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Die Reihe „Theologen für eine neue Generation“ soll wichtige Theologen, die entweder nicht bekannt, in Vergessenheit geraten oder mit einem falschen Ruf behaftet sind, einer neuen Generation zugänglich machen. Dies bedeutet keineswegs, dass diese Abhandlung nur für jüngere Menschen gedacht wäre. Im Gegenteil, Johannes Calvin (1509-1564) darf von jedem Alter entdeckt werden. Was erwartet den Leser? Im ersten Teil werfe ich einen Blick auf die Biografie Calvins. Es geht um seine Treue in Leid und Widerstand. Jedes Mal, wenn ich ein Vorbild im Glauben nicht aus der Distanz, sondern aus der Nähe betrachte, fällt das Urteil ähnlich aus: Er musste durch viel Leid in Gottes Reich eingehen (vgl. Apostelgeschichte 14,23). Diese Rundschau ist durchzogen von Ausschnitten aus Briefen des Reformators. Sie enthüllen einen überraschend feinfühligen Charakter. Der zweite Teil soll beispielhaft einige Berührungspunkte mit dem weit verzweigten Werk des Reformators schaffen. Es sind nicht die bekanntesten Abschnitte aus seinem Werk, sondern beleuchten absichtlich unterschiedliche Aspekte seines Wirkens in Kirche und Gesellschaft. Ich hoffe, dass sich der Leser dadurch den Weg zum Original weisen lässt. In diesem Sinne eine besinnliche und aufrüttelnde Lektüre wünscht Hanniel Strebel
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Seitenzahl: 106
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Johannes Calvin
Theologen für eine neue GenerationBand 1
Hanniel Strebel
© 1. Auflage 2021 ceBooks.de im Folgen Verlag, Langerwehe
Autor: Hanniel Strebel
Cover: Idelette de Bure
ISBN: 978-3-95893-284-5
Verlags-Seite und Shop: www.ceBooks.de
Kontakt: [email protected]
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Hanniel Strebel, 1975, verheiratet, Vater von fünf Söhnen, wohnhaft in Zürich. Betriebsökonom FH und Theologe (MTh / USA), arbeitet in der Personal- und Führungsentwicklung. Er schloss sein Theologiestudium mit einer Arbeit über Home Education ab, die 2011 im Verlag für Kultur und Wissenschaft erschien.
2013 promovierte er an der Olivet University (PhD / USA) in Systematischer Theologie mit einer Studie über den niederländischen Denker Herman Bavinck und dessen »Theologie des Lernens«. Er bloggt täglich zu den Themen Theologie, Familie, Bildung und Selbstführung unter www.hanniel.ch.
Titelblatt
Impressum
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Autor
Einleitung
Die Treue Calvins angesichts von Leid und Verfolgung
Zum gegenwärtigen gesellschaftlichen Umgang mit Leid
Deutung und Umgang mit Leid als zentrale Funktion der Kultur
Diagnose: Deutungsarm und hilflos
Unterbewusst christliche Prägung
Frommes Echo und Rückprojektion auf den Glauben
Calvins Leben, ein Hürdenlauf
Die Mühen einer Kindheit im Spätmittelalter
Die Beschwernisse des reformierten Emigranten
Im Gegenwind erster Reformbemühungen
Die Schläge in der eigenen Familie
Im Schussfeld zwischen kirchlicher und bürgerlicher Ordnung in Genf
Im Streit mit Irrlehrern
Unter der Last des täglichen Predigtdienstes
Calvin als Navigationshilfe: Zurück zu einem biblischen Verständnis von Leid
Die Transzendenz und Verborgenheit Gottes in den Mittelpunkt rücken
Eine ausgewogene Sicht des Glaubenskampfes entwickeln und behalten
Die Ehre Gottes als höchstes Ziel vor persönlichem Wohlbefinden
Ein Schmankerl aus Calvins Werk
Zugang zum Lebenswerk bekommen
1. Einzelne Schriften
Die Pariser Rektoratsrede (1533): Gesetz und Evangelium
Vorrede zur Olivetanbibel (1535)
Antwort an Kardinal Sadolet (1539)
Entschuldigungsschreiben an die Herren Nikodemiten (1543): Vier Gruppen
Genfer Katechismus (1545): Das Ziel des Lebens
Von der ewigen Vorherbestimmung Gottes (1562): Wir kennen seine Gründe nicht
2. Das systematische Hauptwerk: Calvins Institutio
Überblick: Der Inhalt der Institutio (1559)
Vorrede zur Institutio von 1536
Wie weit sind Verstand und Wille durch die Sünde beeinträchtigt worden?
Gott und Mensch müssen vor allem wieder ihre wahre Stellung einnehmen
Echter und vorübergehender Glaube
3. Die Kommentare
Der Römerbriefkommentar (1540): Die Botschaft des Briefes
Gesetzesharmonie: Elemente der Lehre und Anwendung auf das Gottesvolk
Evangelienharmonie: Christus, die Erfüllung von Gesetz und Propheten
Predigt zu Deuteronomium 15,11-15: Umgang mit dem Betteln
Predigt zu 1. Timotheus 3,1-4: Anstößige Verkündiger
Letzte Seite
Die Reihe „Theologen für eine neue Generation“ soll wichtige Theologen, die entweder nicht bekannt, in Vergessenheit geraten oder mit einem falschen Ruf behaftet sind, einer neuen Generation zugänglich machen. Dies bedeutet keineswegs, dass diese Abhandlung nur für jüngere Menschen gedacht wäre. Im Gegenteil, Johannes Calvin (1509-1564) darf von jedem Alter entdeckt werden.
Was erwartet den Leser? Im ersten Teil werfe ich einen Blick auf die Biografie Calvins. Es geht um seine Treue in Leid und Widerstand. Jedes Mal, wenn ich ein Vorbild im Glauben nicht aus der Distanz, sondern aus der Nähe betrachte, fällt das Urteil ähnlich aus: Er musste durch viel Leid in Gottes Reich eingehen (vgl. Apostelgeschichte 14,23). Diese Rundschau ist durchzogen von Ausschnitten aus Briefen des Reformators. Sie enthüllen einen überraschend feinfühligen Charakter.
Der zweite Teil soll beispielhaft einige Berührungspunkte mit dem weit verzweigten Werk des Reformators schaffen. Es sind nicht die bekanntesten Abschnitte aus seinem Werk, sondern beleuchten absichtlich unterschiedliche Aspekte seines Wirkens in Kirche und Gesellschaft. Ich hoffe, dass sich der Leser dadurch den Weg zum Original weisen lässt.
In diesem Sinne eine besinnliche und aufrüttelnde Lektüre wünscht
Hanniel Strebel
Kulturgeschichtlich ist das Leid eines der zentralen Kapitel innerhalb der Sinnerzählungen. Das heißt, eine zentrale Funktion jeder Kultur ist die Deutung und der Umgang mit Leid. Es verhält sich ähnlich wie mit der Realität der Sünde: Es muss eine Deutung vorgenommen werden.
Auf einen Nenner gebracht lautet sie: „Unsere heutige westliche Kultur gibt ihren Gliedern keine Erklärung für das Leid und sehr wenig Hilfen, wie man am besten mit ihm umgeht.“
Warum deutungsarm? Dies hängt mit der materialistischen Interpretation der Entstehung und Entwicklung der Welt zusammen, die seit rund 150 Jahren tief verankert ist (zit. Dawkins): „In einem Universum mit blinden physikalischen Kräften und genetischer Verdoppelung werden manche Menschen verletzt, andere haben Glück, und man wird darin weder Sinn und Verstand noch irgendeine Gerechtigkeit finden.“ Das hat zur Folge, dass sich jedes Individuum seinen eigenen Sinn erschaffen muss. „Ich entscheide, welches Leben ich am wertvollsten und lebenswertesten finde.“ Leid wird darum zur lästigen Unterbrechung dieser individualisierten Sinnfindungsreise.
Warum hilflos? Wenn der persönliche Motor „stottert“, sucht man sich Abhilfe mittels Techniken zu schaffen. Das Leid wird in die Hände von Experten gelegt, deren unterschiedliche Denkvoraussetzungen allerdings verwirren. „Nicht mehr Gott, sondern der Mensch sitzt im Sattel und muss optimal reagieren.“
Es kommt eine wichtige Komponente hinzu. Nachhaltig wirkt neben dem Materialismus die unbewusste Prägung der westlichen Welt durch das Christentum nach. Ein „vager Theismus“ poppt dann auf, „wenn das Leid richtig zuschlägt“. Dessen emotionale Rechtfertigung ist jedoch „viel schwieriger aufrechtzuerhalten“ als ein offener Atheismus. Es lebt also „unter der dünnen Schicht des dominierenden säkularen Diskurses das ältere, traditionellere, spirituellere Denken weiter“.
Von dieser unbewussten Prägung her rührt der häufigste Einwand auf Leid innerhalb unserer westlichen Welt: „Wenn Gott allwissend ist, warum soll er dann nicht moralisch hinreichende Gründe dafür haben, Böses zuzulassen, die du dir nicht vorstellen kannst?“ Damit verstrickt sich der offiziell agnostische Mensch in einen Widerspruch, denn: „Um gegen Gott argumentieren zu können, muss ich auf ihn zurückgreifen.“
Die „Große Erzählung“ des Christentums bietet im Gegensatz zum Säkularismus eine umfassende Auseinandersetzung mit Leid. Ja, Leid nimmt gar die Mitte der Erzählung ein. Es erstaunt jedoch nicht, dass Christen zumindest teilweise säkulare Denkvoraussetzungen übernommen haben. Sie betrachten Gott als eine Art Dienstleister. „(D)iese Vorstellung wird jeden, der ihr anhängt, in eine tiefe Lebenskrise stürzen, wenn das Leben schwierig wird.“ Denn damit gewinnt das Leid einen Widerhaken im Leben. Aus einer christlichen Weltsicht könnte es ganz anders sein. „Das wäre wirklich die totale Niederlage des Bösen: das Böse nicht als bloßes Hindernis für unsere Freude und Wonne, sondern als etwas, das ihr dienen und sie noch größer machen muss.“ Umgekehrt gibt es ein klares Indiz für eine verzerrte Theologie des Leidens: „Alles, was uns schwierig erscheint, zeigt, dass da etwas ist, was unsere Theorie vom Leben noch nicht erfasst hat.“ (zit. George MacDonald)
Nach dieser kurzen Skizze der Ausgangslage können wir uns daran machen, sieben biografische Schlaglichter auf Calvins Leben aus der Perspektive von Leid und Verfolgung zu werfen. Anschließend bringe ich Calvin in Dialog mit den Fragen der Gegenwart und erörtere zwei Gedankengänge, in denen er einen klärenden Beitrag zu einer wahrhaft christlichen Perspektive auf das Leid bieten kann.
1 Ich folge der ausgezeichneten Diskussion von Timothy Keller. Gott im Leid begegnen. Brunnen: Gießen, 2015, insbesondere die Kapitel 1 „Die Kulturen des Leidens“ und Kapitel 3 „Das Problem des Säkularismus“. Alle Zitate in diesem Abschnitt sind diesen beiden Kapiteln entnommen.
Das Leben ist ein Hürdenlauf. Hindernisse finden sich überall, und es ist hauptsächlich Gott selbst, der sie aufstellt, um anschliessend zu sehen, ob wir sie wohl überwinden. Calvins Leben war kein Spaßund ihm zufolge gilt für das Leben überhaupt: Es ist kein Vergnügen. Viele seiner Epigonen [Nachahmer] haben darum gefolgert, dass es im Leben auch nichts Vergnügliches geben könne. Sie haben ihn missverstanden. Calvin läuft also stürzend und sich wieder aufrappelnd durch sein Dasein, sehnsüchtig dem Finish entgegensehend, das er dann ‚die Betrachtung des kommenden Lebens‘ nennt. Es gibt also etwas, das man erwarten kann, obwohl dieser Wettlauf, der einem verzehrt, und nur dahin zurück bringt, von wo man gestartet ist, oft so sinnlos erscheint. Was Calvin auf den Beinen hält, ist der Glaube, dass Gott, der den Wettlauf so schwer macht, auch derjenige ist, der dafür Sorge trägt, dass man diesen Lauf bewältigt. Dennoch versteht Calvin diesen Gott manchmal überhaupt nicht. Doch er hält stramm an ihm fest und ruft auch andere auf, dasselbe zu tun. Ohne Gott ist das Leben nichts wert. (Selderhuis, JC 92)
Calvin suffered almost every day of his adult life.3
Ich arbeite sieben Konfliktfelder heraus: Die Mühen einer Kindheit im Spätmittelalter, sein Status als französischer Emigrant und Vertriebener, der Widerstand am Anfang seines Dienstes in Genf, das Leid in der eigenen Familie, die Auseinandersetzungen innerhalb der Stadt Genf und mit Irrlehrern sowie die Last seines Predigt-, Schreib- und Lehrdienstes.
Calvins Jugend müssen wir vor dem spätmittelalterlichen Hintergrund betrachten. Seine Mutter starb, als er sechs Jahre alt war. Calvin fühlte sich als Kind mutterlos (Selderhuis, JC 17), so wie viele Kinder damals. Im Alter von etwa 12 Jahren wurde er nach Paris an das Top-Collège Montaigu geschickt. Parker beschreibt den Tagesablauf dieses Instituts etwa so:
Aufstehen um vier Uhr für den Frühgottesdienst, an den sich eine Vorlesung bis sechs Uhr anschloss; hernach wurde die Messe gelesen. Nach der Messe kam das Frühstück, und dann, von acht bis zehn, fand die grande classe mit einer Diskussion während der folgenden Stunde statt. Um elf Uhr gab es das Mittagessen, welches von Lesungen aus der Bibel oder aus dem Leben eines Heiligen begleitet war und woran sich Gebete und das Collège betreffende Ankündigungen anschlossen. Um zwölf Uhr wurden die Studenten über ihre Arbeiten am Vormittag befragt; von ein bis zwei Uhr war eine Ruhepause mit einer öffentlichen Lesung angesetzt. … es könnte sein, dass die Studenten bis zum Nachmittagsunterricht frei hatten, der sie von fünfzehn bis siebzehn Uhr in Anspruch nahm. Jetzt wurde die Vesper gelesen, und nach der Vesper fand eine Diskussion über den Nachmittagsunterricht statt. Der Zeitraum zwischen dem Abendessen mit seinen damit verbundenen Lesungen und der Bettgehzeit um 20 Uhr im Winter oder 21 Uhr im Sommer war einer weiteren Abfrage des Unterrichtsstoffes und der Andacht vorbehalten. An zwei Tagen in der Woche war Gelegenheit zur Erholung gegeben. Den Studenten wurde gestattet, Spiele zu spielen oder einen Spaziergang im Pré-aux-clercs, dem Freizeitgelände der Universität, zu unternehmen. (Parker, 37-384)
Cadier, Biograf von 1959, fügt hinzu: „Die Lehrer traktierten ihre Schüler mit Stockhieben. Die Nahrung war mehr als bescheiden, und Calvin hat sich dort für sein ganzes Leben den Magen ruiniert.“ Er zitiert einen Autoren, der rund 60 Jahre nach Calvins Tod schrieb, Florimond de Raemond (1623): „Er fastete viel, schon in jungen Jahren, sei es wegen seiner Gesundheit und um seine Migränen zu bekämpfen, unter denen er ständig litt, oder um geistig freier und beweglicher zu sein, damit er die Leistung seines Gedächtnisses und seine Fähigkeiten beim Schreiben und Studieren verbessern könne. … Er sprach wenig. Wenn er aber etwas sagte, war es ernsthaft und hatte Gewicht. Er war nie in Gesellschaft anzutreffen, sondern immer für sich. Von Natur hatte er etwas Schwermütiges an sich. Er öffnete sich wenig Menschen. In keiner andern Umgebung war ihm wohl als in der seiner Gedanken. Er liebte die Einsamkeit.“5
Calvins Vater verordnete ihm aus wirtschaftlichen Gründen das Studium des Rechts in Orléans. Er beugte sich diesem väterlichen Befehl und stürzte sich in „verbissene Arbeit“ (Wendel, 106). Seine schlechte Gesundheit war nach einer Aussage seines Nachfolgers Theodor von Beza auf seine Überarbeitung zurückzuführen:
Manche, die noch leben und als innige Freunde mit ihm vertraut waren, bezeugen, dass es seine Gewohnheit war, ein leichtes Abendessen einzunehmen und bis Mitternacht zu arbeiten; als er am nächsten Morgen erwachte, lag er für eine lange Zeit im Bett, sann über das nach, was er am vorherigen Abend gelesen hatte und verdaute es gleichsam – er liess auch nicht leicht zu, dass sein Nachsinnen unterbrochen wurde. Durch diese ständigen Nachtwachen erlangte er seine umfassende Gelehrsamkeit und sein hervorragendes Gedächtnis, es ist aber auch wahrscheinlich, dass er sich dadurch die Magenschwäche zuzog, welche die Ursache für seine verschiedenen Krankheiten und langfristig auch für seinen frühen Tod darstellte. (Théodore de Bèze, OC, Bd. 21, Sp. 121, zitiert in Parker 47)