Insel Haie - Günter Dönges - E-Book

Insel Haie E-Book

Günter Dönges

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Beschreibung

Exzellent – das ist er im wahrsten Sinne des Wortes: einzigartig, schlagfertig und natürlich auch unangenehm schlagfähig. Wer ihn unterschätzt, hat schon verloren. Sein Regenschirm ist nicht nur sein Markenzeichen, sondern auch die beste Waffe der Welt. Seinem Charisma, Witz und Charme kann keiner widerstehen. Der exzellente Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht! »Zum Henker, Parker, dieser Nachmittag ist doch eine ausgemachte Pleite«, sagte Mike Rander und gähnte langanhaltend. »Ich möchte wissen, was Sie sich von diesem Ausflug versprochen haben.« Anwalt Mike Rander und sein Butler befanden sich an Bord einer schnittigen, hochseetüchtigen Motorjacht und kreuzten in den Gewässern irgendwo zwischen Key West und den Bahamas. Sie waren schon seit Stunden unterwegs und warteten mit Ungeduld auf irgendeinen Zwischenfall, der sich bisher leider noch nicht ereignet hatte. Sie waren allein an Bord. Sie hatten sich die Hochseejacht gemietet, um angeblich Barracudas zu fischen. In Wirklichkeit aber wollten sie sich in diesem Seegebiet umschauen und herausbekommen, warum und wieso Marty Conwell vor knapp einer Woche zu Tode gekommen war. Die Angehörigen Marty Conwells hatten den Anwalt beschworen, diesen rätselhaften Todesfall zu klären, zumal sie vermuteten, daß Mord im Spiel war. Mike Rander, nicht nur der Anwalt der Conwells, sondern auch gut befreundet mit den Eltern des Toten, hatte nach einigem Zögern zugestimmt und diesen Auftrag übernommen, zumal Josuah Parker natürlich wieder einen aufregenden und interessanten Kriminalfall witterte. »Wenn Sie darauf bestehen, Sir, werde ich beidrehen und die Rückfahrt antreten«, sagte Parker vom Ruder her, das er bediente. »Ich möchte Sie allerdings darauf aufmerksam machen, daß ich, falls mich meine Augen nicht getäuscht haben, einen Gegenstand auf dem Wasser gesichtet habe.« »Wo...?« Mike Rander sprang wie elektrisiert vom Liegestuhl hoch und enterte hinauf in den hohen Ruderstand, den sein Butler besetzt hielt. Josuah Parker, selbst hier in tropischen Gewässern in Schwarz gekleidet, trug selbstverständlich seine schwarze Melone. Auf sie hätte er selbst in den Regendschungeln Südamerikas freiwillig niemals verzichtet. »Ich gestatte mir, Sir, Ihre Aufmerksamkeit auf jene kleine Insel zu lenken, die vorab, wenn auch nur in Umrissen, zu erkennen ist.« Mike Rander schmunzelte in sich hinein. Er amüsierte sich immer wieder über die barocke und umständliche Ausdrucksweise seines Butlers.

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Der exzellente Butler Parker – 95 –

Insel Haie

Unveröffentlichter Roman

Günter Dönges

»Zum Henker, Parker, dieser Nachmittag ist doch eine ausgemachte Pleite«, sagte Mike Rander und gähnte langanhaltend. »Ich möchte wissen, was Sie sich von diesem Ausflug versprochen haben.«

Anwalt Mike Rander und sein Butler befanden sich an Bord einer schnittigen, hochseetüchtigen Motorjacht und kreuzten in den Gewässern irgendwo zwischen Key West und den Bahamas. Sie waren schon seit Stunden unterwegs und warteten mit Ungeduld auf irgendeinen Zwischenfall, der sich bisher leider noch nicht ereignet hatte.

Sie waren allein an Bord. Sie hatten sich die Hochseejacht gemietet, um angeblich Barracudas zu fischen. In Wirklichkeit aber wollten sie sich in diesem Seegebiet umschauen und herausbekommen, warum und wieso Marty Conwell vor knapp einer Woche zu Tode gekommen war. Die Angehörigen Marty Conwells hatten den Anwalt beschworen, diesen rätselhaften Todesfall zu klären, zumal sie vermuteten, daß Mord im Spiel war. Mike Rander, nicht nur der Anwalt der Conwells, sondern auch gut befreundet mit den Eltern des Toten, hatte nach einigem Zögern zugestimmt und diesen Auftrag übernommen, zumal Josuah Parker natürlich wieder einen aufregenden und interessanten Kriminalfall witterte.

»Wenn Sie darauf bestehen, Sir, werde ich beidrehen und die Rückfahrt antreten«, sagte Parker vom Ruder her, das er bediente. »Ich möchte Sie allerdings darauf aufmerksam machen, daß ich, falls mich meine Augen nicht getäuscht haben, einen Gegenstand auf dem Wasser gesichtet habe.«

»Wo...?«

Mike Rander sprang wie elektrisiert vom Liegestuhl hoch und enterte hinauf in den hohen Ruderstand, den sein Butler besetzt hielt. Josuah Parker, selbst hier in tropischen Gewässern in Schwarz gekleidet, trug selbstverständlich seine schwarze Melone. Auf sie hätte er selbst in den Regendschungeln Südamerikas freiwillig niemals verzichtet.

»Ich gestatte mir, Sir, Ihre Aufmerksamkeit auf jene kleine Insel zu lenken, die vorab, wenn auch nur in Umrissen, zu erkennen ist.«

Mike Rander schmunzelte in sich hinein. Er amüsierte sich immer wieder über die barocke und umständliche Ausdrucksweise seines Butlers. Auch davon ging Josuah Parker niemals ab, selbst dann nicht, wenn er unmittelbar bedroht wurde.

Rander baute sich neben seinem Butler auf und griff nach dem schweren Marineglas. Damit suchte er die Umrisse der kleinen Insel, von der sein Butler gerade gesprochen hatte. Viel war nicht zu erkennen. Durch die Optik des starken Glases war eine Art Riff zu erkennen, das von hohen Brandungsbrechern berannt wurde. Darüber standen einige windzerzauste Palmen. Einladend sah dieses kleine Eiland gewiß nicht aus. Es machte eigentlich sogar einen abweisenden und drohenden Eindruck.

»Na und...?« fragte Rander und ließ das Glas wieder sinken. »Von diesen Dingern gibt’s doch hier genug, Parker. Wollen wir eine Insel nach der anderen abklappern?«

»Im Grunde meinte ich nicht das bewußte kleine Eiland, Sir, sondern mehr das unscheinbare Segelboot, das irgendwie in Seenot geraten zu sein scheint.«

»Segelboot...?«

Mike Rander schüttelte ungläubig den Kopf. Von einem Segelboot hatte er nichts bemerkt. Sollte sein Butler sich endlich einmal getäuscht haben?

»Nichts zu sehen«, stellte Mike Rander fest, nachdem er noch einmal durch das Marineglas geschaut hatte. »Diesmal haben Sie mit Zitronen gehandelt, Parker.«

»Das bewußte Segelboot schwabert, wenn ich mir diesen Ausdruck erlauben darf, vor der linken Landzunge, Sir.«

Mike Rander wechselte die Blickrichtung und informierte sich erneut. Und dann, nach wenigen Sekunden, sah er tatsächlich das kleine Segelboot, das nicht größer war als eine mittelgroße Nußschale. Das Segel war halb eingezogen worden und machte einen zerfetzten Eindruck.

»Nun sagen Sie mir bloß, wie Sie das ohne Glas gesehen haben«, wunderte Mike Rander sich laut.

»Ich bin immer wieder glücklich, Sir, mich auf meine Augen verlassen zu können«, erwiderte Parker ungerührt.

»Darf ich die erforderlichen Rettungsmanöver einleiten?«

»Worauf warten Sie noch, Parker? Aber passen Sie auf, ich möchte nicht von der Brandung erwischt werden. Dann gibt’s nämlich Kleinholz.«

Parker nickte nur stumm und brachte den Hochseekreuzer auf Touren. Mit der selbstverständlichen Sicherheit und Gelassenheit des erfahrenen Seemannes handhabte er das Ruder. Mike Rander wunderte sich schon nicht mehr darüber. Gab es überhaupt etwas, was Parker nicht schaffte? Er war in allen Sätteln gerecht und geriet nur höchst selten in echte Verlegenheit. Und selbst die dauerte nie länger als ein bis zwei Minuten.

Während Josuah Parker den Hochseekreuzer in rasanter Fahrt an das hilflos treibende Segelboot heranbrachte, traf Mike Rander alle Vorbereitungen für das Rettungsmanöver, obwohl er noch nicht wußte, ob das Boot leer war oder nicht.

Zwischendurch beobachtete er immer wieder durch das Glas. Von Minute zu Minute waren immer mehr Einzelheiten zu erkennen.

Das kleine Segelboot machte einen erbärmlichen Eindruck. Es schien bereits einmal in die schwere Brandung der Insel geraten zu sein. Das Holzwerk war zerschlagen und zerschunden. Das Segel glich nur noch einem wertlosen Fetzen. Das Boot schien in irgendeinen Sog geraten zu sein, denn es hatte plötzlich Fahrt aufgenommen und trieb langsam zurück auf die Brandung.

»Parker, die Brandung«, rief Rander seinem Butler zu. Erst jetzt wurde ihm bewußt, daß das Toben der Brandung bereits deutlich zu hören war.

Josuah Parker stand stocksteif und in durchaus korrekter Haltung am Ruder und bewegte den Motorkreuzer durch das heikle Fahrwasser. Er hatte längst erkannt, daß das kleine, zerschlagene Segelboot abgetrieben wurde. Er beschrieb einen leichten Kreis und schnitt dem gefährdeten Boot den Weg zur Brandung ab.

Dann spielte sich alles innerhalb weniger Minuten ab. Es waren für Mike Rander Minuten, die wie kleine Ewigkeiten andauerten. Die Ausläufer der Brandung rüttelten und schaukelten den Seekreuzer gehörig durch. Parker mußte sein ganzes Können aufbieten, damit sie nicht auf das Unterwasserriff geschleudert wurden.

Mike Rander hatte einen langen Enterhaken in den Händen und zog das Segelboot an den Kreuzer heran. Es war ein Kraftakt, der ihm den Schweiß auf die Stirn trieb.

Doch dieser Kraftakt sollte sich lohnen, wie sich bald herausstellte. Auf dem Rost des kleinen Segelbootes war eine unbewegliche Gestalt zu erkennen.

Es handelte sich um eine Frau, die äußerst attraktiv aussah, die offensichtlich bewußtlos war. Langes, blondes Haar fiel über ihre nackten Schultern. Sie trug einen knapp sitzenden einteiligen Badeanzug und sie lag auf dem unteren Teil eines Bademantels, der ausgebreitet auf dem Bodenrost lag.

Mike Rander wartete mit der Bergung der Frau, bis sie das lädierte Segelboot aus dem Sog herausgeschleppt hatten. Im ruhigen Wasser, weitab von der tobenden Brandung, konnte er dann schließlich die Frau an Bord des Motorkreuzers schaffen.

Sie mochte etwa dreißig Jahre alt sein und sah wirklich nicht mehr aus wie ein junges Mädchen. Es handelte sich um eine reife, sehr attraktive Frau, der das Salzwasser und die sengende Sonne noch wenig zugesetzt hatten.

Sie lebte noch!

Mike Rander und Josuah Parker trugen sie hinunter in die Kajüte und betteten sie auf eine gepolsterte Sitzbank. Dann sah Mike Rander seinen Butler fragend und etwas hilflos an.

»Was machen wir jetzt?« fragte er. »Ich wette, Sie kennen sich auch in der Ersten Hilfe aus, oder?«

»Als junger Pfadfinder, Sir, wurde ich darin ausgebildet«, stellte Parker würdevoll fest. »Da äußerliche Verletzungen nicht zu erkennen sind, kann es sich hier nur um eine Ohnmacht oder Erschöpfung handeln, die man vielleicht mit einem kleinen Schluck Whisky beheben könnte.«

Der Hinweis auf den Whisky genügte, um die Wimpern der wirklich gut aussehenden Frau zittern zu lassen. Sekunden später schlug sie die Augen auf und sah sich verwirrt um.

»Oh...!« stöhnte sie mit leiser, erschöpfter Stimme. Sie hob den Kopf, um ihn sofort wieder zurücksinken zu lassen.

»Keine Sorge, Madam, Sie sind außer Gefahr«, sagte Josuah Parker. »Haben Sie besondere Wünsche? Was darf ich Ihnen reichen?«

»Durst... Durst...!« Ihr Flüstern drückte rührende Hilflosigkeit, aber auch grenzenlose Erleichterung aus. Sie hatte wohl sofort begriffen, daß sie gerettet war.

Parker begab sich zur gut ausgestatteten Bordbar und mixte einen Belebungsdrink. Als er damit zurückkam, stellte Mike Rander sich gerade vor.

»Und das hier ist mein Butler«, meinte er, auf Parker weisend. »Schon allein seine Drinks haben ihn berühmt gemacht.«

»Ich... ich bin... Susan Kelly«, antwortete die Frau. Dann griff sie hastig wie eine Verdurstende nach dem Glas und trank. Sekunden später hatte sie ihre Erschöpfung vergessen. Sie hüstelte zwar, schüttelte sich etwas, nachdem sie das Glas leergetrunken hatte, doch dann konnte sie sich aus eigener Kraft hochsetzen. Parkers Drink hatte ein kleines Wunder bewirkt.

»Ich, ich muß mich wohl bei Ihnen bedanken«, sagte sie. »Es, es war fürchterlich!«

»Darf ich höflich fragen, seit wann Sie draußen auf See waren, Madam?« erkundigte sich der Butler.

»Ich, ich weiß nicht«, gab sie kopfschüttelnd zurück. »Vielleicht zwei oder drei Stunden. Es war schrecklich, als ich in die Brandung geriet.«

»Sie kamen dort von der Insel?« fragte Mike Rander.

»Von der anderen Seite der Insel«, erwiderte Susan Kelly. »Ich wollte nur etwas hinaussegeln, aber dann trieb ich ab. Und als Seglerin war ich wohl doch nicht so gut, wie ich dachte.«

»Hauptsache, Sie befinden sich in Sicherheit«, erwiderte Mike Rander lächelnd. »Wir bringen Sie selbstverständlich zu Ihren Leuten zurück.« Mike Rander reichte ihr eine Zigarette, die Susan Kelly fast hastig entgegennahm. Dann wandte sich Mike Rander um und rief: »Parker, zurück auf die andere Seite der Insel!«

Als keine Antwort kam, wandte Rander sich um.

Josuah Parker war bereits wieder zurück zur Bordbar gegangen und mixte einen zweiten Drink. Die Eiswürfel klapperten lautstark im Shaker.

»Wir bringen Miß Kelly zurück zur Insel«, sagte Rander, als sein Butler mit dem gefüllten Shaker zurückkam.

»Ihr Wunsch, Sir, ist mir selbstverständlich Befehl«, erwiderte der Butler mit einer leichten, angedeuteten Verbeugung. »Darf ich mir erlauben, vorher noch einen zweiten Drink zu reichen?«

Während er redete, füllte er das Glas der jungen, sehr attraktiven Frau, die dankbar nickte.

»Wollten Sie nicht ohnehin zur Insel«, fragte Susan Kelly, als sie das Glas angetrunken hatte. »Kann es sein, daß wir Sie schon gestern hier zwischen den Inseln gesehen haben?«

»Stimmt haargenau«, antwortete Mike Rander. »Wir sehen uns hier etwas um.«

»Und möchten, wenn es die Umstände erlauben, einige Barracudas fischen, Madam!« Parker goß aus dem Shaker noch etwas nach. Susan Kelly trank und schloß dann anerkennend die Augen.

»Sehr gut!« sagte sie. »Wollen Sie nicht mit mir anstoßen, meine Herren?«

»Aber selbstverständlich«, gab Mike Rander zurück. »Wir müssen ja noch auf die Rettung aus Seenot trinken, gute Idee, Miß Kelly!«

»Wir hätten Champagner an Bord, Sir!« meldete Parker.

»Genau richtig, Parker. Den können Sie uns bringen.«

»Diesmal mixe ich die Drinks«, sagte Susan Kelly. Sie wollte die langen, schlanken Beine auf den Boden stellen, verlor aber das Gleichgewicht, seufzte dumpf auf und fiel zurück auf die Polsterbank. Ihre Augen schlossen sich.

»Parker! Parker, sie ist wieder ohnmächtig«, rief Mike Rander überrascht.

»Das wundert mich nicht, Sir«, erwiderte Parker würdevoll.

»Wir haben ihr zuviel zugemutet«, meine Rander. »Die Drinks waren wohl doch zu scharf!«

»Gewiß, Sir, zumal ich mir erlaubte, ein stark wirkendes Schlafmittel unterzumischen. Ich muß sagen, die Angaben der Hersteller auf dem Röhrchen entsprechen den Tatsachen, was ich kaum zu hoffen wagte, Sir!«

»Sind Sie wahnsinnig, Parker?« Entrüstung schwang in Mike Randers Stimme mit.

»Nur vorsichtig, Sir«, erwiderte Parker höflich. »Ich fühle mich schließlich für Ihr Leben verantwortlich!«

»Wie war das?« Mike Rander, der sich gerade über die junge Frau gebeugt hatte, richtete sich erstaunt auf. »Was hat die Frau hier mit meinem Leben zu tun?«

»Darauf, Sir, kann ich Ihnen zur Zeit leider noch nicht antworten«, entgegnete der Butler. »Ich bin aber sicher, daß es recht bald schon zu einer Aufklärung kommen wird.«

»Diesmal liegen Sie schief, Parker.« Mike Rander zündete sich eine Zigarette an und warf einen verstohlenen Blick auf die Frau, die tatsächlich tief und fest schlief. Strenger fügte er hinzu: »Sie werden sich später bei Miß Kelly entschuldigen, klar?«

»Selbstverständlich, Sir, sofern meine Vermutungen sich nicht beweiskräftig belegen lassen.«

»Vermutungen? Wovon sprechen Sie eigentlich?«

»Von Miß Susan Kelly, Sir. In ihren knappen und sehr vagen Erklärungen gibt es einige Ungereimtheiten, die mich stutzig werden ließen.«

»Ich habe nichts davon bemerkt, Parker. Drücken Sie sich deutlicher aus.«

»Miß Kelly ist angeblich seit zwei oder drei Stunden als Schiffbrüchige auf dem Wasser gewesen. Ihr körperlicher Zustand aber erwies sich als ausgezeichnet. Sie erholte sich erstaunlich schnell von den schweren Strapazen.«

»Sie sieht immerhin sportlich aus«, meinte der junge Anwalt und sah anerkennend auf Susan Kelly hinunter. »Wollen Sie ihr daraus einen Strick drehen?«

»Zwei oder drei Stunden unter der gnadenlosen Sonne, Sir, ohne jeden Sonnenschutz! Müßte die Haut der Frau nicht mitgenommen aussehen? Denken Sie, falls ich mir diesen Hinweis erlauben darf, an die zerstörerische Wirkung des Salzwassers! Selbst die gesündeste Haut würde solch eine Tortur nicht überstehen!«

»Das, na ja, das könnte stimmen«, pflichtete Mike Rander seinem Butler bei. »Gut, angenommen, sie schwindelt uns etwas vor. Und nun? Vielleicht hat sie ihre Gründe, uns nicht die Wahrheit zu sagen.«

»Gewiß, Sir. Und in diesem Zusammenhang denke ich an das rätselhafte Verschwinden und an den Tod von Mr. Marty Conwell.«

»Sie wollen seinen Tod mit dieser Frau in Zusammenhang bringen? Das ist doch absurd, Parker!«

»Aus welchem Grund verließ Marty Conwell seine Motorjacht? Warum fiel er über Bord? Und warum wurde er von den ›Haien‹ angenommen? Mr. Conwell galt als besonnener Sportsmann, der freiwillig niemals sein Boot verlassen hätte. Und selbst wenn er es allein getan hätte, Sir, wieso und warum, diese Frage sei mir gestattet, wieso und warum starben auch seine beiden Begleiter?«

»Noch einmal, Sie wollen Miß Kelly damit in Zusammenhang bringen? Das will und kann ich einfach nicht glauben, Parker. Sieht sie wie eine eiskalte Mörderin aus?«

»Sie könnte als Lockvogel für den Mörder gedient haben, Sir.«

»Die Phantasie geht wieder mal mit Ihnen durch. Aus welchem Grund sollten Conwell und seine beiden Begleiter auf hoher See ermordet worden sein?«

»Das müßte man herausfinden, Sir. Und ich glaube nach wie vor, daß Miß Kelly der Schlüssel zu diesen Dingen ist.«

Parker hatte sich über die junge Frau gebeugt und sah sie sich genau an. Ihn interessierten nicht die vollendeten Formen dieser Frau. Solche äußerlichen Dinge vermochten ihn niemals zu beeindrucken. Nein, der Butler begutachtete den großen Ring am Finger der Frau und das schwere Medaillon, das an einer feinen Goldkette hing.

»Was haben Sie denn jetzt schon wieder im Visier?« fragte Rander, der sich irgendwie unbehaglich fühlte.

»Ich frage mich, warum Miß Kelly darauf bestand, die Drinks selbst zu mixen, Sir.«

»Ach, jetzt geht mir ein Licht auf.« Rander lachte wie ein großer Junge. »Sie denken an Gift, was?«

»Ich dachte an Gift, Sir, und ich habe es gerade gefunden!«

Parker ließ den Halbedelstein aufklicken. Er sprang mit Federkraft aus der Fassung und gab den Blick frei auf ein feines graues Pulver, das sich in einem Miniaturbehälter in der Fassung befand.

»Donnerwetter, Sie dürften wieder einmal den richtigen Riecher gehabt haben«, stieß Mike Rander überrascht hervor.

»Auch das Medaillon, Sir, dürfte eine Art doppelten Boden haben«, antwortete Josuah Parker. »Mit Ihrer Erlaubnis werde ich das graue Pulver bergen und es später zur Analyse einreichen.«

»Jetzt bestehe ich sogar darauf«, meinte der junge Anwalt. »Aber zum Henker, falls es wirklich Gift ist, warum schleppt sie es mit sich herum? Und warum könnte sie es womöglich uns verabreicht haben?«

»Das sind Rätsel, Sir, die erst noch einer genauen Klärung bedürfen. Oh, ich glaube, ich habe den Mechanismus des Medaillons entdeckt!«

Parker hatte nicht zu viel versprochen.

Auch das Medaillon an der feinen Goldkette ließ sich öffnen. Und auch hier fand sich das graue Pulver.

Parker holte aus der Bordapotheke ein kleines Fläschchen und füllte das Pulver um. Dann schloß er Ring und Medaillon und richtete sich auf.

»Falls ich die Dinge in einem richtigen Zusammenhang sehe, Sir, geht es um jenes kleine Eiland. Mir scheint, daß man ungebetene Gäste um jeden Preis fernhalten will.«

»Wir hatten früher schon einmal mit einer Insel zu tun, auf der sich Waffenschmuggler eingenistet hatten, Parker.«

»Daran dachte ich gerade, Sir. Hier dürfte es aber um größere Dinge gehen. Denken Sie an die Vorgänge hinsichtlich Mr. Conwells! Ich schlage vor, daß man sich dieses Eiland doch einmal gründlich aus der Nähe ansieht.«

»Okay, einverstanden, Parker. Aber vorher kümmern wir uns um Miß Kelly, falls sie wirklich so heißt!«

»Darf ich daraus entnehmen, Sir, daß wir sie mit nach Key West nehmen?«

»Sie dürfen, Parker, Sie dürfen!«

Parker warf einen letzten Blick auf die tief schlafende Miß Kelly und verließ dann die Kajüte. Er wollte sich um den Kurs des Bootes kümmern. Als er das Deck erreicht hatte, sah er sich prüfend in der Runde um.

Nun, von dem kleinen, palmenbewachsenen Eiland war längst nichts mehr zu sehen. Dafür aber machte Parker einen Außenborder aus, der mit wahnwitziger Geschwindigkeit über das Wasser tanzte und genau auf den Motorkreuzer zuhielt.

*

»Na, Parker, was halten Sie von diesem Ding?« fragte Mike Rander wenig später. Er war ebenfalls nach oben an Deck gekommen und stand nun neben seinem Butler.