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Eine leidenschaftliche Liebe verbindet Napoleon in den ersten Jahren mit Josephine Beauharnais. Als noch unbekannter General folgt er ungläubig den Avancen der sechs Jahre älteren Witwe. Josephine, Mutter zweier Kinder aus der unglücklichen Ehe mit Alexandre Beauharnais, war die Grande Dame der Pariser Gesellschaft. Auf Grund ihrer Attraktivität und Ausstrahlung hätte sie sich jeden Mann für eine zweite Ehe aussuchen können. Als sie aber auf einer der unzähligen Festivitäten Napoleon das erste Mal begegnet, erkennt sie schnell, dass hinter dem drahtigen Soldaten mehr steckt als überdurchschnittliche militärische Begabung. Er schien zu den Männern zu gehören, die Karriere machen – eine Möglichkeit für sie, in Paris eine größere Rolle zu spielen und finanziell wieder abgesichert zu sein. Mit diesem Kalkül beginnt eine der berühmtesten Ehen. Unzählige Liebesbriefe schrieb Napoleon seiner Frau, die ihn immer wieder betrügt und dann mit Tränen zu sich zurückholt. Doch mit steigendem politischem Erfolg wendet sich das Blatt. Robert Heymann erzählt das wechselvolle Leben der Josephine Beauharnais an der Seite Napoleons und ihren bitteren Untergang, der auf dem Höhepunkt ihrer Macht als gekrönte Kaiserin schon längst begonnen hat.-
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Seitenzahl: 100
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Robert Heymann
Saga
Josephine Beauharnais. Der Liebesroman einer Kaiserin
German
© 1901 Robert Heymann
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711503461
1. Ebook-Auflage, 2016
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com
„Wer ist der kleine Offizier mit der gelben Haut und der schäbigen Uniform, ma chérie?“ fragte Madame Beauharnais, die schöne Kreolin, sich an ihre Freundin wendend, die am Cours de la Reine in ihrem eleganten Hotel die Honneurs machte.
Madame Tallien, die Geliebte des allmächtigen Barras, warf einen flüchtigen Blick zu dem Brigadegeneral der Artillerie hinüber, der ziemlich schüchtern inmitten der hin und her wogenden glänzenden Menge stand:
„Ach, Bonaparte? Der Arme! Er steht seit längerer Zeit schon à la suite und hat mich soeben um meine Verwendung gebeten.“
„Beim Direktorium?“
„Bei Bürgerdirektor Barras.“
„Um Wiedereinstellung in die Armee?“
Die schöne Madame Tallien lachte hell auf.
„O nein! Um eine neue Uniform!“
Madame Beauharnais schien einigermaßen enttäuscht. Ihre Freundin legte die schmale weiße Hand auf den Arm der Kreolin.
„Was interessiert dich so an ihm? Das lange, strähnige und borstige Haar? Ach, er ist gelb wie eine Zitrone und, bei Gott, er kann eine neue Uniform brauchen! Er riecht förmlich nach Pulver!“
Die Kreolin erwiderte:
„Er wird seine Uniform auf dem Schlachtfelde abgenutzt haben ...“
„Zweifellos. Nach dem Erlaß vom Fructidor des Jahres III hat er kein Anrecht auf Gratislieferung von Militärtuch. Mon dieu, ich habe ein Herz für diese armen Soldaten, die unter diesen kleinlichen Miseren des Lebens zu leiden haben!“
Für Madame Tallien war der Fall damit erledigt. Ein Kreis glänzender Kavaliere zog sie ab. Ihr Liebhaber, der zwar keine großen Eigenschaften besaß, sich aber für den schönsten Mann von Paris ansprechen ließ, legte den Arm um ihre schlanke Taille und führte Notre-Dame de Termidor promenierend durch den Saal, wo man bereits anfing, einen jener seltsamen Tänze zu arrangieren, die damals Soziale Tänze hießen und gerne in großen Orgien ausarteten. Die Bürgerinnen Hainguerelot, Hamelin, Mailly de Chateau-Renault, de Navailles, de Stael, de Saint-Fargeau — die sich gerne la fille de la nation nennen ließen — sie alle waren in Fragen der Tugend nicht allzu strenge und paßten sich der Zeit an, in welcher die Frauen in griechischen Kostümen gingen, die Männer der unglaublichsten Mode huldigten, wo die Sinnlichkeit die unerläßliche Beigabe des Talentes war.
Madame Tallien zeigte sich ja auch bei Ranelagh als Diana, wenn das Wetter irgend dem Kostüm günstig war. Dann trug sie Hacken von unglaublichen Dimensionen an den Schuhen, eine Tunika bis zum Knie, die die Brust entblößt ließ.
Bei Barras, sagte man, hätte sie oft genug nackt getanzt, und Damen, die es mit der Moral etwas genauer nahmen, als die berühmten Frauen dieser Zeit, so Madame Remusat, behaupteten, auch die Witwe des Generals Beauharnais, der erst vor einigen Jahren guillotiniert worden war, schämte sich nicht, an solchen Vergnügungen teilzunehmen.
In Wahrheit wußte man nicht viel von Madame Beauharnais. Was man wußte, ließ allerdings darauf schließen, daß sie gerne galante Männer sah und nicht allzu spröde mit ihren Reizen umging. Man sah sie in allen Vergnügungslokalen von Paris, die zur Zeit des Direktoriums eine Rolle spielten. Sie erschien im Luxembourg bald in einer Robe à la Vestale, bald in einem Überwurf à la Galathée. Sie war im Idalin zu finden, im Tivoli, im Hotel Longeville, das eben auch nicht den besten Ruf besaß.
In dieser Zeit war die schöne Kreolin bereits Mitte der Dreißig. Sie war gut mittelgroß; zu dem matten, bronzenen Teint standen seltsam pikant die dunkelblauen Augen mit schweren Wimpern, deren nach oben gekrümmte Spitzen dem Blick einen rätselhaften Zauber verlichen. Sie hatte eine feine Nase, deren antike Linie durch die etwas nach oben gerichtete Spitze unterbrochen wurde, was die Pikanterie dieser stets wechselnden Züge noch hob. Schade, daß der schöngeschwungene Mund durch häßliche Zähne entstellt war, für Frau von Beauharnais ein Grund, nur sehr selten zu lachen. Immerhin konnte man über diesen Fehler die vollendeten Arme, die jugendliche Büste, den harmonischen Gang nicht übersehen. Im übrigen — „obwohl sie die Frische der Jugend bereits verloren hatte, so hatte sie doch Mittel bei der Hand, um zu gefallen“. (Marmont.)
Sie hatte eine seltene Gabe, Menschen auf ihren Wert hin zu prüfen und zu durchschauen.
Allerdings folgte sie selten ihrem Verstand, meist ihren Leidenschaften und ihrem Gefühl; das ergab Konflikte, die entscheidend in das merkwürdige Leben dieser seltsamen Frau eingriffen.
Eine Zigeunerin hatte ihr prophezeit, sie werde Königin von Frankreich werden, nicht aber als diese sterben. Ihr Leben war bisher abenteuerlich genug gewesen. Sie hatte zwei Kinder, einen Knaben und ein Mädchen, die beide noch unversorgt waren, kein Wunder also, daß sie schon seit langem nach einem Manne Umschau hielt, den sie zum Gatten wählen konnte, ehe ihre Reize verblüht waren.
Der General gefiel ihr. Sie war weit davon entfernt, etwas wie Zuneigung für ihn zu verspüren. Doch etwas Rätselhaftes zog sie an.
Sie fand rasch Gelegenheit, ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Der General wurde bald blaß, bald rot. Er war nicht gewöhnt mit Frauen zu verkehren. Sein Platz war auf dem Schlachtfeld, seine Stimme weit mehr geschaffen, Befehle zu geben, als einer Frau zu gefallen. Aber die Art Frau von Beauharnais’ ließ ihn rasch die angeborene Scheu überwinden. Er wurde lebhaft und bewegt, berichtete von seinen Leiden: daß er à la suite gestellt sei und nichts sehnlicher wünsche, als wieder zur Front abzugehen, wenn möglich zur italienischen Armee.
Josephine Beauharnais war liebenswürdig genug, der Verdienste zu gedenken, welche Bonaparte sich vor Toulon als Artillerieoffizier erworben hatte. In den Blättern hatte ja Rühmenswertes genug darüber gestanden.
Der junge General lehnte bescheiden dankend ab. Aber er war nicht wenig verblüfft, von Frau von Beauharnais eine Einladung in ihr Haus zu erhalten.
Den ganzen Abend über hatte er für nichts mehr Auge und Sinn als für die schöne Witwe des Generals, um dessen Schicksal er sehr wohl wußte und das ihm einmal nahe gegangen war.
Josephine hatte geschickt einige Klagen über die Einsamkeit ihres Lebens, ihre Verlassenheit hindurchfließen lassen. General Bonaparte, der noch nicht jene Beziehungen hatte, die ihn über das Vorleben der schönen Frau hätten aufklären können, empfand neben einer rasch aufkeimenden Neigung tiefes Mitleid mit ihr.
Er kam schon am nächsten Tage. Das Haus der Madame Beauharnais imponierte ihm nicht wenig. Er übersah, daß es an dem Nötigsten fehlte, daß Kasserollen, Teller und Gläser nur in sehr beschränkter Anzahl vorhanden waren. Er hatte nur Augen für den Luxus, die kostbaren Spiegel, goldene Geschirre, den Überfluß an Geflügel und Früchten.
Er ahnte nicht, daß hinter diesem scheinbaren Reichtum sich die Armut verbarg. Er hatte wieder nur Augen für seine schöne junge Freundin, die ihn in einem griechischen Kostüm empfing, das ihre wunderbaren Formen erraten ließ. In Paris erzählte man sich, Madame de Beauharnais hätte eine Rente von 25 000 Frank. In Wahrheit hatte sie nur Schulden, und sie kalkulierte so. Nehme ich den General Bonaparte zum Mann, so habe ich alle Aussicht, in Paris eine Rolle zu spielen, denn er scheint zu den Männern zu gehören, die Karriere machen. Fällt er, so habe ich seine Pension und kann mich wieder verheiraten.
Gewiß, er war ihr sympathisch. Sie überhäufte ihn mit Liebenswürdigkeiten, die den jungen General vollkommen betörten und als er nach dem ersten Besuch ihr Haus verließ, da war er sich bereits klar, daß er diese Frau liebe.
Sie war die Erste, die ihm bisher so nahe gekommen war. Es lag allerdings schon eine Idylle mit einem jungen Mädchen hinter ihm — aber was war diese Geliebte im Vergleich zu dieser glänzenden Frau, die in allen Künsten der Koketterie erfahren war und es in gleicher Weise verstand, durch äußere Pracht zu wirken, wie durch den Zauber ihrer sinnlichen Persönlichkeit zu fesseln.
Der General, der immer noch auf seine Anstellung wartete, wurde ein häufiger Gast im Hause der Kreolin. Er kam so oft, daß die, welche im Luxembourg sich damit die Zeit vertrieben, über andere zu klatschen, galante Frauen und die Jeunesse dorée, aufmerksam wurden.
Josephine bekam Anspielungen zu hören. Um diese Zeit schrieb sie an eine Freundin, gleich als wollte sie von vornherein den Verdacht zerstören, sie sei verliebt:
„... Du hast übrigens auch den General Bonaparte bei mir gesehen. Ich will gestehen, daß er es ist, der den Waisen Alexander Beauharnais’ ein neuer Vater, seiner Witwe Gatte sein möchte.
Natürlich fragst Du alsbald, ob ich ihn liebe. Ah — nein! Ob er mir etwa zuwider ist? Nein. Aber offen gestanden, ich befinde mich in einem Zustand von Lauheit, die mich selbst ärgert, und die in Sachen der Religion den Gläubigen ärgerlicher gilt als alles andere.“
Es war also weit mehr Berechnung als Liebe, was sie den jungen General bestricken ließ. Sie war ihm so nahe gekommen, daß sie längst für seine Freundin gelten durfte. Es gab nichts, worüber er nicht mit ihr sprach, was er ihr nicht anvertraut hätte.
Josephine ihrerseits tat alles, ihren Verehrer in dem Rausch zu erhalten, in dem er lebte. Kam er nicht zu ihr, so besuchte sie ihn mit Madame Tallien in den drei kleinen Räumen, welche er in der Kapuzinerstraße bewohnte. Als er einmal ein paar Tage ausblieb — man näherte sich dem 13. Vendémiaire, und Napoleon bereitete sich für den neuen Umschwung vor — da schrieb sie ihm:
„... Sie kommen nicht mehr, um eine Freundin zu sehen, welche Sie liebt! Sie überlassen dieselbe ganz sich selbst. Sie tun unrecht, denn sie ist Ihnen zärtlich zugetan.
Kommen Sie morgen über acht Tage und frühstücken Sie bei mir. Ich habe das Verlangen Sie zu sehen, und mit Ihnen über Ihre Angelegenheiten zu sprechen.
Guten Abend, teurer Freund, ich umarme Sie!
Am 6. Brumaire.
Witwe Beauharnais.“
Das Verhältnis wurde indessen intimer. Frau von Beauharnais wurde die Geliebte Napoleons. Sie brauchte nicht mit ihrer Gunst zu geizen, denn der junge Offizier verstrickte sich immer tiefer in ihre Reize. War er fort von ihr, so schrieb er leidenschaftsdurchglühte Briefe ...
„Ich erwache ganz voll von dir. Dein Bild und der berauschende gestrige Abend lassen meine Sinne nicht zur Ruhe kommen. Süße, unvergleichliche Josephine, welchen wunderbaren Eindruck machen Sie auf mein Herz! Sind Sie ärgerlich, traurig, beunruhigt? Meine Seele ist schmerzzerrissen und Ihr Freund findet keine Ruhe. Aber es ist mir auch nicht besser, wenn ich mich dem tiefen Gefühl überlasse, welches mich unterjocht. Ich fühle auf Ihren Lippen, Ihrem Herzen die Flamme, die mich versengt.
Ach! In dieser Nacht bin ich mir klar darüber geworden, daß Ihr Bild etwas anderes ist als Sie selbst! In drei Stunden bin ich bei dir! Inzwischen, mio dolce amor- eine Million Küsse, aber du darfst mir keinen wiedergeben, denn er setzt mein Blut in Flammen!“
Die Leidenschaft des Generals, sein Wesen ließen Josephine nicht unberührt. Sie empfand allmählich doch mehr für ihn, als sie sich einzugestehen wagte, wenn auch bei ihrer flatterhaften Natur dieses Gefühl nicht stark genug war, um Liebe genannt zu werden.
Nun aber trug sie sich endgültig mit dem Gedanken, Bonaparte zu heiraten. Sie bot ihren ganzen Einfluß auf, ihm die Möglichkeit zu bieten, sich auszuzeichnen. Da sie früher, wie man sagt, die Geliebte des Barras gewesen war, so fiel es ihr nicht schwer, den einflußreichsten Mann des Direktoriums für den General zu gewinnen.
Barras erklärte: „Madame, wenn Sie den General heiraten, so bin ich bereit, ihm das Oberkommando über die italienische Armee anzuvertrauen.“
Der gute Barras hoffte auf diese Weise, alle etwaigen Verpflichtungen gegen die Witwe Beauharnais abzuschütteln. Das Oberkommando über die von den Österreichern eingeschlossene Armee in Italien war schließlich kein allzu beneidenswerter Posten. Man wußte ja doch schon in Paris, daß diese Armee keine Pferde mehr besaß, statt der Stiefel Lumpen trug und die Säbel mit Schnüren um den Leib schnallen mußte.
Als Napoleon abends zu Josephine kam, umarmte sie ihn und sagte voll Freude:
„Deine Ernennung, mein Freund, ist gesichert. Ich habe heute mit Barres gesprochen ...“