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Lily West und Ethan Prince sind eine explosive Mischung, von der ersten Sekunde ihres nicht ganz freiwilligen Zusammentreffens an fetzen sie sich, was das Zeug hält.
Dabei heißt es doch immer, dass sich Gegensätze anziehen und gegensätzlicher könnten die erfolglose Fotografin, die nach einer katastrophalen Erfahrung in ihrer Jugend auf sich selbst gestellt ist und mit Männern abgeschlossen hat und der supererfolgreiche und überaus heiße Maler, der Frauen nach Bedarf konsumiert und dessen Lebensmotto ‚ausschließlich unverbindlicher Sex, keine Verpflichtungen, keine Reue‘ ist, nicht sein.
Eigentlich ist es Liebe auf den ersten Blick, doch uneigentlich haben beide mit ihren Dämonen zu kämpfen - Lily mit denen aus ihrer Vergangenheit und Ethan mit denen in seiner Gegenwart.
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Anna Graf
JUST LOVE
Verhängnisvolle Affären_1
- New York -
Das vorliegende Buch ist ein Produkt meiner Fantasie.Ähnlichkeiten mit lebenden oder bereits verstorbenen Personen sind rein zufälliger Art und nicht beabsichtigt. Auch die im Buch genannten Orte und Institutionen sind, bis auf die Stadt New York selbst, rein fiktiv und nicht existent.
ImpressumV.i.S.d.P.Anna Graf c/o Autorencentrum.deEin Projekt der BlueCat Publishing GbRGneisenaustr. 6410961 BerlinE-Mail: [email protected].: 030 / 61671496Copyright © Anna Graf, Mai 2016
[email protected]: © Viorel Sima - Fotolia.com; © John Anderson - Fotolia.comCoverdesign: Anna GrafAlle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form sind vorbehalten.
Inhaltsverzeichnis
Eins
Zwei
Drei
Vier
Fünf
Sechs
Sieben
Acht
Neun
Zehn
Elf
Zwölf
Dreizehn
In eigener Sache
Lily
„Come on, Baby! Beug dich nach vorn … noch weiter, sieh mich an. Ja … genau! Brandon, setz dich daneben und zwirbel ihre Nippel! Gut so … Lass die Hände, wo sie sind, Kimmy… lehn dich zurück und stell ein Bein auf! Na los, leck dir die Lippen, schlaf nicht ein dabei!“
Das Thema des heutigen Shootings ist ‚Hot and dirty on the Farm‘, weswegen Kimmy lediglich mit einem winzigen String bekleidet vor einem Papp- Stier auf einem Heuballen hockt und Brandon einen dämlichen Cowboyhut und sonst nichts trägt.
Kimmy bemüht sich redlich, so lasziv wie möglich aus der Wäsche zu schauen, fährt sich mit ihrer rosigen Zungenspitze über die frisch aufgespritzten Schlauchbootlippen, und formt die blutrot geschminkten Dinger zu einem wollüstigen ‚O‘, als Brandon die Hand zwischen ihre Beine legt. Er lässt sie nach hinten sinken, bis sie liegt, stellt sich zwischen ihre Beine und fährt langsam mit der Zunge über ihre Brustwarzen und den Bauch hinunter Richtung Muschi. Er ist gut, er braucht kaum Anweisungen, Kimmy hingegen muss ich ständig in Bewegung halten. Aber endlich scheint sie in Fahrt zu kommen. Sie biegt den Rücken durch, als Brandon am Ziel ankommt und verzieht das Gesicht, als erlebe sie gerade den Orgasmus ihres Lebens. Ich lasse die Kamera klicken, schieße eine Serie und winke meine Freundin Mia herbei.
„Wir wechseln auf den Koppelzaun, Kimmy, zieh den String aus und das Röckchen an, Brandon bleibt, wie er ist, aber er bekommt noch ein Halstuch.“
Mia, die als Makeup- Artist beim Fernsehen arbeitet und bei mir gelegentlich als Stylistin einspringt, frischt Kimmys grelle Schminke auf und bindet Brandon ein buntes Tuch um den Hals.
Kimmy schwingt sich widerwillig und mit äußerst genervtem Blick auf die Zaunattrappe und versucht, Halt auf dem wackligen Ding zu finden.
„Brandon, stell dich schräg vor sie und leg los“, kommandiere ich. „Kimmy, spreiz die Beine … noch etwas weiter …, na los, gib mir was zu sehen …“
„Wenn ich meine Beine noch weiter auseinandermache, falle ich rückwärts von diesem blöden Donnerbalken und hole mir eine Gehirnerschütterung“, motzt Kimmy und versucht, Halt auf dem schmalen Brett zu finden, auf dem sie sitzt. Fast hätte ich laut losgelacht. Gehirnerschütterung … wo nichts ist, kann auch nichts erschüttert werden. Als hätte ich es geahnt kippt sie nach hinten, Brandon lässt geistesgegenwärtig ihre prallen Brüste fahren und hält sie am Arm fest, damit sie nicht hinunterfällt. Kimmy stößt ein hysterisches Kreischen aus, hüpft vom Zaun und springt auf dem Boden auf und ab.
„Scheiße … Scheiße … da ist was an meinem Hintern … irgendwas hat mich gebissen … Brandon, mach es weg … mach es doch weeeeg!“
Frustriert stöhnend setze ich die Kamera ab und gehe zu ihr.
„Hör auf zu schreien“, befehle ich. „Zeig her!“
Kimmys Schamgefühl kann man getrost vernachlässigen, sie bückt sich, klappt ihr kurzes, kariertes Röckchen hoch und präsentiert mir ihre pralle Kehrseite.
„Du hast dir einen Splitter eingezogen“, stelle ich fest. Tatsächlich steckt ein winziges Stückchen Holz in ihrer linken Hinterbacke. Auch das noch! Der Splitter an sich ist harmlos, die Verletzung nicht der Rede wert, doch ich kenne Kimmy schon ein Weilchen und weiß, dass sie mir für den Rest des Tages deswegen die Hölle heiß machen wird.
Mia bleibt cool, sie wühlt in ihrem Köfferchen, fördert eine spitze Pinzette und Desinfektionsmittel zutage und zieht Kimmy fachmännisch den Splitter aus dem Hintern. Es blutet nicht mal, aber die dumme Kuh zetert immer noch herum, als wäre sie schwer verletzt.
„Zehn Minuten Pause, krieg dich bloß wieder ein, Kimmy!“, rufe ich grantig und sehe meinen sorgsam ausgeklügelten Zeitplan den Bach runtergehen. Schlimm genug, dass ich als Fotografin nicht die Butter aufs Brot verdiene und mich mit Jobs wie diesem hier über Wasser halten muss. Models wie Kimmy treiben mich regelmäßig in den Wahnsinn. Nix in der Rübe, aber davon reichlich, pflegte meine verstorbene Großmutter zu sagen und sie hatte vollkommen recht.
Granny würde sich im Grabe umdrehen, wüsste sie, dass ich meinen Lebensunterhalt hauptsächlich damit bestreite, den halben Tag ‚komm zeigs mir, Baby, mach die Beine breit‘ zu rufen und für Schmuddelblättchen Fotos zu schießen, die nur knapp an der Grenze zur Pornografie vorbeischliddern. Der Shoot mit Brandon und Kimmy ist der dritte dieser Art in dieser Woche und ich frage mich in letzter Zeit immer öfter, ob es wirklich mein Lebensziel ist, am Fließband Wichsvorlagen für sexuell Gestörte zu produzieren.
„Kaffee?“, frage ich Mia und als sie nickt, gieße ich zwei Becher voll. Glücklicherweise probiere ich einen Schluck, bevor ich Mia den anderen Becher weiterreiche. Die Brühe ist nur noch lauwarm und schmeckt wie alter Wischlappen. Angeekelt kippe ich das Zeug in den Ausguss und setze eine neue Kanne an. Beim Herumwerkeln mit meiner altersschwachen Kaffeemaschine steigt mir ein nur allzu gut bekannter Geruch in die Nase.
„Riechst du das?“, fragt jetzt auch Mia.
„Die Kifferfraktion ist wieder zugange“, motze ich. „Ich habe Brandon schon hundertmal gesagt, dass ich das hier nicht dulde, aber der Knallkopf ignoriert das geflissentlich.“
Kimmy und Brandon haben sich für ihre Pause in den als Garderobe genutzten Bereich des Ateliers zurückgezogen und ziehen sich ganz offensichtlich einen Joint rein, obwohl sie genau wissen, dass ich das hasse und jedes Mal einen Aufstand mache. Ich werfe Mia einen genervten Blick zu, bevor ich durch den Vorhang trete, der die Garderobe vom Rest des Raumes abtrennt. Erschrocken pralle ich zurück. Verdammt, ich kenne Brandon doch schon ein Weilchen, eigentlich hätte ich wissen müssen, was mich erwartet.
Er hat Kimmy rücklings auf den Tisch gelegt, hält ihre Beine senkrecht nach oben und fickt sie langsam und bedächtig, den Joint schräg im Mundwinkel, sein zugegebenermaßen fantastischer Arsch wippt rhythmisch vor und zurück, Kimmy hat die Augen geschlossen und windet sich unter seinen Stößen, doch interessanterweise bewegen sich ihre prallen Titten kein Stück. Was so ein paar Pfund Silikon doch bewirken! Brandon bemerkt mich, zwinkert mir verschwörerisch zu und widmet sich anschließend wieder seinem Werk. Ich kann nicht anders, hebe den Daumen und ziehe mich grinsend zurück.
Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass sie es treiben wie die Karnickel, die beiden haben sich die letzten zwei Stunden splitternackt in allen möglichen Stellungen fotografieren lassen, Anfassen, Knutschen und intensiver Körperkontakt eingeschlossen. Logisch, dass vor allem Brandon spitz wie Nachbars Lumpi ist.
„Du solltest über den Joint hinwegsehen“, sagt Mia lachend, als ich mit einem vielsagenden Grinsen im Gesicht zurückkomme. „Vielleicht ist Kimmy nach dem Fick ja umgänglicher …“
Mia behält recht. Der Sex hat tatsächlich Wunder gewirkt, denn nach weiteren zwei Stunden sind die Aufnahmen im Kasten und ich bin fix und fertig.
„Im Clash ist heute Abend Livemusik“, Mia packt ihren Kram zusammen und sieht mich fragend an. „Kommst du auch?“
„Geht nicht“, antworte ich bedauernd. „Jamie und Gwen heiraten und ich mache die Fotos. Wird sicher spät werden. Ich ruf dich morgen an.“
„Okay“, Mia umarmt mich zum Abschied, schnappt ihr Köfferchen und verschwindet. Auch Kimmy ist schon gegangen, nur Brandon trödelt noch irgendwo herum.
Ich sortiere gerade meine Ausrüstung, als er hinter mich tritt, mir die Hände auf die Schultern legt und meine verspannten Muskeln knetet. Er hat das schon öfters gemacht und kann das wirklich gut. Ich denke mir nichts weiter dabei, schließe die Augen und grunze genüsslich, doch das vergeht mir schlagartig als seine große Pranke unzüchtig über meine Schulter nach vorn in mein Shirt gleitet. Er schiebt sich von hinten an mich und sagt:
„Du bist total angespannt, Babe. Ich könnte dir helfen, loszulassen, hast du Lust?“
Ich drehe mich überrascht um. Brandon hat noch nie auch nur ansatzweise so etwas wie Interesse an mir bekundet. Jetzt steht er mir gegenüber, hat zwar einen Bademantel übergeworfen, ihn aber nicht zugeknotet. Sein großer, halb erigierter Schwanz schaut vorn heraus.
„Es hat mich total angemacht, als du vorhin reinkamst“, sagt er in seinem breiten Südstaatendialekt, legt einen Arm um meine Taille und versucht, mich an sich zu ziehen. „Du bist so heiß, Babe.“
An Brandon ist alles riesig, Statur, Muskeln, Hände und vor allem sein Schwanz, der sich mit jedem seiner Worte weiter aus dem Bademantel schiebt. Alles, bloß das nicht! Mit einer schnellen Drehung winde ich mich aus seinem Arm und gehe auf Distanz.
„Sorry, Brandon, nein! Du weißt, dass ich dich mag, aber mein Freund hätte da entschieden was dagegen!“
Mein nicht vorhandener Freund ist mir sicher unglaublich dankbar für meine Standhaftigkeit, doch Brandon nimmt die Abfuhr mit einem Schulterzucken zur Kenntnis und schlurft mit einem:
„Kein Problem, Babe. War nur ein Angebot …“, hinter den Vorhang, um sich endlich anzuziehen.
Ich atme ein paarmal tief durch, um den Schreck abzuschütteln und widme mich wieder meiner Ausrüstung.
Als Brandon weg ist, laufe ich in meine Wohnung direkt hinter dem Studio. Bis zur Hochzeit bleibt mir gerade noch ein wenig Zeit für eine kurze Dusche, bevor ich mich umziehe.
Während ich mich einseife, taucht das Bild von Brandon in meinem Kopf auf, wie er brünstig wie ein Stier in Kimmy stößt. Nicht, dass ich mich darüber aufrege, dass sie es in meiner Garderobe treiben, bei solchen Shootings gehört das irgendwie dazu, es kommt schon mal vor, dass ich versehentlich in irgendwelche Quickies platze.
Brandon ist einer dieser vor Testosteron triefenden Superkerle, kantiges Gesicht, detailliert modelliertes Sixpack, breite Schultern, schmale Hüften und von seiner linken Hand ziehen sich großflächige Tattoos über den Arm, die halbe Brust und den Rücken. Sein ganzes Leben besteht aus nichts anderem als Sex.
Ohne es zu wollen sehe ich plötzlich mich statt Kimmy auf dem Tisch liegen, mit Brandons Händen auf meinen Brüsten und seinem Schwanz tief in mir. Ich stöhne frustriert und verbanne das Bild schnell wieder aus meinem Kopf. Um nichts in der Welt würde ich mich mit jemandem wie Brandon einlassen! Er dreht auch Hardcorepornos, ist in der Szene bekannt für seinen großen Schwanz und seine Ausdauer. Das ich ausgerechnet von ihm phantasiere, ist ein ganz schlechtes Zeichen.
Mein Liebesleben läuft auf Sparflamme, oder ist, besser gesagt, nicht vorhanden und das soll auch so bleiben. Normalerweise stört es mich nicht, keinen Sex zu haben. Bis auf wenige Momente wie eben hat sich meine Libido sowieso komplett verabschiedet. Wenn ich ehrlich bin, stehe ich nicht sonderlich auf Sex. Sex gibt mir nichts, ich kann mich nicht fallenlassen, gebe niemals die Kontrolle über mich auf. Zu verdanken habe ich das einem Mann namens Sidney Blake und ziemlich schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit. Wahrscheinlich haben mich auch die häufigen Sexshootings abgestumpft. Am Anfang meiner ‚Karriere‘ als Erotikfotografin verspürte ich noch Erregung, wenn ich meinen Models beim Fummeln zusah, doch mittlerweile gehe ich so routiniert an die Sache heran, als würde ich Blümchen auf der Wiese fotografieren.
Außerdem hetze ich die meiste Zeit von einem schlecht bezahlten Shooting zum nächsten, bin oft bis spät in die Nacht auf irgendwelchen Familienfeiern zu Gange und Männer kann man da nicht kennenlernen. Nicht, dass es keine gibt, aber die meisten Kerle, die ich unterwegs treffe, sind entweder verheiratet, vollkommen indiskutabel oder eben Models.
Ich überlege, ob ich ein kleines Intermezzo mit meinem lange vernachlässigten Vibrator einlegen soll, doch ein Blick auf die Uhr macht, dass ich so schnell wie möglich den Schaum von mir abspüle, nach dem Handtuch greife und zusehe, dass ich fertig werde.
Volles Kontrastprogramm, diese Hochzeit. Die Klamottenauswahl dafür fällt mir nicht schwer. Ich besitze nur zwei ‚bessere‘ Teile, einen kleines Schwarzes für formelle Anlässe und Beerdigungen und eine helles Kostüm von Dolce & Gabbana, das ich preisgünstig in einem Second Hand Laden erstanden habe und in das ich mich bei den erfreulicheren Anlässen werfe. Normalerweise trage ich Jeans, einfache Shirts und schwere Schnürboots, doch die tausche ich jetzt gegen ein ungeliebtes Paar Pumps, die ich ebenfalls im Ausverkauf erstanden habe und die mir eigentlich zu eng sind.
Irgendwas läuft schief in meinem Leben. Ich bin fünfundzwanzig, lebe von der Hand in den Mund und kann nichts vorweisen als ein nach vier Semestern abgebrochenes Jurastudium, ein gemietetes Studio, das zwar billig, aber eine Bruchbude ist und zwei Zimmer mit Bad, die sich direkt daran anschließen.
Ich bin das schwarze Schaf der Familie. George und Ellis West, meine Erzeuger, die ich nach einem Vorfall an meinem sechzehnten Geburtstag nicht mehr Eltern nennen kann, sind erfolgreiche Anwälte und Partner in einer der größten Kanzleien New Yorks. Von mir als ihrer Tochter erwarteten sie, in ihre Fußstapfen zu treten, doch zwei Jahre Gesetztestexte pauken hätten mir fast den Rest gegeben. Noch ein paar Wochen länger an der Uni und ich wäre eingegangen wie eine vertrocknete Primel.
Mein Rückzug von der Juristerei hatte das Fass zum Überlaufen gebracht. In den Augen meines Vaters war ich nie viel wert gewesen, nichts, was ich tat, war jemals gut genug für ihn. Hauptsächlich nahm er mir übel, dass ich kein Junge war. Vielleicht nahm er auch sich selbst übel, dass er nicht in der Lage war, ein zweites Kind und den ersehnten Thronfolger zu zeugen, jedenfalls war ich seit meiner Geburt der Sündenbock und für alles verantwortlich, was in der Familie schief lief. Meine Mutter war mir keine Hilfe, für sie kam die Arbeit vor allem anderen und ich wurde bis zu meinem vierzehnten Lebensjahr von einem Kindermädchen zum nächsten durchgereicht.
Meine Entscheidung für die Fotografie entfesselte einen Tornado, den ich so nicht einkalkuliert hatte. Zuerst musste ich mir anhören, dass ich schon immer eine Enttäuschung gewesen sei und mein loser Lebenswandel mich eines Tages umbringen würde. Loser Lebenswandel, dass ich nicht lache! Wer war denn in gewisser Weise mit schuld daran, dass ich über die Stränge schlug? Seit meinem sechzehnten Geburtstag bewegte ich mich permanent am Limit, fühlte mich wertlos und verachtet von meiner eigenen Familie. In Folge dessen trank ich zu viel Alkohol, konsumierte wahllos alles, was es zu schlucken und zu schnupfen gab und hatte zu viele Männer. Wahrscheinlich tat ich das, um meinen Erzeugern zu beweisen, dass ich wirklich die Schlampe war, für die sie mich hielten.
Die Folgen meiner Entscheidung, das Studium sausen zu lassen, waren gravierend, denn ich wurde von meinen Erzeugern im wahrsten Sinne des Wortes ‚gefeuert‘. Von einem Tag auf den anderen stand ich auf der Straße, ohne Geld, ohne Wohnung, nur mit den nötigsten Klamotten in einer kleinen Reisetasche. Ich sollte am eigenen, undankbaren Leib erfahren, dass das Leben hart und ich nicht in der Lage sei, mich allein durchzuschlagen.
Meine Erzeuger warten seitdem darauf, dass ich reumütig zurückgekrochen komme, doch den Gefallen werde ich ihnen niemals tun. Lieber friste ich mein Leben unter einer Brücke, wenn es wirklich mal hart auf hart kommt. Diese Leute haben ihre eigene Tochter verraten, haben mir nicht beigestanden, als ich sie am dringendsten brauchte und das würde ich ihnen niemals verzeihen können.
Die Einzige aus der Familie, die immer zu mir hielt, war meine Großmutter Emilie. Meine Mutter interessierte sich für ihre eigene Mutter genauso wenig wie für mich. Grandma bewohnte eine kleine Dreizimmerwohnung in Brooklyn und nahm mich bei sich auf. Sie spendierte mir meine erste Fotoausrüstung und im Gegenzug ließ ich die Finger von den Drogen. Das Jahr bei ihr wurde das Beste meines Lebens. Ich war dabei, zu mir selbst zu finden, doch dann fand ich sie eines Morgens tot in ihrem Bett und war endgültig auf mich allein gestellt. Sie hinterließ mir zehntausend Dollar, die ich in meine Ausrüstung und in mein Studio investierte.
Das Fotografieren ist meine größte Begabung, ich besitze ein gutes Auge, nur habe ich bei der Vermarktung meiner künstlerisch wertvollen Fotos überhaupt kein Glück. Am liebsten möchte ich zurück an die Uni gehen und Fotografie studieren, doch der Kampf ums tägliche Überleben hindert mich daran. Ich hangele mich von Tag zu Tag mit Hochzeiten, Firmungen, Beerdigungen und eben diesen mittlerweile echt nervigen Erotikshootings. Aber Geld stinkt nicht, die Schmuddelfotos bringen halbwegs gutes Geld und was das Beste daran ist, mein Vater würde durchdrehen, sollte er jemals erfahren, womit ich den Hauptteil meines Lebensunterhalts bestreite. Für ihn wäre ich damit endgültig in der Gosse gelandet.
Die Hochzeit, zu der ich gleich gehe, ist für mich das Highlight der Woche, denn der Bräutigam ist Jeremy Stansfield … Jamie … mein bester Freund. Die Fotos, die ich an diesem Abend schießen werde, sind mein Hochzeitsgeschenk für ihn und seine zukünftige Frau Gwen. Seine Familie ist mindestens genauso gut betucht wie meine, aber bei weitem nicht so kaputt. Der alte Stansfield hat ein Vermögen mit Autoersatzteilen verdient, wechselte dann in die Politik und überließ seinem Sohn die Firmenleitung.
Jamie und mich verbindet etwas, dass wir vor allen anderen verborgen gehalten haben. Er und seit kurzem auch Gwen sind die einzigen Außenstehenden, die wissen, was in der Nacht nach meinem sechzehnten Geburtstag wirklich geschehen ist. Jamie hat mich damals aufgelesen, als ich zugedröhnt, ohne zu wissen wo ich war, auf der Straße herumirrte und ihm buchstäblich ins Auto lief. Er studierte zu der Zeit im ersten Jahr an der NYU und nahm mich ohne viel zu fragen mit in seine Studentenbude. Er half mir, von meinem Trip runterzukommen und hielt mich fest, bis ich nicht mehr weinen konnte.
Jamie Stansfield wurde mein bester Freund, lange Zeit der einzige, dem ich vertraute, dem ich alles sagen konnte und der mich nicht verurteilte. Vielleicht hätte er die Liebe meines Lebens werden können, wenn ich damals nicht viel zu kaputt gewesen wäre, um echte Liebe zu empfinden. Mit der Liebe zwischen uns wurde es nichts, doch unsere Freundschaft überlebte meine wilden Jahre. Er fand in Gwen Taylor die Frau, die er liebt und heute wird er sie heiraten. Gwen und ich verstehen uns gut, ich mag sie sehr. Sie ist wunderschön, hat ein großes Herz und wird Jamie eine wunderbare Frau sein.
Probeweise versuche ich ein paar Schritte in den unbequemen Schuhen und verziehe das Gesicht. Hoffentlich dehnen sich die Dinger im Laufe der Zeit, ansonsten wird der Abend die Hölle werden …
Ethan
Familienfeiern öden mich an und wenn mich meine Mutter nicht angefleht hätte, sie zu begleiten, hätte ich meiner Lieblingscousine Gwen, die ich unheimlich gern mag, aber viel zu selten sehe, zur Hochzeit einfach eine Karte geschickt und ihr ein schönes Leben gewünscht.
Mittlerweile ist es kurz vor Mitternacht, ich sitze eingezwängt zwischen meiner Mutter und Tante Elisabeth und bemühe mich, ihre Gespräche über grauen Star und gestiegene Kartoffelpreise zu einem Ohr rein- und zum anderen gleich wieder rausrutschen zu lassen. Mein Vater hat sich längst vom Acker gemacht und sitzt mit ein paar anderen Männern, einer guten Flasche Whiskey und einer Kiste Zigarren im Raucherzimmer. Ich entschuldige mich bei den Damen und flüchte, als sie in allen blutigen Einzelheiten beginnen, die Hämorridenoperation eines Mannes, der mir gänzlich unbekannt ist, auszuschlachten.
Ich bin kein Familienmensch, ich kann gut ohne diese Verpflichtungen, meine Eltern mal ausgenommen, leben. Auf Familienfeiern sind immer dieselben Leute, es werden immer dieselben überflüssigen Fragen gestellt, aber es gibt weit und breit nichts zum Flachlegen.
„Ethan, wie geht es dir?“, Susan, die Frau meines Onkels James fängt mich auf dem Weg zur Bar ab, fällt mir um den Hals und küsst mich auf die Wange. Susan ist fünfundzwanzig Jahre jünger als mein Onkel, hat einen für meinen Geschmack viel zu großen Hintern und winzige Titten. Ich habe sie mal aus lauter Frust bei einer anderen Hochzeit in der Garderobe zwischen den Mänteln gevögelt und musste ihr dabei den Mund zuhalten, damit sie nicht die ganze Gesellschaft zusammenschrie. Später hatten wir uns gemeinsam an der Bar die Kante gegeben.
„Schön dich zu sehen, Susan“, ich überlege tatsächlich kurz, ob ich sie klarmachen soll. Ihr Hintern ist zwar nicht kleiner geworden in der Zwischenzeit, doch ihre Oberweite hat beträchtlich an Umfang zugenommen. Hat Onkel James etwa Geld für eine doppelte Portion Silikon springen lassen? Mein Blick gleitet prüfend an ihr hinunter, ich entdecke eine ziemliche Kugel unter ihrem Kleid und verabschiede mich postwendend von dem Gedanken an einen weiteren Frustfick mit ihr. Susan ist schwanger. Ich lächle unverbindlich und hoffe für Onkel James, dass er selbst den Treffer im Loch versenkt hat. Nach kurzem Smalltalk verschwindet Susan wieder in den Tiefen des Saals und ich steuere die Bar an.
Normalerweise trifft man auf Hochzeiten jede Menge williger Frauen auf der Suche nach Mister Right, doch hier und heute ist nichts zu holen. Gwen und Jeremy haben die Familie und ihren engsten Freundeskreis um sich versammelt einschließlich Gwens besten Freundinnen, doch bei denen beiße ich auf Granit. Sie hassen mich. Denise und Marie hassen mich, weil ich sie gevögelt habe, Sandra, Cat und Jane hassen mich, weil ich sie niemals vögeln werde und da die einzige weitere Frau in diesem Raum, die einen Versuch wert wäre, meine Cousine und damit absolut tabu ist, bleibt mir nur, mich rettungslos zu betrinken.
Versunken in einem ordentlichen Maß Selbstmitleid ordere ich an der Bar einen doppelten Scotch, kippe ihn in zwei schnellen Zügen hinunter und schiebe dem Barmann mein Glas zum Nachfüllen zu.
Vor mir wuselt die blonde Fotografin herum, die den denkwürdigen Abend für die Ewigkeit festhalten soll. Sie ist nicht sonderlich groß, trägt ihr Haar in einer komplizierten Flechtfrisur und ich habe sie bisher nicht wirklich beachtet. Zu klein, zu unscheinbar und permanent einen Fotoapparat vor dem Gesicht. Zudem steckt sie in einem nachgemachten, bonbonrosafarbenen ‚Designerkostüm‘, in dem sie aussieht wie ihre eigene Mutter. Die zwei Jahre bei Violetta und Alexander haben meinen Blick für gute Kleidung geschärft und was die Kleine da trägt, ist grausig. Sie ist jung, maximal Mitte zwanzig, wieso zieht sie sie sowas an? Wahrscheinlich ist sie eins dieser langweiligen Mauerblümchen, die keinen abbekommen und völlig frustriert sind. Von hinten ist ihre Figur nicht schlecht, unter dem engen Rock zeichnet sich ein netter Arsch ab, doch leider ist der Rock viel zu lang, so dass ich ihre Beine nicht in Gänze beurteilen kann.
Leicht gebückt läuft sie rückwärts, streckt dabei ihren runden Hintern heraus und stiert aufs Display. Sie ist so vertieft, dass sie jeden Moment in mich hineinrennen wird. Als ihr Hinterteil nur noch zehn Zentimeter von meiner Körpermitte entfernt ist, überlege ich, ob ich ihr auf die Schulter tippen und sie warnen soll, doch dann lasse ich es darauf ankommen und wappne mich für den Zusammenstoß. Sie prallt gegen meinen Unterleib, ich packe zu und halte sie fest. Nicht am Hintern, obwohl die Verlockung groß ist, aber das ginge dann doch entschieden zu weit. Ich bin kein netter Kerl, aber ich bin auch kein Wüstling. Nein, ich greife ihre Hüften, doch darüber scheint sie mehr zu erschrecken als über den Zusammenstoß, jedenfalls gleitet ihr die Kamera aus der Hand und fällt zu Boden. Sie fährt herum, sieht mich erschrocken an und ich verliere mich in den erstaunlichsten blauen Augen, die mir jemals untergekommen sind - klar wie ein Bergsee, auf dem sich die Sonne spiegelt und tief genug, um darin zu ertrinken.
Ihre herzförmig geschwungenen Lippen öffnen sich vor Erstaunen, entblößen ebenmäßige, weiße Zähne und mich überfällt das unbändige Verlangen, sie an mich zu ziehen und zu küssen.
Lily
Wahnsinn, wer ist das? Wieso habe ich ihn die ganze Zeit übersehen? Schon allein auf Grund seiner Körpergröße hätte er aus allen Anwesenden herausragen müssen. Er ist mindestens eins neunzig, trägt einen dunkelgrauen Anzug, der garantiert vierstellig gekostet hat, und sieht überheblich lächelnd auf mich herab. Herrje, ich bin nicht nur einfach mit ihm kollidiert, ich habe ihm meinen Hintern gegen den Schwanz gerammt! Aber fuck, sieht der Kerl gut aus … er sieht viel zu gut aus und er ist gebaut wie … ein Model.
‚Bitte, bitte lass ihn kein Model sein‘, tickert es in meinem Kopf.
Habe ich vorhin tatsächlich behauptet, meine Libido hätte sich verabschiedet? Pustekuchen, die Gute meldet sich mit Getöse zurück und macht sich schmerzhaft in meinem Unterleib bemerkbar.
Sein Blick gleitet über mich, arrogant und herablassend, doch urplötzlich wandelt sich der Ausdruck in seinen Augen. Er starrt mich an, als hätte er einen Geist gesehen. Ich nehme Erstaunen wahr und gleich darauf etwas, das ich nicht benennen kann. Ich könnte fast schwören, so etwas wie Sehnsucht in seinem Blick zu lesen, doch das verwerfe ich schnell wieder. Ein Mann wie er und eine Frau wie ich? Never ever!
Seine Augen lösen sich aus meinen und wandern langsam an mir hinunter. Sie taxieren mich, bleiben eine Weile an meinen Brüsten hängen und ziehen mich schamlos aus. Jedem anderen hätte ich spätestens jetzt eine gescheuert, doch bei ihm stört es mich überraschenderweise nicht. Seine Blicke machen, dass mein ganzer Körper prickelt, so als würde ich in Champagner baden. Nicht, dass ich das jemals getan hätte, aber ich stelle mir vor, dass es sich genauso so anfühlen muss. Oh ja, mit einem wie ihm würde jede Frau gern mal in Champagner baden.
Seine vollen, sinnlichen Lippen bewegen sich, ich klebe mit meinen Augen an ihnen, doch ich begreife kein Wort von dem, was er sagt. Die Zeit scheint still zu stehen und nur langsam dringen mir seine Worte ins Bewusstsein.
„… Ihre Kamera“, verstehe ich schließlich und muss ihn wohl angesehen haben wie ein Volltrottel, denn er nimmt mich bei den Schultern, dreht mich um und weist auf den Boden. Dort liegt meine Canon und ich komme schlagartig wieder zu mir. Der Typ hat mich so in seinen Bann gezogen, dass mir überhaupt nicht bewusst geworden ist, dass ich sie fallengelassen habe. Natürlich hat sie den Aufschlag auf dem harten Steinboden nicht überlebt und ist zerbrochen.
„Fuck, fuck, fuck“, fluche ich, starre fassungslos auf den Haufen Schrott vor meinen Füßen und bin den Tränen nah. Das Ding ist eindeutig hin, Reparatur unmöglich und eine neue kann ich mir im Moment nicht leisten.
„So schmutzige Worte aus einem so schönen Mund?“, kommt es spöttisch von oben. Ich schieße ihm einen tödlichen Blick zu, was bewirkt, dass sich seine dichten, schön geformten Augenbrauen zusammenziehen und er herablassend sagt:
„Schon Mist, dass man hinten keine Augen hat. Sie sollten in Zukunft besser aufpassen, wo Sie hinlaufen.“
Als ob ich das nicht selbst wüsste, Klugscheißer! Ich bücke mich, klaube die Reste der Canon zusammen und sehe traurig auf den Schrott in meinen Händen.
„Vielleicht kann man ja die Speicherkarte noch retten“, sagt er. „Sind da auch die Fotos von der Trauung mit drauf?“
„Nein, dafür habe ich eine andere Kamera benutzt“, antworte ich mit belegter Stimme.
„Alles klar, Lily?“, Gwen steht plötzlich neben mir und mustert mich besorgt.
„Ja, alles gut, außer dass ich eine kleine Kollision mit dem Herren da hatte und meine Kamera dabei zu Bruch gegangen ist. Aber keine Angst, die wirklich wichtigen Bilder sind in Sicherheit.“
„Kleine Kollision?“, Gwen schießt Mister Wahnsinn einen missbilligenden Blick zu.
„Ich kann nichts dafür“, er hebt entschuldigend die Hände und lächelt entwaffnend. „Passiert mir ständig. Die Frauen machen alles Mögliche, um mich kennenzulernen.“
Ich habe mich wohl verhört? Denkt er tatsächlich, ich hätte das absichtlich gemacht?
„Glauben Sie wirklich, ich hätte das nötig?“, zische ich. „Ich stehe nicht auf arrogante Mistkerle.“
Ihm scheint das einen Heidenspaß zu machen, seine Augen blitzen vor Vergnügen. Der Idiot begreift offenbar nicht, dass ich die Kamera brauche, um meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Sicher kommt es bei ihm nicht drauf an, so wie er aussieht, hatte er genug Geld, um in Saus und Braus zu leben.
Gwen sagt resolut:
„Schluss jetzt Ethan!“
Er zuckt gespielt erschrocken zusammen, nimmt sie grinsend in den Arm und drückt ihr einen Kuss auf die Stirn.
„Wer könnte dir widersprechen, Gwen. Ich benehme mich ab sofort, versprochen.“
„Versprich nicht, was du nicht halten kannst“, sagt sie und versetzt ihm einen spielerischen Stoß mit der Faust. „Oh Lily, was für ein Mist mit der Kamera. Ich spreche mit Jamie, wir ersetzen dir den Schaden natürlich. Außer, der liebe Ethan will das Unheil selbst wieder gut machen, das er angerichtet hat.“
Unwillig schüttele ich den Kopf. Soweit kommt es noch, dass ich andere für meine Blödheit bezahlen lasse! Gwen ist wie immer hartnäckig und lässt sich nicht beirren.
„Kein Widerspruch! Und bitte versprich mir, dass du eine Rechnung für den heutigen Tag stellst.“
Mittlerweile bin ich wieder komplett Herrin meiner Sinne und auch meine Stimme funktioniert wieder richtig.
„Die Fotos sind euer Hochzeitsgeschenk!“, protestiere ich energisch. „Wenn ich euch schon sonst nichts schenken kann, dann wenigstens das.“
Ich schicke einen Blick zu Ethan und sehe, dass er mich mit eigentümlichem Blick beobachtet.
„Dafür, dass die Kamera kaputt ist, kann niemand was außer mir. Er hat recht, ich hätte besser aufpassen müssen.“
„Lily!“, Gwen sieht mich eindringlich an. „Lass dir doch helfen.“
Ich schüttle noch einmal den Kopf und werfe einen Seitenblick zum ‚lieben Ethan‘. Hinsehen und sofort wieder die Augen abwenden ist eins. Wie er mich anstarrt … mit zusammengekniffenen Augen, wie ein hypnotisiertes Karnickel. Bekommt der das überhaupt mit?
„Gwen lass bitte“, sage ich. „Ich habe nicht aufgepasst und bin in ihn hineingerannt. Das ist alles durch meine eigene Blödheit passiert, also vergiss es einfach.“
Ich stopfe die Reste der Kamera in meine Tasche und beschließe spontan, nach Hause zu fahren.
„Sei mir nicht böse, aber ich werde jetzt gehen, war ein langer Tag für mich. Aber eins kannst du mir glauben, du bist die hinreißendste Braut, die ich jemals fotografieren durfte.“
Gwen grinst und bedankte sich artig, dann nimmt sie mich in die Arme und drückt mich.
„Ich schätze, Jamie und ich bleiben auch nicht mehr lange“, flüstert sie mir ins Ohr. „Schade, dass du nicht siehst, was ich drunter trage, ich kann es kaum erwarten, dieses Kleid loszuwerden.“
Sie sieht mich verrucht an und wir prusten los. Oh ja, Jamie wird eine denkwürdige Hochzeitsnacht bekommen, dessen bin ich mir sicher.
„Ich verabschiede mich noch schnell von ihm“, sage ich. „Ich maile euch die Fotos vorab Mitte der Woche, dann könnt ihr während der Flitterwochen schon mal einen Blick drauf werfen.“
„Danke Lily“, Gwen küsst mich zum Abschied auf die Wange, ich nicke dem ‚lieben Ethan‘ knapp zu und mache mich auf die Suche nach Jamie.
Ethan
Sie hat tatsächlich Tränen in den Augen, als sie die Bescherung mit der Kamera realisiert. Ihre bodenlosen blauen Augen mit den goldenen Pünktchen um die Iris glänzen verdächtig, als sie mich ansieht und ich flüchte mich in die üblichen blöden Sprüche, die ich normalerweise bei solchen Gelegenheiten absondere.
Sie fängt sich schnell wieder, wirkt cool, doch ich hätte meinen Arsch darauf verwettet, dass sie verletzlicher ist, als sie sich gibt. Etwas an ihr berührt mich, ich kann nicht sagen was es ist, aber ein Blick in ihre Augen hat gereicht, um mich umzuhauen. Jetzt ist sie weg und ich könnte mich ohrfeigen, dass ich sie einfach so habe gehen lassen.
„Wer ist sie?“, frage ich Gwen, die noch immer neben mir steht.
„Sie heißt Lily, Lily West. Jamie und sie kennen sich schon ewig. Wir sind sehr gut miteinander befreundet.“
„Eine kleine Chaos- Braut, oder? Warum habt ihr sie die Fotos schießen lassen und keinen Profi?“
„Oh, sie ist ganz und gar nicht chaotisch und sie ist ein Profi. Sie hat ein eigenes Studio. Allerdings läuft das nicht besonders gut, deshalb trifft sie der Verlust der Kamera mit Sicherheit hart.“
„Warum hat sie dann deine Hilfe abgelehnt?“
Gwen lächelt.
„Lily würde sich niemals auf diese Art helfen lassen, dafür ist sie viel zu stolz. Sie ist eine super Fotografin, nur hat sie es bisher nicht geschafft, auch den Rest der Menschheit davon zu überzeugen. Jamie sorgt in regelmäßigen Abständen dafür, dass sie neue Werbefotos für die Firma macht, aber mehr kann er auch nicht für sie tun. Sie schlägt sich so durch.“
Das kenne ich, noch vor zwei Jahren habe ich mich auch gerade so durchgeschlagen. Immer am Rand des Minimums … bis Violetta in mein Leben trat, die Frau, der ich einen Großteil von dem verdanke, was ich heute bin.
„Du scheinst sie zu mögen … diese Lily“, stelle ich scheinheilig fest.
- Ende der Buchvorschau -
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