John Sinclair 1928 - Ian Rolf Hill - E-Book

John Sinclair 1928 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Bitte stehen Sie mir bei, denn ich alleine bin zu schwach, um die Mächte der Finsternis in ihre Schranken zu weisen. In der Maske gewöhnlicher Menschen wandeln die Dämonen unerkannt unter uns und planen Schreckliches. Kommen Sie schnell!

Mit zitternder Hand unterzeichnete der schmächtige Mann mit dem schütteren grauen Haar den Brief und steckte ihn in den Umschlag. Bevor er sich von seinem Schreibtisch erhob, überprüfte er noch einmal die Adresse.

Der Empfänger lebte nicht hier in Frankreich, sondern in England. Genauer gesagt in London. Sein Name war John Sinclair ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Werwolf-Vendetta

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/DM7

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-1292-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Werwolf-Vendetta

von Ian Rolf Hill

Bitte stehen Sie mir bei, denn ich alleine bin zu schwach, um die Mächte der Finsternis in ihre Schranken zu weisen. In der Maske gewöhnlicher Menschen wandeln die Dämonen unerkannt unter uns und planen Schreckliches. Kommen Sie schnell!

Mit zitternder Hand unterzeichnete der schmächtige Mann mit dem schütteren grauen Haar den Brief und steckte ihn in den Umschlag. Bevor er sich von seinem Schreibtisch erhob, überprüfte er noch einmal die Adresse.

Der Empfänger lebte nicht hier in Frankreich, sondern in England. Genauer gesagt in London. Sein Name war John Sinclair …

Franziska Pichler stand zitternd am Rand der Landstraße. Als sich der nächste Wagen näherte, streckte sie ihren rechten Arm mit dem erhobenen Daumen aus. Ein international anerkanntes Zeichen für Reisende, die eine günstige, bestenfalls kostenlose, Mitfahrgelegenheit suchten.

In dieser Nacht aber hätte die junge Wienerin bereitwillig ihre halbe Barschaft geopfert, wenn sich nur bald jemand bereiterklärt hätte, sie mitzunehmen.

Doch der Kleinwagen fuhr einfach an ihr vorbei, ohne überhaupt das Tempo zu drosseln. Wasser spritzte unter den Reifen hoch und benetzte Franziskas Hosenbeine.

Der Wind fuhr kalt und scharf von Westen her über das Land und brachte zu allem Überfluss auch noch Regen mit, der in dicken Tropfen vom schwarzen Himmel fiel und Franziska ins Gesicht klatschte.

Trotz der dicken, wetterfesten Thermojacke fror die Sechsundzwanzigjährige bitterlich. Tränen liefen ihr übers Gesicht. Nach dem Krach mit ihrem Freund Peter – Ex-Freund, berichtigte sie sich in Gedanken – war sie Hals über Kopf weggelaufen.

Sie war als Rucksacktouristin unterwegs. Deshalb passte ihr ganzes Gepäck in einen großen Campingrucksack, und sie musste nichts zurücklassen, außer ihrem Stolz und ihrer Liebe.

Sie hatten am Abend ein paar Gläser Wein getrunken und sich nach heftigem Liebesspiel zu Bett begeben. Durch Zufall war Franziska durch das brummende Vibrieren von Peters Smartphone wach geworden. Der wiederum hatte selig weitergeschlafen.

Sie konnte sich immer noch nicht erklären warum sie eigentlich das Smartphone an sich genommen und die eingehende SMS gelesen hatte, denn eigentlich war es so gar nicht ihre Art in fremden Handys zu spionieren. Schon gar nicht in dem des Partners, denn Vertrauen war für sie das oberste Gebot einer jeden Beziehung.

Und doch hatte sie das Smartphone genommen, die Nachricht geöffnet und nur im Schein des Displays die Liebeserklärung von Peters Ex-Freundin Anne gelesen. Das wäre an sich noch kein Beinbruch, denn viele Verlassene hingen noch an ihren Partnern. Das Problem war nur, dass Anne auf eine entsprechende SMS von Peter geantwortet hatte, die dieser nach dem Sex mit Franziska an seine Ex geschickt hatte. Mit dem eindeutigen Hinweis, dass er nur an Anne gedacht hatte, während er sich mit ihr, Franziska, vergnügt hatte.

Zutiefst enttäuscht, verletzt und unsagbar wütend hatte sie Peter um drei Uhr Nachts wachgerüttelt und zur Rede gestellt. Er hatte natürlich versucht alles zu bagatellisieren, doch sie glaubte ihm kein Wort, und so stand sie jetzt, gut eine Stunde später, an der Schnellstraße Richtung Dunkerque.

Fast bereute Franziska ihren Entschluss schon wieder, doch der Gedanke nur eine Minute länger im selben Raum mit Peter zu sein, war ihr immer noch schier unerträglich. Und so setzte sie ihren einsamen Weg am Rande der Schnellstraße im Norden Frankreichs fort, wohin es sie und Peter in ihrem gemeinsamen Tramper-Urlaub verschlagen hatte.

Entschlossen ballte sie die klammen Finger zu Fäusten und zog ihren Kopf zwischen die Schultern, damit das Gesicht von dem hohen Kragen geschützt wurde. Das lockige blonde Haar hatte sie unter einer Wollmütze verborgen, über die sie die wasserfeste Kapuze gestülpt hatte.

Wenn niemand anhalten würde, würde sie einfach weiter die Route nationale entlangwandern bis Gravelines, dort Quartier beziehen und sich aufwärmen. Sie würde ihre Klamotten trocknen, ausschlafen und sich am nächsten Tag mit ihrer besten Freundin Christina in Wien aussprechen und dann entscheiden, ob sie den Urlaub abbrechen oder alleine fortsetzen würde.

Zu Peter, das nahm sie sich fest vor, würde sie jedenfalls nicht zurückkehren. Sollte er doch mit Anne, diesem Flittchen, glücklich werden. Wieder stiegen ihr Tränen in die Augen.

Das Hupen eines Autos riss Franziska aus ihren Gedanken. Sie hatte überhaupt nicht bemerkt, dass sich ein Wagen genähert hatte und neben ihr langsamer geworden war. Geräuschlos schob sich die Scheibe an der Beifahrerseite herunter, und ein Mann sah sie an.

Na toll, dachte Franziska, bei meinem Glück ist das ein Triebtäter auf der nächtlichen Suche nach Frischfleisch.

Wer, zum Teufel, war denn schon um diese Zeit noch unterwegs? Von LKW, deren Fahrer ihre Zeitpläne einhalten mussten, einmal abgesehen.

»So spät noch unterwegs?«

Innerlich verdrehte Franziska die Augen.

»Wie Sie sehen«, antwortete sie eine Spur schnippischer als beabsichtigt.

Der ältere Herr, Anfang Sechzig, machte nämlich einen sehr sympathischen, väterlichen Eindruck, wie er da in seinem kleinen, aufgewärmten Fiat hockte. Das graue Haar war sorgfältig frisiert, und der gestärkte weiße Hemdkragen lugte aus dem Ausschnitt eines marineblauen Pullovers aus Schafwolle hervor.

»Nichts für ungut, junge Frau. Aber bei diesem Wetter sollte niemand allein draußen spazieren gehen. Und bis Gravelines sind es noch mindestens sechs Kilometer. Wenn Sie möchten, nehme ich sie bis dahin mit.«

Ein Lächeln stahl sich auf Franziskas Lippen, als sie der ältere Herr anstrahlte. Natürlich konnten auch Triebtäter und Serienkiller sehr gepflegt und kultiviert auftreten, doch Franziska vertraute ihrem Bauchgefühl, und außerdem wollte sie ja mitgenommen werden. Und nur weil ausnahmsweise mal ein Fahrer aufmerksam gewesen war und von sich aus angehalten hatte, musste das noch lange nicht heißen, dass er finstere Hintergedanken hegte.

Franziska gab sich innerlich einen Ruck und sagte: »In diesem Fall gerne.«

Sie ließ den schweren Campingrucksack von den Schultern gleiten, öffnete die Beifahrertür und sank dankbar in das bequeme Polster des Sitzes. Mit Freude nahm sie wahr, dass der Fiat über eine Sitzheizung verfügte. Sie zog die Kapuze vom Kopf und nahm die Mütze ab, sodass sie die blonden Locken ausschütteln konnte.

Der ältere Herr lachte, als er wieder anfuhr.

»Na so was. Hätte ich gewusst, dass sich unter all der dicken Kleidung eine junge, hübsche Frau verbirgt, hätte ich mir zweimal überlegt, ob ich anhalte und sie mitnehme. Sie müssen ja wer weiß was von mir denken. Und wenn Wilma sieht, wen ich hier nachts mitnehme, dann zieht sie mir die Ohren lang.«

»Keine Bange, ich werde Sie nicht verpfeifen«, antwortete Franziska und grinste.

»Dann bin ich ja beruhigt. Mein Name ist Jacques.«

»Ich heiße Franziska.«

»Freut mich, Sie kennen zu lernen, Franziska. Aber sie kommen nicht aus Frankreich.«

»Nein, ich komme aus Wien.«

»Ah, das schöne Wien. Der Stephansdom, der Prater und das herrliche Schloss Schönbrunn.«

»Waren Sie schon mal in Wien?«

Jacques lachte herzlich. »Nie dagewesen. Aber meine Frau liegt mir deswegen seit Jahren in den Ohren. Aber wie kommt es denn, dass Sie um diese Zeit alleine bei diesem Wetter umherziehen?«

Franziska zögerte mit der Antwort. Gerade eben hatte sie im Gespräch für kurze Zeit all ihren Kummer vergessen können, der jetzt mit Jacques’ Frage mit voller Wucht zurückkehrte und ihr Gemüt regelrecht überschwemmte. Im ersten Moment war sie wütend auf diesen netten Menschen, der ja nichts für ihren Streit und Peters Charakterschwäche konnte.

Jacques merkte sofort, dass er einen wunden Punkt getroffen hatte und ahnte bereits, woher der Wind wehte.

»Es tut mir leid, Franziska. Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Es geht mich auch im Grunde nichts an, und …«

Ein harter Schlag traf den Fiat am vorderen, linken Kotflügel und brachte den Wagen aus der Spur. Jacques konnte das Fahrzeug nicht mehr halten, das nach rechts ausbrach und rumpelnd von der Fahrbahn abdriftete. Franziska und Jacques schrien auf, als die Schnauze des Fiats die Leitplanke durchbrach. Sie wurden hart in die Gurte gepresst. Ein Knall, und plötzlich sprangen die Airbags auf. Dann fuhr das Auto frontal in den Straßengraben. Der Motor röchelte noch einmal und erstarb schließlich. Stille senkte sich über das Geschehen. Franziskas Gesicht ruhte mit aufgerissenen Augen auf dem Kissen des Airbags. Sie zitterte am ganzen Leib.

Jacques bekam sich schneller in den Griff. Auch er zitterte und schluckte ein paar Mal. Seine Gedanken rasten. Er wusste nicht, was oder wen er überfahren hatte, doch das Tier – er hoffte, dass es sich um keinen Menschen handelte – war quasi aus dem Nichts erschienen.

Jetzt mussten sie aber erst mal aus dem Fahrzeug heraus, dessen Scheiben zum Glück heil geblieben waren. Langsam hob er den Kopf und registrierte nebenbei die stechenden Schmerzen im Nacken.

Er drehte den Kopf nach rechts, um zu sehen wie es seiner Beifahrerin ergangen war. Erleichtert stellte er fest, dass auch ihr Airbag funktioniert und sie vor Verletzungen bewahrt hatte. Bis auf einen Schock schien sie unversehrt zu sein.

»Geht … geht es Ihnen gut?«

Jacques erschrak über seine eigene Stimme, die sich so dünn und zitternd anhörte.

Franziska sah ihn mit flackerndem Blick an, unfähig zu antworten. Dann weiteten sich ihre Augen, als sie an ihm vorbei sah und etwas Grauenvolles zu Gesicht bekam.

Im selben Moment splitterte die Seitenscheibe. Eine schwarze Pranke mit langen, sichelförmigen Krallen packte den Kopf des Mannes und zerrte ihn aus dem Wagen.

***

Franziska kreischte, riss die Arme hoch und presste sich die flachen Hände gegen die Ohren. Die Augen hielt sie geschlossen, und so sah sie nicht, dass Jacques von dem Sicherheitsgurt festgehalten wurde. Das Monster stieß ein wütendes Brüllen aus und übertönte somit das Geschrei des Mannes, das abrupt abbrach. Das Knirschen und feuchte Reißen blieb Franziska glücklicherweise erspart. Der Jacques’ Körper erschlaffte und wurde in das Fahrzeug zurückgestoßen.

Franziska wimmert nur noch und wagte einen Blick durch die zu schmalen Schlitzen verengten Augen. Als sie die blutige Masse sah, die das Monster von dem Gesicht des armen Mannes übriggelassen hatte, fing sie erneut an zu schreien.

Sie schrie auch noch, als die Tür mit brachialer Gewalt aus den Angeln gerissen und in die Finsternis der Nacht geschleudert wurde.

Sie schrie, als die Leiche von Jacques aus dem zerfetzten Gurt nach draußen gezerrt wurde.

Und sie schrie, als sich das grauenhafte Ungeheuer in den Wagen beugte, mit scharfen Krallen Gurt und Airbag zerriss, ihren zitternden Leib packte und ebenfalls in die Kälte der Nacht zog.

Doch niemand hörte ihre jämmerlichen Schreie, die schließlich verstummten, als eine gnädige Ohnmacht Franziska Pichler umfing.

***

»Die Post ist da!«, rief Glenda Perkins fröhlich und wollte gerade mit einem kleinen Stapel Briefen das Büro betreten, das ich mir seit Jahren mit meinem Kollegen Suko teilte, der mir gegenüber saß und eifrig mit seinem Laptop beschäftigt war.

»Halt!«, schrie ich so laut, dass Glenda zusammenzuckte und sogar Suko aus seiner Lethargie gerissen wurde.

»Hast du noch alle Tassen im Schrank?«, fuhr mich Glenda erbost an.

Ich grinste unverschämt.

»Tasse ist das richtige Stichwort«, antwortete ich. »Bevor du mir die Post bringst, kannst du auch gleich noch eine Tasse deines köstlichen Kaffees mitbringen.«

Glenda schnaubte, stapfte in unser Büro und pfefferte mir die Briefe auf den zugeklappten Laptop.

»Hol ihn dir selbst!« Damit verschwand sie.

Sehnsüchtig blickte ich ihr hinterher und bewunderte dabei ihren geschmeidigen Gang. Der neue Rock aus grauer Schurwolle, der sich eng an ihre Figur schmiegte und bis zu den Knien reichte, machte diesen Anblick noch sehenswerter.

Als Glenda aus meinem Sichtfeld verschwunden war, wanderte mein Blick zurück und traf sich mit dem meines Partners Suko, der immer noch unverändert mit hochgezogenen Brauen über den Laptop-Bildschirm starrte. Dann hob er seine Hand und tippte sich mit dem ausgestreckten Zeigefinger gegen die Stirn.

»Was denn?«, fragte ich unschuldig.

»Bist du nach deinem Trip nach Atlantis etwa noch nicht wieder ganz da, dass du dich so benimmst? Ich an Glendas Stelle hätte dir den Kaffee gebracht und ihn dir über die Rübe gegossen, wenn du mich so angeschrien hättest. Du kannst froh sein, dass sie heute ihren guten Tag hat.«

»Was soll das heißen?«, fauchte es aus der offenen Bürotür zu Suko herüber. Glenda stand wie ein Racheengel auf der Schwelle. In jeder Hand eine volle Tasse. Rechts mit Kaffee für mich, links der Tee für Suko.

»Ist das also schon eine Seltenheit wenn ich gute Laune habe, ja?«

Zornig knallte sie mir den Becher mit dem Kaffee vor die Nase, sodass einige Spritzer die Briefe trafen, die immer noch auf dem Laptop darauf warteten von mir geöffnet zu werden. Auch Suko bekam seinen Tee, beäugte Glenda aber nur skeptisch von der Seite, während ich mir das Grinsen immer noch nicht verkneifen konnte.

»Wohl bekomm’s den Geisterjägern«, sagte sie und stürmte aus dem Büro. Nicht ohne jedoch die Verbindungstür schwungvoll ins Schloss zu werfen.

»Welche Laus ist der denn über die Leber gelaufen?«, fragte mich Suko.

Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. In zwei Stunden haben wir Mittag, dann werde ich sie fragen, sofern sie sich beruhigt hat. Womit beschäftigst du dich eigentlich so eifrig?«

Jetzt zuckte Suko die Schultern. »Nichts besonderes«, erwiderte er beiläufig.

Ich wurde neugierig. »He, wir sind bei der Arbeit. Hier ist alles besonders. Komm schon«, forderte ich, stand auf und machte Anstalten, um den Schreibtisch herumzugehen. »Zeig doch mal her.«

»Sei nicht so unverschämt neugierig«, versuchte Suko mich abzuwehren, doch da war ich schon mit einem Sprung an der Ecke seines Schreibtisches, der meinem direkt gegenüber stand. Mir gelang gerade noch ein schneller Blick auf den Bildschirm meines Freundes, ehe dieser seinen Laptop zuklappte.

Ich richtete mich überrascht auf. »Hast du dir da etwa Motorräder angesehen?«

Suko grinste mich unschuldig an. »Ist das etwa verboten?«

Ich ging zurück zu meinem Bürostuhl und setzte mich.

»Keineswegs, aber ich hätte nicht gedacht, dass du dir wieder eine Maschine zulegen willst. Ich dachte du bist mit dem BMW zufrieden.«

Suko war jahrelang begeisterter Motorradfahrer gewesen, ehe seine Harley Davidson in Liliths Hexenwelt verschollen war und er in einem Preisausschreiben einen BMW gewonnen hatte. Das war kurz nachdem mein geliebter Bentley buchstäblich in Flammen aufgegangen war.

»Es ist auch gar nicht die Rede davon, dass ich mir ein neues Motorrad zulegen will. Aber man wird ja noch träumen dürfen.«

»Sicher.« Ich grinste »Aber sag mir rechtzeitig Bescheid, dann bring ich den Rover in Sicherheit, damit er keine Dellen bekommt.«

»He, traust du meinen Qualitäten als Fahrer nicht mehr über den Weg?«

»Doch, doch.«

»Na warte. Jetzt erst recht.«

»Ja, ja. Rede nur. Du bleibst sowieso deinem BMW treu.«

»Das eine schließt das andere nicht aus«, orakelte meine Partner und klappte den Laptop wieder auf. »Und jetzt kümmere dich um die Post.«

Wir stellten unser Geplänkel ein, und ich begann tatsächlich, mich mit dem kleinen Stapel Briefe auseinanderzusetzen, den mir meine Assistentin vor die Nase gelegt hatte. Es handelte sich dabei nicht um die Hauspost, sondern um Briefe von außerhalb. Ein Kuvert stach mir dabei besonders ins Auge.

Zum einen weil Absender und Adressat per Hand geschrieben worden waren, zum anderen aber auch deshalb, weil das Schreiben nicht aus England oder Großbritannien kam, sondern aus Frankreich. Genauer gesagt aus Gravelines.

Als ich den Namen des Ortes las, stutzte ich. Irgendwie kam mir dieser Name bekannt vor. Ich hielt den geschlossenen Umschlag in beiden Händen und grübelte vor mich hin.

Suko hatte gemerkt, dass ich mich gedanklich auf Reisen befand, und fragte behutsam nach, was los sei.

»Kennst du einen Ort namens Gravelines?«, fragte ich ihn daher.

Suko lehnt sich in seinem Schreibtischsessel zurück und tippte sich mit dem Zeigefinger der rechten Hand nachdenklich ans Kinn.

»Gravelines, Gravelines«, murmelte er vor sich hin. Dann setzte er sich abrupt kerzengerade hin und schnippte mit den Fingern.

»Lupina und die Werwolf-Sippe«, sagte er nur.

Na klar. Jetzt fiel bei mir der Groschen.

»Natürlich. Silva, die weiße Wölfin, das Mädchen-Internat und die Drogen-Dealer. Lupina hat mich damals in einen gläsernen Sarg sperren und in einen Swimming-Pool werfen lassen. Wie konnte ich das bloß vergessen?«

»Ich habe mich vermutlich auch nur daran erinnert, weil mich dieser Schuldirektor mit seinem Elektroknüppel gekitzelt hatte.« Sukos Stimme war deutlich anzuhören, wie ungern er sich an dieses Abenteuer erinnerte.

Auch meine Gedanken waren nicht gerade positiv. Ich hatte ja schon viel erlebt, aber lebendig begraben zu werden gehörte für mich zu den schlimmsten Qualen überhaupt. Mein Gott, wie lange war das schon her. Es kam mir beinahe wie ein anderes Leben vor. Damals kämpften wir noch gegen die Mordliga und Asmodina. Was hatten wir seitdem nicht alles erlebt?