Jarens verschlungene Pfade - Andrea Rohn - E-Book

Jarens verschlungene Pfade E-Book

Andrea Rohn

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Beschreibung

Wer ist der tangalanisch sprechende Knabe im Ordensgewand eines Elemente-Ritters? Kann seine rätselhafte Warnung die Ordensmitglieder noch rechtzeitig vor der Gefangennahme retten? Kaum zum Ritter geschlagen, packt Jaren der Übermut. Er lässt sich auf ein riskantes Intrigenspiel ein. Zur Strafe wird er zum Knappen degradiert. Doch damit nicht genug: Ausgerechnet der undurchsichtige Magiersohn Master DaSimh zwingt ihn in seine Dienste. Gleichzeitig erhebt auch dessen Bruder Sir Cameron diesen Anspruch. Auf einer Reise quer durch das Großkönigreich Glendalach muss Jaren sich bewähren. Wird er es schaffen, gleichzeitig zwei so unterschiedlichen Herren zu dienen?

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Alle Rechte der Verarbeitung vorbehalten, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige heute bekannten und zukünftigen Kommunikationsmittel, fotomechanische und vertonte Wiedergabe, sowie des auszugsweisen Nachdrucks.

Titelfoto: Zeichnung von Ursula Reppmann-Wörsdörfer

Inhaltsverzeichnis

Personenverzeichnis

Prolog: Eivins Intrige

01. Kapitel: Jarens Vergehen

02. Kapitel: Gedächtnisverlust

03. Kapitel: Immer tiefer im Schlamassel

04. Kapitel: Auf dem Schiff

05. Kapitel: Bring ihn lebend, Master Da’Simh!

06. Kapitel: Jarens zweiter Knappenschwur

07. Kapitel: Jarens Knappenzeit beginnt

08. Kapitel: Vor der Abreise

09. Kapitel: Die Reise beginnt

10. Kapitel: Auf dem Weg nach Tangalan

Dank

Über die Autorin

Bereits erschienen

In Vorbereitung

Personenverzeichnis

Adalar: Gott des Windes

Adelgunde, Baroness von Trittberg: Tochter von Baronin Elvira und Baron Emmeran

Ariad: Knappe von Sir Isidor

Audomar, Sir: Kommandant der Ordensniederlassung Bucktopf

Baldur, Sir: junger Ritter der Ordensniederlassung Berzin in Kania

Berthold, Sir: Ritter der Ordensniederlassung von Elei, Torwächter

Blandina, Baroness zu Rebenberg: Tochter von Baronin Hildegunde und Baron Dietwald

Cameron, Sir: Sohn des Großmeisters Rell-Peras, Bruder von Luciano Da’Simh, Shira Leora und Sir Eivin

Catandra (Vogelgesang): Göttin der Erde

Damian, Sir: Ritter der Ordensniederlassung von Elei, Torwächter

Delgardo, Marvin, Sir: Kommandant der Niederlassung von Elei

Dilar: Gott des Wassers

Dietwald, Baron zu Rebenberg: Gemahl von Baronin Hildegunde, Vater von Baroness Blandina

Egbert, Sir: Kommandant der Ordensniederlassung Ovai in Kania

Elvira, Baronin von Trittberg: Gemahlin von Baron Emmeran, Mutter von Baroness Adelgunde von Trittberg

Emmeran, Baron von Trittberg: Gemahl von Baronin Elvira, Vater von Baroness Adelgunde

Eivin, Sir: Sohn des Großmeisters Rell-Peras, Bruder von Luciano Da’Simh, Shira Leora und Sir Cameron

Isidor, Sir: Ritter der Ordensniederlassung Elei und Kapitän der »Seeschlange«

Januarius: Koch der Ordensniederlassung Elei

Jaren, Sir (Aufschrei der Freude): junger Ritter und Protagonist

Jolar tu-Jas-Joklas, di-saier; Magier und Großkönig von Glendalach

Karadino, Adrian, Sir: stellvertretender Kommandant der Ordensniederlassung von Elei; später Kommandant von Magar in Kania

Klavius, Sir: Heiler in der Ordensniederlassung von Elei

Korbinian, Sir: stellvertretender Kommandant der Ordensniederlassung von Bucktopf in Kania

Master Da’Simh, Luciano: Sohn des Großmeisters Rell-Peras, Bruder von Shira Leora, Sir Cameron und Sir Eivin

Melar: Göttin des Metalls

Paschalis, Sir: Ritter, der Jaren als Knappe ausbildete

Raphael, Sir: stellvertretender Kommandant der Ordensniederlassung von Magar in Kania

Rell-Peras, dicere: Magier, Großmeister des Ordens der Ritter von den Elementen, Vater von Luciano Da’Simh, Shira Leora, Sir Cameron und Sir Eivin

Romanus: Knappe des Ordensritters Sir Trudbert

Scholastika: Tochter des Herzogs Waldfried von Elei

Shira Leora, naomh (Lied des Lichts): magische Heilerin, Tochter des Großmeisters Rell-Peras, Schwester von Luciano Da’Simh,Sir Cameron und Sir Eivin

Trudbert, Sir: Ritter der Ordensniederlassung von Elei

Waldfried, Sir: Herzog von Elei, Vater von Prinzessin Scholastika

Tiere und Freunde der Götter

Deglet Nour (Finger des Lichts): Schecke und Reitpferd von Sir Jaren

Hakomi (Der, der du bist): Apfelschimmel und Reitpferd von Sir Cameron

Kastehelmi (Tautropfen): Regenbogenschlange/Meerjungfrau, Freundin von Dilar

Kirtan (Lied): Einhorn, Freundin und Reittier von Catandra

Lumisha (Versüßung des Alltags): Isabelle und Reitpferd von Shira Leora

Lung (Wind): Drache, Freund und Reittier von Adalar

Morani (Krieger): Rappe und Reitpferd von Master Da’Simh

Für meinen Bruder Thomas

Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.

Albert Einstein

Prolog: Eivins Intrige

Fünf sekels1 zuvor: Wer hat Unseren perfekt ausgeklügelten Plan preisgegeben?, fragten Wir, Eivin, Sohn des Magiers Rell-Peras, Uns. Es musste sich um jemanden im unmittelbaren Umfeld des Herzogs von Elei gehandelt haben. Wir gehen nicht davon aus, dass er es selbst gewesen ist, der Uns so bloßstellen wollte. Dennoch musste der Verräter sich bei Unseren geheimen Besprechungen im Raum befunden haben. Wir müssen Uns auf die Treffen genau besinnen.

An jenem Winterabend trafen Waldfried, der Herzog von Elei, Maximin, sein Oberbefehlshaber, Scholastika, seine älteste Tochter und Thronfolgerin und Wir uns in einer zugigen Waldhütte. Der kleine Raum war für Menschen schlecht zu beheizen, allerdings hatten Wir selbst dafür gesorgt, dass Wir es warm hatten. Wofür hat Unser Vater Uns schließlich einen Seelenanteil von sich gegeben und damit auch die magischen Anlagen? So fiel es Uns leicht, für unser aller Bequemlichkeit einige Änderungen herbeizuzaubern.

Als die drei Menschen eintrafen, glich die Hütte einem Gemach im Herzogspalast. Im Kamin brannte ein gemütliches Feuer. Vier mit weichen Kissen gepolsterte Lehnstühle gruppierten sich in einem Halbkreis darum. Neben jeder Sitzgelegenheit stand ein Tischchen. Auf diesem teilte sich ein edel geschliffener Glaspokal aus Phusimarit2 den Platz mit einer ebensolchen Karaffe und einem Porzellanteller aus Kania3. Der Wein stammte aus einer der besten Keltereien des Großkönigreiches Glendalach. Die Naschereien hatte ich in der Palastküche des Königs in Bastitia gefunden. Der Koch würde garantiert den Küchenjungen zur Rechenschaft ziehen. Er vermutete sicherlich in ihm den Schuldigen, der es gewagt hatte, die für die Tafel des Großkönigs bestimmten Gaumenfreuden, einfach zu vernaschen. Allein die Vorstellung amüsierte Uns köstlich. Auch die restlichen Dinge hatten Wir Uns aus dem Palast der Hauptstadt von Glendalach ausgeliehen: Wandteppiche, Schaffelle für den Boden, Kandelaber mit kunstvoll geformten Bienenwachskerzen und einige Ziergegenstände. So mancher Diener würde an diesem Abend dafür bestraft werden, dass die Sachen unauffindbar waren. Sei’s drum!

Wir selbst waren lange mit der Überlegung beschäftigt, was Wir mit allen Gegenständen nach Beendigung unserer Zusammenkunft machen sollten. Entweder könnten Wir die Objekte wieder an ihre Plätze zurückzaubern oder sie in der Waldhütte stehen lassen. Nun, Wir würden Uns später dieser Kleinigkeit annehmen – oder auch nicht – denn da trafen Unsere Gäste ein.

Zunächst einmal genossen Wir die bewundernden Blicke, welche die beiden Männer und die Jungfer über die Einrichtung und die edle Ausstattung schweifen ließen. Ja, da staunt ihr, nicht? Für einen Magiersohn war das alles ein Klacks!

„Sir Eivin“, begrüßte Uns dann auch sogleich Herzog Waldfried mit einem freundlichen Lächeln, das, wie Wir wussten, nur aufgesetzt war. Insgeheim nannten Wir ihn, nicht nur aufgrund seines Aussehens, den Geier. „Ihr habt das Unmögliche wahr gemacht!“

„Hoheit belieben zu scherzen“, gingen Wir auf die Posse ein und setzten eine Miene auf, als wäre Uns seine Anmerkung peinlich. „Unsere bescheidenen Mittel haben Wir ganz allein für unser aller Bequemlichkeit eingesetzt.“

In Wirklichkeit dachten Wir: Eitler Fatzke, wenn du wüsstest, was Wir alles können! Nur gut, dass dir nicht bekannt ist, dass Wir der jüngste Sohn von Rell-Peras sind. Würdest du Uns glauben, dass Wir dich nur unterstützen, als Unser Werkzeug, um dem Großmeister vom Orden der Ritter von den Elementen zu schaden? Wir wissen genau, dass du Uns auch so nicht ganz vertraust. Du hast ja keine Ahnung, was wir da gemeinsam anrichten werden!

„Werter Sir Eivin“, sprach Uns nun auch seine Tochter Scholastika an, während sie Uns ihre Hand entgegenhielt. Bei ihr waren Wir Uns nicht ganz sicher, welche Absicht sie verfolgte. Anders als ihr Vater konnte sie ihre Gedanken sehr gut vor Uns abschirmen. Diese Leistung war für einen Menschen bewundernswert und verdiente Unsere Anerkennung, was Wir nur ungern zugaben. So beugten Wir Uns auch über ihre zarten Finger und hauchten einen Kuss knapp über ihrer Haut in die Luft.

„Es ist immer wieder ein Vergnügen, Eure Anwesenheit genießen zu dürfen, Prinzessin Scholastika“, antworteten Wir und erhoben Uns wieder. Unbeobachtet von den beiden Männern knipsten wir uns mit einem Auge zu. Irgendetwas an diesem Weib gefiel Uns ungemein, leider konnten Wir nicht genau sagen, was es war. Wenn Wir nicht so beschäftigt mit der Planung gewesen wären, hätten Wir vielleicht schon längst herausgefunden, was Uns mit ihm verband.

„Seid gegrüßt, Sir Eivin!“ Die Beiläufigkeit, mit der der oberste Befehlshaber Sir Maximin Uns ansprach, kam einer Beleidigung gleich.

Dennoch entgegneten Wir mit einem freundlichen Lächeln: „Auch Euch ein herzliches Willkommen, Sir Maximin. – Setzt euch doch bitte alle!“ Schnell wandten Wir Uns von diesem nach Schweiß riechenden, glatzköpfigen Fettwanst ab und deuteten auf die Lehnstühle. Allein sein ungepflegtes Äußeres und der Geruch, den dieses Stinktier verbreitete, waren schon eine Zumutung für Uns. Daher hatten Wir dafür gesorgt, dass Wir nur neben einem menschlichen Wesen sitzen mussten, das sehr angenehm für Unsere empfindliche Nase duftete: Scholastika. Sie roch nach dem Heu einer Kräuterwiese.

Nachdem Unsere Gäste sich niedergelassen hatten, luden Wir sie mit einer Handbewegung ein, von den neben ihnen stehenden Spezialitäten zu kosten. Ihnen mit dem Glaspokal zuprostend, musterten Wir jeden Einzelnen unbemerkt. Sie alle glaubten, dass Wir ein unzufriedener Elementeritter seien, der ihnen bei der Übernahme der Besitzungen des Ordens behilflich sein konnte. Wir genossen es, sie in diesem Glauben zu lassen.

Gerade dachte dieser blasierte Herzog, dass es wohl ganz einfach wäre, Unsere Kenntnisse über den Orden und seine inneren Abläufe ausnutzen zu können. Sobald er hätte, was er wollte, könnte er Uns ganz leicht von Sir Maximin beseitigen lassen. Bei diesem Mann und seiner Tochter glaubte er sein Geheimnis sicher zu wissen.

Vielleicht sollten Wir Uns überlegen, ob Wir nicht dich und deine rechte Hand verschwinden lassen. Sobald alle Niederlassungen des Ordens im Herzogtum von deinen Männern eingenommen worden sind, hast du deinen Zweck erfüllt. Wir könnten deine hübsche Tochter heiraten und sie dazu zwingen, Uns die Herrschaft zu überlassen. Das Weib wirft Uns hin und wieder Blicke zu, die Wir wohl als Anzeichen für eine jugendliche Schwärmerei deuten könnten. Es dürfte also nicht allzu schwer sein, sie zu umgarnen und gefügig zu machen. Ehe das verliebte Ding begreift, was Wir beabsichtigen, würde Uns das Herzogtum gehören.

„Wie weit sind Eure Pläne gediegen, Sir Eivin?“, riss Uns die Stimme des Geiers aus Unseren Gedanken. „Übrigens ein vorzüglicher Wein, wenn Wir Uns diese Bemerkung erlauben dürfen. Ihr habt Geschmack, auch was das Geschirr betrifft.“

„Vater, Ihr untertreibt!“, mischte sich da seine Tochter ein und legte wie zufällig ihre zarte Hand auf die Unsere. „Sir Eivin ist ein Experte, wie Ihr an der gesamten Einrichtung erkennen könnt.“

Wir taten geschmeichelt und beugten Uns zu einem weiteren Handkuss über ihre Gliedmaße. Oh ja, Wir konnten galant sein, besonders, wenn Wir etwas Bestimmtes wollten. Dieses Mädchen gefiel Uns immer besser. Zwar mochten Wir es eigentlich nicht, ungefragt berührt zu werden, aber irgendetwas an dieser Geste sagte Uns, dass Wir sie nicht zurückstoßen durften. Sie könnte eine sehr gute Verbündete für Unsere Pläne werden. Wir mussten sie Uns nur zurechtbiegen.

Laut sagten Wir indessen: „Wir sollten uns nicht mit Schmeicheleien aufhalten. Unsere Zeit hier ist kostbar. Lasst uns über den Termin reden, an dem unsere Angelegenheit in die Tat umgesetzt werden kann. Uns schwebt da der Tag nach Vollmond im Brachet4 vor. Kurz nach Sonnenaufgang müssen Eure Männer die Festen umzingelt haben. Mit einer Urkunde von Euch ausgestattet – Ihr habt das Dokument doch schon aufgesetzt? – werden sie sich Zutritt verschaffen und die Ritter gefangen setzen. Einer Eurer Schreiber sollte sich sogleich den Papieren zuwenden, um einen Überblick über das Vermögen zu gewinnen. Alles bewegliche Hab und Gut muss dann unverzüglich hinausgeschafft werden. Die Gebäude solltet Ihr mit genügend eigenen Männern besetzen. Sie sollten sowohl in der Lage sein die Gefangenen im Zaum zu halten, als auch die Festen nach außen hin zu verteidigen. Die Pläne jeder einzelnen Besitzung liegen Euch bereits vor, sodass sich die Anführer frühzeitig Gedanken über ihr Vorgehen machen können.“

„Ihr lasst Uns sehr wenig Zeit, um einen solch umfangreichen Streich vorzubereiten, Sir Eivin“, nörgelte das Stinktier an Unserem Plan herum. Da es Uns gegenüber am Feuer saß, schwitzte es wie ein Schwein, dessen Fett man nach dem Schlachten ausließ. Ohne den Uns von der rechten Seite umwehenden Heuduft hätten Wir den Gestank sicher nicht ausgehalten. Trotzdem griffen Wir nach meinem parfümierten Sacktuch, welches Wir Uns demonstrativ vor die Nase hielten. Ja, er sollte ruhig wissen, wie schrecklich Wir seine Körperausdünstungen fanden!

„Seid Ihr auch dieser Meinung, Sir Waldfried?“, fragten Wir gereizt und wandten uns dem Geier zu. Selbst der Anblick seines Untergebenen verursachte bei Uns Übelkeit.

„Mitnichten, Sir Eivin!“ Seine Hände wedelten in der Luft herum, als wollten sie nicht vorhandene Fliegen verscheuchen. „Leider gibt es noch einige Kleinigkeiten, die Uns Sorgen bereiten. Allerdings dürftet Ihr auch dafür schon die geeigneten Lösungen parat haben.“

Schleimer! Wir sollten die Unterredung schnellstmöglich hinter Uns bringen, ehe Wir Uns noch übergeben müssen, dachten Wir, rissen Uns allerdings zusammen.

„Nennt Uns die Nöte, welche Euch plagen, und lasst Uns für Abhilfe sorgen!“

„Da wäre zunächst einmal der Inhalt des Schreibens, welches Wir an die Befehlshaber richten müssen ...“, begann der Geier Uns vorzujammern.

„Ihr wollt Uns doch nicht sagen, dass Ihr das Dokument noch nicht einmal als Entwurf aufgesetzt habt?“, schrien Wir ihn empört an. Müssen Wir denn alles allein machen?

„Mäßigt Euch, Sir Eivin!“, glättete die Jungfer neben Uns die Wogen. „Unser Vater hatte schon einige vielversprechende Ideen, die Wir ihm verleidet haben. Keiner seiner Ansätze fand Gnade vor Unseren Augen. Wie sollte er dies erst vor den Euren erlangen? So baten Wir ihn, Euch um Rat zu fragen. Ihr seid so erfahren in diesen Dingen, dass es für Euch ein Leichtes sein dürfte, dieses Schreiben aufzusetzen.“

Diese Göre wusste genau, wie sie Uns schmeicheln konnte. Gezielt setzte sie auch ihren Leib dafür ein. Abgesehen davon, dass sie noch immer ihre Hand auf der Unseren verharren ließ, umfassten ihre langen schlanken Finger für einen kurzen Moment die Unseren. Diese vertraute Geste brachte Uns aus dem Konzept, sodass Wir ihr irritiert ins Antlitz schauten. Dort aber schaffte sie es, Uns mit dem Geklimper ihrer langen blonden Wimpern vollends von Unserer Wut abzulenken.

„Sir Eivin, wie würde es Euch gefallen, wenn Ihr und Unsere Tochter gemeinsam den Befehl aufsetzten würdet?“, schlug dann auch schon der Geier vor.

Um wieder zu Uns zu finden, blickten Wir den Mann an und richteten Unsere Aufmerksamkeit auf seine Gedanken. Gut machst du das, Scholastika! Sorge nur weiter dafür, dass er sich in dich verliebt, desto leichteres Spiel haben wir mit diesem Emporkömmling! Er soll ruhig denken, dass er unentbehrlich ist. So kann ich ihm unbemerkt alle Vorbereitungen aufladen. Dann brauche mich um nichts mehr zu kümmern, wenn es erst so weit ist, dass ich die Besitzungen der Ordensritter übernehmen kann. Was wird er Augen machen, wenn ich auch ihn gefangen setzen lasse!

Um keinen Verdacht zu erregen, mussten Wir jetzt eine Antwort auf seine Frage geben. Die Pause, welche Wir Uns für die Erkundung seiner Gedanken gegönnt hatten, mochte der Erwägung der Vor- und Nachteile geschuldet sein. „Wie könnten Wir Euer Angebot abschlägig bescheiden, Sir Waldfried? Es ist Uns eine Ehre, zusammen mit der liebreizenden Prinzessin Scholastika ein entsprechendes Schreiben zu entwerfen.“

Der Geier lächelte Uns scheinbar erfreut an, während er dachte: Dieser Tölpel ist so einfach in diese Falle gegangen, dass es auch nicht schwer sein wird, ihn weiter einzuspannen.

„Was würdet Ihr davon halten, Sir Eivin, wenn wir beide uns ganz den Vorbereitungen für das große Ereignis im Sommer widmen würden? Ein Stratege wie Ihr könnte Uns sicherlich noch vieles über Taktik beibringen. Sir Maximin behauptet steif und fest, dass Wir als zukünftige Regentin Uns nicht mit diesen Problemen herumschlagen und folglich darin auch nicht unterwiesen werden müssten. Er glaubt, dass Unser hübsches Köpfchen nicht dafür geeignet sei, kompliziert zu denken. Seid Ihr etwa der gleichen Ansicht?“, zog die weizenblonde Schönheit mit den grünen Augen die Aufmerksamkeit auf sich.

Die sechzehn Sommer zählende Maid war Uns in diesem Augenblick etwas unheimlich. Für ihr Alter kam sie Uns zu keck und gebildet vor. Andererseits wurde sie von klein auf zur Thronfolgerin erzogen. Wahrscheinlich hatte sie weit weniger Freiheiten genießen können als Wir, der vierte Sohn eines unbedeutenden Landadligen.

Gerade Unsere älteren Brüder genossen, kaum dass sie laufen konnten, schon Unterricht im Reiten, Benehmen, Tanzen, Lesen und Schreiben oder Waffenhandwerk. Als der ständig kränkliche zweitjüngste Spross meiner Mutter blieben Wir von alledem lange verschont. Einzig mit Lesen, Schreiben und den Lektionen im Benehmen mussten Wir Uns schon kurz vor dem Tod Unserer Mutter herumplagen. Reiten lernten Wir quasi nebenbei und Tanzen machte Uns auch großen Spaß. Für den Umgang mit einem Schwert wurden Wir allerdings erst mit 12 Sommern5 als kräftig genug eingestuft.

Ohne Unseren Onkel, den jüngsten Bruder Unserer Mutter, wären nicht nur die Ländereien völlig verkommen. Kurz nach dem Tod seiner Schwester kümmerte er sich um die Verwaltung der Besitzungen seines Schwagers. Er war es auch, der Unserem Vater zum Beispiel nach dem Trauerjahr daran erinnerte, dass seine älteste Tochter ihren fünfzehnten Sommer erreicht hatte. Da sie schon seit einigen sekels6 verlobt war, sei es an der Zeit die Hochzeit auszurichten. Offiziell traf er bald alle Entscheidungen, welche die Haushaltsführung miteinschloss, wenn Unser Vater unterwegs war. Inoffiziell allerdings ließ ihm der Burgherr auch freie Hand bei den seltenen Besuchen zwischen seinen Aufträgen. Unser Vater hatte sich vor Gram ins Waffenhandwerk geflüchtet und trug Fehden für andere Adlige aus. Insgeheim rechnete er wohl damit, einmal bei einem der Kämpfe umzukommen und seinem geliebten Weib folgen zu können. Wir zählten erst fünf Sommer, als Mutter im Kindbett mitsamt dem fünften Sohn verstarb. Damals wie heute, begriffen Wir nicht, warum jemand einen anderen Menschen derart lieben konnte, dass er sich selbst den Tod wünschte. Für Uns kamen an erster Stelle Wir.

Der Krüppel, wie Wir ihn insgeheim nannten, schenkte die ersten Sommer Unserer jüngsten Schwester und Uns kaum Beachtung. Wir wuchsen, nach dem frühen Tod unserer Mutter recht wild auf. Mit uns Kindern gab er sich nur dann ab, wenn wir den Unterricht versäumten und unsere Lehrer eine Ahndung forderten. Dann war er derjenige, welcher die Strafe zu bestimmen hatte. Wir selbst hassten ihn schon früh für seine fantasievollen Auslegungen, welche er meist persönlich überwachte. Später führte er sie auch selbst durch.

Ablenken konnte ihn nur, wenn er ein Fest ausrichten musste oder sich Gäste auf der Burg befanden. Die anfängliche Freude über die Besuche der Adligen, bei denen Unsere Brüder, als Knappen dienten, wich spätestens beim zweiten Mal. Selbst ein mehrtägiger Aufenthalt auf der väterlichen Feste bescherte ihnen keinen Müßiggang. Damit starb die Hoffnung, durch sie von dem aufregenden Leben außerhalb des kleinen Tals zu hören. Gleichzeitig gab ihr Verhalten Anlass, sich mit ihren jüngsten Geschwistern bereits als vierzehn respektive sechzehn Sommer alte Knappen nicht mehr abgeben zu wollen.

Anders als sie, die mit sieben Sommern zu befreundeten Adligen als Pagen geschickt worden waren, waren Wir mit deren elf noch immer zuhause. Mittlerweile waren sie bereits seit zwei Sommern beziehungsweise einem sekel Knappen. Die Hochzeit Unserer ältesten Schwester hatte Mutter noch hochschwanger vorbereitet und erlebt. Wenige Tage danach verstarb sie am Kindbettfieber. Ihr fünfter Sohn folgte ihr gut eine Woche später.

Unsere Schwester Bianca Isabella Lucia durfte Baron Dekert von Karelien, einem Witwer mit zwei Söhnen, das Bett wärmen. Bei ihrer Vermählung waren Wir noch der einfache Knabe, als den sie Uns gekannt hatte. Erst Jahre später sollten Wir ...

„Sir Eivin? Hört Ihr Uns überhaupt zu?“, riss Uns die Stimme von Prinzessin Scholastika aus Unseren Erinnerungen.

„Entschuldigt Unsere Nachdenklichkeit, aber so ganz unrecht, dürfte Sir Maximin nicht haben.“ Dass Wir diesem verschwitzten Fettkloß scheinbar zustimmten, ging gegen Unsere Natur. Eigentlich hätten Wir Uns lieber übergeben, als das zu tun, aber noch waren Wir nicht fertig.

„Ihr seid auch nicht anders als alle Männer, die Wir bisher kennengelernt haben!“, schmollte die blonde Schönheit. „Und Wir dachten, dass Ihr ...“

„Werte Prinzessin, wenn Ihr Uns ausreden lassen würdet, wüsstet Ihr, dass Wir gerne Eurem Wunsch entsprechen würden. Allerdings schickt es sich nicht, dass wir uns alleine treffen. Was Euer schönes Köpfchen betrifft, sind Wir der Ansicht, dass dieses geradezu dafür gemacht ist, kompliziert zu denken. Recht hat Sir Maximin damit, dass Ihr als künftige Regentin sicherlich sehr erfahrene Männer zurate ziehen könntet. Andererseits wollen wir diese Angelegenheit natürlich so diskret wie möglich behandeln. Je mehr Eingeweihte es gibt, desto mehr Schwachstellen könnten unseren Plan gefährden. Wir finden, dass im Moment genügend Häupter hier versammelt sind. Später benötigen wir noch einige Helfer, die indessen nur in wenigen Teilbereichen in Kenntnis gesetzt werden sollten. Es ist Uns eine Ehre, mit Euch gemeinsam alle Unwägbarkeiten zu bedenken und sie auszuschließen. Natürlich nur, wenn wir das Problem gelöst haben, dass wir nicht unbeobachtet sind. Schließlich schickt es sich nicht, dass sich eine Dame mit einem Mann allein in einem Gemach aufhält. Zumindest, solange die beiden nicht vermählt sind“, erklärten Wir Uns. Wenn du wüsstest, kleine Hure, wie gerne Wir die Gelegenheit ergreifen würden! Was könnten wir für gesellige Zeiten verbringen. Du könntest so einiges von Uns lernen. Und wenn Wir dich richtig rangenommen habe, kann dein Erzeuger gar nicht mehr anders, als dich Uns zum Weib zu geben. Der Skandal, keine Jungfer mehr zu sein, wenn du deinen Anverlobten ...

„Wir sind Uns sicher, dass sich für diese Beschwernis eine praktikable Lösung finden wird, Sir Eivin“, meldete sich das Klappergestell von einem Möchtegernherrscher wieder zu Wort. Er stieß Uns damit abrupt in die Wirklichkeit zurück.

„Ja, eine stumme Zofe ...“, schlug der stinkende Dickwanst vor.

„... warum nicht gleich eine stumme, taube und blinde alte Vettel, Sir Maximin?“, unterbrachen Wir ihn ungehalten. So langsam ging Uns dieser Besserwisser auf die Nerven. „Und selbst bei dieser Mischung wären Wir Uns keinesfalls sicher, ob das Weib nicht noch einen Weg finden würde, um zu spionieren. Nein, außer uns Vieren darf niemand von unserem Plan auch nur etwas ahnen. Warum, glaubt Ihr, haben Wir Uns die Mühe gemacht und diese Waldhütte als Treffpunkt ausgesucht? Wieso baten Wir Euch, ohne Geleit hier zu erscheinen? Bevor Ihr Euch äußert, solltet Ihr zunächst Eure Gedanken ordnen!“

„Sir Eivin, was fällt Euch ein, Uns derart zu schmähen? Wir sollten Genugtuung von Euch fordern! Als Beleidigter steht es mir zu ...“, trumpfte der Misthaufen auf, ehe ihn sein Herzog mit einer Handbewegung und einem strengen Blick zum Schweigen brachte.

„Entschuldigt, Sir Eivin, aber manchmal neigt Unser guter Sir Maximin zur Übertreibung. Wir schlagen daher vor, dass Ihr Euch weiterhin hier mit Unserer Tochter im Beisein von Sir Maximin trefft. Seid gewiss, dass Wir vorher noch ein ernstes Wort mit ihm zu wechseln gedenken. Damit dürfte diese Angelegenheit ja geklärt sein! Wir vertrauen auf Eure taktischen Fähigkeiten und überlassen Euch gerne die Planung der gesamten Unternehmung. Sicherlich kann ein so beschlagenes Haupt wie Ihr Unserer Tochter und künftigen Regentin so einiges beibringen. Leider müssen Wir uns verabschieden, denn die Pflicht ruft. Falls Ihr noch etwas vorbringen wollt, solltet Ihr es jetzt tun, denn so bald werden Wir keine Zeit mehr für geheime Treffen erübrigen können.“ Mit einem aufgesetzten Lächeln blickte der Geier mich an.

Oh, ja! Deiner künftigen Regentin können Wir gewiss so Einiges beibringen, wenn wir beide auch ganz sicher nicht von der gleichen Angelegenheit sprechen. Das Vögelchen wirst du nicht mehr wiedererkennen, wenn Wir mit ihm fertig sind. Eine solche Gabe, die Uns fast aufgedrängt wird, weisen Wir doch nicht zurück! Und das Problem mit ihrem Anstandshündchen werden Wir auch noch lösen.

„Nein, Sir Waldfried, Wir denken, dass alles gesagt ist“, entgegneten Wir liebenswürdig und erhoben Uns fast gleichzeitig mit Unseren Gästen. Sogar eine äußerst elegante Verbeugung in Richtung des Herzogs brachten Wir zustande. „Einzig die Zeit unseres nächsten Treffens bliebe noch zwischen Uns und Eurer liebreizenden Tochter abzuklären.“

„Würde es Euch zupasskommen, wenn wir uns morgen um die gleiche Stunde hier treffen könnten?“, fragte die blonde Schönheit und lächelte Uns verführerisch an. Da sie von ihrem Vater abgewandt stand, konnte er ihr Antlitz nicht sehen.

„Es ist Uns eine Freude, Prinzessin. Wir zählen schon jetzt die Augenblicke, an denen Wir Euch entbehren müssen“, säuselten Wir. Diesmal berührten Wir mit den Lippen den Rücken ihrer Uns entgegengestreckten Hand. Unsere Augen blieben auf ihr Gesicht gerichtet, um ihre Erschütterung nicht zu verpassen. Kurz huschte ein irritierter Blick über ihr Antlitz ob der Dreistigkeit, doch sogleich verwandelte sich ihre Miene in ein gefälliges Lächeln.

„Ihr erweist mir Ehre, Sir Eivin“, winkte sie ab. Eine leichte Röte überzog ihre Wangen und verhalf ihrem Angesicht zu größerer Anziehungskraft.

„Wir sehen uns also morgen“, war alles, was der Fettwanst von sich gab. Dann öffnete er die Tür und ließ den Herzog, der seiner Tochter nun dem Arm gereicht hatte, vor sich hinaustreten. Bevor er die einfache Holztür hinter sich schloss, warf er Uns einen warnenden Blick zu, den Wir mit einem abfälligen Lächeln beantworteten.

Du glaubst doch nicht, dass Wir vor dir Wicht Angst habe? Schade, dass Wir dich noch brauchen, sonst wäre es Uns ein Vergnügen, dein Fett schmelzen zu lassen. Ehe Wir Uns mit einem lautstarken Gelächter bei dieser Vorstellung Luft machten, schirmten Wir den Raum um Uns schalldicht ab. Wofür hatten Wir denn die Magie von Unserem Vater geschenkt bekommen, wenn nicht für solche Momente?

Im Nachhinein wähnen Wir, dass dieser übelriechende Fettwanst wohl schon an jenem Tag plante, Uns vor dem Geier bloßzustellen. Indem er insgeheim den Entschluss fasste, Uns zu hintergehen, glaubte er an Uns Rache üben zu können. Ja, so musste es gewesen sein! Niemand anderes, als das Stinktier kam für diesen Verrat infrage. Schließlich war er außer dem niedlichen Luder der Einzige, welcher auch an den folgenden Treffen teilnahm. Die reizende weibliche Kanaille schlossen Wir gänzlich aus. Uns dünkte, sie wollte sich nur einen Spaß auf Unsere Kosten erlauben. Außerdem wurden die wichtigen Dinge erst festgelegt, nachdem das reizvolle Aas sich auf ihre Art bereits verabschiedet hatte.

Warte nur, du stinkendes Schwein! Wir werden Uns für dich eine ganz besondere Strafe ausdenken!

*

Wie mit Prinzessin Scholastika vereinbart, trafen wir uns am darauffolgenden Tag am gleichen Ort und zur gleichen Zeit wieder. Das Geleit gab ihr der Fettsack Maximin.

Wir erwarteten die beiden vor der Tür der Waldhütte. Insgeheim bereitete es Uns eine hämische Freude, das Stinktier schnaufend auf Uns zureiten zu sehen. In seiner, vor Anstrengung tiefroten Miene, lag offen die Verachtung für Unseresgleichen. Glaubte er doch noch immer einen Verräter des Ordens der Ritter von den Elementen vor sich zu haben.

Ehe er seinen Braunen knapp vor Uns zügelte, durchbohrte sein überheblicher Blick Uns regelrecht. Dann jedoch machte er sich in Unseren Augen geradezu lächerlich. Nicht nur, dass er ein riesiges Sacktuch hervorholte, um sich den Schweiß von Gesicht, Hals und Nacken zu wischen.

Das Pferd, welches er an diesem Tag ritt, war diesen Fettsack nicht gewohnt. Zum einen machte er es durch sein Herumgewedel mit dem Tuch nervös, zum Zweiten benötigte es die Hilfe eines den Zügel haltenden Knechts, um ruhig stehen zu bleiben, wenn sein Reiter abstieg. Es tänzelte herum und drehte sich um sich selbst, obzwar des fluchenden und am Zügel reißenden schwitzenden Mannes.

Wir sahen dem Treiben eine Weile vergnügt zu.

„Werter Sir Eivin, hättet Ihr wohl die Güte, dem Tier Einhalt zu gebieten?“, bat Uns die Prinzessin. In deren Gesicht konnten Wir ein schadenfrohes Grinsen erkennen. Sie versuchte es zwar hinter ihrer vorgehaltenen Hand zu verbergen, doch ihre Augen verrieten sie.

Die Jungfer wurde Uns immer angenehmer, obgleich Wir das ungern zugaben. Natürlich ließen Wir Uns nichts dergleichen anmerken, damit sie daraus keinen Vorteil zog.

Mit einer eleganten Verbeugung in ihre Richtung griffen Wir beherzt nach dem Zügel des Braunen und beruhigten ihn mit ein bisschen Magie. Im Nu stand das Pferd gelassen da, woraufhin sein verschwitzter, fetter Reiter sehr unelegant aus dem Sattel rutschte.

„Wurde auch Zeit, Sir Eivin!“, knurrte der Mann Uns statt eines Dankes an. Mit seinem übergroßen Sacktuch trocknete er sich den gesamten Kopf ab. Welch ein Glück, dass Wir seinen Braunen noch immer magisch ruhig hielten. Ansonsten wäre das verängstigte Tier durchgegangen und in wildem Galopp davongeprescht. Wie schade, dass Wir nicht früher daran gedacht hatten.

Mit ausladenden Schritten walzte er auf die, auf ihrer zierlichen Schimmelstute verharrende, Scholastika zu. Ehe er sie erreichte, schlängelten Wir Uns flink an ihm vorbei und hoben das leichte Persönchen aus dem Sattel. Kokett lächelte sie Uns an, während vorher ein Ausdruck des Ekels ihr niedliches Frätzchen verunziert hatte. Obgleich es Uns nicht möglich war, ihre Gedanken zu lesen, errieten Wir sie dennoch. Dafür musste man kein Magiersohn sein.

„Würdet Ihr Uns wohl auf den Boden stellen, Sir Eivin? Wir sind nicht so schwach, dass Ihr Uns hineintragen müsstet.“ Ein spitzbübisches Lächeln verriet mir das Vergnügen, welches sie empfinden musste.

„Es ist Uns eine Ehre Euch diesen Dienst zu erweisen.“ Wir knipsten ihr mit einem Auge zu und schwangen sie herum, ehe Wir mit ihr auf den Eingang der Hüte zueilte.

„Hast du Rüpel nicht gehört, was ihre Hoheit wünscht?“, schnaufte hinter uns der triefende Fettsack. Mit Unseren ausladenden Schritten konnte er nicht mithalten, obwohl er sich redlich Mühe gab.

Wir hatten die Prinzessin bereits in ihrem gepolsterten Lehnstuhl abgesetzt und ihr den mit Pelz gefütterten Umhang abgenommen. Das Kleidungsstück drapierten Wir so über dem neben Unserem stehenden Stuhl, dass selbst dem Fettwanst klar sein musste, wohin er sich zu setzen hatte.

Gerade hatten Wir Scholastika einen Rotwein kredenzt, da torkelte der Fleischberg herein. Rasch schmiegten Wir Unseren athletischen Leib in das ihr gegenüberstehende Sitzmöbel. Somit saßen wir beide dicht am wärmenden Feuer des brennenden Kamins. Nicht, dass Wir die Hitze benötigt hätten! Ein Magiersohn verfügt über Möglichkeiten, seinen Leib weder auskühlen noch überhitzen zu lassen.

Die dritte Sitzgelegenheit befand sich in einigem Abstand zur Prinzessin, genau vis-à-vis der Feuerstelle. Hierbei ging es Uns keinesfalls um die Minimierung von Dickbalgs Schweißausbrüchen. Sollte er ruhig in seinem eigenen Saft kochen! Eher störte – wohl nicht nur – Uns die dadurch verbundene rücksichtslose Geruchsbelästigung.

Mit einem erleichterten Stöhnen ließ das im eigenen Fett bratende Schwein sich auf den Stuhl fallen, wodurch dieser verdächtig laut ächzte. Einen Moment hielt das schwabbelige Schwergewicht inne, wohl in der Erwartung, gleich inmitten der Trümmer auf dem Boden zu landen. Erst, als es sicher schien, dass seine Befürchtung nicht eintraf, zog es das halbe Laken heraus. Damit wischte es sich die stinkende Flüssigkeit von Kopf, Hals und Händen. Was es dabei vor sich hinbrabbelte, wollten Wir gar nicht im Detail wissen. Wir hörten nur, dass der Kerl Uns beschimpfte und sein Schicksal bedauerte. Wir schenkten ihm aber keinen Fingerbreit Beachtung.

Stattdessen blickten Wir die Prinzessin an. Sie nickte Uns mit gekräuselter Nase zu. Sie dachte augenscheinlich ähnlich.

„Dürfen Wir Euch eine kleine Stärkung anbieten, werte Dame?“, säuselten Wir. Unsere Miene galt es mit aller Strenge zu beherrschen, damit sie Unsere wahre Absicht nicht erriet. Zu gern hätten Wir sie hier und jetzt entjungfert. Zum einen, um über dieses Weib Macht auszuüben, zum anderen, um ihren Vater zu demütigen. Dass Wir Uns bei diesem Treffen zurückhalten mussten, kam Uns gar nicht zupass. Erst beim nächsten Mal würden Wir eine Möglichkeit finden, ihren Wächter loszuwerden und sie Uns untertan zu machen.

„Gegen etwas Gebäck hätten Wir nichts einzuwenden, Sir Eivin.“ Verführerisch fuhr sie sich so geschickt mit der Zunge über die Lippen, dass Sir Maximin nichts davon mitbekam.

Dieses kleine Biest, dachten Wir Uns, legt es ja geradezu darauf an, dass Wir über es herfallen. Warte nur! Bald bist du fällig! Dann werden Wir sehen, wie viel Schneid du hast. Heimlich knipsten Wir Scholastika mit einem Auge zu, während Wir Uns zu ihr herüberbeugten und ihr eine Schale mit kandierten Früchten reichten.

Als sie sie entgegennahm, streifte sie scheinbar zufällig mit ihren Fingerspitzen Unseren Handrücken. Gleichzeitig blickten wir auf, uns geradewegs in die Augen. Der schelmische und zugleich verlockende Ausdruck hätte jeden menschlichen Mann schwach werden lassen. In diesem Moment waren Wir Uns sicher, dass dieses Luder es darauf anlegte. Aber diesen Gefallen konnten und wollten Wir ihr hier und jetzt nicht tun.

Schnell zogen Wir Unsere Hand zurück, ehe der sich zum wiederholten Mal abtrocknende Fettwanst seine Schlüsse zog. Offenbar schien er diesmal nichts von dem gefährlichen Spiel, welches seine Herrin aufführte, mitbekommen zu haben. Zumindest äußerte er sich nicht entsprechend.

„Wir sollten uns dem Grund unseres Hierseins widmen, damit Ihr rechtzeitig vor Beginn der Dämmerung ins Schloss zurückgekehrt seid, werte Dame“, lenkten Wir ab. Weit nach hinten gelehnt, spielten Wir den völlig Gelassenen. Bewusst richteten Wir Unsere Aufmerksamkeit auf die Flammen im Kamin, beobachteten die Prinzessin aber weiterhin aus den Augenwinkeln.

„Sir Eivin hat recht“, stimmte Uns der stinkende Misthaufen überraschenderweise zu. „Wir sollten uns nicht länger als notwendig hier aufhalten. Wenngleich wohl keine Lauscher zu fürchten sind, könnte dennoch jemand auf die Idee kommen, unseren Ausritt als merkwürdige Angelegenheit zu betrachten. Wer kann schon wissen, welche Schlüsse er daraus zieht?“

„Hört, hört!“ Wir konnten Uns nicht zurückhalten, ihn zu kommentieren. Dafür ernteten Wir einen durchbohrenden Blick des Fettkloßes. Sicherlich sehnte er den Tag herbei, an dem der Herzog Uns nicht mehr benötigte. Obwohl Wir keine Lust verspürten, in seine Gedanken einzudringen, waren Wir Uns sicher, dass er darauf drängen würde, Uns persönlich in die Finger zu bekommen.

„So gemütlich Ihr es Uns hier auch gezaubert habt, Sir Eivin“, ergriff Scholastika nun das Wort. Uns dünkte, sie betonte „gezaubert“ seltsam. „Verlangt es Uns dennoch schnellstmöglich in unsere Gemächer zurückzukehren.“

„Wie es Euch beliebt, liebreizende Dame“, schmeichelten Wir und sandten ihr, im Schutz des Weinpokals einen begehrlichen Blick.

Sie antwortete Uns, lasziv an einem Obststück lutschend und mit den Wimpern klimpernd.

Wir hätten unsere Unterhaltung wohl noch eine Weile auf diese Art fortsetzen können, wenn sich der stinkende Misthaufen nicht durch ein vernehmliches Räuspern eingeschaltet hätte.

„Kommen wir zu dem Schriftstück, welches eiligst an die entsprechenden Befehlshaber versandt werden muss“, stiegen Wir ins Thema unseres Treffens ein.

Die nächsten eineinhalb Kerzenstriche7 befassten wir uns eingehend mit den Traktaten. Dabei stellten Wir fest, dass Scholastika wirklich ein gewitztes Köpfchen auf ihren elfenbeinweißen Schultern trug.

*

Zwei Tage später trafen wir erneut in der Köhlerhütte zusammen. Es galt einige Fragen zu klären, die wir bei unserer letzten Zusammenkunft noch nicht beantworten konnten oder solche, die erst dabei aufgetreten waren.

Uns fiel es keineswegs leicht, Unsere Aufmerksamkeit auf unser Gespräch zu richten. Immer wieder schweiften Unsere Gedanken ab, zumal das Weibsstück Uns mit kleinen, unabsichtlich erscheinenden Gesten gewisse Absichten kundtat. Daher dachten Wir fieberhaft darüber nach, auf welche Weise Wir den störenden Fettwanst loswerden konnten.

Endlich kam Uns eine Eingebung, die sich glaubhaft umsetzen ließ. „Sir Maximin, würdet Ihr wohl die Güte haben, uns die fehlende Kunde sogleich zu beschaffen?“, fragten Wir, nachdem sich einige Ungereimtheiten in den Aussagen der Prinzessin und des schwabbeligen Schwergewichts ergeben hatten. Ehe er zu einer Ablehnung ansetzen konnte, fuhren Wir in liebenswürdigem Ton fort: „In spätestens einem Kerzenstrich dürftet Ihr wieder zurück sein. Bedenkt, dass Ihr uns allen durch diesen kurzen Ritt ein Treffen am morgigen Tag erspart. Euch dürfte wahrlich zupasskommen, Ihre Hoheit keinen unnötigen Strapazen auszusetzen.“

„Keineswegs, dennoch hat mich ihr Vater, der Herzog ...“, setzte er zum Protest an. Dass ihm in erster Linie nicht an seiner Beschützeraufgabe gelegen war, sondern an dem Umgehen der mehrfachen Anstrengung, versuchte er geschickt zu verbergen.

„Tut Uns die Lieb, Sir Maximin“, flötete Scholastika. „Unter dem Schutz eines gestandenen Recken wie Sir Eivin kann Uns in dieser Hütte keine Drangsal geschehen. Außerdem sollten wir nach unserem heutigen Treffen einige Tage verstreichen lassen, bis wir erneut zusammenkommen. Unser Geheimnis könnte zu leicht aufgedeckt und verraten werden. Wir müssen mit äußerster Vorsicht zuwege gehen.“

Die Zustimmung des Stinktiers klang nicht gerade begeistert, dennoch quälte es sich auf die Beine. Dieser Kraftaufwand sorgte dafür, dass es abermals in seiner eigenen Brühe versank.

Wir fragten Uns, ob es noch einen winzigen trockenen Zipfel an seinem Sacktuch gab.

Ehe der Dickbalg die Tür hinter sich schloss, meinte er: »Ich merke hiermit an, dass ich nur unter Protest und auf Euren ausdrücklichen Wunsch diesen Ort verlasse, Prinzessin. Genau das werde ich auch Eurem Vater mitteilen.«

„Geht unbesorgt, werter Sir Maximin“, scheuchte Scholastika ihn fast aus dem Raum.

Kaum hatte sich die feiste Gestalt ihres Aufpassers aus der Hütte gehievt, traten Wir und die Maid gemeinsam ans Fenster. Wir überzeugten uns sicherheitshalber von der Abreise des stinkenden Fettwanstes. Erst, als er auf seinem widerspenstigen Ross im Wald verschwunden war, sahen wir uns mit einem verschwörerischen Nicken an.

Herrisch umfassten Wir ihr Handgelenk, um sie mit Schwung an Unsere Brust zu schleudern. Zu Unserer Verwunderung entwand sie sich Uns schlangengleich und floh zur Tür. Sogleich wollten Wir ihr folgen, konnten zu Unserem Schrecken aber kein Glied bewegen. Erstaunt schauten Wir sie an, denn auch Unsere Zunge klebte am Gaumen und Unsere Lippen schienen versiegelt.

„Sir Eivin, Ihr habt doch nicht wirklich angenommen, dass Wir Uns mit Euch abgeben? Zum einen ist es unter Unserer Würde es mit jedem dahergelaufenen geilen Kerl zu treiben. Und zum anderen haben Wir nicht vor, Uns ein Übel einzufangen, welches Euren Leib befallen hat“, flötete das Luder am Weinglas nippend.

Du gemeines Miststück!, ging Uns durch den Kopf. Eben hast du es auch gewollt und jetzt spielst du Uns die Spröde vor! Warte nur, wenn Wir diesen Bann gebrochen haben, werden Wir dir zeigen, zu was Wir fähig sind!

„Ach komm, Eivin! Glaubst du wirklich, ich wüsste nicht, dass du es die ganze Zeit über nur darauf angelegt hast, es mit mir zu treiben? Leider bist du da an die Falsche geraten, Sohn des Rell-Peras!“

Woher weiß dieses Aas, wer Wir wahrlich sind? Wie kommt es zu dieser Erkenntnis? Verrieten Wir mit einem Wort oder einer Geste Unsere wahre Abkunft? Oder hat der Geier von einem Herzog hinter Uns herspioniert? Durch Unsere Überlegungen waren Wir so mit Uns beschäftigt gewesen, dass Wir die Hexe aus den Augen gelassen hatten. Irgendwann musste sie die Tür geöffnet und das Gemach verlassen haben.

Such nicht nach mir, Eivin!, hörten Wir ihre Stimme in Unserem Geist. Ich weiß es zu verhindern, dass du mich findest. Und wage es nicht, dich der wahrhaftigen Prinzessin Scholastika zu nähern! Die Kleine hat weder die geistigen Fähigkeiten, welche mich auszeichnen, noch irgendein Verlangen nach deiner reizenden Larve, unbedeutender Magiersohn.

Zu verwundert, dass dieses Luder mit Uns in Gedanken reden konnte, fiel Uns gar nicht auf, dass Wir wieder Gewalt über Unseren Körper errungen hatten. Erst, nachdem Wir sie auf ihrem Pferd davonreiten sahen, bemerkten Wir, dass Wir uns inzwischen zum Fenster umgedreht hatten.

Wir sehen uns wieder, Eivin!, sandte sie Uns zum Abschied einen gedachten Gruß zu. Und kümmere dich um deinen Mitbewohner, der deinen liebreizenden Leib zum Fressen gern hat!

Ja, kleines Miststück, wir werden uns wiedersehen!, drohten Wir ihr mit erhobener Faust. Und dann wirst du es sein, die Uns zu Füßen liegt. Sei gewiss, dass Wir herausfinden, wer du bist!

Bis der Fleischberg zurückkehrte, grübelten Wir darüber, wer sich der Gestalt der Prinzessin bedient und Uns auf so heimtückische Weise hereingelegt hatte. Magisch begabt musste sie wohl sein, sonst hätte sie ihre Gedanken nicht vor Uns abschirmen können. Auch eine Unterhaltung in dieser Form dünkte Uns mit einem Menschen unmöglich. Uns war nicht bekannt, dass eine Zauberin8 ein fremdes Aussehen über eine so lange Zeitspanne aufrechterhalten konnte. Andererseits kannten Wir keine Magiertochter9. Bisher, so glaubten Wir, hatte Unser Vater nur Söhne erschaffen: Uns natürlich, Luciano und Cameron.

Gerne hätten Wir Uns auf magische Weise an die Verfolgung des Weibes gemacht, indem Wir ihrem Weg mit Hilfe der Klangpfade10 gefolgt wären. Leider besaßen Wir noch nicht genug Wissen, über die Art, wie sie sichtbar gemacht werden konnten. Dieses mussten Wir Uns schnellstmöglich beschaffen, denn eine solche Niederlage würden Wir kein zweites Mal hinnehmen!

Es ging gegen Unsere Ehre, dass Wir diese Aufgaben nach vielen Sommern immer noch nicht bewältigen konnten. Uns blieb unverständlich, weshalb Wir keinen Zugang zu den Klangpfaden fanden. Erst sehr viel später erfuhren Wir, dass diese Gabe in Uns nicht angelegt war. Niemals hätten Wir gedacht, dass es für Uns als Magiersohn Grenzen geben könnte. Allein dieses Wort „Begrenzung“ hatten Wir aus Unserem Sprachschatz verbannt.

Das Weib, welches die Gestalt der Prinzessin von Elei angenommen hatte, trafen Wir hingegen fünf Sommer später auf ungewöhnliche Weise wieder. Erst dann sollten Wir ihren wahren Namen erfahren und dass wir weit mehr gemeinsam hatten, als Wir ahnen konnten.

*

Bei der weiteren Planung Unseres Streiches gegen den Orden der Ritter von den Elementen mussten Wir, zu Unserem Verdruss, mit dem Fleischberg vorliebnehmen. Daher fielen die Treffen recht spärlich und knapp aus. Andererseits oblag Uns in der Folge die gesamte Ausarbeitung, da das Stinktier kein Verlangen nach dieser zusätzlichen Aufgabe zeigte. Für Uns diente er nur noch als lästiger Bote zwischen Uns und dem Herzog.

Bereits nach gut einem Mond11 lag Unser fertiger Entwurf dem Geier Waldfried vor. Zwar versuchte er einige Änderungen anzubringen, ließ sich dann aber schnell von den Gründen für Unsere Vorgehensweise überzeugen. Aus seinen Gedanken vernahmen Wir, dass auch ihm nicht an der damit verbundenen Arbeit gelegen war.

Der Umsetzung Unseres genialen Planes sahen Wir damals mit Genuss entgegen. Wie ungerecht, dass es Uns unmöglich ist, in die Zukunft zu sehen! Vieles hätten Wir verhindern können.

Unsere Wut in Worte zu fassen, als Wir von den Warnungen an den Orden der Ritter von den Elementen erfuhren, dünkt Uns noch heute unmöglich. Als Entschädigung gönnten Wir Uns das Vergnügen, den Verräter Maximin ganz langsam in der brennenden Waldhütte in seinem eigenen Saft braten zu lassen.

2 Landesteil von Glendalach

3 Landesteil von Glendalach

1. Kapitel: Jarens12 Vergehen

Kurz nach meiner Schwertleite trat ich einen Posten tief im Landesinnern von Tania13 an. Bald schon musste ich feststellen, dass meine Knappenzeit wesentlich mehr Abwechslung und Spannung geboten hatte, als meine neuen Aufgaben. Die Tage liefen immer gleich ab. Da es hier weder Räuber zu bekämpfen galt, noch Frachten zu beschützen, empfand ich die täglichen Patrouillen als reine Beschäftigungsübungen. So hielt ich aus lauter Langeweile nach einer spannenden Verrichtung Ausschau.

Zufällig hörte ich von zwei verfeindeten Baronen, welche sich bereits seit sekels bekriegten. Da sie gefeit gegen die Schlichtungsversuche zu sein schienen, hatte sich der Kommandant der hiesigen Besitzung damit abgefunden. Solange sie ihre Streitereien nicht ausweiteten und nur auf ihren jeweiligen Baronien austrugen, würde sich der Orden der Ritter von den Elementen nicht einmischen.

Mich hingegen reizte es, den Grund für die Feindschaft herauszufinden. Zumal ich von meinen Ordensbrüdern nur Schulterzucken erntete, wenn ich sie danach befragte. Selbst die Ältesten meinten, dass die Fehde wohl schon Generationen zurückreiche. Wahrscheinlich sei den heutigen Baronen der einstige Auslöser auch nicht mehr bekannt.

In meiner Freizeit trieb ich mich hinfort immer öfter in den Baronien herum und forschte bei den Untertanen nach. Dabei stellte ich fest, dass meine Brüder recht hatten. Niemand konnte mir den wahren Grund nennen, mit dem die Auseinandersetzungen einst begonnen hatten. Schließlich entschloss ich mich, nacheinander beide Freiherren aufzusuchen und sie direkt darauf anzusprechen. Leider erfuhr ich weder von dem einen noch von dem anderen, was ich wissen wollte. Jeder beschuldigte die Sippe des anderen, mit der Fehde begonnen zu haben. Dann gingen sie dazu über, ihren Kontrahenten vor mir in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen. Anschließen durfte ich mir die Vergehen der letzten sekels, und wie sie jeweils geahndet worden waren, anhören.

Meine Vorschläge auf Vermittlung schlugen sie aus. Stattdessen heuerten sie mich unabhängig voneinander als Spion an. Der Reiz der ständigen Gefahr, erwischt zu werden, war ganz nach meinem Geschmack. Gleichzeitig spielte ich aber auch mein eigenes Spiel, indem ich mein Wissen niemals vollständig preisgab. So hielt ich mir immer die Möglichkeit offen, meine Beschäftigungsdauer zu verlängern und meine Tätigkeit aufrechtzuerhalten. Außerdem sorgte ich so dafür, dass die Bevölkerung weit weniger unter ihren Herren litt.

Da mir dieses Intrigenspiel nicht reichte, suchte ich mir noch weiteres Betätigungsfeld. Mir kam zupass, dass sich eine der Baroninnen heimlich an mich wandte. Sie fragte, ob ich wohl eine Botschaft in die feindliche Burg derer von Trittberg schmuggeln könnte. Sie müsse dem Eheweib des von ihrem Gemahl so gehassten Barons eine brisante Mitteilung zukommen lassen. In dieses Abenteuer willigte ich sogleich ein. Dies war der Anfang meiner Botentätigkeit, die ich dadurch tarnte, dass ich den jeweils ältesten Söhnen der Freiherren Unterricht im Schwertkampf gab. Dabei ergab sich so manche Gelegenheit, bei der mir eine Botschaft heimlich zugesteckt werden konnte.

Bereits nach kurzer Zeit vertrauten mir beide Familien so sehr, dass ich den Gemahlinnen mit ihren Zofen allein das Geleit bei kurzen Ausflügen geben durfte. Bei einem dieser Ausritte arrangierte ich ein Treffen der Damen. Was genau sie besprachen, erfuhr ich zwar nicht, allerdings unterrichteten sie mich von dem Ergebnis ihres Gesprächs.

„Sir Jaren, Ihr habt uns in den letzten Monden treu gedient“, begann Baronin Elvira von Trittberg. „Und wir gehen davon aus, dass Ihr Euch auch zukünftig als genauso verschwiegen und verlässlich erweist.“ Kein Wort davon, dass sie von meiner Tätigkeit als Spitzel wusste oder dies auch nur erahnte. Vielleicht wollte sie mich aber auch nicht verunsichern oder fand Gefallen an meiner besonderen Art der Einmischung in die Angelegenheiten ihres Gemahls.

„Bezweifelt Ihr etwa meine Loyalität, werte Dame?“, wandte ich irritiert ein.

„Keineswegs, Sir Jaren!“, wiegelte Baronin Hildegunde zu Rebenberg ab. „Wir denken, dass es an der Zeit ist, Euch in einen Plan einzuweihen, den wir kurz nach Eurem ersten Besuch auf unseren Burgen gefasst haben. Zum einen sind wir uns erst jetzt Eurer sicher, zum anderen wird es höchste Zeit ihn in die Tat umzusetzen. Uns bleiben nur noch wenige Tage, bis es zu spät ist. Die Vorbereitungen sind soweit abgeschlossen. Einzig Eure Zustimmung fehlt uns noch.“

„Was kann ich für Euch tun, werte Damen?“, wollte ich wissen, während beide mich musterten.

„Euch ist sicherlich nicht entgangen, dass unsere ältesten Töchter einander sehr zugetan sind“, erklärte Baronin Elvira und schien meine Antwort darauf abzuwarten. Da ich verständnisvoll nickte, setzte sie ihre Rede fort. „Leider haben unsere Gemahle andere Pläne, als ausgerechnet eine Vermählung der beiden zu gestatten. Die Gründe dürften Euch hinlänglich bekannt sein.“

Ihre Redepause nutzte ich, um einzuwerfen: „Euch hingegen liegt daran, dass Eure Töchter glücklich miteinander werden.“

„Wir schließen aus Euren Worten, dass Ihr verstanden habt, Sir Jaren.“ Obgleich Baronin Hildegunde dies gesagt hatte, nickten mir beide Damen lächelnd zu. „Gestern allerdings hat mein Ehegespons mir eröffnet, dass er dem künftigen Bräutigam Unserer Tochter das Datum der Verbindung unserer Häuser mitzuteilen gedenkt. Aus diesem Grund haben Wir Uns entschlossen, dass es an der Zeit ist, Unsere Tochter aus der Burg zu bringen. Da auch Elviras Gatte eine ähnliche Andeutung fallengelassen hat, gilt dies auch für ihre Tochter.“

„Soll dass heißen, dass Ihr von mir verlangt, dass ich die Baronessen entführen soll?“, fragte ich erstaunt.

„Dem ist so, Sir Jaren“, bestätigten beide Damen aus einem Mund.

„Aber ...“, wollte ich mich dagegen verwahren.

Sogleich unterbrach mich Baronin Elvira mit einer Handbewegung. „Wir wissen, dass wir sehr viel von Euch verlangen. Aber wem könnten wir unsere Kinder anvertrauen, wenn nicht Euch?“

Ich hatte bereits den Mund zu einer Erwiderung geöffnet, als Baronin Hildegunde abwinkte. „Ihr seid ein junger Mann, dem unsere Gemahle zutrauen würden, dass er sich in solch junge hübsche Maiden verlieben könnte. Auf keinen Fall darf herauskommen, dass dieser Plan von uns stammt! Auch weiß außer Euch, unseren Zofen und uns beiden niemand, dass sich unsere Töchter zueinander hingezogen fühlen.“

„Wir haben bereits alles für die Flucht unserer Kinder vorbereitet. Auch der Ort, an dem Ihr sie vertrauenswürdigen Personen übergeben werdet, steht fest. Das Einzige, was Ihr selbst in die Hand nehmen müsst, ist Euch ein Ablenkungsmanöver zu überlegen. Nachdem Ihr unsere Töchter in Sicherheit gebracht habt, liegt es an Euch dafür zu sorgen, dass unsere Gatten eine gute Woche damit beschäftigt sind, Euch als den vermeintlichen Entführer ihrer Kinder zu verfolgen. Dies dürfte ausreichen, um unseren Töchtern einen passablen Vorsprung zu verschaffen. Wir gehen davon aus, dass sie bis dahin ihr Ziel erreicht haben und vermählt sein werden“, wiegelte die andere Dame ab.

„Aber ...“, versuchte ich ihnen die Unmöglichkeit ihres Vorhabens vor Augen zu führen, doch sie ließen mich einfach nicht zu Wort kommen.

„Ihr werdet uns und die Maiden doch nicht im Stich lassen? Könntet Ihr mit Eurer Ritterehre vereinbaren, dass sie in eine Verbindung gezwungen werden, in der sie nicht glücklich werden können?“ Baronin Hildegunde umfasste meine Rechte mit beiden Händen und blickte mich flehend an.

Ich schluckte und atmete tief durch, was nicht allein an ihren Worten lag. Die Berührung durch ein Weib war mir äußerst unangenehm. „Ihr wisst, was Ihr mir damit für ein Joch auferlegt, werte Damen? Wenn herauskommt, was ich getan habe, kann ich unehrenhaft aus dem Orden entlassen werden. Ich hätte dann weder ein Zuhause noch einen Broterwerb. Fast mein ganzes Leben habe ich dem Orden der Ritter von den Elementen gedient. Soll ich mich künftig als Söldner durchschlagen? Hinzu kommt, dass mich eure Gatten als vermeintlichen Entführer so lange jagen werden, bis sie mich stellen und töten. Ich wüsste nicht, wohin ich fliehen könnte, da ich als Waise nicht auf den Schutz einer Sippe zählen kann. Warum also sollte ich ein solches gefährliches Vorhaben eingehen?“

„Bedenkt doch, was auch wir beide wagen, wenn herauskommt, dass wir von der Flucht nicht nur wussten, sondern sie auch vorangetrieben haben!“ Baronin Hildegunde gab nicht auf.

„Uns würde weit Schlimmeres erwarten, Sir Jaren“, fügte Baronin Elvira hinzu und griff nach meiner Linken. Wenn sie es auch nicht schaffte, ihre kleinen zarten Hände ganz um sie zu schließen, so legte sie alle Kraft hinein, sie festzuhalten.

Obgleich mein Leib auf diese Berührung äußerst stark ansprach, brachte ich es nicht übers Herz, ihr meine Hand zu entreißen. Noch während ich mit einem galoppierenden Herzen und fliehendem Atem kämpfte, fuhr sie fort: „Ihr habt unsere Gemahle kennengelernt. Sollten sie jemals von unserer Intrige erfahren, würden sie uns auf der Stelle erschlagen. – Wollt Ihr unseren Kindern die Mütter nehmen?“

Den Kopf schüttelnd öffnete ich gerade den Mund, um weitere Bedenken anzufügen, als die zweite Freifrau ein weiteres Schreckensszenario ausmalte. „Unseren Männern trauen Wir zu, dass sie in ihrer Wut auch vor Unseren Kindern nicht halt machen würden. Sagt, Sir Jaren, seid Ihr so herzlos? Wollt Ihr Uns weißmachen, dass Ihr anstelle eines Herzens einen Stein in Eurer Brust tragt?“

Dies konnte ich ganz bestimmt nicht behaupten, zumal der erwähnte Körperteil sich momentan sehr stark bemerkbar machte. Von Kindesbeinen an antwortete mein Leib so übermächtig auf die Berührungen eines weiblichen Wesens. Bisher hatte ich noch nicht herausfinden können, weshalb dem so war.

Allerdings bedingte dieser Umstand allein keinesfalls die Stärke des Herzklopfens und die Verwirrung meiner Gefühle. Hinter meiner Stirn rasten die Gedanken. Ich wägte ab, ob ich der Bitte entsprechen konnte oder sie abschlägig bescheiden musste. Ich überlegte hin und her, ob es sich mit dem Kodex eines Ritters vereinbarte, die Nöte der Edelfrauen abzutun. Andererseits galt es zu bedenken, ob ich mit meinem Handeln nicht gegen die Ordensregeln verstieß. Ich befand mich in einer Zwickmühle. Egal, wem ich es recht machte, brüskierte ich die andere Partei.

„Wir können Euch weder einen Titel noch Ländereien als Belohnung bieten, Sir Jaren“, unterbrach Baronin Hildegunde meine Grübeleien. Ich ging davon aus, dass ihr mein Schweigen entschieden zu lange dauerte. „Würdet Ihr als Bezahlung einige Schmuckstücke annehmen?“

Genau dieser Vorschlag war es, welcher mich erkennen ließ, um was es mir eigentlich ging. Mich lockten kein Ansehen und auch keine weltlichen Werte. Allein das Abenteuer, die Aufregung, der Nervenkitzel das war es, weshalb ich überhaupt hier war.

Ich atmete nochmals tief durch. Dann sah ich die beiden Damen entschlossen an. „Wie könnte ich mich Eurem Anliegen verweigern, werte Baroninnen? Obgleich mir noch nicht lange die Ritterwürde verliehen wurde, weiß ich doch, dass ein Ehrenmann sich Eurer Bitte nicht verschließen kann. Ihr seid in Not, also muss ich Euch beistehen. Dafür verlange ich weder eine Gefälligkeit von Euch noch Euer Geschmeide. – Weiht mich in Euren Plan ein, damit ich meine Vorbereitungen treffen kann!“

Erleichtert atmeten die Damen auf und hätten mir fast die Hände geküsst. Im letzten Moment erkannte ich ihre Absicht und entzog sie ihnen entsetzt. Leider konnte ich aber nicht verhindern, dass sie mir stattdessen die Arme um den Hals schlangen und mich auf die Wangen küssten. Sogleich stieg mir eine Hitze in das Haupt, mein Atem beschleunigte sich nochmals und mein Herz pochte wie wild. Selbst als ihre Lippen sich längst wieder von meiner Haut gelöst hatten und die Freifrauen einige Schritte zurückgetreten waren, glaubte ich noch immer das Brennen im Gesicht zu spüren. Dass ich nicht ohnmächtig zu Boden sank, wunderte mich.

Ehrlich gesagt war ich froh darüber, dass die Damen so viel Taktgefühl besaßen, mich nicht auf meine Erschütterung anzusprechen. Sie gingen dazu über, mir ihre Pläne auseinanderzusetzen, wie sie ihre jeweiligen Töchter unbemerkt aus den Burgen schmuggeln wollten. Somit hatte ich Zeit mich wieder zu beruhigen, obgleich mir das Zuhören noch schwer fiel.

Kurz darauf war es auch an der Zeit, dass ich erst die eine, dann die andere Baronin nach Hause geleitete. Meine Bedenken, dass die Zofen uns verraten könnten, zerstreuten beide Freifrauen unabhängig voneinander. Sie machten mir sogar klar, dass ihre Untergebenen entscheidend an der Ausführung beteiligt wären. Teilweise hatten sie sogar entscheidende Hinweise beigesteuert.

Als ich mich auf den Weg zurück zur Niederlassung machte, überlegte ich fieberhaft, wie ich die Barone auf eine falsche Spur führen konnte. Hätte ich gewusst, dass sich die Ereignisse überschlagen würden, hätte ich mir meine Grübeleien ersparen können. Wahrscheinlich hätte ich noch rechtzeitig von meiner Beteiligung an diesem gewagten Spiel abgelassen.

*

Nach Beendigung meines Dienstes in der Niederlassung des Ordens ritt ich am späten Nachmittag des nächsten Tages zur Burg des Barons von Trittberg. Ich plante ihm etwas mitzuteilen, dass ich bei seinem Gegner einige Tage zuvor erfahren hatte.

Fröhlich vor mich hinpfeifend passierte ich das Burgtor. Zwei grinsende Wächter ließen mich mit einem Gruß passieren. Zwar wunderte ich mich über ihr seltsames Willkommen, dachte mir dann aber weiter nichts dabei. Ich hätte spätestens misstrauisch werden sollen, nachdem mir ein junger Stallknecht mit einem süffisanten Lächeln das Pferd abnahm. So viel Fröhlichkeit war mir in den Mauern dieser Burg noch nie begegnet.

Erst als Baron Emmeran von Trittberg mir mit einer wütenden Miene quer über den Innenhof entgegenstürmte, begriff ich, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. Leider war es bereits zu spät, um mich in Sicherheit zu bringen, denn schon wurde ich von mehreren seiner Männer eingekreist. Mir blieb nicht einmal mehr die Gelegenheit, mein Schwert zu ziehen, um mir einen Fluchtweg freizukämpfen. Kaum, dass ich meine Waffe eine Handbreit aus der Scheide gezogen hatte, wurde ich von zwei kräftigen Kerlen an Schultern und Oberarmen gepackt.

„Was ...“, versuchte ich in Erfahrung zu bringen, welchen Teufel diese Männer geritten hatte, als mich bereits der erste Faustschlag des Barons in den Magen traf. Vor Schmerz krümmte ich mich. Kurz hielt ich den Atem an, ehe ich nach Luft schnappte. Noch immer begriff ich nicht, womit ich mir diese Behandlung verdient hatte.

Der nächste Hieb wurde von der wütenden Erklärung Baron Emmerans begleitet. „Wie könnt Ihr Uns so hintergehen, SIR Jaren!“ Er spuckte nicht nur die Worte aus, sondern mir auch ins Antlitz.

Diesmal schrie ich auf. Meine Gegenwehr verebbte gegen die erfahrenen Griffe der mich stumm festhaltenden Männer. Stattdessen versuchte ich, mich zu verteidigen. „Ich habe Euch nie ...“ Den Satz brachte ich nicht einmal zu Ende, da traf mich bereits der nächste Schlag. Diesmal war mein Mund das Ziel seiner flachen Hand.

„Lügen! Alles Lügen! Hat niemand Euch beigebracht, die Wahrheit zu sagen?“, schrie er mich an. „Wie konnten Wir Euch nur vertrauen! Wir hätte gleich wissen sollen, dass der zu Rebenberg dich geschickt hat, um Uns auszuhorchen.“

Weitere Hiebe folgten so dicht aufeinander, dass ich nicht mehr in der Lage war, mich zu rechtfertigen. Die harten Fäuste des Mannes walkten mich dermaßen durch, dass mir im wahrsten Wortsinn Hören und Sehen vergingen. Irgendwann hielt ich die Pein nicht mehr aus und rettete mich in eine gnädige Bewusstlosigkeit.

Allzu schnell wurde ich indessen wieder in die Wirklichkeit zurückgeholt. Ein Schwall eiskalten Brunnenwassers belebte Körper und Geist auf recht unsanfte Weise. Prustend setzte ich mich mit einem unterdrückten Schmerzensschrei auf und schüttelte den triefenden Kopf. Doch weiter, als in eine sitzende Haltung kam ich aufgrund meines gepeinigten Leibes nicht. Auch dies fiel mir schon schwer genug.

„Nichts für ungut, Sir Jaren, doch das musste sein!“, empfing mich Baron Emmeran. Er stand zu meinen Füßen und bedeutete jemandem, dass er mir aufhelfen sollte.

Erst, nachdem ich von kräftigen Händen an den Oberarmen gepackt wurde, begriff ich, dass ich zuvor wohl rücklings auf dem gepflasterten Burghof gelegen hatte. Langsam kehrte meine Erinnerung zurück, wodurch mir klar wurde, dass jene Männer, die mich gerade auf die Beine stellten, mich soeben noch ganz anders festgehalten hatten. Dies löste in mir den Reflex aus, die mich haltenden Hände abzuschütteln.

„Wir befürchten, dass Ihr noch nicht in der Lage seid, Euch allein aufrecht zu halten“, wies mich der Baron zurecht. „Ihr braucht nicht so entsetzt zu schauen, Sir Jaren. Nein, Wir werden Euch nicht weiter züchtigen. Wir hoffen, dass Ihr Eure Lektion gelernt habt. – Und jetzt verratet mir, warum Ihr auf Burg Rebenberg Unsere Geheimnisse ausgeplaudert habt!“

Die allzu freundlich ausgesprochenen Worte machten mich argwöhnisch. Was will er damit bezwecken?, fragte ich mich und blickte den Mann skeptisch an. Doch dann entschloss ich mich, alles auf eine Karte zu setzen. „Wer hat Euch gesagt, dass ich Baron Dietwald etwas berichtet hätte, was Ihr als Geheimnis bezeichnet?“

„Glaubt Ihr, dass Ihr der einzige Spitzel seid, den Wir bei Unserem Widersacher eingeschleust hätten? Auch vor Eurem Eintreffen hatten wir Unsere Ohren und Augen bereits auf der anderen Talseite“, gab mir der Adlige bereitwillig Auskunft.

„Wenn dem so ist, warum habt Ihr dann auch noch Uns angeheuert? Vertraut Ihr Eurem bisherigen Spitzel nicht mehr?“

Mit einem Grinsen auf den Lippen schüttelte mein Gegenüber sein Haupt. Dass diese Geste nicht mir, sondern den Kerlen galt, welche mich festhielten, begriff ich erst, als er sagte: „Nein, lasst den Ritter reden. Er hat ein Recht darauf, zu erfahren, weshalb Wir ihn in Unseren Dienst gestellt haben.“ Dann erst wandte er sich wieder an mich. „Wir gingen davon aus, dass ein Elementeritter sich leichter bei Unserem Feind einschmeicheln könnte. Außerdem glaubten Wir, dass ein Ordensritter Uns nicht so leicht hintergehen würde. Scheinbar haben Wir Uns in Euch getäuscht.“

„Ihr geht also davon aus, dass Euer Mann Euch treuer ist, als Wir?“ Aufgrund meiner Frechheit rechnete ich bereits erneut mit einem Fausthieb. Es verwunderte mich, dass dieser ausblieb. Stattdessen grinste Baron Emmeran hinterhältig.

„Mein MANN ist absolut vertrauenswürdig, Sir Jaren. – Doch lassen wir das! Sagt Uns, wie Ihr Unsere Bedenken zerstreuen wollt!“

„Um Euch Kunde geben zu können, mussten Wir Vertrauen