiß nicht, ob es die Seele war, vielleicht war es das Unbewußte, denn mein Unbewußtes hat mich hierhergeführt. Halt, sagte der hinkende Losverkäufer, das Unbewußte, was meinen Sie damit? Das Unbewußte ist eine Angelegenheit des Wiener Bürgertums um die Jahrhundertwende, wir sind hier in Portugal, und der Herr ist Italiener, wir sind Südländer, wir sind Teil der griechisch-römischen Kultur, mit Mitteleuropa haben wir nichts zu tun, entschuldigen Sie, wir haben eine Seele. Genau, sagte ich, eine Seele habe ich ganz gewiß, aber auch ein Unbewußtes, ich meine, inzwischen habe ich ein Unbewußtes, das Unbewußte holt man sich wie eine Krankheit, ich habe mir den Virus des Unbewußten geholt, so was passiert.

Der hinkende Losverkäufer sah mich mit trauriger Miene an. Hören Sie, sagte er dann, möchten Sie tauschen? Ich gebe Ihnen Esprit, Sie leihen mir A Bola. Aber interessierten Sie sich nicht für die Seele? gab ich zu bedenken. Früher einmal, sagte er resigniert, mit dieser Nummer läuft mein Abonnement aus, aber jetzt schlüpfe ich wieder in meine Rolle, ich bin dabei, mich in einen hinkenden Losverkäufer zu verwandeln, ich interessiere mich mehr für das Tor von Benfica. Sehr gut, sagte ich, ich würde gern ein Los kaufen, haben Sie ein Los, das mit einer Neun endet? Wissen Sie, neun ist mein Monat, ich bin im September geboren, ich würde gern ein Los mit der Zahl meines Monats kaufen. Natürlich habe ich eines, mein Herr, sagte der hinkende Losverkäufer, wann sind Sie geboren, auch ich bin im September geboren. Ich bin am Tag des Herbstäquinoktiums geboren, antwortete ich, wenn der Mond verrückt spielt und der Ozean anschwillt. Das ist eine Glücksstunde, sagte der hinkende Losverkäufer, Sie werden noch viel Glück haben. Genau das brauche ich, antwortete ich, als ich das Los bezahlte, aber nicht für die Ziehung, sondern für den heutigen Tag, heute ist ein sehr merkwürdiger Tag für mich, ich träume, aber ich glaube, wach zu sein, und ich muß Menschen treffen, die es nur in meiner Erinnerung gibt. Heute ist der letzte Sonntag im Juli, sagte der hinkende Losverkäufer, die Stadt ist menschenleer, es hat mindestens vierzig Grad im Schatten, wahrscheinlich ist das ein idealer Tag, um Menschen zu treffen, die es nur in der Erinnerung gibt, Ihre Seele, pardon, Ihr Unbewußtes, wird eine Menge zu tun haben an einem Tag wie diesem, ich wünsche Ihnen einen schönen Tag und viel Glück.

2.

Tut mir leid, sagte der Taxifahrer, aber ich kenne keine Rua das Pedras Negras, kann mir der Herr nicht etwas Genaueres sagen? Er lächelte, wobei er einen Mund voll weißer Zähne zur Schau stellte, und fuhr fort: Sie müssen entschuldigen, ich bin aus São Tomé, ich arbeite seit einem Monat in Lissabon, ich kenne die Straßen nicht, in meinem Dorf war ich Ingenieur, aber dort gab es nicht viel zu tun als Ingenieur, deshalb bin ich hier und arbeite als Taxifahrer und kenne die Straßen nicht, die Stadt kenne ich zwar gut, das schon, ich verirre mich nie, bloß die Namen der Straßen kenne ich nicht. Ach, sagte ich, das ist eine Straße, die ich vor fünfundzwanzig und mehr Jahren oft besuchte, auch ich erinnere mich nicht mehr, wie man hinkommt, bleiben Sie auf jeden Fall auf der Seite des Kastells. Dann fahren wir erst einmal dorthin, sagte der Taxifahrer lächelnd und fuhr mit Vollgas los.