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"In der Liebe gibt es keine Gleichberechtigung!", betont der Autor. "Die Liebe ist eine Tyrannin und schlägt tiefe Wunden, selbst wenn man nur mit ihr spielen möchte." Liebe und Erotik ist ein fortwährendes Wechselspiel von Dominanz und Unterwerfung. "Gäbe es aber diese Gleichberechtigung der Geschlechter, dieses Gleichgewicht der Liebes- und Lustgefühle, wie die modernen Fanatiker der Arbeit sie erträumen, so wäre Eros tot. Sicher würde die Welt allmählich ›gereinigt‹ von Lustrausch und allen jenen Leidenschaften, die schon viel Unheil über die Menschheit gebracht haben und bringen. Aber auch die Schönheit des Lebens wäre dahin. Es gäbe keinen Aufschwung der Gefühle mehr, keinen Höhepunkt des Daseins, keine Entwicklung der Kultur. Denn alles Sein und alles Werden ist abhängig von der Kraft des Eros." – Heymann erzählt die Geschichte der (eigentlich naturwidrigen) Unterwerfung des Mannes unter die Frau über die Jahrhunderte hinweg. Der mit vielen teils amüsanten, teils pikanten, teils heute geradezu ungeheuerlich anmutenden Anekdoten gepfefferte sowie reich und geschmackvoll bebilderte Band ist ein Muss für den Liebhaber opulenter Erotika aus dem frühen 20. Jahrhundert. Allen kultur- und soziologiehistorisch Interessierten bietet er darüber hinaus eine Fundgrube von geschlechtsgeschichtlichen Stereotypen, wie sie die Gesellschaft über Jahrhunderte dominiert haben, und eröffnet dadurch einen vielsagenden und unverstellten Einblick in das weite Kreise prägende männliche Denken und den chauvinistisch-männlichen Blick auf die Geschlechterbeziehungen vor rund hundert Jahren.Robert Heymann (1879–1946) war ein deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Redakteur, Drehbuchautor und Filmregisseur. Der in München geborene Autor veröffentlichte seit 1901 Dramen und Romane (u. a. "Istar, das ist die Liebe", "Tod", "Herrenrecht", "Das Bild von Sais" und "Gefallene Frauen"). Seit 1902 arbeitete er zudem als Dramaturg für das Kabarett Überbrettl, für das Zentraltheater in Zürich sowie für das Intime Theater in München. Zeitweise war er als Journalist für die "Basler Zeitung" tätig. Während des Ersten Weltkrieges gab ihm die Berliner "Luna Film" einen Vertrag als Drehbuchautor und Regisseur. Heymann blieb auch in seinen Filmen der dramatischen Akzentuierung treu und drehte mit Schauspielern wie Theodor Loos, Joseph Schildkraut, Ernst Hofmann und Friedrich Kühne. Ab 1918 beschränkte er sich auf das Schreiben von Drehbüchern, und bereits Mitte der zwanziger Jahre zog er sich aus dem Filmgeschäft zurück und konzentrierte sich auf das Verfassen von Romanen. Er veröffentlichte auch unter den Pseudonymen Robert Heymann-Dvorák, Max Ladenburg, Annemarie Land, Fred Roberts und Sir John Retcliffe der Jüngere.-
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Seitenzahl: 316
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Robert Heymann
Saga
Der masochistische Mann
© 1931 Robert Heymann
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711503751
1. Ebook-Auflage, 2017
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com - a part of Egmont, www.egmont.com
In jedem Menschen sind — neuere Forschungen und Beobachtungen machen es im höchsten Grade wahrscheinlich — männliche und weibliche Anlagen organisch verankert, die von den Drüsen mit innerer Sekretion, vor allem von den Geschlechtsdrüsen beherrscht und reguliert werden. Für den weiblichen Eierstock ist diese Zwitterhaftigkeit, diese Zweigeschlechtlichkeit, erwiesen; die weibliche Keimdrüse birgt weibliche und männliche Hormone in sich. Vor kurzem konnte der Frauenarzt Prof. Straßmann eine junge Frau vorstellen, bei der sich plötzlich männliche Geschlechtsmerkmale zu entwickeln begannen: Bartwuchs im Gesicht, tiefe Stimme, Schrumpfung der Brüste. Doch als eine Geschwulst des Eierstocks durch Operation entfernt ward, bildeten sich all diese Merkmale zurück, und der Habitus der Frau wurde wieder, wie er war, weiblich: Der Tumor hatte die an den Eierstock gebundene weibliche Keimtätigkeit geschädigt, den Einfluß der weiblichen Hormone so geschwächt, daß die männlichen das Übergewicht erlangten. Ähnliches bestätigten neuerlich Versuche Steinachs, der durch Röntgenbestrahlung der Eierstöcke bei Ratten, Meerschweinchen, weibliche Tiere in männliche umwandeln konnte.
Sind also auch in den Menschen, im Weibe wie wahrscheinlich auch im Manne, doppelgeschlechtliche Keime vorhanden, so überwiegen eben im Manne die männlichen, im Weibe die weiblichen, und nur durch besondere Veranlagung und den Einfluß äußerer Verhältnisse kann es zu einer Unterdrückung der ursprünglichen und arteigentümlichen Anlage kommen.
Hörigkeit ist im Grunde eine weibliche Veranlagung. Sind auch, wie der Verfasser einleitend sagt, die Liebenden fast alle mehr oder weniger hörig, so ist doch beim Weibe eine gewisse Hörigkeit Norm, ihr Anpassungs-, ihr Anlehnungs-, ihr Unterwürfigkeitsbedürfnis ist ihre Natur. Der Mann ist kraft physischer und psychischer Veranlagung immer, dem Weibe gegenüber, Herrenmensch. Das sich anschmiegende, haltsuchende, sich unterwerfende Weib bleibt in seiner passiven Triebrichtung, wenn es hörig wird, in seiner Unterwürfigkeit ausartet; der an sich überlegene aktive Mann fällt aus der Richtung seines eigensten Wesens. Dem Weib wird immer eine größere organische Abhängigkeit vom Manne innewohnen, als umgekehrt. Die sexuelle Hörigkeit des Mannes ist etwas Unnatürliches, seiner Natur Fremdes, etwas Weibliches, Weibisches. Es gibt zwei Geschlechter, und es gibt keine Gleichheit der Geschlechter, trotz aller Gleichheitsbestrebungen, aller Anähnelungsversuche.
So etwa ist der Begriff der Hörigkeit zu fassen, und so wertet ihn auch der Verfasser. Wie er das aber tut, wie er die Hörigkeit kulturell und geschichtlich entwickelt, medizinisch, naturwissenschaftlich, philosophisch begründet, ist eine Kunst, die wohl nur die auf reichem Wissen fußende Phantasie eines Dichters meistern kann. Robert Heymann kann nicht nur packende Romane schreiben, er versteht auch, wie nur wenige, die große Kunst, Seelen zu zergliedern, die Verbindung zwischen Körper und Seele herzustellen, und bringt, wie ich schon aus manchem früheren Buche dieser Art weiß, für die Schilderung des Sexuallebens ein ungemein feines Einfühlungsvermögen, Verstehen und Verzeihen und eine Gestaltungskraft mit, die jedes dieser seiner Bücher zu einem Genuß macht.
„Eine Sittengeschichte der Liebeshörigkeit ist eine Sittengeschichte der Liebe,“ sagt der Verfasser in der Einleitung, und so ist dieses Buch der sexuellen Hörigkeit in der Tat eine Geschichte der Liebe, des Eros, kein Buch für den, welcher Sensation und Sinnenkitzel sich erwartet, aber eine Arbeit, die, auf Wissen begründet, Wissen verbreitet, die anregend und belehrend in das Dunkel des Geschlechtslebens, das vielleicht nie ganz zu lüftende, hineinleuchtet, ein Führer in die Geheimnisse des Sexus, in die von allen Wundern des menschlichen Organismus wohl wunderbarste Stätte menschlichen Geschehens.
Ein hohes ethisches Empfinden durchzieht die Darstellung. Überall leuchtet das Bestreben durch, die Liebe aus der Niederung, in die sie allzu geschäftliche und geschäftige Erklärer hinabzerrten, wieder emporzuziehen und ihr den hohen Platz anzuweisen, den sie verdient, als Triebkraft menschlichen Handelns, als Leuchte und Freude im menschlichen Leben. Das Buch verdient, gelesen und beachtet zu werden.
San.-Rat Dr. Max Maschke (Berlin).
In der Liebe gibt es keine Gleichberechtigung!
„Hörige“ waren ehedem im alten Germanien Kriegsgefangene und unfrei Geborene. Abhängig von einem Herrn oder — seltener natürlich — von einer Gebieterin, untrennbar verbunden mit ihrem Los. Erbuntertänige oder auch Schuldknechte.
Hatte einer Haus und Hof verspielt und nichts mehr als Pfand zu setzen, so setzte er die persönliche Freiheit und spielte sich in die Hörigkeit. Diese „Grundholde“ oder Aldien, wie sie auch genannt wurden, hatten schwere Abgaben zu entrichten und Strafe an Leib und Leben zu gewärtigen, wenn sie den Zorn ihres Herrn erregten.
Aus diesem Zustand absoluter Abhängigkeit vom Willen eines Anderen, aus dieser Tatsache vollkommener Rechtlosigkeit und Hilflosigkeit leitete man das Wort her, das in der Liebe eine fast unbegrenzte Rolle spielt. Hörig sind die Liebenden mehr oder weniger fast alle. Ob Mann, ob Weib: Leidenschaft, Hingabe, Zärtlichkeit, selbst reinste Liebe bedingen für den einen Teil das Abhängigkeitsverhältnis, dessen Grad von der Stärke seiner Hingabe an den anderen Menschen abhängt. Eine Sittengeschichte der Liebeshörigkeit ist eine Sittengeschichte der Liebe, des Eros. Denn die moderne Anschauung von der Gleichheit der Liebesverbundenen, von „Kameradschaftsehe“ und „Gefährtenliebe“ beruht auf einem psychologischen und sozialen Irrtum, sie schlägt den einfachsten Erfahrungen ins Gesicht.
Es gibt in der Liebe keine Gleichberechtigung!
Wer das behauptet, meint eine jener lauwarmen Freundschaftsbindungen, eine magere Pflanze, aus gegenseitigem Egoismus gezogen, mit Phrasen gedüngt, ein Pflänzlein ohne Farbe und Kraft. Nimmermehr meint er das gewaltige Spiel der Geschlechter, den hinrauschenden Dythirambos der Liebe.
Zur völligen Leibeigenschaft freilich sinkt herab, wer liebend, sehnend sich selbst aufgibt in dem Lustgefühl, sich zu ergeben, aufzugehen im Sein und Wesen des Andersgeschlechtlichen: Wo Lustempfinden selbst bei körperlicher Züchtigung ausgelöst wird. Wo hereditäre Urinstinkte der Frau sich in Sklavenwesen wandeln. Wo die Sehnsucht, nur zu dienen, als selbständiges Wesen aufzuhören, auf Rechts- und subjektives Empfinden verzichtet.
Die sexualpsychologische Hörigkeit, gesteigert bis zur masochistischen Unterwerfung — zur Satyriasis beim Mann, zur Nymphomanie beim Weibe; die Hemmungslosigkeit des Urning; der Rausch der Lesbierin; der Fetischismus, der Sadismus: dieser flammende Ring menschlicher Begierden — er ist Attribut des Geschlechtstriebes, Steigerung bis zum Verfall: Himmelsjauchzen, Todesbetrübnis. Es ist nicht die Liebe, wie der moderne Mensch, wie Ethik und Kultur sie verstehen wollen. Wie wir sie ersehnen und um sie kämpfen, um sie bluten. Es ist bis zum Wahnsinn übersteigerter Eros, in dessen Zeichen die herrlichsten Erfolge errungen, die schändlichsten Niederlagen erlitten werden.
Heute, wie je geht ein Sehnen durch die Welt wie ein gewaltiges Atemholen. Dürr, des Goldschmucks aller Illusionen beraubt, sehen die meisten modernen Menschen den Park des Sexus. Die murmelnden Quellen seiner Freuden sind versiegt. Öde liegen die Gärten der Schönheit. In der Zeit der Technik, der Erfindungen und sozialpolitischen Probleme dünkt sich der Menschengeist Beherrscher aller Elemente und hat die Freude an der Sinnlichkeit des Daseins verloren.
Zu Dutzenden von entnervenden Giften greift der Kulturmensch, doch den Becher der Lust, den das Leben auf allen Wegen liebreich und verschwenderisch kredenzt, übersieht er.
Aber auf dem Sande moderner Weltanschauung sollen wieder Oasen der Schönheit entstehen.
Alkibiades, der Casanova der Antike, Aspasia, Laïs und Phryne sollen auferstehen. Das Blut soll reden. Fredegunde, die Frankin, soll den Haß, Heloise die unsterbliche Liebe predigen.
An die Pforten Eurer Sehnsüchte will ich klopfen! Ich bin gewiß, sie werden aufgetan! Mögen die Geister, die eintreten, an Eurem Blutstrom noch einmal lebendig werden und die Welt befruchten!
Denn die Liebe spricht:
„Ich bin die Natur, die Mutter des Alls, die Herrscherin aller Elemente, der Anfang der Zeit, die Fürstin der Götter, die Königin der Toten.“
Als Apulejus das schrieb, zuckten Opferflammen in allen Landen zu Ehren der Liebe.
Jahrtausende sind vorbeigerauscht. Der Ausdruck der Liebe ist ein anderer geworden.
Denn auch er wandelt sich mit den Zeiten, den Menschen, den Dingen.
Aber die Lust des Sexus, der Trieb, der Kult, die Liebe — sie stehen wie Sonnen über uns, und heute, wie vor tausend Jahren ruft ein Millionenheer, von Liebe trunken, durch Hingabe versklavt oder königlich belohnt: Evoë! Evoë! Mann! Göttlicher! Herrlicher! Evoë! Herrin! Geliebte! Zauberin! Circe und Venus!
*
Es gibt keine medizinische Formel für sexuelle Hörigkeit. Höchstens gibt es lose Grenzbezeichnungen für pathologische Übersteigerungen: Nymphomanie, Satyriasis, Narzißmus.
Für die allgemeine Überpotenzierung des Eros: Erotomanie.
Mit „Erotomanie“ ist der Begriff der sexuellen Hörigkeit teilweise zu erklären. Doch nur teilweise, und nur, soweit die Hörigkeit pathologische Formen angenommen, sich in abnorme Betätigung verloren hat. Sie ist eine der vielen Quellen des Sexualproblems, die die Wissenschaft zu erforschen sich vorgenommen hat — wobei Menschliches, allzu Menschliches leider oft genug in der Registrierung, Formulierung und Schematisierung der Sexualpsychologie verzerrt wird und untergeht. Denn die Sexualität wird nie ein geeignetes Gebiet für Kartotheken sein.
So ist alles, was über Hörigkeit wissenschaftlich vorgebracht werden kann, mit Vorsicht aufzunehmen. Mindestens unter Vorbehalt.
Denn letzten Endes ist sexuelle Hörigkeit nichts weiter als ein Teil des großen Eros, eine der vielen Erscheinungen des Sexus, kausal bedingt durch Veranlagung, subjektives Lustempfinden und mehr oder weniger Komplexierung des Charakters.
Hörigkeit ist ohne Sexus nicht denkbar. Aber der Begriff ist viel weiter zu ziehen. Denn verschieden geschlechtliche Menschen, die sexuell nie zueinander in Beziehungen getreten sind, können Hörigkeitserscheinungen aufweisen, die im gewaltigen Strom sexueller Empfindungen wurzeln, die sie durchströmen, durchfruchten.
Hörigkeit wird immer am stärksten im freien Spiel der Geschlechter auftreten. Das ist klar. Die Ehe ist ein — im allgemeinen — beide Teile sichernder und verpflichtender Vertrag. Sicherheit bringt Ruhe, Gleichgewicht und Entspannung. Hörigkeit ist aber höchste Bereitschaft, Verkrampfung.
Ein Mann, dem in der Ehe die geliebte Frau vollkommen sicherer Besitz ist, sicherer Besitz zu sein scheint, sinkt nicht so leicht zum hörigen Sklaven herab, wie jener, der täglich aus der Gefahr eines möglichen Verlustes neue Erregungen zieht, der sich in der Vorstellung der Besitzergreifung der Geliebten durch fremde Männer bald masochistisch peinigt, bald durch Auflehnen, Eifersucht und Koketterie der Frau sadistisch gequält wird.
Umgekehrt: Die Frau, des Besitzes ihres Ehepartners gewiß, wird nie bis in die letzten Tiefen ihrer sexuellen Bereitschaft hinabtauchen, sich restlos geben, um durch diese maßlose Hingabe den Mann zu fesseln, Sklavin zu sein und durch das stete Schauspiel ihrer Niederlage den Sieger zu beherrschen. Es kommt hinzu, daß die rein erotische Liebe, ohne das ethische Höhensteuer einer seelischen Verbundenheit, ein Feuer ist, das um so schneller in sich zusammensinkt, je höher es emporgelodert ist.
„Ist es doch nur allzu bekannt, daß die ‚wahnsinnige Liebe‘, daß die ‚bis in den Tod währende‘ Treue nur zu rasch verblaßt, wenn einmal das sexuelle Verlangen geringer zu werden beginnt, um schließlich bald ganz zu verlöschen. Und das ist gewöhnlich dann der Fall, wenn die gegenseitige geschlechtliche Vereinigung einigemal stattgefunden hat, wenn jener Reiz, der ja jedweder Tumeszenz vorausgehen muß, abgestumpft oder vollkommen geschwunden ist. Auf die Zeit eines solchen Liebesrausches, eines solchen ‚Liebeswahnsinns‘ folgt nur allzu schnell vollständige Ernüchterung, die so weit gehen kann, daß sich die früher bestandene Liebe in ihr Gegenteil, in Haß, Ekel und Überdruß verwandeln kann. Dies um so leichter, als ja die wahre Veranlagung, die wahre echte Art des Charakters meistens erst in einer Gemeinschaft zweier Personen zutage tritt. All die vor der Ehe kunstvoll angewandten, vorgetäuschten und erheuchelten, schönen und vornehmen Charakterzüge werden schneller, als man je gedacht hätte, rücksichtsloser, als man je vermutet hätte, abgestreift, und der vordem ‚bis über die Ohren‘ verliebt gewesene Mann sieht nun mit nüchternen Augen das auch in seiner Seele nackt vor ihm stehende Weib und umgekehrt. Von der richtigen Erkenntnis der Art und des Wesens dieser Liebe ausgehend, wird es uns leicht verständlich sein, daß auch die auf solcher Art der ‚Liebe‘ aufgebaute ‚Liebesehe‘ von keinem allzu langen Bestand sein kann. Liebe und sexuelles Verlangen sind eben zwei verschiedene Dinge.“ (Dr. Bernhard A. Bauer in „Wie bist Du Weib?“)
Das ist natürlich nur bedingt richtig, Liebe und sexuelles Verlangen sind nicht verschiedene Dinge, sondern Komponenten in dem Parallelogramm des Sexuallebens.
Sicher aber ist, daß die Erscheinung der sexuellen Hörigkeit, mindestens in ihren Graden, abhängig ist von der Form des Liebesbundes. Und daß Hörigkeit am stärksten auftritt, wo Liebe am ungebundensten sich betätigt, ohne eine Rückversicherung durch Garantien, die ein Kultus oder Sakrileg bieten kann, das ist gewiß.
Dies gilt allerdings in erster Linie für uns, die wir leben, für unsere Vorfahren und vermutlich auch für unsere Nachfahren — es gilt für die Geschlechter, die den Sexualtrieb wie einen Zugochsen vor den Wagen ihrer Staats- und Familieninteressen gespannt haben, die entnervt durch die Problematik ihrer Revolutionen und die Ausnützung ihrer Kraft durch das Industriezeitalter, den eigentlichen Sinn der Libido, wie sie die Menschen der Antike und noch einmal der Renaissance erfaßt hatten, gar nicht mehr kennen.
Erotomanie als Steigerung (nicht Krankheitsbild!) gesehen, kennt wohl auch Hörigkeitsgefühle, aber niemals im Sinne unserer Zeit, wo — nebenbei — Sexualität und Verbrechen eine Rolle spielen, die in diesem perversen Ausmaß weder Hellas noch Rom in ihrer Blütezeit gekannt haben.
Somit ist der Versuch einer „Geschichte der Liebeshörigkeit“ — die es natürlich nur bedingt gibt, ebenso wie eine historisch-kritische Festlegung der libido sexualis — eine Geschichte der Entwicklungsformen der Liebe überhaupt.
Immerhin ist es interessant zu beweisen, daß sexuelle Hörigkeit, wie erwähnt, meist an die weitgehendste sexuelle Freiheit gebunden ist (womit das Hörigkeitsverhältnis zwischen Eheleuten ganz und gar nicht geleugnet werden soll. Nur ist diese Hörigkeit seltener). Darum sind sogenannte „Verhältnisse“ so oft durchschauert von Liebesstürmen und sexuellen Kraftproben beider Teile, bis einer endgültig in das Hörigkeitsverhältnis gerät — viel, öfter als in Ehen, wo — das darf nicht außer acht gelassen werden — der ethische Grundton der steten Gemeinsamkeit aller, auch ideeller Lebensinteressen, und das Kind nach dieser Richtung hin hemmend und vorbeugend wirken. Diejenigen Völker, die lange in einem Zustand der Prostitution gelebt haben (Prostitution gleich Preisgebung, nicht in anderem Sinne zu verstehen), neigten viel mehr zu erotomanischen Exzessen als die Völker, die frühzeitig die Ehe einführten. Wobei man die erotomanischen Exzesse als Ausdruck unserer Libido auffassen muß: Quot licet Jovi, non licet bovi, d. h. was uns als Erotomanie erscheint, mag vor tausend Jahren normal gewesen sein. Denn Liebe und Liebe, Sexus und Sexus sind Worte und Begriffe, aber nie die gleichen, sie decken sich fast immer mit den verschiedensten Vorstellungen vom Wesen der Sache.
Es ist notwendig einige Worte über dieses Wesen der Liebe zu sagen, die nur Despoten, Sklaven, Herrinnen und Mägde kennt.
*
Evoë! schrien die Griechen in der Trunkenheit des Eros.
Evoë — ein Glaube, eine Weltanschauung. Ein Thermometer der Menschlichkeit, meinetwegen. Sensation ist Steigerung der Unnatur. Evoë aber ist: Normaltemperatur eines Eros-Volkes.
Haben wir Ovids Klagelieder gelesen, diese Seufzer einer verpflanzten Seele, diese orgiastischen Flüche eines Verdammten am Pontus?
Wo sind die Liebestafeln der Akropolis?
Wann wäre es in Griechenland jemand eingefallen, Sachverständige über die Grenzen des Anstößigen zu vernehmen? Kann Logos diese Diskussionsfrage unserer Sittlichkeitsvereine beurteilen?
Wo ist ein Weib wie jenes, an der Tibull gestorben ist? Wo ist die Wunderbare, mit der Properz den Sarg zu teilen wünschte?
Und wo würde man heute in Deutschland einen erotischen Dichter und eine Dirne in ein Grab legen? Wo ist die Behörde, die schätzbare, die das dulden würde? Und wo sind die Jünger Abälards, diesseits und jenseits des Ozeans, die daran kein Ärgernis nähmen?
Immer, möchte man behaupten, lieben die Frauen die Liebe, die Männer aber die Geliebte. Aus diesem Widerspruch ergeben sich die grausamen Leiden des sexuellen Hörigseins. Denn: „Jeder Liebende ist Kämpfer, und Cupido trägt die Waffen, ebenso wie Mars.“ (Ovid.)
„Wollen Sie (junger Mann), daß ich Ihnen sage, was die Liebe so gefährlich macht? Das ist die überspannte Vorstellung, die man sich von ihr macht. Die Liebe ist wie ein Jähhunger, den man plötzlich für eine bestimmte Speise empfindet.
Die Liebe ist eine Tyrannin und schlägt tiefe Wunden, selbst wenn man nur mit ihr spielen möchte. Denn es gibt Krankheiten des Herzens, so gut wie es Krankheiten des Körpers gibt, und es gibt wirkliche und eingebildete Krankheiten. Das, was Sie an eine Frau fesselt, ist nicht immer Liebe. Die Gewohnheit des Zusammenseins, das öftere Begegnen, das Bedürfnis nach galantem Verkehr, der Wunsch, zu gefallen, all dies und noch vieles andere kommt zusammen, um Gefühle zu erregen, die oft genug für Liebe gehalten werden, die aber in Wahrheit gar nichts mit dieser Leidenschaft zu tun haben. Die Frauen sind stets bereit, einen solchen Irrtum zu bestärken. Sie fühlen sich so geschmeichelt über alle die ihnen dargebrachten Huldigungen, daß sie selten darüber nachdenken, aus welchen Gründen diese ihnen erwiesen werden.“ (Ninon de Lanclos.)
Und nun kommen die Frauen unseres Zeitalters — in nichts verschieden von den Freudespenderinnen der Vergangenheit — (auch die griechischen Tänzerinnen und Flötenspielerinnen gingen kurz geschürzt. Auch Bubenköpfe waren in der Antike bekannt, unter dem Direktorium Mode) —, nun also kommen die modernen Frauen und fordern, gleichgestellt mit den Männern, männliche Beurteilung ihres Tuns.
Gäbe es aber diese Gleichberechtigung der Geschlechter, dieses Gleichgewicht der Liebes- und Lustgefühle, wie die modernen Fanatiker der Arbeit sie erträumen, so wäre Eros tot. Sicher würde die Welt allmählich „gereinigt“ von Lustrausch und allen jenen Leidenschaften, die schon viel Unheil über die Menschheit gebracht haben und bringen. Aber auch die Schönheit des Lebens wäre dahin. Es gäbe keinen Aufschwung der Gefühle mehr, keinen Höhepunkt des Daseins, keine Entwicklung der Kultur.
Denn alles Sein und alles Werden ist abhängig von der Kraft des Eros.
Wo bliebe die Erotik, wenn die Geschlechtsentwertung der Frau weitere Fortschritte machte? Sie ist der übertriebene Ausdruck der vermeintlichen Befreiung aus Jahrtausende alter Knechtschaft. Aber mögen auch die Formen dieser Abhängigkeit mit den Zeiten sich wandeln, mögen sie heute scheinbar fast abgelöst sein — die Natur läßt sich nichts abhandeln von ihren großen Zielen.
Mittlerin der Liebe ist das Weib.
Gleichberechtigt soll es sein dem Manne: den Armen des Eros entwachsen, ein Wesen, das seine Liebe mit dem Thermometer der Vernunft, sozialer Erwägungen und sozialistischer Voraussicht abstimmt?
Wer nur die Geschichte der Mode betrachtet, mag lächelnd über diese Teilerscheinung eines verwirrten Zeitalters zur Tagesordnung übergehen. Es gibt keine Verstandesregistrierung der Liebesgefühle.
Es gibt ja auch keine Möglichkeit, die Geschlechtsmerkmale der Frau willkürlich zu ändern. Glaubt aber ein vom Wahn der Sachlichkeit Besessener im Ernst, daß Geschlechtsmerkmale nur äußerliche Erscheinungen ohne innerliche Auswirkungen sind, Auswirkungen, die beim Weib und Mann so verschieden sind wie Tag und Nacht?
Geschlecht ist alles. Vernunft ist nichts. Es ist seltsam, wie der Streit um Naturgebotenes dieses Zeitalter durchtobt, das die Natur zu beherrschen vorgibt.
Sapphos Grab
Frei aus dem Griechischen des Antipader von Sidon
Hier in dieser äolischen Erde
Ruhet die Tochter der lesbischen Flur —
Sappho, die Schwester unsterblicher Musen
Folgte des Lebens vergänglicher Spur.
Eros und Cypria lehrten sie lieben,
Kränze ohne Vergänglichkeit
Wand ihr Peitho im Haine der Musen,
Lesbos zum Ruhme und Hellas zur Freud’.
Mächtige Moiren, die ihr der Spindel
Faden auf Faden geschäftig entzieht —
Warum spannt ihr nicht ewiges Leben
Ihr, die Unsterbliches schuf durch ihr Lied?
Ein Buch wäre zu füllen mit der Aufzählung der ins Auge springenden physiologischen Unterschiede zwischen Mann und Weib: Größenverhältnisse, Wachstum, Verhalten während der Pubertät, Entwicklung der Proportionen.
Man beachte einmal nur die Unterschiede zwischen dem männlichen und weiblichen Becken! Die lächelnden Zweifler, die Anhänger der modernen Wissenschaft von der inneren Sekretion sind, mögen nicht von Äußerlichkeit sprechen. Es gibt keine Äußerlichkeit, die nicht ihr paralleles Bild im Seelenleben hätte. Sonst wären z. B. alle Kundgebungen über Schädelkunde müßige Erörterungen. Und es gäbe keinen Habitus der Tuberkulösen und keine ausgeprägten Körpermerkmale der verschiedenen Rassen!
Freilich gibt es Zwischengeschlechter. Vom ausgesprochenen Zwitter bis zum femininen Mann und zur vermännlichten Frau kann man Verschiebungen der Geschlechtunterschiede feststellen — und stets die analogen Veränderungen des Charakters und des Typus an sich.
Ob sich aus dem Unterschied der Geschlechter auch das Recht ableiten läßt, dem einen Geschlecht eine höhere morphologische Stellung einzuräumen als dem anderen, soll nicht Aufgabe unseres Werkes sein. Es sind müßige Untersuchungen, ob das Gehirn der Frau weniger wiegt, als das des Mannes, ob es minderwertiger ist im Sinne des logos.
Verschiedene Forscher, wie Boyd, Huschke u. a. haben gefunden, daß das weibliche Gehirn beträchtlich weniger Volumen habe als das des Mannes. Die Unterschiede schwanken zwischen 128 und 154 Gramm. Wenn man aber das Körpergewicht des Mannes mit dem des Weibes vergleicht und den Unterschied als Maßstab nimmt, kann man — heilige Einfalt der Forschung! — finden, daß das Gehirn des Weibes nicht weniger, ja sogar mehr wiegt als das des Mannes. Und wenn man nun, um die doktrinäre Sucht der Forschung, das Wesen Natur möglichst unter Ausschaltung des gesunden Menschenverstandes auf imaginäre Formeln zu bringen, ad absurdum zu führen, einer Statistik über das Verhältnis großer Gehirne zu ihren Leistungen folgt, so kann man feststellen, daß ein Mann, dessen Gehirn den gleichen Umfang hatte wie das des Dichters Turgeniew, ein absoluter Durchschnittsmensch war. Und der berühmte Zoologe Civier muß sein Gehirngewicht mit Ziegelarbeitern und einem Idioten teilen, der in der Irrenanstalt der Grafschaft Hants gestorben ist.
Das Weib ist anders, ganz anders als der Mann im Sinne des Eros — und das ist das Entscheidende.
Die Geheimnisse der Erotik haben wir freilich noch nicht restlos durchforscht, werden sie nie erforschen. Denn sie, die Libido, ist das verschleierte Bild zu Saïs. Geschlechter können an ihrer Indiskretion zugrunde gehen! Ein kleines Beispiel für die Unzulänglichkeit der Forschung gegenüber der primitiven Erfahrung des Lebens.
Jede normale Frau, deren Handfläche leise, tastend, sozusagen mit erotischer Zartheit berührt wird, die den hingehauchten Kuß des Mannes fühlt, empfindet diese Berührung erotisch. Das Handinnere der Frau ist eine der stärksten Empfänger für Liebeswellen. Die Wissenschaft sagt darüber (nach Jastrow American Journal of Psychology): Bei einer Untersuchung des Druckempfindens zeigt sich, daß — was die Sensibilität der Handflächebetrifft — kein Unterschied zwischen den Geschlechtern besteht. Sowohl von Männern wie von Frauen wurde die Steigerung des Anfangsgewichts (man bediente sich einer Briefwage) um ⅙ und 1/7 noch deutlich abgeschätzt. — Lombroso behauptet, die Sensibilität der Frauen sei geringer als die der Männer — aber den exakten Beweis blieb er schuldig.
Andere Forscher behaupten das Gegenteil. Prostituierte sollen eine viel stärkere Empfindlichkeit zeigen wie Arbeiterinnen.
Die Frau, in ihrer völligen Isoliertheit als Objekt des Eros, ist ohne jede Frage mit ganz anderen Liebesmitteln ausgestattet wie der Mann, so wie ihre Körper- und Seelenfunktionen ganz andere sind. Und sie, das scheinbar schwächere der Geschlechter, ist so prädestiniert zur Herrschaft über den Mann, sobald dieser dem Eros sklavisch verfällt. Umgekehrt ist die Frau aber wegen ihrer sensiblen Eigenschaft in ihrer Schwäche besonders leicht hörig, wenn die erotische Kraft, latent in ihr schlummernd, von dem weit stärkeren Manne männlich umgesetzt wird in ethische Funktionen. Das Weib ist Sphinx, doppelgesichtig, doppelbeseelt, mit den tödlichen Pranken des Raubtieres, den Attributen der weiblichen Hingabe und dem rätselhaften Blick in die Weite von Jahrtausenden. Dienerin und Herrin, Opfer und Despotin — wie ihr sie wollt, wie ihr sie seht, wie ihr sie sucht.
Gebt ihr dem Weibe Freiheiten, die in Zügellosigkeit ausarten, wird sie euch treten und beherrschen, wie ein Kind Erwachsene beherrscht, die es nicht zu lenken verstehen, wie Tiere den Menschen beherrschen, an dessen Schlaffheit die Bändigung gescheitert ist.
Die Hörigkeit des Mannes ist eine der groteskesten, abscheulichsten und unmotiviertesten Erscheinungen des Eros. Und je schwächer die Männergeneration wird, desto leichter fällt sie den zurückgehaltenen despotischen Lustgefühlen des Weibes zum Opfer.
Es ist eine lächerliche Entschuldigung, die Verschiebung der wirtschaftlichen und sozialen Probleme in unserer Zeit für die Hörigkeit ganzer Völker unter die Anmaßung des Weibes verantwortlich zu machen.
Wir werden Gelegenheit haben, über das Hörigkeitsverhältnis des amerikanischen Mannes sehr eingehend zu sprechen, ihre Ursache zu untersuchen.
Es ist seltsam, daß der Mann, seiner Schwäche bewußt, aus der Not eine Tugend macht und plötzlich für die Befreiung der Frau plädiert. Diese Befreiung ist seine Knechtschaft. Kameradschaftsehen, Probeehen, Proklamierung der freien Liebe sind sehr schön. Aber ist es nicht auffallend, daß gerade mit der Befreiung der Frau, mit der verstandesgemäßen Durchdringung des Verhältnisses der Geschlechter die Unsittlichkeit ungeahnte Formen annimmt? Daß die Jugend entartet?
Lombroso und Ferrero erklärten einmal die Sphinxnatur des Weibes mit: i. Schwäche, denn List und Täuschung sind die notwendigen Auskunftsmittel des Schwachen und Unterdrückten, nur der Starke kann es sich gestatten offen zu sein; 2. der Menstruation, eine Funktion, die mit einer Art von Widerwillen betrachtet wird, weshalb die Frauen sich bemühen, sie zu verheimlichen, sie haben also allmonatlich wenigstens 3—4 Tage lang Gelegenheit, sich in der Verstellungskunst zu üben, indem sie ihren Zustand entweder ganz verbergen oder irgendein anderes kleines Leiden vorschieben; 3. Schamgefühl, weil bei einer Frau jede Äußerung der Liebe, die nicht von einem Mann provoziert worden ist, ihren guten Ruf gefährdet, muß sie sich in der Kunst der Simulation üben, was bei ihrem erregbaren Nervensystem nicht leicht ist, ferner gilt bei Frauen die Befriedigung der niedersten Körperbedürfnisse als ein Mangel an Bescheidenheit, resp. Zurückhaltung, so daß sie, wenn irgend möglich, diese Bedürfnisse unterdrücken, oder doch die Gelegenheit zu ihrer Befriedigung durch die eine oder die andere kleine List erreichen müssen. Ferner ist bei den Frauen jede Anspielung auf das geschlechtliche Leben offiziell verpönt, es wird den Mädchen so lange als irgend möglich verheimlicht, und wenn dieselben einmal früher oder später hinter diese Geheimnisse kommen, dann haben sie sich an den Gedanken gewöhnt, daß Unwahrhaftigkeit in diesen Angelegenheiten zur Schamhaftigkeit gehört, und so setzen sie die Tradition fort; 4. seinem Aussehen. Das Weib verbirgt instinktiv seine Mängel und Fehler, ja, wenn es nötig ist, sein Alter, mit einem Wort alles, was ihm in den Augen der Männer schaden kann, wobei es oft gezwungen ist, seine besten Seiten zu verstecken, wenn es glaubt, durch dieselben lächerlich oder abstoßend zu werden. Es wird einer Frau verhältnismäßig leicht, ihr eigenes Ich nach dem Geschmack desjenigen umzuformen, dem sie sich angenehm machen möchte, vorausgesetzt, daß sie ihn bewundert und liebt. Er würde sich in der Regel abgestoßen fühlen, wenn sie ihre eigene Persönlichkeit rücksichtslos geltend machen wollte. Demselben Motiv entspringen auch die Toilettenkünste, obschon diese, wie oft betont worden ist, ebenso dazu dienen, Männer anzuziehen, als andere Frauen zu ärgern und aus dem Felde zu schlagen; 5. dem Wunsch interessant zu sein, der zu simulierter Schwäche usw. und zu einer angeblichen Schutzbedürftigkeit führt; 6. Suggestibilität. Die größere Suggestibilität des Weibes bedingt eine unvermeidliche Verwechslung des Wirklichen und des Vorgegebenen, die durchaus unbewußt und unwillkürlich ist.
Vieles davon ist heute nur bedingt richtig, denn das Verhältnis des Weibes zum Manne und zur Umwelt hat sich beträchtlich verändert. Nicht verändert hat sich aber die Rolle, die das Weib spielen muß und stets zu spielen sucht: Geliebte zu sein, Frau und Mutter. In erster Linie: Geliebte. Und die erstaunlichste Eigenschaft der Frau, die Phantasie, die die Dinge nicht untersucht, sondern hinnimmt als gegeben zum freien Spiel der Wünsche, macht das Weib zum gefährlichsten Ehepartner eines nüchternen Mannes.
Es ist, alles in allem, in keiner Form dem Manne gleichberechtigt, auch nicht unterlegen. Es ist anders. Auf keinen Fall aber ist das Weib geeignet, auf seine sexuell-ethische Bestimmung zu verzichten und sich in einen sozialwirtschaftlichen Wettkampf mit dem Mann einzulassen. Daß dies heute der Fall ist, beweist so wenig für den Normalzustand dieser Tatsache, wie ein fehlfahrendes Auto etwa das Recht gibt, die ganze Automobilindustrie zu bekämpfen.
Unsere heutige Zeit ist ein Übergang, sie ist erfüllt von Disharmonien, absterbenden Tendenzen, ohne neue Werte schon geboren zu haben, unser Leben ist der Schauplatz völliger Verwirrung auf dem Geschlechtsgebiet, hervorgerufen durch die Widersprüche unserer Zeit, die an der industriellen Entwicklung fast tödlich erkrankt ist.
Die Frau wird, ihre wahre Bestimmung erkennend, als Siegerin das Schlachtfeld des Mannes beherrschen, und die, welche heute die Frau ihrer Bestimmung entziehen wollen und von dem Gleichwert der Geschlechter sprechen, werden dann längst verstummt sein.
„Das Weib“, sagt Michelet in ‚Die Liebe‘, „leidet beständig an dem Vernarben einer inneren Wunde, die die Ursache eines ganzen Dramas ist. Sie ist wirklich in 15 oder 20 von 28 Tagen, also fast immer, nicht nur invalide, sondern verwundet. Sie leidet unaufhörlich an der ewigen Wunde der Liebe.“
F. Harrison behauptet, „alle Frauen sind funktionellen Störungen unterworfen, die mit den höchsten Formen ununterbrochener Anstrengung unvereinbar sind.“
Dr. Havelock Ellis geht sehr ausführlich auf die Periodizität des weiblichen Lebens ein:
„Gegenüber den verschiedensten mehr oder weniger phantasievollen oder wissenschaftlichen Vermutungen über die Bedeutung dieses monatlichen Blutverlustes hat man einsehen gelernt, daß die Menstruation kein alleinstehendes Phänomen im Leben des Weibes ist. Sie ist nur ein äußeres Zeichen einer bestimmten Phase in einer in Monatszyklen verlaufenden Wellenbewegung des Organismus, welche die ganze physische und psychische Organisation des Weibes einem beständigen Wechsel unterwirft, und deren Rhythmus sich jeden Tag bei der Untersuchung jeder Funktion nachweisen läßt. Während man vom Manne sagen kann, daß sein Leben in einer Ebene verläuft, bewegt sich das Leben des Weibes längs einer aus Wellenberg und Wellental wechselvoll gebildeten Fläche. Dies ist eine Tatsache von hervorragendster Bedeutung für die Untersuchung der physischen und psychischen Lebenserscheinungen des Weibes und ihrer Lebensführung, die man beständig vor Augen haben muß, wenn man das weibliche Leben verstehen will.
Am sorgfältigsten ist die Herztätigkeit und die Spannung des Gefäßsystems während des monatlichen Cyklus untersucht worden. Schon in alter Zeit hat Cullen behauptet, daß die Pulszahl in der Zeit vor der Menstruation steigt. Dr. F. Barnes wies sphygmographisch am Pulse der Hand eine Steigerung der Gefäßspannung nach, Stephenson fand einen monatlichen Cyklus der Arterienspannung und der Pulszahl.
Dr. Mary Jacoby schloß aus ihren langjährigen Untersuchungen, daß die Füllung und Spannung des Arteriensystems beim Weibe einer rhythmischen Wellenbewegung unterworfen ist, die mit einem Minimum i—4 Tage nach dem Aufhören der Menstruation beginnt, und deren Maximum entweder 7—8 Tage vor der Menstruation oder auf einen späteren Tag vor derselben, oder selbst auf den ersten Tag derselben fällt.
An dieser periodischen Änderung nehmen Schilddrüse, Parotis, Halsmandeln und andere Organe durch eine Anschwellung während der Menstruation teil. Auch die Temperatur des Blutes erreicht einige Tage vor der Menstruation ihren höchsten Stand. Auf die Schwankungen in der Menge des Harns und des Harnstoffes wird immer hingewiesen. Der größten Aktivität der Sexualorgane entspricht ein allgemeines Maximum des Lebens überhaupt, und bei den meisten gesunden Frauen ist das geschlechtliche Gefühlsleben am stärksten während des ersten Maximums vor und des zweiten Maximums nach der Menstruation. Daß daneben die geistige Energie, die Stärke und die Geschicklichkeit der Muskelbewegung gewöhnlich während der Menstruation etwas beeinträchtigt ist, ist auch bei den gesundesten und willenstärksten Individuen, ist eine den meisten Frauen geläufige Tatsache.
Daß diese Funktionen in der intermenstrualen Zeit ein ausgesprochenes Maximum hätten, ist bisher noch nicht nachgewiesen. Zweifellos würde eine täglich vorgenommene Prüfung der Sinnesfunktionen einen monatlichen Rhythmus nachweisen. Bisher ist Finkelstein der einzige, der in Petersburg unter Anleitung von Mierzejewski einen Sinn, das Auge, an 20 gesunden Frauen im Alter von 19—33 Jahren während der Menstruation untersucht hat. Er fand in dieser Zeit eine konzentrische Einengung des Gesichtsfeldes, die 1—3 Tage vor ihrem Beginn einsetzte, ihre größte Intensität am dritten oder vierten Tage der Menstruation erreichte und nach allmählicher Abnahme am siebenten oder achten Tage ihres Bestehens verschwand. Die Einengung ist bei denjenigen Frauen deutlicher, bei denen die Menstruation mit Störungen des Allgemeinbefindens, Kopfschmerz, Herzklopfen und andern nervösen Erscheinungen einhergeht, ferner in Fällen von starken Blutungen.
Nicht nur das Gesichtsfeld für weiß, sondern auch das für grün, rot, gelb und blau erfährt eine gleichmäßige Einigung. Ziemlich häufig wird die Empfindung für grün derartig verändert, daß es als gelb erscheint. Die Empfindung im Gebiete des deutlichen Sehens ist nur geringfügig beeinträchtigt und kehrt nach der Menstruation schnell zur Norm zurück, die Refraktion bleibt unverändert. Eine ähnliche Periodizität würde sich wahrscheinlich auch bei den andern Sinnesorganen nachweisen lassen. Sobald der Höhepunkt der Lebensenergie erreicht ist, oder ein bis zwei Tage später, beginnt die menstruelle Blutung. Selbst bei vollkommen gesunden Frauen macht dieselbe sich mehr oder weniger deutlich im ganzen Organismus fühlbar. Der Puls ist gewöhnlich langsamer und hochgespannt, es besteht ein Gefühl von Spannung in den Organen des Beckens, die Brüste sind etwas vergrößert, und können dadurch etwas empfindlich sein, die Tendenz zur Schwellung zeigt sich auch in der Vergrößerung der Schilddrüse. Die Temperatur ist selbst unterganz physiologischen Verhältnissen um 0,3 bis 0,4° C gesteigert. Die Blutgefäße der Haut und der Schleimhäute sind etwas stärker gefüllt als gewöhnlich, so daß das Gesicht kongestioniert aussehen kann. Es besteht eine allgemeine nervöse Spannung und Muskelunruhe, letztere häufig an den Beinen, die Reflexe verlaufen schneller, der Nacken ist oft steif, es besteht Neigung zum Gähnen und der Schlaf ist tiefer als gewöhnlich. Auch geringerer Appetit, eine gewisse Störung der Magen- und Darmtätigkeit und Zustände von Flatulenz werden beobachtet.
Die meisten der genannten Zeichen finden sich bei völlig gesunden Frauen, obgleich sich nicht immer alle bei einer Person finden. Einem geübten Beobachter zeigen sie oft das Vorhandensein der Menstruation.
In psychischer Beziehung besteht auch bei völliger Gesundheit eine Reihe anderer Symptome. Das menstruierende Weib ist impressionabler, suggestibler und kann sich schlecht beherrschen.
Schon Burdach fand, daß um diese Zeit die Empfänglichkeit gegen Mesmerismus gesteigert ist. In der Tat sind dann die hypnotischen Phänomene im weitesten Sinne leichter hervorzurufen, und es kommt bei prädisponierten Frauen am häufigsten zu plötzlichen Kaprizen, Anwandlungen von übler Laune oder Niedergeschlagenheit, unerwarteten Selbstbekenntnissen und Ausbrüchen von Eifersucht.“
Es ist den Männern, zu ihrem Glück, noch nicht völlig klar geworden, in welches Hörigkeitsverhältnis sie sich durch die soziale Gleichstellung, durch diese gemachte „Kameradschaft“ gebracht haben. Diese Kameradschaft paart sich mit einer Erotomanie, wie wir sie kaum je in solcher Fülle, Freiheit und Krankhaftigkeit gesehen haben. Erotomanie ist sozusagen gesellschaftsfähig geworden und kommt in „den besten Familien“ vor.
Die Rechnung bezahlt der Hörige, der Mann.
In Holland erscheint ein offizielles Organ der „Union für Frauenfragen“, in dem sich ein bemerkenswerter Aufsatz über das Thema: „Luxusweib und Wirtschaftsfrau“ befand. Das Blatt konnte zwar die Frage, ob und wie die Frau neben der Ehe sich wirtschaftlich betätigen soll, nicht endgültig lösen. Es polemisierte aber mit Recht gegen jene Kategorie von Frauen, die man in Rußland die „Nep“damen nennt, die „Gnädigen“, die sich um ihre Ehe nicht kümmern und die Mütter, die mit Vorliebe ihre mütterlichen Pflichten auf Bedienstete abwälzen, gleichwohl aber die Wahnidee haben, durch die Tatsache ihrer Verheiratung keine andern Pflichten zu haben als eben die, verheiratet zu sein. „De Wig“ verurteilt die Einstellung, weil diese Damen wohl Arbeit außer dem Hause als eine Minderung des Familienlebens hinstellen, aber das Vergnügen außer dem Hause als durchaus erlaubt und berechtigt betrachten. Sie engagieren sich zu diesem Zweck Nurses und Kinderfräulein. „Aber“, fragt die Zeitschrift, „wer bezahlt diese meist kostspielige Übung? Der Mann. — Wäre es da nicht richtiger, die Frau verdiente selber das Geld für das Kinderfräulein? Und würde sich nicht ein Gesetz empfehlen, das das Halten eines Kinderfräuleins nur in Familien mit mehr als vier Kindern gestattet?“
Dies ist natürlich ein geschmackloser Vorschlag, der letzten Endes auf kommunistische Tendenzen hinausläuft. Denn in einem freien Staat — (angenommen, es würde einen solchen geben) — darf man dem Bürger nicht verbieten, zu leben, wie er es wünscht, auch wenn seine Handlungsweise nicht immer wirtschaftlich einwandfrei und ökonomisch ist. Denn der Bürger und die Frau und das Kind sind nicht nur Objekt für den Staat. Der Staat ist nicht Selbstzweck — wenn auch die unbegreifliche Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung schließlich dazu führen wird.
Aber dem holländischen Blatt war es nicht darum zu tun, die Frau der öffentlichen Wirtschaft unterzuordnen, sondern jene Drohnen von Frauen auszuschalten, für die man den schönen Namen „Luxusweibchen“ gefunden hat. Diese Frauen, die nur der Hörigkeit der Männer leben und den Sexualrausch als Mittel zum Zweck betrachten, diese Frauen müssen in der Tat auf den Aussterbeetat gesetzt werden. Es ist nicht notwendig, daß eine große Anzahl von Frauen existiert, die nur die Textilindustrie ernähren und die vornehmen Modehäuser bereichern; die Gesetze für die Mode aufstellen, die Zerrüttung und Lebensnöte in die Familie tragen; die fast das gesamte Leben der Gesellschaft mit ihrem Drohnendasein vergiften und ihr Nichtstun umsetzen in verlogene Literatur oder falsche Doktrinen von der Ehe und dem Geschlechtsproblem.
Doch gegenwärtig ist diese Frage noch nirgends gelöst. Selbst in der Sowjetrepublik sieht man dieselbe verdammenswerte Erscheinung. Die russische Kaufmannsfrau bietet das gleiche betrübende Bild der ausgehaltenen Ehefrau wie die Westeuropäerin.
„Nur Charakterbildung und längere wirtschaftliche Selbständigkeit können hier Abhilfe schaffen,“ meinte „De Wig“. — Ein Irrtum! Wirtschaftliche Selbständigkeit erzieht die Frau nicht zur Vernunft! Noch weniger zur Herzensbildung. Frauen, die ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit ins Feld führen können, bieten fast immer ein Bild der Unduldsamkeit und Unbotmäßigkeit. Das Geschwätz von der Ehe mit den gleichmäßig verteilten Rechten ist sehr interessant für Zeitungsaufsätze und Bühnendialoge. In der Praxis erweist sich die Theorie als unmöglich und dumm.
Nur die Erziehung zum Verantwortungsgefühl von frühester Jugend an kann helfen. Wie denn die gesamte Frauenfrage ebenso wie die soziale Frage weder durch robuste Experimente, noch durch politische Umgestaltungen zu lösen sind.
Hippokrates, der große Mediziner des Altertums, sagt, das Leben der Frau sei eine ununterbrochene, niemals endende Krankheit. Wir dürfen hinzufügen: Es ist auch ein großes, niemals endendes Leid. In der Tat muß keine Kreatur so viel Leid erdulden wie das Weib. Das Tier, soweit es leidet, leidet nicht mit dem Intellekt. Die Frau aber kennt ihre Vorherbestimmung. Sie hat darüber hinaus die klare Erkenntnis von dem großen Drama, dem sie dient. Und dies ist die Tragödie des Weibes: Es dient, rein biologisch, ausschließlich der Fortpflanzung. Es ist beinahe willenloses Werkzeug der Natur. Diesen Zustand kann die Frau wissentlich nur dann ertragen, wenn sie sich einem höheren Zwecke dienstbar weiß, wenn sie imstande ist, den Akt der Geschlechtsvereinigung zu heiligen durch das Bewußtsein einer ethischen Liebe.
Wenn sie die Zeit der Schwangerschaft und die Schrecken der Geburt über das rein Animalische hinausheben kann.
Wir aber sind im Begriff, der Frau die reine Liebe zu nehmen. Armselig, wie wir mit unserer Zivilisationsspielerei geworden sind, bleiben wir außerstande, dem Weibe die primitive Form der Sklaverei, die ihr nun einmal von der Natur auferlegt ist, zu erleichtern. Denn welche gedrechselten Erklärungen wir auch immer für die physischen Vorgänge suchen, die Frau bleibt bestimmt, einfach Objekt zu sein bei Begattung und Gebären.