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Die Reihe Die achtzigbändige Reihe „Die Götter der Germanen“ stellt die Gottheiten und jeden Aspekt der Religion der Germanen anhand der schriftlichen Überlieferung und der archäologischen Funde detailliert dar. Dabei werden zu jeder Gottheit und zu jedem Thema außer den germanischen Quellen auch die Zusammenhänge zu den anderen indogermanischen Religionen dargestellt und, wenn möglich, deren Wurzeln in der Jungsteinzeit und Altsteinzeit. Daneben werden auch jeweils Möglichkeiten gezeigt, was eine solche alte Religion für die heutige Zeit bedeuten kann – schließlich ist eine Religion zu einem großen Teil stets der Versuch, die Welt und die Möglichkeit der Menschen in ihr zu beschreiben, Das Buch In diesem Band sind ca. 15.000 Kenningar zu ca. 800 alphabetisch geordneten Stichworten mit Erläuterungen und Quellenangaben aufgelistet. Zu manchen Begriffen wie „Gold“ und „Krieger“ gibt es hunderte von verschiedenen Kenningarn, während es zu anderen begriffen, die nur sehr selten gebraucht wurden wie „Lachfältchen“ oder „Schamhaar“ nur eine einzige Kenning überliefert worden ist.
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Seitenzahl: 718
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Band 75 der Reihe „Die Götter der Germanen“
Astrologie (496 S.)
Photo-Astrologie (64 S.)
Tarot (104 S.)
Handbuch für Zauberlehrlinge (408 S.)
Physik und Magie (184 S.)
Der Lebenskraftkörper (230 S.)
Die Chakren (100 S.)
Meditation (140 S.)
Drachenfeuer (124 S.)
Krafttiere – Tiergöttinnen – Tiertänze (112 S.)
Schwitzhütten (524 S.)
Totempfähle (440 S.)
Muttergöttin und Schamanen (168 S.)
Göbekli Tepe (472 S.)
Hathor und Re:
Band 1: Götter und Mythen im Alten Ägypten (432 S.)
Band 2: Die altägyptische Religion – Ursprünge, Kult und Magie (396 S.)
Isis (508 S.)
Die Entwicklung der indogermanischen Religionen (700 S.)
Wurzeln und Zweige der indogermanischen Religion (224 S.)
Der Kessel von Gundestrup (220 S.)
Cernunnos (690 S.)
Christus (60 S.)
Odin (300 S.)
Die Götter der Germanen (Band 1 – 80)
Dakini (80 S.)
Kursus der praktischen Kabbala (150 S.)
Eltern der Erde (450 S.)
Blüten des Lebensbaumes:
Band 1: Die Struktur des kabbalistischen Lebensbaumes (370 S.)
Band 2: Der kabbalistische Lebensbaum als Forschungshilfsmittel (580 S.)
Band 3: Der kabbalistische Lebensbaum als spirituelle Landkarte (520 S.)
Über die Freude (100 S.)
Das Geheimnis des inneren Friedens (252 S.)
Von innerer Fülle zu äußerem Gedeihen (52 S.)
Das Beziehungsmandala (52 S.)
Die Symbolik der Krankheiten (76 S.)
Die Themen der einzelnen Bände der Reihe „Die Götter der Germanen“
Die Entwicklung der germanischen Religion
Lexikon der germanischen Religion
Der ursprüngliche Göttervater Tyr
Tyr in der Unterwelt: der Schmied Wieland
Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 1
Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 2
Tyr in der Unterwelt: der Zwergenkönig
Der Himmelswächter Heimdall
Der Sommergott Baldur
Der Meeresgott: Ägir, Hler und Njörd
Der Eibengott Ullr
Die Zwillingsgötter Alcis
Der neue Göttervater Odin Teil 1
Der neue Göttervater Odin Teil 2
Der Fruchtbarkeitsgott Freyr
Der Chaos-Gott Loki
Der Donnergott Thor
Der Priestergott Hönir
Die Göttersöhne
Die unbekannteren Götter
Die Göttermutter Frigg
Die Liebesgöttin: Freya und Menglöd
Die Erdgöttinnen
Die Korngöttin Sif
Die Apfel-Göttin Idun
Die Hügelgrab-Jenseitsgöttin Hel
Die Meeres-Jenseitsgöttin Ran
Die unbekannteren Jenseitsgöttinnen
Die unbekannteren Göttinnen
Die Nornen
Die Walküren
Die Zwerge
Der Urriese Ymir
Die Riesen
Die Riesinnen
Mythologische Wesen
Mythologische Priester und Priesterinnen
Sigurd/Siegfried
Helden und Göttersöhne
Die Symbolik der Vögel und Insekten
Die Symbolik der Schlangen, Drachen und Ungeheuer
Die Symbolik der Herdentiere
Die Symbolik der Raubtiere
Die Symbolik der Wassertiere und sonstigen Tiere
Die Symbolik der Pflanzen
Die Symbolik der Farben
Die Symbolik der Zahlen
Die Symbolik von Sonne, Mond und Sternen
Das Jenseits
Seelenvogel, Utiseta und Einweihung
Wiederzeugung und Wiedergeburt
Elemente der Kosmologie
Der Weltenbaum
Die Symbolik der Himmelsrichtungen und der Jahreszeiten
Mythologische Motive
Der Tempel
Die Einrichtung des Tempels
Priesterin – Seherin – Zauberin – Hexe
Priester – Seher – Zauberer
Rituelle Kleidung und Schmuck
Skalden und Skaldinnen
Kriegerinnen und Ekstase-Krieger
Die Symbolik der Körperteile
Magie und Ritual
Gestaltwandlungen
Magische Waffen
Magische Werkzeuge und Gegenstände
Zaubersprüche
Göttermet
Zaubertränke
Träume, Omen und Orakel
Runen
Sozial-religiöse Rituale
Weisheiten und Sprichworte
Kenningar
Rätsel
Die vollständige Edda des Snorri Sturluson
Frühe Skaldenlieder
Mythologische Sagas
Hymnen an die germanischen Götter
„Heitis“ und „Kenningar“ sind Umschreibungen eines Begriffes – bei einer Heiti wird dafür nur ein Wort benutzt, bei einer Kenning zwei oder mehrere.
Sowohl Heitis als auch Kenningar finden sich fast ausschließlich in der altnordischen und der altenglischen (altangelsächsischen) Dichtung. Die komplexen Kenningar, die aus mehr als zwei Worten bestehen, finden sich nur bei den Nordgermanen in Skandinavien und Island.
Es gab auch bei den keltischen Barden Kenning-ähnliche Umschreibungen, die jedoch eher Gleichnisse oder Rätsel waren, die sich nicht auf die Bildung eines einzelnen Wortes, sondern auf poetische Bilder bezogen, die sich oft über lange Textpassagen erstreckten.
Andere Kenning-ähnliche Wortschöpfungen gibt es auch im Sanskrit, in der z.B. die Formulierung „viel Reis“ die Bedeutung „reich“ hat – ein exakte Kenning ist dies jedoch nicht.
„Heiti“ bedeutet „Name“ bzw. wörtlich „das, was solcherart geheißen (benannt) wird“. Eine Heiti ist ein Wort, durch das ein ähnliches Wort ersetzt wird wie z.B. „Hügelgrab“ durch „Berg“.
Solche Heitis sind durchaus auch heute noch in Gebrauch: So werden flotte Autos manchmal „Schlitten“ genannt, das Bett mit „Kiste“ umschrieben und der Fußball als „Leder“ bezeichnet.
Bei den „Kenningarn“ („Kennzeichnungen“) wird ein Wort durch zwei bis fünf Substantive umschrieben – mehr Worte galten zumindestens aus der Sicht des Skalden Snorri Sturluson, der die „Edda“ verfaßt hat, nicht mehr als gut verständlich. Der Rekord liegt jedoch bei einer aus neun Worten zusammengesetzten Kenning.
Bei der Bildung einer Kenning wird der eigentlich gemeinte Begriff wie z.B. „Schiff“, zunächst durch eine Heiti, also durch die Bezeichnung eines dem Gemeinten in irgendeiner wesentlichen Hinsicht gleichenden Sache ersetzt. Dies könnte in Bezug auf „Schiff“ z.B. ein Pferd sein, da beide Fortbewegungsmittel sind. Das Wort „Roß“ ist zunächst einmal eine Heiti für „Schiff“. Diese Heiti („Roß“) wird innerhalb einer Kenning „Stofnord“ genannt, was man mit „Grundwort“ übersetzten könnte.
Dieses Stofnord („Roß“) wird dann durch ein weiteres Wort näher definiert, das „Kenniord“, also „Kennzeichnungswort“ genannt wurde. Dieses Wort bezeichnete eine Sache, die zeigte, in welcher Richtung man das eigentlich Gemeinte suchen mußte. Für das „Roß“, das als „Schiff“ erkennbar sein sollte, boten sich als Kenniord die Begriffe „Wasser“, „Meer“, „See“, „Wellen“, „Wogen, „Fluß“ u.ä. an. Dadurch wurde das „Roß“ zu einem „Wogen-Roß“, das dann für jeden als „Schiff“ gut erkennbar war.
Auch diese Art der Begriffsbildung hat sich in der deutschen Sprache an vielen Stellen erhalten können. Diese modernen Kenningar haben meistens entweder einen technischen Charakter wie z.B. „Luft-Schiff“, „Raum-Schiff“, „Wüsten-Schiff“ (Kamel) und „Flug-Hafen“ oder sind eher poetisch wie „schäumendes Ährengold“ (Bier) oder sie sind humorvoll gemeint wie z.B. „Gesichts-Matraze“ (Bart), „Betten-Burg“ (Hotel), „Bet-Bunker“ (Kirche), „Kugel-Porsche“ (VW Käfer), „Stahl-Roß“ (Rennrad), „Draht-Esel“ (Fahrrad), „Rost-Laube“ (altes Auto), „Gicht-Griffel“ (Finger), „Taschen-Tiger“ (Katze), „Dach-Hase“ (Katze), „Schürzenjäger“ (Frauenheld) und „Hüftgold“ (nicht ganz schlanker Bauch).
Oft haben diese Kenningar noch immer einen Stabreim, d.h. beide Worte beginnen mit demselben Buchstaben wie „Betten-Burg“ und „Bet-Bunker“ – das wirkt überzeugender …
Es lassen sich auch durchaus neue Kenningar bilden, die nach kurzem Nachdenken verständlich sind wie z.B. „Feder-Volk“ für Vögel, „Schuppen-Schwarm“ für Fische, „Hörner-Herde“ für Rinder oder „Blätter-Balken“ für Bäume.
Derartige Kenningar finden sich manchmal auch in Beinamen wie dem des Königs Edward I von England, der „Schotten-Hammer“ genannt wurde, weil er die Schotten besiegt hat.
Vermutlich mußten die Germanen bei dem Vortrag der Dichtungen ihrer Skalden genauso schmunzeln wie die heutigen Menschen, wenn sie das erste Mal eine solche humorvolle Kenning hörten.
Die in den germanischen Dichtungen weit verbreitete Kenning „Wogen-Roß“ kann durch die Verwendung einer weiteren Heiti auch zu einem „Wogen-Fahrzeug“ oder zu einem „Wogen-Stier“ werden.
Da die Wogen das „Reich des Meeresgottes Ägir“ sind, kann man aus „Wogen-Roß“ auch eine Drei-Wort-Kenning für Meer bilden: „Fahrzeug des Reiches des Ägir“.
Ägir ist der Mann der Göttin Ran, was eine weitere Erweiterung der Kenning ermöglicht: „Fahrzeug des Reiches des Mannes der Ran“.
Die Göttin Ran ist wiederum für ihr Netz bekannt und berüchtigt, mit dem sie die Seeleute auf den Grund des Meeres zu ziehen versucht. Dies ermöglicht einen weiteren Ausbau dieser Kenning: „Fahrzeug des Reiches des Mannes der Netz-Asin.“
Da Ran auch als Riesin angesehen wurde, läßt sich, wenn man möchte, auch noch eine Heiti einbauen: „Fahrzeug des Reiches des Mannes der Netz-Riesin.“
Da eine Ausdehnung der Kenningar über fünf Worte hinaus im allgemeinen als nicht schicklich galt, enden die Beispiele jetzt an dieser Stelle.
Der Skalde Thordr Säreksson hat in seiner „Thoralfs drapa Skolmssonar“ die Kenning „Schwinger der Flamme des Sturmes der Trollfrau des schützenden Mondes des Pferdes des Bootshauses“ verwendet. Diese siebenteilige Kenning kann man wie folgt lesen:
Zum Glück wird man von den Skalden nicht oft vor solche Herausforderungen gestellt, denn die Kenningar bestanden nur selten aus mehr als zwei Worten.
Aus den drei im heutigen Deutsch verwendeten Kenningar „Nasen-Fahrrad“, „Draht-Esel“ und „Stahl-Roß“ könnte man auf dieselbe Weise die beiden aus drei Worten bestehenden Brillen-Kenningar „Nasen-Stahl-Roß“ und „Nasen-Draht-Esel“ bilden. Man würde allerdings wohl etwas skeptisch angeschaut werden, wenn man diese Kenningar tatsächlich verwenden würde …
Man könnte diese Kenningar durch die Umschreibung „Lang-Ohr“ für „Esel“ auch noch auf „Nasen-Draht-Lang-Ohr“ erweitern …
Es gibt bei der Bildung von langen Kenningarn eine Regel, die stets beachtet wird: es wird stets nur das letzte Wort durch eine weitere Kenning ersetzt. Das Wort A wird also zunächst durch die Kenning B-C umschrieben. Dann wird C (und niemals B!) durch D-E ersetzt, sodaß sich B-D-E ergibt. Nun kann auschließlich E durch die Kenning F-G ersetzt werden, sodaß sich B-D-F-G ergibt.
Die Benutzung von Heitis und Kenningarn haben zwei Vorteile: Sie ermöglichen zum einen Worte auszuwählen, die zu dem Stabreim, Vollreim oder Halbreim passen, den der Skalde in der Zeile, die er gerade verfaßt, benötigt, und sie lassen zum anderen in den Hörern Assoziationen zu den verschiedensten Lebensbereichen und Mythen entstehen.
Daher verwandelt sich der rote Faden der erzählten Geschichte durch den Gebrauch der Heitis und der Kenningar zu einem Geschichten-Geflecht. Statt beim Hören des Gedichtes, das der Skalde vorträgt, einem einfachen, geraden Weg zu folgen und dabei nur den Boden vor den eigenen Füßen zu sehen, verwandeln die Heitis und Kenningar das Zuhören in eine Wanderung durch die Landschaft der Mythen und der verschiedensten Lebensbereiche und Tätigkeiten. Bei dieser Wanderung auf dem Pfad der eigentlichen Geschichte blickt man gewissermaßen ständig nach links und rechts und sieht die verschiedensten Gestalten, Ausblicke und Zusammenhänge.
Die Skalden konnten auf diese Weise beim Erzählen einer Mythe z.B. des Thor Anspielungen auf alle anderen Mythen des Thor einflechten, sodaß die Zuhörer zwar den roten Faden der gerade berichteten Geschichte verfolgten, aber dabei aber auch an alle anderen Mythen des Donnergottes erinnert wurden, wodurch sich für die Zuhörer eine weite und vielfältige Szenerie auftat.
Manche Kenningar spielten auch auf handwerkliche Vorgänge an wie z.B. „Gänse-Stab“. Diese Kenning gibt erst einen Sinn, wenn den Hörern bekannt ist, daß die Federn an den Pfeilen Gänsefedern waren. All diejenigen unter den Zuhörern des Skalden, die schon einmal selber Pfeile hergestellt hatten oder dabei zugesehen haben (also so gut wie alle), werden sich an dieser Stelle des Gedichtes dann kurz an diese Tätigkeit erinnern. Dadurch entsteht ein kurzes „ja, so ist das“ oder „ach stimmt, das kenne ich“ in dem Zuhörer.
Je nach Charakter des Verses erinnert das Wort „Gans“ die Hörer jedoch auch noch an „Schwan“ und somit an die Walküren in Schwanengestalt, die die in der Schlacht die Gefallen nach Walhalla holten – die möglicherweise von einem „Gänsestab“ getötet worden sind. Die Heitis und die Kenningar konnten somit auf mehreren Ebenen gleichzeitig Assoziationen hervorrufen.
Sehr beliebt waren auch sexuelle Anspielungen – in diesem Punkt unterschieden sich die Germanen nicht sehr von den heutigen Menschen.
Geschickte Skalden waren in der Lage, ganzen Passagen von Gedichten mithilfe von passend gewählten Kenningarn eine doppelte Bedeutung zu geben.
So hat z.B. Eilifir Godrunarson in seiner Thorsdrapa den Kampf zwischen Thor und Geirröd ausschließlich mit Kenningarn geschildert, die aus dem Bereich eines Trinkfestes genommen worden sind, sodaß der gesamte Kampf ein Vergleich mit einem Trinkfest ist – auf denen nach reichlichem Genuß von Bier und Met ja durchaus Kämpfe vorgekommen sind …
Hallfredr Ärger-Skalde vergleicht in seinem Loblied auf König Harald Haarschön mithilfe der von ihm ausgewählten Kenningarn die Eroberung von Norwegen durch den König über mehrere Strophen hinweg mit der Werbung um eine Frau und der Vereinigung mit ihr – was zusätzlich noch eine Anspielung auf die alte Vorstellung ist, daß sich der König bei seiner Krönung mit der Landesgöttin vereint …
Einem geschickten Skalden standen durch die Verwendung von Kenningarn viele Möglichkeiten offen ...
Man kann die Heitis und vor allem die Kenningar auch als eine komplexe Form von Adjektiven auffassen oder als eine spezielle Art von Nebensätzen, die in komprimierter Form viele Bilder enthalten und manchmal ganze Mythen anklingen lassen.
Das Verstehen der Heitis und der Kenningar wird auch dadurch erleichtert, daß die Zuhörer die Geschichten bereits kannten und somit dem roten Faden der Geschichte leicht folgen konnten. Die Heitis und Kenningar, die die Skalden erfanden, fügten der Geschichte lediglich neue Bilder und Assoziationen hinzu, d.h. sie malten die Mythen in immer lebhafteren Farben.
Manchmal ist kaum zu unterscheiden, ob es sich bei einer Formulierung um eine Heiti oder um eine allgemeine Redensart handelt. So war z.B. die Bezeichnung „Kiel“ für „Schiff“ sehr weit verbreitet und sozusagen „völlig normal“. Wenn eine Person friedlich war, nannte man sie „kühl“ – das erinnert sehr an den heutigen Gebrauch des englischen Wortes „cool“. Die Redewendung „mit jemandem einen Streitknochen haben“ ist zwar ein Gleichnis, aber andererseits ist sie auch eine Heiti.
Letztlich kann man sagen, daß die Germanen in ihrer Sprache viele Gleichnisse und Analogien benutzten und daß einige von ihnen eine festere Form hatten, die von den Skalden als Heitis und Kenningar bezeichnet und benutzt wurden.
Man könnte die Kenningar auch als „Mini-Mythen“ auffassen: Sie stellen ein kleines Gleichnis dar – die Mythen sind ein großes Gleichnis. Auch die Redewendungen sind oft solche „Mini-Mythen“. Noch deutlicher wird diese Form bei den Weisheiten, die ebenfalls sehr häufig als Gleichnis formuliert wurden (siehe „Weisheiten und Sprichworte“ in Band 74).
Auch die Personennamen sind eine Art von „Mini-Mythe“ oder „Mini-Magie“, da sie in der Regel aus zwei Worten bestehen, von denen der erste häufig ein Gottesname ist (die „Quelle“) und der zweite das, was man sich von ihr erwünscht (der „Bach“). Die Personennamen sind der magischer Wunsch, daß die Person das erhält oder hat oder sein wird, was ihr Name ausdrückt.
Schließlich gibt es noch die Rätsel, die u.a. eine Weiterentwicklung der Kenningar sind. Sie haben fast immer den Charakter eines Gleichnissses, bei dem man herausfinden muß, was die Analogie ist, die durch das Rätsel umschrieben wird. Eine Kenning wird hingegen so gebildet, daß die „Lösung“ leicht erkennbar ist und die Art des Vergleiches zum Schmunzeln verleitet. Eine Kenningar steht daher oft auch in der Nähe des Witzes.
Die Skalden der Germanen unterschieden Heiti, Kenning, Tvikent, Rekit und Nygervingar:
Es gab zwei grundlegende Arten von Umschreibungen. Die einfachere von ihnen hieß „Heiti“ („Name“). Bei ihr wurde ein Wort durch ein ähnliches ersetzt: z.B. „Kessel“ durch „Becher“, „Schiff“ durch „Baum“ oder „Hügelgrab“ durch „Berg“.
Die komplexere Form der Umschreibung benutzte zwei Worte und wurde „Kenning“ („Gekennzeichnetes“) genannt. Beliebte Kenningar waren z.B. „Walstraße“ für „Meer“, „Wogenroß“ für „Schiff“, „Schulterklippe“ für „Kopf“, „Kinnwald“ für „Bart“, „Stirnsterne“ für „Augen“, „Kampfgänse“ für „Pfeile“, „Bienenwolf“ für „Bär“ und „Riesentöter“ für „Thor“.
Durch die Kombination von zwei Kenningarn ergeben sich Umschreibungen aus drei Worten wie z.B. „Fütterer der Kriegs-Möwen“ für „Fütterer der Raben“ für „Krieger“ (die Raben waren Aasfresser).
Solche Kenningar heißen Tvikent. d.h. „doppelt Gekennzeichnetes“.
Wenn in einer solchen Kenning mehr als drei Worte benutzt wurden, hießen sie „Rekit“, was „Getriebenes“ im Sinne von „Ausgeweitetes“ bedeutet. Mehr als fünf Worte für eine einzige Kenning zu benutzen wurde von den Skalden im Allgemeinen nicht mehr als gut verständlich angesehen.
Die Kenningar konnten zu lebhaften Bildern ausgebaut werden und wurden dann „Nygervingar“ („Neuschöpfung“) genannt.
In der Nygervingar „Schilde wurden unter den harten Füßen der Griffe niedergetreten“ ist der „Fuß des Griffes“ die Schwertklinge – die Kenning beschreibt also einen siegreichen Kampf.
Eine ganz ähnliche Nygervingar ist „die Wund-See brandete an die Landzungen der Schwerter“, in der „Wund-See“ Blut bezeichnet und die „Landzungen der Schwerter“ die Schwertklingen sind. Auch diese Kenning beschreibt einen Kampf.
Personnennamen sind oft ähnlich wie eine Kenning gebildet, da sie z.T. aus einem Gottesnamen und der Bezeichnung dessen, was man sich von dieser Gottheit erhoffte, bestehen. Genaugenommen sind dies zwar keine Kenningar, sondern „Zwei-Wort-Sätze“, aber sie markanteren von ihnen werden in diesem Buch ebenfalls aufgeführt, da sie ganz ähnliche Assoziationen enthalten wie die Kenningar.
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In den folgenden Listen stehen die meisten weiblichen Tiere unter dem Namen des männlichen Tieres, weil die Germanen in den Listen der Namen, Heitis und Kenningar für Tiere stets das männliche Tier aufgeführt haben. 'Kuh' steht daher unter 'Stier'.