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Steve Kramer arbeitet als Profikiller für die New Yorker Mafia. Als er bei seinem letzten Job versagt, gerät er selbst ins Visier seines Auftraggebers. Von nun an steht er auf deren Todesliste. Kramer flüchtet nach Sylt, wo er einen Teil seines Lebens verbracht hat, und versteckt sich in der Pension KLEINE MÖWE. Es dauert jedoch nicht lange, bis er von seinen Verfolgern aufgespürt wird. Auch der Chefarzt der Falkenberg-Klinik, Doktor Alexander Kripow, wohnt in der Pension, um ein paar Tage Urlaub zu machen. Die Wege der beiden Männer kreuzen sich … Der Umfang dieses Buches entspricht 147 Taschenbuchseiten.
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Bernd Teuber
Kripow & Kripow
Herr Doktor und die Polizei
Ein Profikiller kommt nach Sylt
Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv
Cover: © by Steve Mayer nach Motiven, 2022
Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten
Inhaltsverzeichnis
Impressum
Das Buch
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Steve Kramer arbeitet als Profikiller für die New Yorker Mafia. Als er bei seinem letzten Job versagt, gerät er selbst ins Visier seines Auftraggebers. Von nun an steht er auf deren Todesliste.
Kramer flüchtet nach Sylt, wo er einen Teil seines Lebens verbracht hat, und versteckt sich in der Pension KLEINE MÖWE. Es dauert jedoch nicht lange, bis er von seinen Verfolgern aufgespürt wird.
Auch der Chefarzt der Falkenberg-Klinik, Doktor Alexander Kripow, wohnt in der Pension, um ein paar Tage Urlaub zu machen. Die Wege der beiden Männer kreuzen sich ……
***
Steve Kramer beobachtete, wie der Mann gemessenen Schrittes die Fahrbahn überquerte und eine Cafeteria betrat. Er setzte sich an einen Fenstertisch, bestellte einen Kaffee und Brandy und trommelte mit der Hand auf der Tischplatte herum. Er war sichtlich in Gedanken versunken und kümmerte sich nicht um die anderen Gäste. Er bemerkte auch nicht, dass Kramer ihn unauffällig im Auge behielt.
Der Mann war groß, athletisch und sonnengebräunt, ein schwarzhaariger Hüne mit kalten grauen Augen. Zu seinen hellen Leinenhosen trug er ein kurzärmeliges Polohemd, auf dessen Brusttasche das Markenzeichen eines exklusiven Herstellers prangte. Gürtel und Schuhwerk waren von ausgesuchter Qualität. Der Mann hieß Salvatore Bulozzi. Er war die rechte Hand von Don Farino. Sein Boss galt innerhalb der New Yorker Mafia als jemand, dessen Wort Gewicht hatte. Farino sah aus wie ein Italiener. Er beherrschte auch deren Sprache, aber er stammte ursprünglich aus Mexiko.
Durch seine Heirat mit einer Italienerin, der Tochter eines einflussreichen Mitglieds der Mafia, war es ihm gelungen, von der Ehrenwerten Gesellschaft als einer der ihren betrachtet und respektiert zu werden. Bulozzi war Farinos Vertrauter. Ein Amerikaner, der seine Vorfahren bis in die harten Tage der Pionierzeit zurückverfolgen konnte. Er hatte die Härte seiner Vorfahren übernommen. Von ihm war bekannt, dass er über Leichen ging und keine Gnade kannte, wenn die Interessen des Syndikats oder persönliche Belange auf dem Spiel standen.
Die Serviererin brachte dem Mann das Gewünschte und legte den Bon neben ihm auf den Tisch. Er trank zuerst den Brandy. Man konnte sehen, dass er sich sichtlich entspannte. Kramer orderte ein Mineralwasser. Er saß an dem U-förmigen Tresen und sah zu, wie der Koch Ham and Eggs zubereitete. Gleichzeitig beobachtete er aber auch, wie Bulozzi mit seinem Bon zur Kasse ging, ohne den Kaffee berührt zu haben.
Kramer wartete, bis er die Straße erreicht hatte, dann folgte er ihm in sicherem Abstand. Bulozzi ging bis zur nächsten Straßenkreuzung und setzte sich dort in einen dunkelblauen Ford. Der Wagen war guter Durchschnitt und völlig unauffällig. Kramer lief zu seinem Toyota. Knapp eine Minute später fuhr er hinter dem Ford her, immer bemüht, stets ein oder zwei Wagen zwischen sich und dem anderen zu lassen.
Die Fahrt endete in Midtown, 55te östliche Straße, nur einen Häuserblock von der Lexington Avenue entfernt. Das Haus, vor dem Bulozzi stoppte, und welches er gleich darauf betrat, war so unauffällig wie ein New Yorker Taxi, und genauso gelb. Es hatte drei Etagen und einen Lieferanteneingang neben der zur Haustür emporführenden Treppe. Das Haus gehörte zu denen, die so gar nicht in das Wolkenkratzermeer der Stadt zu passen schienen, und von denen es trotzdem Tausende in dem Bezirk zwischen 30ter und 70ter Straße gab. Es war solide, bürgerlich und irgendwie vertrauenerweckend, eine Mischung aus niederländischem und englischem Wohnstil.
Kramer parkte seinen Wagen einige Meter entfernt am Straßenrand und wartete. Er hatte Bulozzi mehrere Tage lang beobachtet und festgestellt, dass der Mann einige Gewohnheiten hatte, von denen er nie abwich. Eine war, dass er sich regelmäßig Lebensmittel aus einem Supermarkt liefern ließ. Heute war wieder so ein Tag. Kramer musste fast eine Viertelstunde warten, bis der Botenjunge mit den Einkaufstüten um die Ecke kam. Er stieg aus und ging auf ihn zu.
»Ist das die Lieferung für Mister Bulozzi?«
Der Junge nickte.
»Lass mich das erledigen.« Er steckte dem Jungen zehn Dollar in die Brusttasche der Jeansjacke.
»He, Mister, das kann ich nicht machen. Er hat dafür bezahlt. Das muss ich schon persönlich abliefern. Wenn Sie mit dem Zeug abhauen, verliere ich meinen Job.«
»Was ist das Ganze wert?«
»Mindestens sechzig Dollar.«
»Wie heißt du?«
»Bobby.«
»Hör zu, Bobby, hier hast noch ’n Zwanziger. Wenn ich die Sachen klauen wollte, würde ich dafür nicht bezahlen. Du kannst unten im Haus warten und dich davon überzeugen, dass ich die Sachen ordnungsgemäß abliefere. Es geht um eine Wette, weißt du.«
Der Junge überließ Kramer die Tüten und nahm dafür zwei Zehndollarnoten in Empfang. Die Haustür war nicht verschlossen. Kramer stieg in die dritte Etage hinauf und klingelte. Schritte ertönten. Bulozzi öffnete. Er hatte es sich bequem gemacht und das Sakko abgelegt. Der Hemdkragen stand offen, der Schlips war gelockert. Er hielt eine Dose Bier in der Hand. Seine dunklen Augen hatten etwas Verhangenes, aber hinter dem Schleier, der die Pupillen wie ein dünner Rauchfilm abzuschirmen schien, zeigten sich wache Intelligenz und die Fähigkeit zur Härte. Bestimmt war noch sehr viel mehr in diesen Augen enthalten, aber Kramer kam nicht auf Anhieb dahinter, was es sein könnte.
»Ich bringe die Sachen«, erklärte er. »Bobby ist krank.«
»Was Schlimmes?«, fragte Bulozzi.
»Nein, ich glaube nicht. Sie kennen ihn ja. Er ist wie ’ne Katze. Wird schnell wieder auf den Beinen sein.«
»Kommen Sie herein und stellen Sie das Zeug auf dem Küchentisch ab«, erwiderte Bulozzi.
Kramer befolgte die Aufforderung. In der Küche herrschte peinliche Sauberkeit. Irgendwo in der Wohnung spielte ein Radio. Es war zu hören, dass die Musik aus hochwertigen Lautsprechern kam.
»Sie sehen nicht gerade wie ein Bote aus«, spottete Bulozzi und holte einen Fünfdollarschein aus seiner Gesäßtasche. »Hier, das ist für Ihre Mühe.«
»Danke«, erwiderte Kramer. Er nahm den Schein und steckte ihn in die Jackentasche. »Ich mache alles, wenn es nur gut bezahlt wird. Falls Sie was für mich haben sollten …« Er schaute auf seine Armbanduhr. »Das war mein letzter Botengang. Ich schmeiße den Kram hin. Ich habe nichts dagegen, Mädchen für alles zu spielen, aber die Kohle muss stimmen – sonst läuft da gar nichts.«
»Tja, heutzutage ist es nicht so leicht, einen gutbezahlten Job zu finden.«
»Das stimmt«, erwiderte Kramer. »Deswegen habe ich auch noch einen kleinen Nebenverdienst.« Mit einer schnellen Bewegung zog er eine Pistole mit Schalldämpfer aus dem Holster unter seiner Jacke und richtete sie auf den Mann.
Bulozzi blickte ihn erstaunt an. »He, was soll denn das werden? Ein Überfall? Das können Sie vergessen. Ich habe hier kein Geld.«
»Daran bin ich auch nicht interessiert.«
»Was denn sonst?«
»Ich werde dafür bezahlt, dass ich Sie umlege.«
In Bulozzis Gesicht zuckte kein Muskel. Er blickte in die auf ihn gerichtete Waffenmündung. Der Finger des Mannes lag dicht am Abzug.
»Damit fällst du auf die Schnauze«, erwiderte Bulozzi. Er war bemüht, nicht die Nerven zu verlieren.
»Das ist doch nicht Ihr Problem, oder?«
»Mein Boss wird nicht sehr begeistert sein, wenn du mich umlegst.«
»Wer glaubst du, hat das hier angeordnet?«
Bulozzi schluckte. Das flaue Gefühl in seiner Magengegend vertiefte sich. Sein Herz schlug hoch oben im Hals.
»Nein«, ächzte er. »Nein.«
Plötzlich wurde die gegenüberliegende Tür geöffnet. Eine junge Frau erschien. Sie war splitternackt. Als sie die Waffe in Kramers Hand entdeckte, stieß sie einen spitzen Schrei aus. Der Killer war für einen Moment abgelenkt. Diesen Umstand machte Bulozzi sich zunutze. Kramer wollte abdrücken, aber sein Gegner war schneller. Er sprang auf ihn zu und schlug seinem Gegner die Waffe aus der Hand. Bulozzi tat es mit der routinierten Kraft eines Mannes, der sich durch beständiges Training fit hält.
Kramer musste zwei harte Faustschläge einstecken und hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Er konterte. Seine Rechte landete einen Treffer. Bulozzi schnappte nach Luft und ging auf Distanz. Kramer setzte nach. Er kämpfte, so gut er konnte und merkte, wie er ins Schwitzen geriet. Kramer versuchte, das Kräftepotenzial seines Gegners richtig einzustufen. Der Mann war einen Meter fünfundachtzig groß, schlank und einige Jahre jünger. Es würde ein hartes Stück Arbeit werden, ihn auszuschalten.
Bulozzi riss seine rechte Faust hoch. Kramers Kopf zuckte in einem Reflex zur Seite, aber nicht weit genug, um den Schlag zu entgehen. Er war hart und schmerzhaft.
»Ich drehe dich durch die Mangel«, drohte Bulozzi. Er hielt Kramer mit beiden Händen fest. »Ich lasse dich alle Zähne ausspucken und …«
Kramer riss das Knie hoch. Es war nicht zu erwarten, dass Bulozzi noch mehr als das Gesagte äußern würde. Kramers Knie traf ihm mit voller Wucht. Bulozzi riss den Mund so weit auf, dass man das Knacken der gestressten Kinnlade hören konnte. Er stöhnte laut, doch er brauchte nur wenige Sekunden, um sich von der rüden Attacke zu erholen. Mit einem Satz kam er wieder auf die Füße. Schon im nächsten Moment rammte Bulozzi ihm seine Faust in die Rippen. Abermals ging er zu Boden.
Wellen des Schmerzes jagten durch Kramerrs Körper. Er spuckte Blut und versuchte, seine Waffe zu erreichen, die nur wenige Meter von ihm entfernt lag. Er schaffte es auch, doch bevor er abdrücken konnte, war Bulozzi bereits aus der Wohnung gestürmt. Kramer feuerte zwei Schüsse ab. Die Kugeln bohrten sich in den Rahmen der Küchentür. Der Killer stieß einen Fluch aus und ließ die Waffe sinken. Er brauchte fast zwei Minuten, um sich zu erholen. Langsam richtete er sich auf und stützte sich auf den Küchentisch. Draußen verebbten Bulozzis Schritte auf der Treppe.
Aus einem der Nebenräume ertönte das Schluchzen einer Frau. Kramer schob die Waffe ins Holster unter seiner Jacke und taumelte in Richtung Ausgang. Seine Gedanken konzentrierten sich auf das, was er jetzt für absolut vorrangig hielt. Er musste so schnell wie möglich von hier verschwinden. Es sah schlecht für ihn aus. Verdammt schlecht. Er begriff es, denn er machte sich keine Illusionen. Und in all den Jahren war er immer auf einen solchen Augenblick vorbereitet gewesen. Es würde ihn lächerlich wenig Zeit kosten, alles hinter sich abzubrechen.
Als Kramer die Wohnung verließ, wurde in der Nähe eine Tür geöffnet. Ein älterer Mann streckte stirnrunzelnd seinen Kopf heraus.
»Was ist denn das für ein Lärm?«, erkundigte er sich ärgerlich.
Kramer achtete gar nicht auf ihn. Er lief an dem verblüfften Mann vorbei zur Treppe und rannte nach unten, immer drei Stufen auf einmal nehmend. Der Nachbar brauchte nicht lange, um aus seiner Erstarrung zu erwachen. Neugierig näherte er sich der offenen Tür. Als er sie endlich erreicht hatte, entdeckte er die Blutflecken auf dem Boden. Er machte einige Schritte in die Wohnung. Im selben Moment wurde die Badezimmertür geöffnet. Eine junge, nackte Frau starrte ihn entgeistert an, fing an zu schreien und warf die Tür wieder zu.
»Himmel«, murmelte der alte Mann mit heiserer Stimme. Es gelang ihm, die Beherrschung einigermaßen wiederzuerlangen. Er verschwand in seiner Wohnung und benachrichtige die Polizei. Ehe diese eintraf, wusste jeder in dem Haus, dass in Bulozzis Apartment etwas geschehen war.
Auf der River Road zwischen Hackensack und Newbridge rollte mäßiger Verkehr. Die meisten Leute aus den umliegenden Städten hockten noch an ihren Schreibtischen oder Fließbändern. Jetzt waren vorwiegend Trucks, Kleintransporter und schwere Limousinen der gehobenen Luxusklasse unterwegs – Manager, die es sich leisten konnten, dann ins Büro zu fahren, wenn es ihnen passte.
Steve Kramer hatte für diese Szenerie nicht mehr als ein mildes Lächeln übrig. Es waren Maßstäbe, die für ihn nicht galten. Und er war froh darüber. Mit seinem Leben konnte er zufrieden sein. Zumindest bis zum jetzigen Zeitpunkt. Dass er solche Gedanken hegte, hing mit dem Problem zusammen, das ihm im Moment zu schaffen machte. Denn dieses Problem zeigte ihm, welchen erstklassigen Job er im Grunde hatte.
Doch nun stand dieser Job wegen der idiotischen Panne mit Salvatore Bulozzi plötzlich auf wackligen Beinen. Sinnierend lenkte Kramer den Toyota über die Betonfahrbahn der River Road. Eine blasse Sonne stand am Himmel. Er klappte die Kunststoffblende herunter und schob sich eine Zigarette zwischen die schmalen Lippen. Nein, er brauchte sich nichts vorzumachen. Sein Auftraggeber war mit Sicherheit sauer auf ihn.
Was das bedeutete, war für einen Mann wie Kramer kein Anlass für langes Rätselraten. Er selbst hatte oft genug Aufträge ausgeführt, bei denen es darum ging, unzuverlässige Leute aus den Reihen der Organisation auszumerzen. Bulozzi war der letzte Auftrag dieser Art gewesen. Kramer verzog die Mundwinkel zu einem dünnen Grinsen. Seine Karriere war zu Ende. Daran gab es nichts zu rütteln. Man musste das Beste aus der Lage machen und vor allem an sich selbst denken. Die Organisation würde nicht mehr ihre schützende Hand über ihn halten.
Nein, sie war plötzlich zu einem Raubvogel geworden, der seine Krallen noch verbarg, aber blitzschnell zupacken würde, wenn man nicht aufpasste. Als die Abzweigung in Sicht kam, hatte sich Kramer vollends dazu durchgerungen, die Konsequenzen zu ziehen. Nun befand er sich auf dem Heimweg.
Heimweg!
Es war ein Witz, wenn er sich dieses Wortes bediente. Er hatte kein Heim mehr, sondern nur noch wechselnde Unterkünfte, die dem jeweiligen Auftrag angepasst waren. Aber diese Unterkunft musste er erreichen, bevor man Jagd auf ihn machte. Kramer sah, dass vor und hinter ihm nur wenige Fahrzeuge waren. Hauptsächlich Trucks, soweit er feststellen konnte. Er betätigte den Blinker, nahm Gas weg, trat auf die Bremse und zog den Toyota nach rechts. Schwarz-weißer Karosserielack sprang wie ein Schock in sein Blickfeld. Er zuckte zusammen und rammte ungewollt den Fuß auf das Bremspedal.
Eine halbe Fahrzeuglänge vor dem Streifenwagen der State Police New Jersey kam der Toyota mit nach unten tauchender Chromschnauze zum Stehen. Kramer hatte Mühe, die Schrecksekunde zu überwinden. Flackernd glitt sein Blick über die unfassbare Szenerie. Der Streifenwagen, Polizisten, eine Harley Davidson und der dazugehörige Fahrer mit Stiefeln und Sturzhelm. Kramer sah nicht die Radaranlage und die automatische Kamera hinter den Scheiben des Streifenwagens.
Deshalb deutete er den Anblick falsch und brachte die Anwesenheit der Polizisten unmittelbar mit seinem vermasselten Auftrag in Zusammenhang. Aus einem Reflex heraus tat er genau das Falsche. Mit einer schnellen Bewegung rammte er die Automatik auf »Rückwärts«, gab Gas und überzeugte sich, dass die Fahrbahn frei war. Im nächsten Moment raste der Toyota mit quietschenden Reifen in Richtung Newbridge los.
Aus den Augenwinkeln heraus sah Kramer noch, wie die Polizisten hektisch durcheinanderliefen. Er begriff nicht, dass sie nur deshalb Verdacht schöpften, weil sie sein erschrockenes Gesicht gesehen hatten. Und seine Reaktion in wilder Flucht. Für die Beamten war es Grund genug, die Radarkontrolle vorübergehend zu vergessen. Kramer duckte sich über das Lenkrad und trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Zufrieden registrierte er, wie die Geschwindigkeit rasant anstieg.
Der Kastenaufbau eines Trucks tauchte vor ihm auf. Kramer zog nach links, ohne Gas wegzunehmen. Ein entgegenkommender Lieferwagen musste abbremsen und auf den Seitenstreifen ausweichen. Wütendes Hupkonzert klang Kramer in den Ohren. Er lächelte nur. Dann jagte der Toyota wieder auf der rechten Fahrspur dahin. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte dem Killer, dass der Truck hinter ihm rasch kleiner wurde. Und vor ihm war die Fahrbahn frei. Die ersten Häuser von Newbridge kamen am Horizont in Sicht.
Als Kramer erneut in den Rückspiegel sah, traf ihn ein schmerzhafter Stich in die Magengegend. Die unverkennbare Silhouette der Harley Davidson hatte sich vor den Truck geschoben. Der Motorradfahrer hing tief über den Lenker gebeugt – wie ein Reiter, der seinem Pferd das Äußerste abverlangte. Verzweifelt versuchte Kramer, das Gaspedal noch weiter durchzutreten. Aber es gelang ihm nicht. Knapp über der Hundert-Meilen-Marke blieb der Tacho stehen. Der Sechszylinder des Toyota röhrte. Im Rückspiegel wuchsen die Umrisse des Motorrads wie in Zeitlupe – jedoch unaufhaltsam.
Schweißperlen traten auf Kramers Stirn. Mit der linken Hand umklammerte er krampfhaft das Lenkrad, um mit der anderen die Pistole aus dem Holster zu ziehen. Er legte die Waffe neben sich auf den Beifahrersitz. Kramer bemerkte, dass die Straße jetzt leichtes Gefälle hatte. Der Tacho kletterte auf hundertzehn Meilen pro Stunde. Und die Fahrbahn war immer noch frei. Aber der Verfolger ließ sich nicht abhängen. Kramers Finger verkrampften sich um das Lenkrad. Der Schweiß lief jetzt in kleinen Bächen über sein Gesicht.
Er konnte nur hoffen, dass er rechtzeitig die Stadt erreichte. Dann hatte er eine Chance, den Polizisten auf dem Motorrad im Gewirr der Straßen abzuschütteln. Plötzlich tauchte aus einer Seitenstraße ein Streifenwagen auf. Kramer registrierte ihn erst, als er das flackernde Licht auf dem Dach sah. Jetzt blieben ihm nur noch Sekunden. Er starrte in den Rückspiegel. Reflexartig nahm er Gas weg. Die Harley Davidson kam näher. Weiter hinten hatte jetzt der erste Streifenwagen ebenfalls den Truck überholt. Eine Kelle wurde aus dem Seitenfenster geschwenkt. Die Beamten stoppten den fließenden Verkehr.
Und vorne stand der zweite Streifenwagen quer auf der rechten Fahrspur. Aus der entgegengesetzten Richtung rollte ein schwerer Sattelschlepper heran. Kramer wusste, dass er es nicht mehr schaffen würde, an dem Streifenwagen vorbeizukommen. Er saß in der Falle. Kramer kam nicht auf den Gedanken, dass es sich bei dem zweiten Streifenwagen um den Halteposten handelte, der mit der Radarkontrolle in Funkverbindung gestanden hatte, um etwaige Raser zu stoppen.