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Wir sind in einem neuen Zeitalter. Viele nennen es das Informationszeitalter. Das Konzept unserer aktuellen Schule stammt aus einer vergangenen Zeit, als es das Internet noch nicht gab. Der Typus des Lehrers aus einem veralteten Zeitalter kann niemals den Anforderungen eines neuen Zeitalters gerecht werden. In diesem Essay wird ein neuer Typ an Lehrern und Lehrerinnen vorgestellt: der Lernexperte.
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Seitenzahl: 136
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Ausbildung heißt, das zu lernen, von dem du nicht einmal wusstest, dass du es nicht wusstest.
Ralph Waldo Emerson
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Das Modell unserer Schule stammt aus dem vergangenen Jahrhundert. Es stammt ehrlich gesagt sogar aus dem letzten Jahrtausend. Aber das ist gar nicht das Entscheidende. Denn was wirklich relevant ist, ist, dass es aus einem vergangenen Zeitalter stammt. Als das heutige Schulsystem konzipiert wurde, befanden wir uns in der Postmoderne. Aber heute befinden wir uns in einem neuen Zeitalter, das viele als das Informationszeitalter und andere als das digitales Zeitalter bezeichnen. Kurz gesagt, wir sind im Internetzeitalter. Wie effizient kann eine Schule sein, die aus einer vergangenen Zeitepoche vor dem Internet stammt?
Viele glauben der Unterschied zwischen der alten Zeit und unserem neuen Zeitalter wird noch größer werden als der Unterschied zwischen Antike und Mittelalter. Auch beim Übergang von der Antike zum Mittelalter und dann zur Neuzeit hat sich die Vorstellung von Unterricht, Bildung und Erziehung dramatisch verändert. Es ist nur logisch, davon auszugehen, dass es in unserem technologischen Zeitalter genauso sein wird.
In diesem Essay geht es um ein neues Modell für Lehrkräfte, welches in diesem Zeitalter deutlich effizienter sein wird als das Alte. Was ist das alte Modell, welches es ablösen wird? Aktuell herrscht das Modell des Fachlehrers vor. Das sind Lehrerinnen, die in der Regel in zwei Fächern ausgebildet worden sind. Im Grundschulbereich sind es häufig drei, aber es gibt auch welche mit nur einem Fach. Die Lehrerin ist hier zuerst einmal Wissensvermittlerin.
Die alte Schule und ihre LehrerInnen hatten das Monopol auf Wissen für lange Zeit inne. Es war ihre Aufgabe, der nächsten Generation dieses Wissen zur Verfügung zu stellen. Das war ihr Hauptmotiv und ihre Existenzberechtigung. Mit dem Internet und den vielen digitalen Angeboten, online Seminaren, Tutorials und Lernspielen ist dieses Monopol verschwunden. Der Lehrer ist nicht mehr der Einzige, der das Wissen vermitteln kann. Damit steht seine gesamte Existenzberechtigung zur Disposition, falls er sich nicht an die neuen Umstände anpasst.
Was das Internet anbietet, kann kein einzelner Lehrer mehr anbieten und auch keine einzelne Schule. Selbst ein Schulsystem, das nicht im hohen Maß die technischen Möglichkeiten zum Lehren und Erziehen nutzt, wird es irgendwann nicht mehr können. Denn hält die technische Entwicklung weiter so an, wird das jetzige konventionelle Schulsystem von den Angeboten der interaktiven und digitalen Welt abgehängt werden. Ich denke, mit dieser düsteren Prognose stehe ich nicht alleine da, sondern es ist eine extrem große Zahl von Experten, die das genauso sieht.
Muss sich Schule deshalb abschaffen? Nein absolut nicht. Sollten alle Lehrerinnen mit dem Job aufhören, weil sie bald als Wissensvermittlerinnen obsolet sein werden? Überhaupt nicht. Woran ich glaube, ist die Evolution. Das heißt im Umkehrschluss, dass ich sowohl gegen Revolutionen, als auch kein großer Freund von Reformen bin. Was die Schule und mit ihr die Lehrkräfte durchmachen müssen, ist eine Entwicklung. Anpassung ist das zentrale Merkmal allen Lebens. Wir müssen uns an das neue Zeitalter anpassen.
Wenn wir das Modell des Fachlehrers nicht mehr brauchen; was wird an seine Stelle treten? Die Antwort ist: der Lernexperte. Diese Antwort ist leicht und dennoch wird sich der Rest des Essays damit beschäftigen, zu erläutern, was den Lernexperten ausmacht und wie er sich vom Fachlehrer oder der Lehrerin als Wissensvermittlerin unterscheidet.
Wissen ist Macht. Das war in der Moderne so und das wird im Informationszeitalter so bleiben. Die Bedeutung des Wissens wird sogar exponentiell zunehmen. Aber es wird ganz anders funktionieren als in der Neuzeit oder der Postmoderne. Denn in diesen Zeitepochen war Wissen eine Mangelware. Es war beschränkt, exklusiv und übersichtlich. Das hat sich fundamental umgekehrt. Eine Faustregel sagt, alle fünfzehn Jahre verdoppelt sich das Wissen. Also haben wir schon bald viermal so viel Wissen wie seit der letzten Jahrtausendwende. Denn Wissen ist zu einem unbegrenzten Rohstoff geworden. Es gibt ihn so häufig und in solchem Überangebot, dass sich das niemand vor hundert Jahren hätte vorstellen können und um ehrlich zu sein, können wir uns auch nicht vorstellen, wie viel Wissen uns durchs Internet zur Verfügung gestellt wird.
Nicht alles von diesem Wissen ist nützlich. Das steht außer Frage. Da ist viel oberflächlicher Klamauk darunter, der nur unterhalten soll oder dessen einziger Zweck darin besteht, schnell Klickzahlen und Traffic zu produzieren. Aber das darf uns nicht dazu verleiten, zu zweifeln, dass es nicht auch extrem kostbares Wissen im Internet gibt.
Zunächst einmal gibt es heute im Internet kostenlos extrem viele anspruchsvolle Klassiker und auch wissenschaftliche Fachliteratur. Aber damit fängt es gerade erst an. Wären einfach nur die Printmedien digitalisiert und hochgeladen worden, könnten sie dem konventionellen Schulsystem kaum Konkurrenz machen.
Doch das Internet macht der Schule Konkurrenz und das tut es mit hochwertigen Bildungsangeboten. Gerade rollt die erste wirklich große AI Welle über den Planeten und sie wird dieses Angebot noch einmal deutlich verbessern. Aber auch bisher glänzt es bereits mit gut verständlichen Tutorials, Online-Akademien, Coachings (auch wenn es da viele faule Eier gibt) und Lernspielen. Sehen wir uns die klassische Schule mit den Büchern, Arbeitsheften und dem interaktiven Whiteboard an, dann verstehe ich, dass junge Menschen mehr Lust darauf haben, auf das Angebot aus dem Internet zurückzugreifen.
Wir haben das Wissensmonopol verloren. Dieser harten Realität müssen sich alle Lehrkräfte stellen. Wir besaßen es für einige Jahrhunderte. Es war die Basis unseres Berufs gewesen. Jedoch kann es das nicht mehr sein. Wir sind nicht mehr die Vertreter des Wissensmonopols, sondern nur noch Akteure auf einem riesigen (Wissens)Markt mit sehr großer Konkurrenz und einem ständigen Konkurrenzkampf um die Deutungshoheit.
Da die Basis des Lehrerberufs sich verändert hat, muss sich logischerweise auch der Lehrberuf verändern. Wie gesagt, glaube ich nicht daran, dass das durch Reformen oder revolutionäre Prozesse geschehen kann, sondern ich glaube an die evolutionäre Entwicklung. Also wenn ich sage, dass sich der Lehrberuf verändern muss, dann meine ich damit, er muss sich weiterentwickeln.
Was denkt ihr, wie viel Prozent der heutigen Tätigkeit einer Lehrerin könnte die Technik übernehmen, wenn sie optimal genutzt würde? Ich persönlich glaube, es wären ungefähr dreißig Prozent. Des weiteren glaube ich, dass bis zum Ende des Jahrzehnts bei der jetzigen Entwicklungsgeschwindigkeit wahrscheinlich fünfzig Prozent, also die Hälfte der heutigen Tätigkeiten von Maschinen, Internet und Apps übernommen werden könnten.
Leute, die wenig von Technik verstehen, werden jetzt Panik bekommen, weil sie glauben, dass wir dann alle arbeitslos werden. Vielleicht ist das sogar einer der Hauptgründe, warum die Technologie so extrem langsam Einzug in die staatlichen Unternehmen hält. Das erinnert natürlich an die verrückten englischen Ludditen oder die Maschinenstürmer in Deutschland. Aus Angst ihre Arbeit zu verlieren, haben sie viele Maschinen zerstört. Es stimmt natürlich, dass damals die Mechanisierung viele Arbeitsplätze zerstört hat, aber im Gegenzug hat sie extrem viele neue Jobs geschaffen und zwar mehr, als wie sie vorher zerstört hatte.
Die Arbeitswelt verändert sich. Wir sind in einem neuen Zeitalter und es sind andere Kompetenzen, Fähigkeiten und Skills, die unsere Kids brauchen, um ein hohes Gehalt zu erwirtschaften. Vor allem sind es deutlich anspruchsvollere Kompetenzen. Etwa werden sich mit bäuerlicher Feldarbeit weniger Menschen in Zukunft einen hohen Lebensstandard erarbeiten können als noch vor zweihundert Jahren.
Die Arbeitswelt hat sich weiterentwickelt. Auch ein Farmer muss heute mit Drohnen umgehen können. Er sollte sogar Content für Social Media erstellen können, um seinen Absatz zu steigern. Außerdem muss er die ganze Buchhaltung machen, denn was der Staat heute an Bürokratie verlangt, grenzt an Wahnsinn. Was für den Bauern gilt, gilt auch für alle anderen Berufszweige. Schule müsste, um es ehrlich zu sagen, mindestens zwanzig Prozent mehr leisten oder anders ausgedrückt, die Jugendlichen zwanzig Prozent kompetenter machen als vor der flächendeckenden Einführung des Internets, falls sie sie für die nationalen und internationalen Märkte fit machen will.
Mithilfe der heutigen Technologien ist es möglich, die Jugendlichen deutlich fitter als vor dreißig Jahren zu machen. Leider zeigen die Statistiken und Vergleichsstudien exakt den gegenteiligen Trend. Dazu kommen die Rückmeldungen aus der dualen Berufsausbildung und den Universitäten. Das Bild, was sich abzeichnet, ist dramatisch. Würde die Schule nicht schon von sich aus in einer großen Bildungskrise stecken, angesichts dessen was in deutschen Schulen abläuft, so wäre sie es durch die Qualität der Schulabgänger.
Gerade diese Woche geisterte wieder eine Rektorin durch die Nachrichten. Sie war in einer Talkrunde bei einem großen öffentlichen TV-Sender und hat dort dem Land berichtet, wie dramatisch die Lage an ihrer Schule ist. Die aktuelle Polizeistatistik stützt ihre Aussagen zum Anstieg der Gewalt an Schulen. Wäre also nicht intern schon alles schlimm; allein der Output ist so desaströs, dass wir von einer Bildungskrise sprechen müssten. Der Output meint hier das Leistungsniveau des durchschnittlichen Schülers* nach dem Verlassen der Schule.
Ich prophezeie ernsthaft, dass ein richtiger Einsatz der Technik plus einer dazu passenden Didaktik in der Lage wäre, die notwendige Leistungssteigerung unserer Jugend zu ermöglichen. Die Betonung liegt dabei auf der richtigen Didaktik. Bisher ist mir leider keine Uni bekannt, die dazu etwas ernsthaftes und alltagstaugliches entwickelt hätte.
In der Berufswelt spricht man häufig vom Highperformer. Das sind die Mitarbeitenden, die extrem viel leisten. Ich spreche hier bewusst nicht von überdurchschnittlich, weil die Durchschnittswerte sagen letztendlich wenig aus. Sondern es geht darum, angesichts der Möglichkeiten das Maximum und/oder das Optimum herauszuholen. Wir brauchen nicht darüber reden, ob es der aktuellen staatlichen Schule gelingt, junge Menschen zu solchen Highperformern auszubilden (Ich hätte gern „formen“ gesagt, aber das hätte bestimmt Kritiker aus den falschen Lagern aufgeregt).
Wenn wir fünfzig Prozent unserer heutigen Arbeit von den Maschinen, also KIs, Apps, Lernsoftware und speziellen KI-Assistenten machen lassen, aber dann nicht so dumm sind, das Ganze als Sparmodell zu benutzen. Bei der Reform zur Integration hat es die Politik gemacht, was dazu geführt hat, dass heute mehr Schüler und Schülerinnen in der Schule leiden als jemals zuvor. Sondern wenn wir das Personal beibehalten und die freigewordene Zeit für tiefgründige Pädagogik nutzen, dann könnten wir flächendeckend diese Highperformer aus unseren SuS herausholen.
Jedem wird sofort klar sein, dass das mit dem Modell des Fachlehrers in wissenschaftlicher Ausbildung in einem oder mehreren Fächern nicht möglich sein wird. Ich bezweifel, dass es mit den heutigen pädagogischen Konzepten und Idealen möglich ist, die Jugend zu diesen Highperformern auszubilden. Jedoch müssen wir genau das schaffen, falls wir wirtschaftlich unsere Position halten und nicht einen riesigen Wohlstandsverlust riskieren wollen.
Die Computer würden mit den Kids das durchführen, was wir heute als klassischen Unterricht verstehen. Dazu brauchen sie eigentlich nur ein Handy, obwohl ein schönes Tablet mit einem größeren Format natürlich viel besser wäre. Dort lernen sie die ganzen Themeninhalte kennen und das natürlich multimedial und multimethodisch. Letztendlich setzt das nichts anderes voraus, als das Apps und Software dafür programmiert werden müssen. Sie öffnen den Zugang zum Lernthema, bieten Texte, Videos und Audios an und tun am Ende jeder Lerneinheit vollautomatisch testen. Das ist beim heutigen Stand der Technik definitiv möglich und es wird mit jedem Jahr, in dem die Entwicklung fortschreitet, einfacher.
Diese Software oder Apps können natürlich auch innerhalb der Schule vernetzt werden, sodass das Programm passende Gruppen bilden kann. Auch wenn dadurch das Konzept der Klasse in Frage gestellt wird, würde ich sie aus sozialen Gründen definitiv aufrechterhalten. Tatsächlich fände ich es gut, feste Klassen mit wenig Schwankungen zehn Jahre am Stück zu führen. Die Apps vermitteln und testen das Wissen der jeweiligen Lerneinheit. Das ist das, was wir LuLs heute zu siebzig Prozent unserer Arbeitstätigkeit tun. Es müsste längst nicht mehr getan werden. Zugleich müssten die LuLs etwas tun, das für die wirtschaftliche, als auch politische Zukunft der nächsten Generation viel wichtiger ist.
Mittelmäßig zu werden, ist nicht schwer. Dazu brauchen wir nur Wissen zu vermitteln und es durch schriftliche Tests überprüfen. Wären wir eines der Völker im wirtschaftlichen Mittelfeld, wäre das nicht schlimm. Aber unsere Lohnkosten sind hoch und es rentiert sich für ein Unternehmen nur dann bei uns zu produzieren, wenn wir Mitarbeitende anbieten können, die ein Ausbildungsniveau besitzen, das genauso wie unsere gesamte Wirtschaft Weltmaßstab ist. Fakt ist, wir konnten für viele Jahrzehnte dieses Ausbildungsniveau produzieren. Aber die jüngsten Statistiken zeigen, dass die letzten Reformen und die aktuellen Konzepte, welche die heutige Schule konstituieren, dieses Momentum zerstört haben. Wir bringen keine hochleistungsfähige Jugend mehr hervor, wie wir es noch vor einigen Jahren getan haben.
Was muss also der Lehrer und die Lehrerin tun, wenn die Wissensvermittlung ab jetzt von Maschinen übernommen wird und er/sie trotzdem genauso viel arbeiten muss, um den Ansprüchen des Weltmaßstabes gerecht zu werden?
Höchstleistungen kitzelt man aus den SuS nicht durch Frontalunterricht heraus. Auch nicht indem man sie in ihren Peergruppen einfach selbst lernen lässt; zumindest nicht ohne vorher einen Input reinzustecken, der größer als der im Frontalunterricht ist. Sondern es geschieht mit der richtigen Arbeit am Einzelnen.
Zu allererst muss der Wille geweckt werden. In einem freien Land geht es nur damit. Nach meiner Recherche waren wir Deutschen einst eines der lerneifrigsten Völker der Erde. Das sind wir nicht mehr. Echtes Lernen ist und war bei uns übrigens mehr als das stumpfe Auswendiglernen wie für die konfuzianische Prüfung zum Beamten. Es war sehr komplex, kreativ und umfassend. Ich habe den Eindruck, davon ist nur noch wenig übrig. Einige Sozio-Kulturen haben einen langen Kampf gegen unsere Bildungskultur geführt. Aber ich bleibe dabei, ohne dass wir die Lust, den Willen und den Sinn des Lernens wieder ganz nach oben in unseren kulturellen Normen stellen, werden wir nicht zu unserem alten Momentum im Bereich Bildung, Wissenschaft und Erziehung (und Wirtschaft) zurückgelangen.
Nachdem der Wille geweckt ist, geht es weiter. Denn der reine Wille allein wird nicht reichen, um Höchstleisterin zu werden. Aber wir müssen das schaffen! Denn aktuell profitiert Deutschland von seinen sehr gut ausgebildeten Arbeitskräften. Abgesehen von der alten traditionellen Arbeitsmoral, die leider auch parallel zum Wohlstandsniveau sinkt, hält unser aktuelles Ausbildungsniveau nicht mit den Entwicklungen auf dem Weltmarkt mit. Unser relatives Niveau hat sich in den letzten Jahren im Vergleich zum Weltmaßstab eindeutig verschlechtert.
Wenn wir fünfzig Prozent unserer Aufgaben durch die Technik machen lassen und das geht. Wir dann zugleich nicht so dumm sind, die Lehrkräfte zu reduzieren, denn das wäre ökonomischer und sozialer Selbstmord. Dann haben wir die Chance, die Zeit für die individuelle Förderung zu nutzen.
Ich glaube wirklich an die individuelle Förderung als Schlüsselelement zukünftiger Pädagogik. Wobei das nicht unbedingt auf eine Person beschränkt sein muss. Das können auch kleine Gruppen sein, die untereinander eine extrem gute Lerndynamik entwickelt haben. Die arbeiten dann zusammen mit der Lehrkraft und gehen wirklich in die Tiefe. Das setzt definitiv einen offenen Rahmen voraus. Vor allem aber setzt es eine extrem dynamische Lehrkraft voraus, die fähig ist, fachlich wirklich am Stand der Zeit und am Level der Jugendlichen zu sein und die fähig ist, Wissen, Verstehen und Können langfristig und kreativ bei den SuS zu verankern.
Dem klassischen Fachlehrer mit der Ausbildung in einem oder mehreren Fächern traue ich nicht zu, flächendeckend diese Aufgabe erfüllen zu können. Weder befähigt ihn seine Ausbildung dazu, noch passt es zu dem Paradigma von Schule, auf welches sich das Konzept seiner Ausbildung gründet. Das beginnt damit, dass die Halbwertszeit seines Ausbildungsniveau überaltert ist. Anders gesagt, dass was er in der Universität während seines Studiums gelernt hat, entspricht nicht mehr den zeitgemäßen Standards.
Das kennen wir auch aus anderen Wissenschaftsdisziplinen, im Besonderen bei den Ingenieuren. Es kommt der Punkt, da das Studium des Ingenieurs nicht mehr den aktuellen Standards seiner Berufsgruppe entspricht, außer er hat sich gezielt und regelmäßig weitergebildet. Dieses Problem gibt es natürlich auch in der Pädagogik. Von außen ist das in vielen Fächern nicht sofort zu sehen, aber es ist da. Es sorgt dafür, dass die Jugendlichen das Fach nach völlig veralteten Standards kennenlernen. In Kunst ist das derzeit noch sehr einfach aufzuzeigen. Viele KunstlehrerInnen unterrichten schwerpunktmäßig immer noch das Zeichen/Malen mit Stiften, Pinseln und Tusche. Die Arbeit mit digitalen Zeichenprogrammen ist noch immer die Ausnahme. Auch die Entwicklung und das Generieren von Bildern durch AI werden faktisch nicht thematisiert. Aber ein solcher Kunstunterricht wäre veraltet und entspricht nicht mehr den Mindeststandards an einen adäquaten Fachunterricht. Das liegt daran, dass digitales Zeichnen so relevant ist. Was hier mit dem Kunstunterricht einfach und einleuchtend ist, findet sich bei genauerer Untersuchung in allen Fächern.