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Sobald wir aus der Türe treten, umgibt uns Natur. Tausende kleine und große Prozesse spielen sich hier ab, die oft faszinierend und schön sind - wenn man sie denn bemerkt. In vergangenen Zeiten war es überlebenswichtig, dass jeder diese Zeichen erkannte und zu deuten wusste. Heute fragen wir Experten und lesen den Wetterbericht. Peter Wohlleben lädt dazu ein, selbst zum Experten zu werden, genauer hinzuschauen und die Zeichen, die Wind, Wolken, Pflanzen und Tiere geben, zu deuten. Gänseblümchen werden so zu Wetterpropheten, Kraniche zu lebenden Thermometern und Ringelblumen sagen uns, wie spät es ist. Dabei räumt der Autor auch mit einigen alten Mythen auf und informiert über naturwissenschaftliche Hintergründe bekannter Bauernregeln. Die Fülle faszinierender und nützlicher Fakten ist dabei nicht nur graue Theorie, sondern auch für die tägliche Gartenpraxis, vom Pflanzen übers Gießen bis zum Winterschutz, ausgesprochen nützlich.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Peter Wohlleben
Kranichflug und Blumenuhr
Naturphänomene im Garten beobachten, verstehen und nutzen
illustriert von Margret Schneevoigt
Cover
Titel
Der Natur auf der Spur
Wie wird das Wetter?
Von Wolkentürmen und Abendrot
Pflanzliche Wetterpropheten
Tierische Wetterpropheten
Und Sie selbst?
Ist es windig oder kalt?
Windgeschwindigkeiten messen
Wohlfühltemperatur und lebende Thermometer
Regen, Schnee und Hagel
Regen – ohne geht’s nicht
Was Hagelringe verraten
Schnee und Frost
Sonne, Mond und Sterne
Kalte Nächte und Sternenhimmel
Sternschnuppen und kosmischer Regen
Mondphasen
Die Planeten
Sonnenstand und Tageszeit
Der Tageslauf
Armbanduhr und wahre Ortszeit
Die Vogeluhr
Die Blumenuhr
Die Sonnenuhr
Die Jahreszeiten
Vorsicht: Bodenfrost!
Der Frühling
Der Sommer
Der Herbst
Der Winter
Mit dem Klimawandel leben
Gutes Wassermanagement
Steigende Temperaturen
Auswirkungen auf den Garten
Wie ist mein Gartenboden beschaffen?
Bodentypen erkennen
Humus fördern
Nützliche Bodenbewohner
Verdichtungen wirken lange nach
Erosion verhindern
Heimisches Grün und exotische Gäste
Grüne Blätter, bunte Streifen
Bäume und Sträucher als Gartengenossen
Pflanzliche Invasoren
Was kreucht und fleucht denn da?
Revierverhalten
Von Nützlingen und Schädlingen
Räuber und Beute
Massenvermehrung
Vögel im Winter
Wohnungsbau für Vögel
Unbeliebte Hausbesetzer
Tierische Invasoren
Von wilden und von zahmen Tieren
Verlassene Tierkinder
Mit allen Sinnen spüren
Es gibt viel zu sehen – auch nachts
Dufte Argumente
Kranichrufe und andere Lieblingsgeräusche
Zurück zur Natur
Der Autor
Index
Weitere Bücher
Impressum
Sobald Sie aus der Haustüre treten und durch Ihren Garten oder den nahen Park spazieren, umgibt Sie Natur. Tausend kleine und große Prozesse spielen sich hier ab, die oft faszinierend und schön sind – wenn man sie denn bemerkt.
In vergangenen Zeiten war es überlebenswichtig, dass jeder diese Zeichen erkannte und zu deuten wusste. Die Menschen waren damals sehr abhängig von der Natur, und es war ihnen bewusst. Heute gaukeln uns stets gefüllte Supermarktregale und die konstante Versorgung mit Energie sowie Versicherungen gegen alles und jedes vor, dass diese alte Bindung nicht mehr gültig ist. Deutlich wird die Naturferne in trocken heißen Sommern. Während Bauern und Förster dringend Regen herbeisehnen, freut sich ein Großteil der Stadtbevölkerung bei jeder Vorhersage, die eine Fortdauer der Wetterlage prognostiziert. Die Folgen der Trockenheit sind ihnen nicht bewusst, oft auch nicht bekannt. Dabei ist es angesichts der Umweltzerstörung und des Klimawandels wichtiger denn je, die Signale der Natur zu erkennen und zu verstehen. Nur dann wird uns klar, was wir zu verlieren haben.
Fernsehen, Radio und Internet machen es eigentlich überflüssig, aus dem Fenster zu sehen. Was draußen im Garten los ist, verraten zahlreiche professionelle Dienste. Ob Regen oder Sonnenschein, ob Vogelzug oder Blattlausplage, alles ist eine Meldung wert und in Minutenschnelle für jedermann abrufbar. Wer es noch genauer mag, installiert eine elektronische Wetterstation, die die aktuellen Daten bequem ins Wohnzimmer funkt.
Wenn Sie gerne im Garten arbeiten und in der Natur unterwegs sind, können Sie auf diese »Fremdmeldungen« zu Wetter und Natur aber gut verzichten. Tiere und Pflanzen, sogar die unbelebte Umwelt geben uns laufend Hinweise, wie es um sie bestellt ist. Ob eine eigene Wettervorhersage oder die Einschätzung von Wetterereignissen, ob Insektenbefall oder Beginn und Ende der Jahreszeiten, das alles lesen Sie in Ihrem Garten viel genauer ab als jeder Nachrichtensprecher von seinem Blatt. Denn bei Ihnen vor Ort kann ein Naturereignis ganz anders ablaufen und ganz andere Folgen haben als schon wenige Kilometer weiter. Und das ist es doch letztlich, wozu wir die Medienmeldungen brauchen: zur Beurteilung der Lage vor unserer Haustür.
Dieser Ratgeber soll Ihnen dabei helfen, die unzähligen Informationen Ihrer Umwelt, speziell Ihres Gartens, zu entschlüsseln. So werden Sie Ihr eigener Medienexperte in Sachen Natur. Viele Alltagsfragen können Sie sich künftig selbst beantworten, viele Phänomene werden plötzlich leichter verständlich, wenn Sie die Hintergründe kennen.
Der wichtigste Grund, dieses Buch zu schreiben, war für mich der Zugewinn an Freude und Entspannung im Garten. Wie schön ist es, Dinge bewusst zu erleben, an denen man bisher achtlos vorbeigegangen ist, wie aufregend ist es, Veränderungen beim Wetter, in der Tier- und Pflanzenwelt zu erahnen, bevor sie eingetreten sind! Wenn wir mit allen Sinnen draußen unterwegs sind, ist uns die Natur näher denn je. Und das alte Band zwischen uns und unserer Umwelt kann neu geknüpft werden.
Am Ende jeder Nachrichtensendung, ob im Fernsehen oder im Radio, folgt der Wetterbericht. Und der ist oft besser als sein Ruf. So gilt, dass Vorhersagen bis zu einer Woche im Voraus mit etwa 70 Prozent Wahrscheinlichkeit auch so eintreffen, für 24 Stunden werden sogar 90 Prozent erreicht. Umgekehrt heißt das allerdings, dass der Bericht jedes zehnte Mal völlig danebenliegt. Ursachen sind chaotische Wetterlagen, die sich eigentlich gar nicht vorhersagen lassen. Mich ärgert es dann, wenn im Wetterbericht nicht einfach darauf hingewiesen wird, etwa so: »Die heutigen Angaben sind aufgrund der aktuellen Lage sehr unsicher«. Das werden Sie so nicht hören. Deshalb kann es nicht schaden, selber mal nach draußen zu schauen und anhand von Zeichen zu überprüfen, wohin die Wolkenreise geht. Und mit den Jahren können Sie ein gutes Gespür dafür entwickeln, was sich in den nächsten Stunden abspielen wird.
Eine beliebte Prophetin ist die Abendsonne: Geht sie schön rotglühend unter, so ist das ein Zeichen für einen folgenden sonnigen Morgen, ganz nach dem Motto: »Abendrot – Gutwetterbot«. Denn die flach von Westen durch die Atmosphäre streichenden Sonnenstrahlen treffen auf im Osten langsam abziehende Wolken. Und da das schlechte Wetter unserer Breiten meist von Westen her anreist, bedeutet ein weithin wolkenfreier Westen entsprechend gutes Wetter für die nächsten Stunden.
Umgekehrt ist es beim Morgenrot. Hier sagt der Volksmund: »Morgenrot – Schlechtwetter droht«. Und dies meist zu Recht. Denn die Morgensonne geht im Osten, wo der Himmel noch klar ist, auf und strahlt im Westen aufziehende Wolken glutrot an, die sich dann rasch ausbreiten und den Himmel zuziehen.
Jede Regel hat aber auch ihre Ausnahme, denn wenn der Wind nicht aus West, sondern aus Süd oder gar aus Ost weht, haben Abend- und Morgensonne keine Aussagekraft.
Die Windrichtung selbst kann ebenfalls als Vorhersageinstrument genutzt werden. Westwind trägt feuchte Meeresluft zu uns heran. Dies ist mit Wolken, oft auch mit Regenfällen verbunden. Und da Wolken die Landschaft wie eine Decke isolieren, beeinflussen sie auch die Temperatur. Unter einer dichten Wolkendecke fällt das Thermometer im Winter nicht stark ab, denn die Erde kann so kaum auskühlen. Niederschläge fallen bei Westwind daher oft als Regen. Im Sommer verhindern die Wolken umgekehrt größere Hitze, da sie die Erdoberfläche beschatten.
Südwinde bringen immer Wärme aus dem Mittelmeerraum oder gar der Sahara mit. Im Sommer können sie eine Hitzewelle auslösen, im Winter bringen sie oft Stürme im Gepäck mit. Denn über Mitteleuropa treffen sie auf polare Luftmassen, die aus dem Norden zu uns strömen, sodass es zu einem heftigen Austausch und einer Angleichung der Kalt- mit der Warmluft kommt. Das kann natürlich auch bei kalten Nordwinden geschehen, die hier auf zu warme Winterluft treffen.
Ostwind verheißt bei uns grundsätzlich stabile Verhältnisse und einen klaren Himmel. Im Sommer wird es dann sehr warm, im Winter bitterkalt – ohne schützende Wolken kann sich jede Jahreszeit von ihrer stärksten Seite zeigen.
Zur Bestimmung der Windrichtung kommt ein altes Vorhersageinstrument zu neuen Ehren: der Wetterhahn. Er sitzt leicht drehbar auf einem Kreuz, an dessen Enden jeweils die Anfangsbuchstaben der vier Himmelsrichtungen angebracht sind. Dieses Kreuz können Sie in Ihrem Garten (oder auf dem Hausdach) entsprechend befestigen und ausrichten. Da der Hahn immer in die Richtung schaut, aus der der Wind weht, zeigt er bei korrekter Installation die Windrichtung (und damit auch die Wettertendenz) an.
Die eigentlichen Hauptakteure aber sind die Wolken. Denn ob das Wetter für unsere Maßstäbe gut oder schlecht wird, hängt von ihrem Vorhandensein und ihrer Fracht – dem Regen – ab. Taucht ein Tiefdruckgebiet auf, so wird die Luft wortwörtlich dünner (so, als ob Sie Luft aus einem Reifen lassen). Das enthaltene Wasser kann sich in dieser verdünnten Luft nicht mehr vollständig lösen und wird als Wolken sichtbar.
Ein erster Vorbote einer Schlechtwetterfront sind künstliche Wolken – die Kondensstreifen von Flugzeugen. Lösen sie sich hinter den Maschinen nicht auf, so ist feuchte Luft im Anmarsch (und mit ihr ein Tiefdruckgebiet). Und schon bald zieht sich der Himmel zu.
Dabei gilt zunächst folgende Regel: Das Wetter ändert sich immer dann, wenn die Wolken aus einer anderen Richtung heranziehen als der Wind am Boden. Dabei kann es durchaus auch einmal schön werden, wie etwa das Auftauchen kleiner Schäfchenwolken verrät.
Ob die Wolken dick oder dünn sind, zeigt uns ihre Tönung (von unten her gesehen): Flache Wolken erscheinen weiß, weil sich durch sie hindurch immer noch Sonnenlicht mogelt. Dicke Wolken dagegen erscheinen grau oder gar schwarz, weil sich durch die Wasserdampftürme kaum noch ein Lichtstrahl verirrt. Und je höher diese Gebilde, desto eher regnet es aus ihnen. Denn Tropfen bilden sich nach zwei Prozessen. Zum einen stoßen Nebeltröpfchen zusammen und bilden immer größere Tropfen. Dies geschieht jedoch sehr langsam, und das Resultat ist ein lang andauernder Nieselregen. Das ist typisch für eher flache Wolken. Größere Tropfen können sich nur in höheren Türmen bilden, denn jetzt kommt Eis ins Spiel. Ganz oben in der Wolke ist es sehr kalt, und hier friert das Wasser. An die Eiskristalle lagert sich in Windeseile weiteres Wasser an, da es bei Kontakt sofort festfriert. Diese Eiskristalle werden irgendwann zu schwer und fallen zu Boden. Auf dem Weg dorthin tauen sie wieder auf (weiter unten wird es ja wieder wärmer) und ergeben sehr große Regentropfen. Daraus können Sie schließen: Je dicker die Tropfen, desto dicker ist die Wolke, und desto mehr Wasser fällt pro Minute herunter.
Bussarde im Aufwind
Wenn Sonnenstrahlen die Erde erwärmen, heizt sich auch die bodennahe Luftschicht auf. Dadurch entsteht ein Temperaturgefälle von unten nach oben. Warme Luft hat die Neigung aufzusteigen, da sie leichter als kalte Luft ist. Das macht sie aber nicht gleichmäßig, sondern es bilden sich unsichtbare, schlauchartige Gebilde von wenigen bis einigen hundert Meter Durchmesser. Warmes Gas steigt hoch in die Atmosphäre, und im Gegenzug sinkt an den Rändern der Schläuche kalte Luft zu Boden. Thermik heißt der entsprechende Fachbegriff. Dieses faszinierende Schauspiel können Sie indirekt beobachten. Bei schönem Wetter sind es einzelne Schäfchenwolken, die das obere Ende eines Warmluftschlauches markieren, denn hier kühlt dieser ab und setzt dabei Wassertröpfchen frei.
Ein tierischer Indikator für dieses Phänomen sind kreisende Greifvögel. Sie nutzen den Lift nach oben, um ohne einen einzigen Flügelschlag stundenlang zu fliegen. Das können sie allerdings nur so lange, wie sie im Bereich der Schläuche bleiben. Und da diese wandern (das erkennen Sie an den ziehenden Wolken), wandern die Bussarde und Milane ebenfalls langsam kreisend mit. Zugvögel nutzen die warmen Lüfte, um kräftesparend Höhe zu gewinnen. Oft sieht man Kraniche, die plötzlich anfangen zu kreisen, bevor sie nach rund 15 Minuten ein Stockwerk höher den Aufwindbereich verlassen und weiterziehen.
Bei längeren Schlechtwetterperioden funktioniert das Ganze leider nicht. Keine Sonne – kein Lift. Höchstens an Berghängen, gegen die ein regnerischer Wind bläst, gibt es eine Ausnahme, da hier die Luftmassen nach oben ausweichen. Und hier sind dann auch die Vögel zu finden, die hoch hinaus wollen.
Jeder dicke Regentropfen war einmal ein Eiskorn oder eine große Schneeflocke. Taut die Flocke auf dem Weg hinunter nicht auf, so schneit es. Streng genommen kann es also auch im Sommer schneien, nur schmilzt der Schnee schon hoch in der Luft.
Apropos Schnee: An seiner Größe und Konsistenz lässt sich einiges ablesen. Grundsätzlich gilt: Je kleiner die Flocken, desto kälter ist die Luft und desto eher bleibt der Schnee liegen. Denn in der kalten Luft gibt es kaum flüssiges Wasser, sodass die Flocken nicht wachsen können.
Umgekehrt weisen dicke Flocken auf Tauwetter hin. Sie können bis kurz vor dem Auftreffen fleißig Wasserdampf sammeln und immer größer werden. Manchmal schneit es regelrechte Batzen, doch die Pracht ist dann nur von kurzer Dauer. Doch weil diese dicken Flocken meist sehr feucht sind, kommt mit ihnen eine große Gefahr. Denn sie kleben nach dem Fall regelrecht an Ästen oder Stromleitungen und wachsen zu einer mächtigen Schicht, ohne herunterzufallen. Dieses unter dem Begriff »Nassschnee« gefürchtete Ereignis sorgt für brechende Bäume und Strommasten sowie für den Einsturz ganzer Hallendächer.
Auch der Schneemannbau kann zur Wettervorhersage herangezogen werden. Der Schnee ist nur pappig und lässt sich zu Kugeln rollen, wenn es wärmer wird. Daher kann der Schneemann auch als erster Gruß an den Frühling gelten, es sei denn, es folgt rasch ein weiterer Kälteeinbruch.
Aber zurück zu den Wolken. Wenn Sie am Horizont hohe Wolkentürme im Anmarsch sehen, so könnte es bald regnen (oder schneien). Fasern die Wattebäusche ganz oben auf, ergibt sich gar eine Amboss-Form (dann wird der Wolkenturm oben auseinandergezogen), so ist ein Gewitter im Anmarsch. Kurz bevor diese Gewitterfront sich austobt, frischt der Wind stark auf und kann sogar Orkanstärke erreichen. Erst mit dem Öffnen der himmlischen Schleusen lässt der Wind in Minutenschnelle wieder nach.
Nach dem Durchzug der Regenfront wird es in der Regel kälter, denn ein Tiefdruckgebiet (das den Regen mit sich bringt) zieht mit einer Warmfront über das Land, der eine Kaltfront folgt. Beide Fronten bedeuten Regenfälle; dazwischen klart es oft kurz auf. Solange die Kaltfront aber nicht vorbeigezogen ist, bedeuten die sonnigen Einlagen noch keinen Wetterumschwung zum besseren hin. Immer wieder folgen kleinere Schauer, bis das Tief endgültig verschwunden ist.
Ein besonderer Fall sind der Nebel und seine Kinder, Tau und Reif. Wenn es neblig ist, kann sich der Wasserdampf nicht mehr in der Luft auflösen, weil diese schon gesättigt ist. Kalte Luft kann wenig Wasser halten, warme dagegen sehr viel. Deshalb herrscht auch besonders oft im Winterhalbjahr eine Nebelwetterlage, während im Sommer meist klare Sicht besteht. Das ist übrigens dasselbe Prinzip, das dem Haareföhnen zugrunde liegt: Die Luft zwischen den Haaren wird erwärmt, sodass sie mehr Wasser aufnehmen kann und die Haare trocknet.
Geht in manchen Nächten die Temperatur stark zurück, so kann die Luft das Wasser nicht mehr halten und »schwitzt« es aus. Kleine Tröpfchen schlagen sich als Tau oder, wenn es unter den Gefrierpunkt geht, als Reif nieder. Sehen Sie morgens vor der Haustür oder auf den Dachziegeln des Nachbarhauses ein solches Phänomen, verbunden mit einem Temperatursturz, so wird das Wetter des Tages in der Regel schön. Ein so starkes Fallen des Thermometers wird durch relativ trockene Luft verursacht, der die Wolken fehlen. Diese wirken wie eine wärmende Decke, und wenn sie weggezogen wird, kühlt die Landschaft aus.
Wenn ein Schönwetterhoch allmählich nachlässt und ein Tief drängelnd vor der Haustür steht, steigt die Luftfeuchtigkeit langsam an. Und das mögen viele Pflanzen nicht, denn der folgende Regen macht ihren Nachwuchs lahm. Viele Arten schicken ihre Samen mittels kleiner Flaumhaare auf die Reise, die schon der leichteste Wind mitsamt ihrer Zwergenfracht in ferne Gegenden trägt. Nass verkleben die Haare jedoch, und ein Schauer spült die ganze Pracht von der Blüte herunter auf den Platz, an dem schon die Mutterpflanze steht. So können keine neuen Lebensräume erschlossen werden.
Silberdisteln sind gute Wetterboten.
Ähnliches gilt auch für die frischen Blüten: Herausgewaschener Pollen kann nicht per Bienenkurier aufgenommen und zur Befruchtung genutzt werden. Wird die Luft feuchter, ist Regen im Anzug, dann reagieren die Blüten mancher Pflanzen darauf mit einer Vorsichtsmaßnahme: Sie schließen sich schützend über ihr Inneres. Ein typischer Vertreter ist die Silberdistel. Ihre großen Blüten sind besonders dekorativ, die beschriebenen Phänomene entsprechend deutlich sichtbar. Daher wird sie im Volksmund auch »Wetterdistel« genannt. Die Vorhersage funktioniert sogar bei getrockneten Pflanzen, da sie auf rein mechanischen Vorgängen beruht. Die Hüllblätter quellen bei steigender Luftfeuchtigkeit und richten sich auf. Früher hängte man die mittlerweile unter Naturschutz stehenden Blüten an die Haustüre, um bevorstehenden Regen rechtzeitig zu erkennen.
Es gibt noch etliche andere Pflanzen, deren Blüten auf Wetterumschwünge reagieren, so etwa der Enzian oder die Seerose. Bei der Wasserpflanze macht die einfache Konstruktion anderer Blütenpflanzen, nämlich nur auf eine Änderung der Feuchtigkeit zu reagieren, wenig Sinn: Seerosen sitzen nun einmal ständig im Nassen. Ihre Blüten zeigen dennoch recht zuverlässig einen Wetterwechsel an. Ob es nun der Druckunterschied (Hoch-/Tiefdruckgebiet) oder nur die abnehmende Helligkeit eines sich bewölkenden Himmels ist, sicher ist nur eins: Die Blüten schließen sich, und zwar oft Stunden vor dem nächsten Regen.
Einen weiteren Kandidaten möchte ich besonders herausheben: das Gänseblümchen. Es wächst praktisch überall, und wenn Sie die kleinen Pflanzen noch nicht im Garten haben, würde ich ihnen ein Eckchen reservieren. Ein Blick auf die weiß-gelben Blüten genügt, und Sie wissen, ob Sie Ihre Wäsche draußen oder besser drinnen aufhängen sollten. Ist Regen oder gar ein Gewitter im Anzug, so schließen sich die Köpfchen. Manche hängen zusätzlich ihr Gesicht nach unten, damit auch ja kein Tropfen hineinfällt. Bei schönem Wetter bleibt die Blüte geöffnet. Das Ganze funktioniert allerdings nur tagsüber, denn abends schließen Gänseblümchen wie manch andere Art auch ihren Laden.
Beim Gänseblümchen ist bekannt, wie das Blütenöffen und -schließen funktioniert: Es sind thermonastische Bewegungen. Der wissenschaftliche Ausdruck beschreibt das unterschiedliche Wachstum der Ober- und Unterseite eines Blütenblattes. Die Oberseite wächst bei höheren Temperaturen schneller als die Unterseite. Im warmen Sonnenschein öffnet sich hierdurch die Blüte, während dunkle Regenwolken schon im Vorfeld eine Abkühlung bewirken, die die Unterseite rascher wachsen lässt und damit die Köpfchen schließt. Ähnliches geschieht im Tagesverlauf. Damit das Gänseblümchen immer reagieren kann, müssen die Blütenblätter fortwährend wachsen, und so werden sie stetig ein klein wenig länger. An dieser Länge können Sie übrigens auch jüngere von älteren Blüten unterscheiden.
Manche Blüten der bunten Wetterpropheten machen das Hin und Her aber nicht mit. Sie lassen selbst im Regen ihr Pollen- und Nektarangebot offen. Vielleicht liegt es daran, dass manchen Zuchtformen dieses Reaktionsvermögen abhanden gekommen ist. Möglicherweise möchten diese Einzelgänger aber auch weniger regenscheuen Insekten ein Angebot machen und sich selbst so einen Vorteil bei der Bestäubung verschaffen. Es gibt noch so manches Geheimnis zu lüften.
Neben Tieren, die auf Regen reagieren, gibt es einige, die schon vorher Verhaltensänderungen zeigen. Ein Kandidat, der seine meteorologischen Qualitäten schon im Namen trägt, ist das Gewittertierchen. Die winzigen Insekten, auch Thripse genannt, messen nur ein bis zwei Millimeter und haben fransenbesetzte Flügel. Wobei Flügel nicht ganz zutreffend ist: Es sind eher Paddel, mit denen sich die Winzlinge durch die Luft bewegen. Für Insekten dieser Größe hat Luft denselben Widerstand wie für uns Wasser. Die Folge ist, dass die Zwerge zwar kaum abstürzen können, aber auch nicht richtig fliegen. Sie schwimmen vielmehr in der Luft und sind dementsprechend langsam. Neben schwülwarmem Wetter lieben sie Luftbewegung – dann geht der Wechsel zu anderen Pflanzen schneller vonstatten. Genau diese Bedingungen (schwülwarm und aufkommende Winde) setzen im Vorfeld von Gewittern ein, sodass sich nun Millionen der kleinen Plagegeister in die Lüfte erheben. Ihr Auftreten ist somit als erste Vorwarnung vor Unwettern zu interpretieren.
Wechselt der Buchfink seinen Gesang, könnte es bald regnen.
Schwalben als Wetterpropheten sind dagegen umstritten. Die Regel besagt, dass tief fliegende Exemplare auf bevorstehende Wolkenbrüche hinweisen. Grund seien flach über dem Gras fliegende Insekten, die von diesen Vögeln gejagt würden. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass es, wenn überhaupt, eher umgekehrt ist: Mit den Aufwinden, die vor einem Gewitter einsetzen, fliegen die Vögel eher höher als zuvor. Die Bauernregel »Fliegen die Schwalben in den Höh’n, kommt ein Wetter, das ist schön« kann Sie also in die Irre führen.
Der Buchfink wartet mit einer anderen Besonderheit auf: Er ändert bei schlechtem Wetter seinen Gesang. Normalerweise trällert das Männchen eine Melodie, für die uns unser Naturkundeprofessor an der forstlichen Fachhochschule folgenden Merkspruch auswendig lernen ließ: »Bin bin bin ich nicht ein schöner Feldmarschall?« Und tatsächlich passt der Gesang der meisten Buchfinken auf dieses Wortschema. Zumindest solange, wie die Sonne scheint. Ändert sich das Wetter, ziehen drohende Gewitterwolken auf oder fängt es gar an zu regnen, so ändert der Fink seine Tonfolge und wird regelrecht einsilbig. Sein sogenannter Regenruf ist ein simples »Räätsch«. Auch hier streitet die Wissenschaft, ob der kleine Vogel als Wetterprophet taugt oder nicht. Offensichtlich lässt er sein »Rätschen« grundsätzlich bei Störungen ertönen, zu denen nicht nur heftige Regenfälle gehören. Ich selbst habe oft in alten Laubwäldern zu tun, die vor Buchfinken nur so wimmeln. Wenn ich auftauche, ist dies eine (kleine) Störung, und dennoch brüsten sie sich ungestört weiter als Feldmarschall. Erst wenn das Wetter umschwingt, wechseln sie zu ihrem Regenruf. Aber urteilen Sie selbst, wie zuverlässig Ihre heimatlichen Buchfinken rufen.
Es ist gar nicht so abwegig, dass auch Menschen Wetterumschwünge körperlich spüren. Denn Hoch- und Tiefdruckgebiete heißen deshalb so, weil sich der Luftdruck in beiden erheblich unterscheidet. Folgt einem Hoch ein Tief, so ist das in etwa so, als ob Sie aus einem Reifen etwas Luft ablassen. Das Messinstrument, welches diesen Druck misst, heißt Barometer. Es funktioniert nicht anders als das Reifendruckgerät an der Tankstelle. Und wir, in der Lufthülle der Erde, sitzen gleichsam in einem riesigen Autoreifen.
Manche Menschen haben ein eingebautes Barometer. Fällt der Luftdruck, so setzen Beschwerden ein. »Wetterfühligkeit« heißt der entsprechende Fachausdruck. Die Wissenschaft ist sich aber noch nicht ganz einig, womit diese zusammenhängt. Eine Theorie besagt, dass sich die Leitfähigkeit der Zellmembranen im Körper ändert. Die Reizschwelle des Nervensystems senkt sich ab, sodass leichter Schmerzen auftreten. Besonders betroffen können Personen sein, die eine akute Erkrankung haben.
Andere Wissenschaftler schreiben die Symptome dem Luftmassenwechsel zu, also etwa dem raschen Wechsel von warmtrockener und feuchtkalter Luft. Vieles ist noch nicht geklärt, nur eines steht fest: Bei manchen Menschen kündigt sich schlechtes Wetter durch körperliche Beschwerden an. Achten Sie doch einfach einmal darauf, was mit Ihnen passiert, wenn das Barometer wieder einmal besonders stark fällt. Vielleicht ist dieses Messgerät ja künftig überflüssig!