Lovely Nights. Nur ein Traum von dir - Polly Harper - E-Book
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Lovely Nights. Nur ein Traum von dir E-Book

Polly Harper

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Beschreibung

Endlich noch mehr große Gefühle in der romantischsten Kleinstadt Colorados!

Nur eine Nacht mit ihm und sie kann ihn nicht mehr vergessen


So schnell bringt Lauren, die selbstbewusste Besitzerin der einzigen Bar im idyllischen Goodville, nichts aus der Fassung. Auch nicht die ständigen Drohungen des Bürgermeisters, dem die Bar ein Dorn im Auge ist. In der hübschen Kleinstadt in Colorado hat Lauren den Ruf, tough und unnahbar zu sein – nur ihren Freundinnen zeigt sie ab und an auch ihre verletzliche Seite. Aber eine Sache behält sie lieber für sich: nämlich dass der Anblick von Ryan, ihrem Freund aus Kindertagen, sie neuerdings mehr als durcheinanderbringt. Was es mit ihr macht, wenn er sie mit verwuschelten Haaren und frech blitzenden Augen von seinem Barhocker aus angrinst – darüber darf sie gar nicht weiter nachdenken. Schließlich sind sie seit über zwanzig Jahren befreundet und das ist genau richtig so. Doch als Ryan ihr plötzlich ein unwiderstehliches Angebot macht, wird Lauren schwach – und die Folgen einer einzigen Nacht heben nicht nur ihr Leben aus den Angeln …

Lust auf noch mehr romantisches Goodville-Feeling? Dann lesen Sie auch die weiteren unabhängigen Bände der Reihe:

Lovely Hearts. Nur ein Lächeln von dir
Lovely Dreams. Nur ein Kuss von dir
Lovely Nights. Nur ein Traum von dir
Lovely Kisses. Nur eine Berührung von dir

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POLLYHARPER schreibt leidenschaftlich gern Liebesromane. Schon seit ihrem erfolgreichen Debüt im Jahr 2014 veröffentlicht die Autorin unter dem Pseudonym Greta Milán regelmäßig gefühlvolle Geschichten, die überall auf der Welt spielen. Sie selbst lebt mit ihrem Mann, zwei Kindern und drei Katern im Herzen Deutschlands. Mit ihrer vierbändigen Goodville-Love-Reihe entführt sie ihre Leserinnen in die romantischste Kleinstadt Colorados.

Außerdem von Polly Harper lieferbar:

Lovely Hearts. Nur ein Lächeln von dir

Lovely Dreams. Nur ein Kuss von dir

Polly Harper

LOVELY NIGHTS

Nur ein Traum von dir

Roman

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Copyright © 2023 by Penguin Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Susann Rehlein

Umschlaggestaltung- und abbildungen: www.buerosued.de

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-29403-8V001

www.penguin-verlag.de

Für meine Seelenschwestern

Kapitel 1 Lauren

Das Nowhere war die einzige Bar im Umkreis von dreißig Meilen und das ganze Jahr über gut besucht. Aber in den Sommermonaten war hier die Hölle los, und besonders diese Julinacht hatte es in sich. Unzählige Leute – Touristen und Einwohner des beschaulichen Örtchens Goodville im Herzen Colorados – drängten sich an diesem Freitagabend um die runden Tische oder schoben sich vor der Bar gegenseitig zur Seite, um als Nächstes bedient zu werden. Sie pfiffen, riefen oder wedelten ungeduldig mit Geldscheinen. Doch all das brachte Lauren McGreedy nicht aus der Fassung. Sie kannte und liebte das Chaos. Davon mal ganz abgesehen war das hier ihr Reich, und sie war die verdammte Königin.

»Hey, Red Sox«, rief sie über Miley Cyrus’ Stimme hinweg, die aus den Lautsprechern schallte, während sie hinter dem Tresen mit routinierten Handgriffen Bier zapfte. »Wenn du nicht gleich einen Gang zurückschaltest, fliegst du hochkant aus meiner Bar.«

Red Sox, den Lauren aufgrund der speckigen Basecap mit dem Vereinslogo spontan so getauft hatte, war etwa Mitte zwanzig und definitiv auf der Durchreise. Er stieß ein klägliches Brummen aus. »Jetzt komm schon, Hottie. Ich will doch bloß zwei Bier für mich und meinen Freund.«

»Das wollen wir alle, Kumpel«, warf Old Mick ein. Der Fünfzigjährige war einer der Stammgäste im Nowhere, und obwohl seine äußere Erscheinung unter dem jahrelangen Alkoholkonsum stark gelitten hatte, war er im Grunde seines Herzens ein anständiger Kerl. Als er den Kopf drehte und Red Sox zahnlos angrinste, verzog dieser angewidert das Gesicht, trat aber endlich von der Bar zurück.

Stacy schob sich mit einem Tablett voller Gläser hinter die Bar. Die Kellnerin war Anfang vierzig und arbeitete schon im Nowhere, als der Laden noch von Laurens Dad geführt wurde. Sie war wahrlich ein Geschenk des Himmels. Nichts konnte sie je aus der Fassung bringen – mit Ausnahme von ihrem Ehemann, den sie zwar heiß und innig liebte, der sie mit seinen Marotten aber regelmäßig zur Weißglut trieb.

»Drei Guinness und fünf Bier vom Fass«, rief sie Lauren über die enorme Geräuschkulisse zu und löste damit kollektives Stöhnen unter den Dränglern aus. Das beeindruckte sie allerdings herzlich wenig. Geschwind spülte sie die schmutzigen Gläser, während Lauren die Bestellung fertig machte.

Im Augenwinkel sah Lauren, wie sich Red Sox zum anderen Ende der Bar schob, weil er sich bei Theo offenbar bessere Chancen ausrechnete. Hätte er Brüste gehabt, wäre dieser Plan vielleicht sogar aufgegangen. So aber dürfte sich seine Wartezeit gerade um mindestens fünf weitere Minuten verlängert haben.

Was Lauren nicht im Geringsten störte. Wenn ihm das nicht passte, konnte er sich gern eine andere Bar suchen, aber … oh, wie blöd … es gab ja keine weit und breit.

Mit einem teuflischen Grinsen zapfte Lauren das letzte Bier.

»Du freust dich gerade tierisch darüber, dass der Typ jetzt noch länger auf sein Bier warten muss, stimmt’s, Hottie?«, sagte Ryan, der direkt vor ihr auf einem Barhocker saß.

Das Timbre seiner warmen Stimme kitzelte in Laurens Ohren und sorgte dafür, dass sie sich bei all dem Gekreische ein wenig entspannte. Sie warf Ryan einen spöttischen Blick zu, um ihn nicht merken zu lassen, dass er wie so oft richtiglag. »Im Gegenteil, Sweety. Eigentlich war ich gerade dabei, ein paar Tränchen zu verdrücken, weil er mich hat sitzen lassen.«

Ryan lachte leise, und wie immer, wenn er das tat, erschienen kleine Fältchen in seinen Augenwinkeln. Lauren hätte es niemals laut zugegeben, aber sie kannte jedes einzelne von ihnen.

Weil sie Ryan seit über zwanzig Jahren kannte.

Sie hatte mitangesehen, wie aus dem Jungen mit der großen Klappe ein selbstbewusster Teenager und schließlich ein Player wurde, der ebenso wie Theo nichts anbrennen ließ, wenn es um Frauen ging. Bei seinem Aussehen war es aber auch geradezu lächerlich einfach für ihn, eine Frau aufzureißen. Funkelnde eisblaue Augen und verwuschelte dunkelbraune Haare waren an sich schon eine gute Kombination. Hinzu kam, dass Ryan den Körper eines Leistungssportlers besaß, weil er als Wildhüter permanent in den umliegenden Nationalparks unterwegs war. Wenn er dann noch seine Uniform trug, lagen ihm die Frauen schon zu Füßen, bevor er überhaupt den Mund aufmachte.

Ja, Ryan Baxter war heiß. Schon immer gewesen. Aber obwohl eine gewisse sexuelle Spannung zwischen ihm und Lauren unleugbar existierte, war nie etwas gelaufen. Ihnen beiden lag wohl einfach zu viel an dieser schrägen Freundschaft, die sich mit den Jahren entwickelt hatte und die sich durch harmlose Provokationen sowie die Verwendung alberner Spitznamen auszeichnete.

Ryan ließ Lauren nicht aus den Augen, als er sich jetzt mit den Unterarmen auf dem Tresen abstützte und vorbeugte. »Wenn du willst, gehe ich rüber und zerre ihn an seinem hübschen Käppchen wieder her.«

Lauren schürzte die Lippen, als würde sie tatsächlich erwägen, Ryans Angebot anzunehmen, und drehte den Kopf, um nach Red Sox zu suchen. Ihre Belustigung schwand allerdings, als sie sah, dass der Kerl immer unfreundlicher wurde.

Obwohl Theo mit Stresssituationen ebenfalls bestens vertraut war, wirkte er gerade reichlich unentspannt, während Red Sox wütend auf ihn einredete.

O Mann! Dieser Kerl würde heute sicher noch Ärger machen.

Ohne zu zögern, verließ Lauren ihren Posten, marschierte zu Theo und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Gibt’s hier ein Problem?«

Theo ließ sein Grübchen aufblitzen, als er Lauren beruhigend angrinste. »Ich komme klar.«

»Sicher, Mann?«, warf Red Sox ein und trommelte mit seinen fleischigen Fingern auf den Bartresen. »Wenn du mich fragst, bist du nicht gerade die Idealbesetzung für den Job.«

Lauren kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Okay, mein Freund. Ich dachte, ich hätte mich gerade deutlich ausgedrückt: Wenn du dich jetzt nicht zusammenreißt, ist der Abend in meiner Bar für dich gelaufen.«

Red Sox klappte den Mund auf. Er wurde rot vor Entrüstung, und was immer er zu sagen hatte, war sicher nicht freundlich gedacht. Doch er kam nicht mehr dazu, die Worte auszusprechen und sich damit zu disqualifizieren, denn jemand schlug ihm kräftig auf den Rücken.

»Komm schon, Mann«, sagte der junge Kerl, mit dem Red Sox vor ein paar Stunden ins Nowhere gekommen war. »Mach keinen Ärger. Geh und setz dich hin. Ich besorge unsere Drinks.«

Red Sox knirschte mit den Zähnen, nickte jedoch gehorsam und trottete davon.

Sein Freund warf erst Lauren, dann Theo einen reumütigen Blick zu. Im Grunde war er ganz niedlich, von schlanker Statur und mit ausdrucksstarken, braunen Augen. »Sorry. Er hat Stress mit seiner Frau. Deshalb ist er ein bisschen leicht reizbar.«

Mit einem zuckersüßen Lächeln legte Lauren den Kopf schief. »Das interessiert mich nicht die Bohne, Süßer. Wenn du deinen Freund nicht an die Leine legst, ist er in meinem Zirkus nicht länger willkommen. Kapiert?«

Lachend hob er die Hände zum Zeichen seiner Kapitulation. »Klar und deutlich.«

»Fantastisch.« Zufrieden nickte Lauren ihrem Mitarbeiter zu und kehrte hinter den Zapfhahn zurück.

Stacy hatte die Bestellung inzwischen fertig gemacht und war schon wieder unterwegs, weshalb Lauren sich dem nächsten Gast widmen konnte. Zuerst wanderte ihr Blick allerdings zu Ryan.

Er hatte inzwischen Gesellschaft von zwei Touristinnen, die ihn über das Leben als Wild Ranger befragten, und wie üblich gab Ryan seine beliebte Grizzly-Story zum Besten.

Innerlich verdrehte Lauren die Augen. Es war so typisch für ihn, dass er den zwei hübschen Frauen ausgerechnet die Geschichte erzählte, wie er eine verirrte Bärenmutter und ihr Junges gerettet hatte. Dabei war es das einzige Mal überhaupt gewesen, dass er in all den Jahren einem Grizzly begegnet war.

Manchmal fragte Lauren sich, warum Ryan nicht einfach zugab, dass er den Beruf des Rangers vor allem deshalb ausübte, weil er ein freiheitsliebender Mensch war und ein Faible für Listen hatte, in denen er den lieben langen Tag den Pflanzen- und Tierbestand seines Territoriums akribisch festhielt. Andererseits klang das wohl einfach nicht so fesselnd wie die Begegnung mit einer aufgeregten, verwirrten Grizzly-Mom.

Während Lauren mit einem Ohr Ryans Erzählung lauschte, machte sie sich daran, den nächsten Gast zu bedienen. Sie hatte längst den Überblick verloren, wann wer an die Bar gekommen war. Deshalb nickte sie einfach einem schüchternen Kerl zu, der bisher geduldig gewartet hatte. Es sollte schließlich niemand behaupten, dass Lauren gutes Benehmen nicht zu schätzen wüsste.

Der Abend schritt schnell voran und spülte Lauren einen Haufen Umsatz in die Kasse. Darüber war sie zwar froh, dennoch sehnte sie das Ende der Schicht ungeduldig herbei. Sie war seit achtzehn Stunden auf den Beinen, hatte Lieferungen entgegengenommen, die Buchhaltung gemacht, neue Bestellungen geordert, den Laden in Schuss gebracht und stand seit nunmehr sechs Stunden hinter dem Tresen. Eigentlich verfügte sie über eine gute Kondition und war ein derartiges Tagespensum gewohnt. Doch die sommerliche Hitze machte ihr trotz ihres kurzen Jeansrocks und des schwarzen Tops zu schaffen, und die permanente Beschallung sorgte dafür, dass sich allmählich ein unangenehmes Pochen in ihrem Hinterkopf ausbreitete. Sie hob die Hand und lockerte die Spange ein wenig, die ihr dickes, feuerrotes Haar zusammenhielt. Sofort ebbte der Schmerz ein wenig ab, und Lauren atmete erleichtert auf.

Sie hielt noch eine weitere Stunde durch, bis es endlich Zeit war, die letzte Runde einzuläuten und die Musik herunterzudrehen. Nun klang Amanda Marshalls rauchige Stimme leise aus den Lautsprechern. Das war Old Micks Stichwort. Er warf ein paar zerknitterte Dollarscheine auf den Tresen und rutschte ungelenk von seinem Platz.

»Komm gut nach Hause, Mick«, sagte Lauren lächelnd.

Er grinste und ließ seine Zahnlücken aufblitzen. »Du auch, Schätzchen.«

Es war seit Jahren ein Running Gag zwischen den beiden. Schließlich wusste jeder, der in Goodville lebte, dass Lauren in einem Loft direkt über der Bar wohnte. Allzu weit und gefährlich war ihr Heimweg also nicht.

Während Old Mick davonschlurfte, ließ Lauren einen prüfenden Blick durch die Bar wandern. Am Tresen war es inzwischen deutlich ruhiger geworden. Ryan schien sich für den Abend auf sein blondes Fangirl festgelegt zu haben, denn sie saß inzwischen neben ihm auf einem Barhocker und machte ihm schöne Augen, während sie mit dem Strohhalm in ihrem Longdrinkglas herumspielte. Ihre Freundin hatte sich derweil einer Gruppe von fünf Touristen angeschlossen und schien sich dort prächtig zu amüsieren. Neben Red Sox und seinem Kumpel, die einen Tisch an der Wand besetzten, waren das die einzigen verbliebenen Leute im Raum.

»Ihr könnt für heute Schluss machen«, sagte Lauren zu Theo und Stacy, als sie die Tische abgeräumt und die Gläser gespült hatten.

Theo musterte die beiden Tische unschlüssig. »Sicher? Ich kann auch noch einen Moment bleiben.«

Lauren wusste sein Angebot zu schätzen. Allerdings hatte er schon genug Überstunden auf dem Zettel, und es war längst nach ein Uhr nachts. Deshalb winkte sie ab. »Mit denen werde ich schon fertig.«

So, wie sie die Touristentruppe einschätzte, würden sie sich sowieso vom Acker machen, sobald ihre Gläser leer waren. Ryan würde gleich mit der Blondine abziehen, und was Red Sox betraf: Der heulte inzwischen wie ein Schlosshund, während ihm sein Kumpel unbeholfen die Schultern tätschelte. Nichts, womit Lauren nicht klarkäme.

»Na gut, dann bis Morgen, Boss«, sagte Theo zum Abschied, schnappte sich seinen Rucksack und stapfte aus der Bar. Kurz darauf war auch Stacy verschwunden, und wie Lauren prophezeit hatte, machte sich die Gruppe Touristen ebenfalls bereit für den Aufbruch.

Nun kehrte auch Ryans zweites Fangirl an den Tresen zurück und strahlte ihre Freundin an. »Wir wollen noch ein bisschen in der Pension abfeiern. Kommt ihr mit?«

Die Blondine schaute Ryan erwartungsvoll an, doch dieser spähte wie vorher Theo skeptisch in Richtung Red Sox und schüttelte den Kopf. »Ich bleibe noch ein bisschen.«

Lauren schnaubte verärgert. »Ich mache den Job nicht erst seit gestern, Ryan.«

Wie jedes Mal, wenn sie ihn nicht mit einem lächerlichen Kosenamen ansprach, blitzte etwas in seinen Augen auf. Doch er ging nicht auf Laurens Einwand ein, sondern schenkte der Blondine ein charmantes Lächeln. »Du solltest mit deiner Freundin mitgehen und noch ein bisschen Spaß haben. Ich werde heute sowieso nur noch todmüde ins Bett fallen.«

Begeisterung zeichnete sich auf dem Gesicht der Blondine ab. Sie warf ihm ein kokettes Lächeln zu. »Ich finde, Bett klingt doch sehr gut.«

Ryan schien das anders zu sehen. Ein berechnendes Funkeln trat in seine Augen. »Hör zu, Sarah …«

Ihr Lächeln gefror. »Mein Name ist Clara.«

»Richtig. Sorry, Babe«, erwiderte Ryan lapidar und tätschelte ihre Hand. »Was ich sagen wollte, ist, dass du viel zu schade für einen Typen wie mich bist. Du bist eine tolle Frau und verdienst jemanden, der bei dir bleiben will.«

»Aber …«

»Und der bin ich nicht«, stellte Ryan unbeirrt klar und deutete auf die Freundin der jungen Frau. »Geh lieber und amüsier dich, bis du den Richtigen triffst.«

Clara zögerte. So leicht schien sie Ryan nicht aufgeben zu wollen. Aber Lauren kannte diesen Gesichtsausdruck bei ihm. Er hatte sich entschieden und war nicht mehr von seiner Meinung abzubringen.

Immerhin schien ihre Freundin einen gewissen Stolz zu besitzen, denn sie nahm Clara am Arm und zog sie sanft vom Hocker. »Na los, Süße. Der Typ ist es nicht wert.«

Nach einem letzten sehnsüchtigen Blick in Ryans Richtung ging Clara mit ihrer Freundin zu der Gruppe junger Leute, die die beiden jubelnd in Empfang nahmen. Kurz darauf fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss.

Lauren warf Ryan einen scharfen Blick zu. »Das wäre nicht nötig gewesen.«

»Komm schon, Rotschopf. Wir wissen beide, dass ich ihr einen Gefallen getan habe«, erwiderte er schulterzuckend und nippte an seinem Bier.

Vielsagend hob Lauren eine Braue. »Indem du so tust, als hättest du ihren Namen vergessen? Wie alt bist du? Zwölf?«

Ein leises Lachen kam über Ryans Lippen. »Zugegeben, das war ein bisschen fies. Aber anders hätte sie es nicht begriffen.«

Lauren schnaubte. »Du kannst echt ein Arschloch sein.«

»Zumindest bin ich ein ehrliches Arschloch«, gab Ryan unbekümmert zurück.

»Nett war es trotzdem nicht, der Frau erst Hoffnungen zu machen und sie dann spontan abblitzen zu lassen.«

»Nur weil ich mich mit einer Frau länger als eine Stunde unterhalte, heißt das nicht, dass ich gleich mit ihr ins Bett will.«

»Bitte!« Lauren verdrehte die Augen. »Du hast ihr die Grizzly-Story erzählt. Das Einzige, was das noch toppt, sind die Geschichten über deine Pfadfinderprojekte im Gemeindezentrum.«

»Ist das so?«, fragte Ryan schmunzelnd.

»Tu nicht so scheinheilig. Du weißt genau, dass darauf jede Pussy in Hörweite anspringt.«

»Deine nicht.«

Tat sie wohl. Aber das musste Ryan ja nicht wissen. Lauren grinste breit. »Sie ist eben zu beschäftigt damit, diese Bar am Laufen zu halten.«

Ryan schnalzte mit der Zunge. »Das arme Ding.«

Ja, das ließ sich nicht leugnen. Lauren konnte sich nicht mal mehr daran erinnern, wann sie sich zuletzt in einer leidenschaftlichen Nacht verloren hatte. Das musste Monate, wenn nicht sogar Jahre, her sein. Was ein bisschen verrückt war angesichts der Tatsache, dass Lauren in dieser Stadt einen eher zweifelhaften Ruf genoss.

Mit dem Daumen zog Ryan träge Kreise über das Kondenswasser auf seiner gekühlten Bierflasche. Seine eisblauen Augen verdunkelten sich, während er Lauren unverwandt ansah. »Schon mal über ein bisschen Urlaub nachgedacht? Ein kleines Verwöhnprogramm könnte ihr guttun.«

Ein Kribbeln schoss durch Laurens Unterleib, als ihr klar wurde, worüber sie gerade sprachen. Sie hätte gern etwas Freches erwidert, wie es eben ihre Art war: tough, selbstbewusst und ein bisschen versaut. Aber plötzlich war ihre Kehle staubtrocken, denn etwas in Ryans Miene verriet ihr, dass er sich gerade vorstellte, wie er sie verwöhnte.

Heilige Scheiße! Das konnte er doch nicht ernst meinen. Oder doch?

Glücklicherweise oder unglücklicherweise – so ganz war Lauren sich da selbst nicht sicher – beschloss Red Sox ausgerechnet in diesem Moment von seinem Heulkrampf in einen Wutanfall zu wechseln. Mit einem Brüllen schoss er von seinem Stuhl hoch, packte die Tischplatte und riss daran, sodass sämtliche Gläser mit einem ohrenbetäubenden Scheppern auf den Boden fielen. Sein Freund, der diesen Stimmungswechsel ebenfalls nicht hatte kommen sehen, kippte nach hinten und knallte mit dem Hinterkopf gegen den Nachbartisch. Unterdessen wütete Red Sox weiter, schnappte sich einen Stuhl und ließ ihn auf einen anderen Tisch krachen.

»Hey!«, schrie Lauren und stürmte hinter der Bar hervor.

Gleichzeitig sprang Ryan von seinem Stuhl auf und rannte zu dem Irren. »Wow, immer langsam, Mann.«

Red Sox schluchzte und schlug weiter um sich, sodass kein Rankommen an ihn war. Dabei taumelte er durch die Gegend und riss weiteres Mobiliar um.

Verdammt! Wieso war der Kerl so betrunken?

Theo und Stacy hatten ihm während der letzten Stunden nicht mehr als drei oder vier Bier gebracht. Einen Mann mit seiner Statur hätte das nicht dermaßen umhauen dürfen. Wie war es möglich, dass er sich plötzlich kaum noch auf den Beinen halten konnte und obendrein nicht mehr zurechnungsfähig war?

»Das reicht jetzt!«, schrie Lauren, damit er endlich aufhörte, ihren Laden zu demolieren. Sie wollte ihm entgegentreten, verfügte jedoch durchaus über einen intakten Selbsterhaltungstrieb. So wie der Typ drauf war, war nicht auszuschließen, dass er sie, ohne mit der Wimper zu zucken, niederschlug. Lauren war groß, schlank und sportlich. Aber sie machte sich nichts vor. Rein körperlich hatte sie diesem Irren nichts entgegenzusetzen.

Angst kroch ihren Nacken hinauf, während sie ihre Optionen abwägte. Besonders viele waren es leider nicht. Sie konnte entweder abhauen und zulassen, dass der Mistkerl ihr Heiligtum zerstörte, oder bleiben und auf das Beste hoffen.

Sie entschied sich für Letzteres – weil Ryan bei ihr war.

Dieser stand unmittelbar vor ihr und hatte die Fäuste geballt, als würde er sich bereit machen, Lauren um jeden Preis zu verteidigen. Das war ja wirklich ehrenvoll. Doch das Letzte, was Lauren wollte, war, dass Ryan verletzt wurde, nur weil sie zu blöd gewesen war, ihre Gäste im Auge zu behalten.

Sie verdrängte ihre Angst und versuchte, sich an alles zu erinnern, was ihr Vater ihr seit der Kindheit in Sachen Deeskalation eingetrichtert hatte. Doch als sie gerade ansetzen wollte, beruhigend auf diesen Verrückten einzureden, richtete sich sein Freund benommen auf und stieß dabei gegen den Rucksack, der neben ihm auf dem Boden lag. Eine leere Whiskeyflasche kullerte heraus.

Vorbei war es mit dem guten Vorsatz.

»Das darf doch wohl nicht wahr sein«, stieß Lauren hervor. »Ihr habt euren eigenen Stoff in meinem Laden getrunken?«

»Tschuldigung«, nuschelte Red Sox’ Kumpel und rieb sich mit schmerzverzerrter Miene über den Hinterkopf.

Scheiße! Wenn das jemand mitbekommen hatte und dem Stadtrat steckte, war sie erledigt. Plötzlich war Lauren so wütend, dass sie ihre Angst völlig vergaß. »Raus hier! Bevor ich die Cops rufe.«

»Du hast mir überhaupt nichts zu sagen, du blöde Schlampe«, brüllte Red Sox sie an.

Mit einem Satz war Ryan bei ihm und packte ihn am Kragen seines Hemdes. »Nenn sie noch einmal Schlampe, und du wirst dir wünschen, dass sie dich in den Knast stecken.«

Sein Ton war so kalt, dass Lauren eine Gänsehaut bekam. Sie hatte Ryan schon oft wütend oder aufgebracht erlebt. Aber nie hatte er derart Furcht einflößend geklungen.

Sofort rappelte sich Red Sox’ Freund auf und zerrte seine Geldbörse hervor. »Nicht! Es tut mir leid. Es tut mir leid, okay? Hier sind hundert Dollar.« Er hielt Lauren einen Schein hin, die lediglich eine Braue hochzog. Der Typ schnitt eine Grimasse. »Mehr habe ich nicht dabei. Aber ich kann morgen noch mehr bringen, um den Schaden zu bezahlen. Nur bitte ruft nicht die Cops, ja? Lasst uns einfach gehen.«

Ryan ließ Red Sox nicht los, der sich erfolglos in seinem Griff wand. Wie gesagt, Ryan war hervorragend trainiert, und er hätte den Typen sicher noch länger in Schach gehalten, wenn Lauren es gewünscht hätte. Allerdings hatte sie keinerlei Interesse daran, die Sache an die große Glocke zu hängen.

»Verschwindet von hier«, fauchte sie und sah mit regloser Miene zu, wie Ryan den betrunkenen Typen im wahrsten Sinne des Wortes aus der Bar schmiss, während sein Kumpel mit dem Rucksack unterm Arm hinterherstolperte.

Kaum waren die beiden draußen, zog Ryan die Tür zu und schob den Riegel vor. Sowie das Schloss zuschnappte, stürzte Laurens Adrenalinpegel in den Keller, und sie konnte nicht verhindern, dass ein Beben ihren Körper durchlief.

Ryan entging das natürlich nicht. Doch anstatt sie wie ein rohes Ei zu behandeln, klopfte er sich lediglich die Hände ab und grinste Lauren zufrieden an. »Jetzt bist du sicher froh, dass ich Sarah den Laufpass gegeben habe.«

Ein zittriges Lachen brach aus Lauren hervor. »Die Frau hieß Clara, du Hornochse.«

»Ich habe mich gerade nicht wie ein wild gewordener Stier aufgeführt, Süße.«

»Ja«, räumte Lauren widerstrebend ein und warf ihm einen schnellen Blick zu. »Danke.«

Natürlich wusste Ryan genau, wie schwer es ihr fiel, dieses kleine Wort auszusprechen. Aber diesmal parierte er nicht mit einem spöttischen Spruch, sondern schenkte ihr ein aufrichtiges Lächeln. »Gern geschehen. Und jetzt lass uns die Sauerei aufräumen, damit wir ins Bett kommen.«

Obwohl er damit sicher nicht ein und dasselbe Bett gemeint hatte, schoss erneut ein Kribbeln durch Laurens Bauch, und sie wandte sich hastig ab. »Du musst mir wirklich nicht auch noch beim Aufräumen helfen.«

»Ich will aber«, erwiderte Ryan hinter ihr und machte sich daran, die zerstörten Möbel von den noch intakten zu trennen. »Hast du einen großen Karton oder so was?«

Lauren nickte und holte Putzzeug, einen Pappkarton für die kaputten Holzmöbel und zwei weitere Biere. Normalerweise trank sie nie während der Arbeit. Aber nach diesem Schichtende hatte sie sich wohl einen Drink verdient.

Wie sich herausstellte, waren zum Glück nur zwei Stühle unwiderruflich zerstört. Andere Möbel hatten ein paar Kratzer abbekommen und erstrahlten nun im neuen Used Look. Während Ryan mit routinierten Handgriffen den ersten Stuhl zu Kleinholz verarbeitete, kehrte Lauren die Glasscherben zusammen. Immerhin hatten die Idioten sämtliche Gläser geleert, sodass nicht auch noch unappetitliche Alkoholpfützen auf dem Boden schwammen.

»Du weißt schon, dass sich diese Kerle nie wieder hier blicken lassen werden, oder?«, fragte Ryan, nachdem er den ersten Stuhl zerteilt hatte.

»Das ist schon in Ordnung. Hauptsache, niemand hat mitbekommen, dass sie heimlich ihren eigenen Whiskey getrunken haben.«

»Mach dir keine Sorgen. Wenn es jemandem aufgefallen wäre, hättest du mit Sicherheit davon erfahren. Zwei Drittel der Gäste waren schließlich Einheimische, die das Nowhere gern behalten wollen.«

»Schon«, stimmte Lauren nachdenklich zu. »Aber Trevor Harris war mit seinen Pokerkumpels da.« Und die hatten sicher nichts gegen die Pläne des Bürgermeisters, ihren Laden in einen spröden Herrenclub zu verwandeln.

»Wenn Harris etwas mitgekriegt hätte, wäre es bereits in aller Munde. Dieser Kerl kann nie etwas für sich behalten, wenn er einen Vorteil für sich sieht. Ich denke nicht, dass du dir seinetwegen Gedanken machen musst.«

»Ja, wahrscheinlich hast du recht«, erwiderte Lauren und spürte, wie die Anspannung ein wenig von ihr abfiel. Sie ergriff den Handfeger, hockte sich hin und schob die Scherben auf die Kehrschaufel.

Hinter sich hörte sie Ryan leise glucksen. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich diesen Satz mal von dir hören würde, McGreedy.«

Lauren hob den Kopf und warf ihm über die Schulter einen spöttischen Blick zu. »Gewöhn dich nicht dran, Baxter.«

»Würde mir nicht im Traum einfallen.«

Seine blauen Augen funkelten in dem schummrigen Licht, als er auf sie hinabschaute. Da war etwas in seiner Miene, das Lauren einen Moment lang vollkommen aus dem Konzept brachte.

Echte Zuneigung. Und Verlangen.

Laurens Puls beschleunigte sich. Einen Moment lang war sie nicht in der Lage, sich aus der Verbindung, die plötzlich zwischen ihnen entstanden war, zu befreien.

Wollte sie das überhaupt?

Sie war sich nicht sicher.

Ryan war so verdammt sexy, und Lauren musste zugeben, dass ihr seine Drohung, Red Sox den Denkzettel seines Lebens zu verpassen, wenn er sie noch einmal beleidigte, ein bisschen zu sehr gefallen hatte. Andererseits fühlten sich die meisten Frauen zu starken, selbstbewussten Männern hingezogen.

Und stark war er.

Es hatte ihn nicht einmal angestrengt, diesen Verrückten unter Kontrolle zu halten und kurz darauf aus dem Nowhere zu bugsieren. Wahrscheinlich würde es ihn ebenso wenig Kraft kosten, sie hochzuheben und gegen die nächste Wand zu drücken, während er ihren Körper mit seinen kräftigen Händen erforschte und seine Lippen die ihren eroberten. Seine Küsse waren bestimmt wild und hemmungslos. Voller Leidenschaft. Wie es wohl wäre, diese Theorie zu überprüfen?

Der Gedanke reichte aus, um Lauren zusammenzucken zu lassen. Dass das leider die falsche Reaktion war, zeigte sich deutlich, als ihr ein scharfer Schmerz in den Handrücken fuhr.

»Au! Verflucht noch mal!«

Die Lust, die sie gerade noch verspürt hatte, wurde durch Übelkeit ersetzt, als sie das Blut sah, das ihre Hand benetzte.

»Was ist los?«, fragte Ryan und kam näher, während Lauren noch zu begreifen versuchte, was überhaupt passiert war.

Wie es schien, hatte sie es irgendwie geschafft, die Scherben über den Rand der Kehrschaufel zu schieben, sodass diese sich ungehindert in ihren Handrücken bohren konnten. Wie bescheuert konnte man eigentlich sein?

Angewidert kniff sie die Lider zusammen und schüttelte ihre verletzte Hand. »So was Blödes.«

Ryans warme Finger legten sich behutsam um ihr Handgelenk. »Was machst du denn für Sachen?«

Tja, ich war damit beschäftigt, dich anzuschmachten, und dachte, das hier wäre eine gute Idee, um mich von meinen verrückten Fantasien abzulenken.

»Nur ein dummes Missgeschick«, antwortete Lauren mit geschlossenen Augen.

»Man kann wirklich nicht behaupten, dass dieser Abend langweilig ist.« Ryan zog sie sachte auf die Füße und dirigierte sie zur Bar, wo er sie auf einen Hocker verfrachtete. »Wo ist der Verbandskasten?«

Lauren schluckte schwer. Sie hasste es, sich von anderen helfen zu lassen, und angesichts der Tatsache, dass sie sich gerade noch in heißen Fantasien mit Ryan verloren hatte, widerstrebte es ihr noch mehr, nun ausgerechnet auf seine Hilfe angewiesen zu sein. Doch leider litt sie unter einer ernst zu nehmenden Form von Hämatophobie. Sobald sie auch nur einen Tropfen Blut sah, brach ihr Kreislauf zusammen.

Ryan wusste das natürlich, weil sie in der Schule mehrfach umgekippt war, nachdem sich einer ihrer Mitschüler verletzt hatte. Das hatte jedes Mal für ziemlich viel Aufsehen gesorgt und ihr eine Menge Spott eingebracht. Doch obwohl Ryan sonst keine Gelegenheit ausließ, sie auf den Arm zu nehmen, hielt er sich stets zurück, wenn es um ihre Angststörung ging.

»Mein Büro, linker Schrank, oberste Schublade«, murmelte Lauren und kämpfte gegen eine Übelkeitswelle an, als ihr der metallische Geruch ihres Blutes in die Nase stieg.

»Nicht umkippen«, befahl Ryan sanft.

Lauren brachte kaum mehr als ein Nicken zustande. Sie öffnete den Mund und atmete flach, während sie im Geiste das ABC-Lied anstimmte, das sie von ihrem älteren Bruder gelernt hatte. Es mochte albern sein, aber für Lauren hatte sich diese Methode sehr oft als erfolgreiche Strategie bewährt, um sich von dem Blutbad abzulenken, das sie sich im Geiste zurechtspann.

Bei F hatte Ryan den Tresen umrundet, bei M war er im Büro verschwunden, und bei U kehrte er zum Glück schon wieder zurück. Wasser rauschte, als er sich die Hände wusch. Anschließend kam er wieder um den Tresen herum, setzte sich auf den Barhocker neben ihr und packte einige Verbandsmaterialien aus.

Seine warme Hand umfing ihre, als er die Wunde begutachtete. Er gab ein unzufriedenes Brummen von sich.

»Wie schlimm ist es?«, fragte Lauren, unfähig, das Zittern in ihrer Stimme zu verbergen.

»Es sind drei Kratzer. Nicht besonders tief. In einem steckt noch eine Scherbe drin.«

Lauren wimmerte.

»Aber sie ist ganz klein«, fuhr Ryan hastig fort. »Ich werde sie mit der Pinzette herauszupfen und danach die Wunde desinfizieren. Das wird ein bisschen brennen, ist aber leider nötig, um …«

»Bitte«, unterbrach Lauren ihn angespannt. »Keine Details, okay? Tu es einfach.«

»Na gut. Konzentrier dich auf einen schönen Gedanken.«

Lauren gab ein ersticktes Lachen von sich. »Ob du es glaubst oder nicht, mir fällt gerade wirklich keiner ein.«

»Komm schon, Süße. Gib dir ein bisschen Mühe.«

Lauren spürte ein unangenehmes Ziehen auf ihrem Handrücken und keuchte auf. Ihr wurde schwindelig. Weiße Blitze tanzten vor ihren Augen, und sie schwankte vor und zurück.

»Vielleicht machst du besser die Augen auf«, sagte Ryan.

»Das ist eine ganz miese Idee.«

»Du könntest mich ansehen.«

»Und du meinst, wenn ich dir dabei zusehe, wie du meine blutende Hand versorgst, falle ich nicht um wie ein gefällter Baum?«, fragte Lauren zweifelnd.

Ryan lachte leise. »Ich könnte mein T-Shirt ausziehen und ein bisschen meine Muskeln spielen lassen. Vielleicht lenkt dich das ab.«

Nun ja, zugegeben, das war in der Tat ein interessanter Ansatz. Den Lauren besser nicht auf die Probe stellen sollte. »Lieber nicht.«

»Was denn?«, zog Ryan sie auf. »Hast du etwa auch Angst vor einem halb nackten Mann?«

Wenn er es genau wissen wollte: Ja, definitiv. Aber da Lauren das unmöglich zugeben konnte, zuckte sie nur lässig mit den Schultern. »Ist schon eine Weile her, seit ich das letzte Mal einen zu Gesicht bekommen habe. Wer weiß, wie ich bei all dem Adrenalin, das ich heute Abend ausgeschüttet habe, reagiere.«

Ryan schwieg einen Moment, und Lauren wurde bewusst, dass sie gerade womöglich eine Information zu viel über sich preisgegeben hatte. Ein leises Zischen erklang, dann spürte sie, wie die Kratzer von einer beißenden Flüssigkeit benetzt wurden. Die Vorstellung, wie sich das Desinfektionsmittel über ihren Handrücken ergoss und lauter Blutrinnsale bildete, brachte sie erneut ins Taumeln.

»Wie lange?«, fragte Ryan unvermittelt.

»Was?«

»Wie lange ist es her, seit du mit einem Mann zusammen warst?«

Benommen schüttelte Lauren den Kopf. »Ein paar Monate vielleicht.«

Wohl doch eher Jahre, wie ihr gerade mit erschreckender Klarheit bewusst wurde. Das musste auch der Grund dafür sein, warum sie heute so extrem auf Ryan reagierte. Es war einfach viel zu lange her, seit sie jemanden in ihr Bett gelassen hatte. Vielleicht war es wirklich mal wieder an der Zeit, sich selbst etwas Gutes zu tun.

Ryan stieß einen leisen Pfiff aus und tupfte mit etwas Weichem über die Wunde. »Das ist grausam, McGreedy. Selbst für deine Verhältnisse.«

»Ehrlich gesagt geht es mir ganz gut damit.«

»Du lügst.«

Lauren wollte schon aus purer Gewohnheit widersprechen. Doch da spürte sie, wie Ryan näher kam. Sein warmer Atem blies über ihren Handrücken und setzte ihre Nervenenden unter Strom. Ihr Puls beschleunigte sich.

»Mein Leben ist kompliziert«, erwiderte sie und hörte selbst, dass sie dabei recht atemlos klang. »Ich habe keine Zeit für einen Mann.«

»Nicht mal eine Nacht?«

Lauren lachte erstickt auf. »Soll das ein Angebot sein?«

Wieder verfiel er in Schweigen, während er ein Pflaster auf ihrem Handrücken fixierte. Anschließend strich er federleicht über ihre Finger. »Vielleicht.«

Kapitel 2 Ryan

Ryan hatte keine Ahnung, wieso er das gesagt hatte. Das hieß, er wusste es schon. Allerdings hatte er es sich inzwischen so oft verboten, der wandelnden Versuchung in Person von Lauren McGreedy nachzugeben, dass er sich nun nicht so recht erklären konnte, warum er ihre Frage mit einem Vielleicht beantwortet hatte.

Er war scharf auf Lauren, seit sie Brüste hatte, doch sie war ihm stets unerreichbar erschienen. Also hatte er sich auf andere Frauen konzentriert und abgesehen von ein paar harmlosen Flirts nie etwas in diese Richtung unternommen.

Bis heute.

Was zum Teufel war anders als an den anderen Abenden, an denen er Stunden in ihrer Bar gesessen und mit ihr geredet hatte? An diesem aggressiven Vollidioten konnte es nicht liegen. Ryan hatte so etwas nicht zum ersten Mal erlebt. Normalerweise kam Lauren mit solchen Situationen gut klar. Sie war nicht dumm. Sie wusste sich zu helfen. Hätte sie diesen Penner nicht beruhigen können, wäre sie nach oben in ihre Wohnung gegangen und hätte die Cops gerufen. Auch das war schon ein- oder zweimal vorgekommen.

Möglicherweise lag es einfach daran, dass Ryan sie heute Abend ohne ihre coole Maske sehen durfte. Sie hatte zugelassen, dass er sie beschützte und dass er ihr half, als ihre Phobie sie wehrlos machte. Auch jetzt hielt Ryan immer noch ihre Hand und starrte diese wunderschöne, sture Frau an, die er so sehr begehrte.

Wahrscheinlich würde sie gleich in schallendes Gelächter ausbrechen und sich über seinen Vorschlag lustig machen, um die körperliche Anziehung zwischen ihnen herunterzuspielen. Aber sie konnte Ryan nichts mehr vormachen. Er hatte das Verlangen in ihren Augen gesehen. Sie wollte ihn genauso sehr wie er sie.

Das Einzige, was sie vermutlich beide zögern ließ, war ihre Freundschaft. Die wollte Ryan gewiss nicht aufs Spiel setzen für einen One-Night-Stand. Andererseits hatte er sich inzwischen oft genug gefragt, wie sich ihre Porzellanhaut unter seinen Lippen anfühlen würde, und er hatte es einfach satt, sich irgendwelche Bilder auszumalen. Er wollte ihre Sommersprossen in Wirklichkeit küssen. Jede einzelne von ihnen. Und die Hände in ihrem feuerroten Haar vergraben, während er ihren anbetungswürdigen Körper mit all der Leidenschaft nahm, die in ihm brodelte.

Nur ein einziges Mal.

Damit er endlich aufhören konnte, sich zu fragen, wie es wohl wäre, sie auf diese Weise zu erleben.

Lauren sagte immer noch nichts. Zwar hatten sich ihre Lippen geteilt, als würde sie jeden Moment sprechen. Doch die Worte schienen ihr zu fehlen. Sie ließ ihn weder an ihren Gedanken teilhaben noch erlaubte sie ihm einen Blick in ihre intelligenten, grünen Augen. Also fasste Ryan sich ein Herz. »Willst du, dass es ein Angebot ist?«

Lauren schluckte schwer. »Vielleicht.«

Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, als sie antwortete. Doch als sie endlich die Lider hob und ihn nachdenklich musterte, war ihr Blick entschlossen. »Solange es nicht unsere Freundschaft versaut.«

Heilige Scheiße! Sie meinte das wirklich ernst.

Aufregung peitschte durch Ryans Adern, aber wie durch ein Wunder gelang es ihm, seine Stimme vollkommen ruhig zu halten. »Das wird es nicht, wenn wir beide die gleichen Erwartungen haben.«

Eine kleine Falte trat auf ihre Stirn. »Und die wären?«

»Eine Nacht«, antwortete er und zuckte lässig mit den Schultern, obwohl sein Herz nervös flatterte. »Nur du und ich und massenhaft heißer, hemmungsloser Sex.«

Lauren nickte ernst. »Ohne irgendwelche Konsequenzen.«

»Ohne Konsequenzen«, wiederholte Ryan feierlich.

Weiteres Nicken. Zustimmung.

Für einen kurzen Moment war Ryan gefangen zwischen absoluter Fassungslosigkeit und überwältigender Vorfreude. Obwohl er sie am liebsten an sich gezogen und ihr noch in der Bar die Klamotten vom Leib gerissen hätte, beugte er sich langsam vor, während Lauren seine Annäherung mit regloser Miene verfolgte. Es war, als wäre sie vor Schock zu Stein erstarrt. Deshalb ließ Ryan sich besonders viel Zeit. Er wollte ihr die Gelegenheit geben, einen Rückzieher zu machen, falls sie es sich anders überlegte.

Aber das tat sie nicht. Stattdessen überrumpelte sie ihn, indem sie plötzlich von ihrem Hocker rutschte, die Arme um seinen Nacken schlang und ihre weichen Lippen auf seine presste.

Himmel!

Ryans Puls geriet nun vollständig aus dem Takt und rauschte dann in doppeltem Tempo weiter, als ihre Zunge in seinen Mund schlüpfte und ihn neckte. Ohne sich dessen wirklich bewusst zu sein, legte er die Arme um sie und zog sie zwischen seine Beine. Ihren Körper so dicht an sich gepresst zu spüren, machte ihn ganz schwindelig.

So lange schon hatte er sich immer wieder vorgestellt, wie es wäre, Lauren zu vernaschen. Aber die Realität toppte seine kühnsten Träume. Obwohl sie den ganzen Abend hinter dem Tresen geschwitzt hatte und sich einige rostrote Strähnen ihres Haars in ihrem Nacken kringelten, roch sie frisch und fruchtig, aber nicht zu süß. Es war eher eine dezente Mischung aus Lavendel, Jasmin und Waldbeeren, die Ryans Geruchssinn betörte. Als hätte er nicht schon genug mit seiner Selbstbeherrschung zu kämpfen.

Wie auch sonst im Leben kannte Lauren weder Zögern noch Zurückhaltung, sondern gab sich dem leidenschaftlichen Kuss ganz und gar hin, während er seine Hand in ihren Nacken gleiten ließ und mit den Fingerspitzen über ihre Haut strich. Sie war warm, weich und zart – einfach perfekt.

Ryan konnte es nicht erwarten, die Sommersprossen auf ihren Schultern mit seinen Lippen nachzufahren. Behutsam schob er den Zeigefinger unter den linken Träger ihres Tops und zog ihn herunter, sodass ihre Schulterpartie frei lag.

Als Lauren sich von seinen Lippen löste, um nach Luft zu schnappen, setzte er eine Spur von unschuldigen Küssen von ihrer Kieferpartie hinab zu ihrem Hals und saugte an der warmen Haut, woraufhin sie genüsslich aufstöhnte. Im Geiste machte Ryan sich eine Notiz, dass sie an dieser Stelle besonders empfindsam war. Dann arbeitete er sich mit seinen Lippen weiter vor, zu ihrem Schlüsselbein.

Eigentlich hatte er noch immer ihre Schulter im Visier. Doch als er den Blick senkte, landete seine Aufmerksamkeit unvermittelt auf ihrem Dekolleté.

Lauren war groß und schlank. Dennoch verfügte sie auch über Kurven, die jeden Mann in den Wahnsinn trieben. Weil Ryan einfach nicht widerstehen konnte, strich er hauchzart über die Wölbung ihrer linken Brust.

Die Berührung ließ Lauren erschauern. Abrupt zog sie sich zurück. Ihre Augen leuchteten in einem satten Grün, und ihre Wangen waren auf hinreißende Weise gerötet. Sie zog ihre volle Unterlippe zwischen die Zähne und betrachtete Ryan, während sich ihre Brust vor Erregung schnell hob und senkte. »Und morgen früh bist du verschwunden.«

Zugegeben, diese Worte waren ein wenig ernüchternd. Sie vermochten es sogar, Ryans Euphorie zu dämpfen, was ihn für einen Moment ziemlich aus dem Konzept brachte. Schließlich ging es ihnen beiden nur um diese eine Nacht. Es ergab eigentlich keinen Sinn, dass ihn nun störte, was er selbst vorgeschlagen hatte. Aber da er jetzt sicher nicht darüber nachdenken wollte, schob er das seltsame Unbehagen beiseite und zog Lauren mit einem entschiedenen Ruck wieder zu sich heran. »Es wird sein, als wäre ich nie da gewesen.«

Kapitel 3 Lauren

Acht Wochen später

Da war er. Der unumstößliche Beweis dafür, dass Lauren es kolossal vermasselt hatte. Man sollte eigentlich meinen, dass so ein simples Stück Plastik keinerlei Bedeutung besaß. Aber in Wahrheit hatte es die Macht, ein ganzes Leben fundamental zu verändern.

»Verdammte Scheiße«, knurrte Lauren und zuckte zusammen, weil die Worte derart scharf und abwertend geklungen hatten.

Sie stand in Hotpants und einem dünnen Hemdchen in ihrem Badezimmer und starrte fassungslos auf das winzige Plastikteil, dessen Digitalanzeige sie geradezu zu verspotten schien: Schwanger 3+

Als ob Lauren nicht selbst wüsste, dass sich ihre Umstände schon vor Wochen ergeben hatten. Prompt rauschte ein Flashback durch ihren Kopf und zeigte ihr all die Szenen, die sie seither zu vergessen suchte.

Seine Lippen, die ihre Haut liebkosten.

Sein nackter, muskulöser Oberkörper, der im Licht des Mondes schimmerte, während sich seine Brust von der Anstrengung ihres erotischen Spiels hob und senkte.

Sein träges Grinsen und das Aufblitzen seiner Augen, bevor er sich wieder auf sie senkte und sie erneut verführte.

Gott! Er war unersättlich gewesen – und diese Nacht … Sie war noch so viel besser, als sie sich das je hätte vorstellen können.

Es kam nicht oft vor, dass Lauren mit einem Mann derart perfekt harmonierte. Ach, wem machte sie etwas vor? In diesem Ausmaß war das noch nie passiert. Die meisten Kerle waren immer entweder zu egoistisch oder zu unerfahren oder zu angespannt gewesen. Deshalb hatte sie meistens selbst nachhelfen müssen, um ebenfalls ihren Spaß zu haben. Aber bei ihm war sie noch nicht mal auf die Idee gekommen, irgendetwas in diese Richtung zu unternehmen. Sie war zu beschäftigt damit gewesen, den Ansturm an Empfindungen, den er in ihr auslöste, zu verarbeiten. Sogar jetzt noch reagierte ihr Körper mit einem Kribbeln bei der Erinnerung an seine Berührungen und an seine raue Stimme, mit der er sie mal provoziert und mal umschmeichelt hatte.

Du fühlst dich so verdammt gut an, Berry. Ich will jeden Zentimeter von dir schmecken.

Eine Gänsehaut rieselte Laurens Rückgrat hinab und breitete sich bis in ihre nackten Zehen aus. Fluchend schüttelte sie den Kopf, weil sie sich schon wieder hatte ablenken lassen. Dabei hatte sie gerade wirklich dringlichere Probleme.

Sie blickte wieder auf den Test und biss sich so fest auf die Unterlippe, dass sie Blut schmeckte, während sie die Digitalanzeige fixierte. Aber die Buchstaben änderten sich nicht wie durch ein Wunder. Sie blieben einfach stehen und verhöhnten sie weiter. Weil sie blöd genug gewesen war, die vor einigen Wochen einsetzende Übelkeit als Infekt zu verharmlosen und das Ausbleiben ihrer Periode trotzig auf den Stress zu schieben.

Zu ihrer Verteidigung konnte sie sagen, dass ihr Magen tatsächlich lächerlich empfindlich war und es durchaus schon Verzögerungen gegeben hatte, wenn es in ihrem Leben besonders hektisch zuging. Aber wenn Lauren ganz ehrlich zu sich selbst war, war ihr schnell klar geworden, dass mehr dahinterstecken musste. Sie hatte es nur nicht wahrhaben wollen. Denn sie hatte keinen Schimmer, was sie tun sollte, wenn ihre schlimmste Befürchtung knallharte Realität wurde.

Verzweiflung krampfte ihren Magen zusammen und sorgte dafür, dass sie sich erneut übergeben wollte. Doch sie schaffte es, die Übelkeit niederzuringen.

»Flipp jetzt nicht aus«, befahl sie ihrem bleichen Spiegelbild und straffte die Schultern. »Du hast dir die Suppe eingebrockt, also musst du sie auch auslöffeln.«

Ein Baby ist aber keine beschissene Gemüsebrühe!, schoss die unbarmherzige Stimme in ihrem Kopf zurück. Es verändert alles! Glaubst du wirklich, dass ausgerechnet du in der Lage bist, es länger als fünf Minuten am Leben zu halten? Wie willst du überhaupt für es sorgen? Du bist Barbesitzerin, schon vergessen? Du hast keine Ahnung von den Bedürfnissen eines wehrlosen Kindes.

Stimmt, die hatte Lauren nicht. Sie senkte beschämt den Kopf. Ihre Selbstgespräche waren auch schon mal konstruktiver gewesen. Nichtsdestotrotz musste sie irgendeine Lösung finden.

Und wie soll das laufen?, fuhr die Stimme erbarmungslos fort. Du schrubbst Nachtschichten im Nowhere, während das arme Ding im Nebenzimmer stundenlang im Laufstall hockt und auf MommysRückkehr wartet? Das ist pädagogisch bestimmt äußerst wertvoll. Oder hast du vor, den Vater zum Babysitten anzuheuern? Der wird sicher begeistert sein.

»Verdammt noch mal, sei still!«, schrie Lauren ihr Spiegelbild an.

Einen kurzen Moment registrierte sie noch ihre weit aufgerissenen Augen und ihre bleiche Gesichtsfarbe. Dann verschwamm ihre Sicht, weil sie die Tränen nicht länger zurückhalten konnte. Ein Schluchzen drang aus ihrer Kehle, und sie schlug sich die Hand vor den Mund, während ihr Körper heftig erbebte.

Ryan hatte sein Versprechen gehalten.

Nach unzähligen Stunden heißem Sex war Lauren erschöpft und befriedigt eingeschlafen – kurz darauf war er gegangen. Und als sie sich das nächste Mal sahen, verhielt er sich ihr gegenüber genauso locker und frech wie zuvor. Es war, als wäre diese eine Nacht nie passiert. Ihre Freundschaft war sicher.

Bis jetzt.

Gott! Was, wenn er dachte, dass sie ihn bewusst hintergangen hatte? Sie hatten Kondome aus ihrem Nachttisch benutzt. Darauf hatte Lauren bestanden, weil Ryan seine Hose mitsamt seiner Geldbörse irgendwo im Wohnzimmer abgestreift hatte und sie nicht mehr warten wollte, bis er in seinen eigenen Klamotten fündig wurde. Vielleicht würde er denken, sie hätte das alles irgendwie eingefädelt, um sich einen Mann zu angeln und an sich zu binden.

Zwar wusste jeder in der behüteten Kleinstadt, dass Lauren vollkommen unabhängig war und mit dem Nowhere mehr als genug Verpflichtungen am Hals hatte. Andererseits waren da ihre Freundinnen, mit denen Lauren vor ein paar Wochen den Ladies Club Soul Sisters gegründet hatte. Sie alle waren liiert und machten keinen Hehl daraus, dass sie sich für Lauren ebenfalls einen Mann wünschten, der sie glücklich machte. Möglicherweise dachte Ryan, dass die Frauen sie beeinflusst und zu dieser Tat getrieben hatten?

Immerhin war May mit seinem Bruder Cole zusammen, und die beiden kümmerten sich rührend um Mays Nichten, nachdem deren Eltern bei einem tragischen Autounfall ums Leben gekommen waren. Helen war Ryans Mutter, eine warmherzige und fürsorgliche Frau, die sich schon seit Wochen beklagte, dass ihr jüngster Spross so ein ungebundenes Leben führte. Nova hatte praktisch nur noch Herzchen in den Augen, seit sie Jax um den Finger gewickelt hatte. Und Josephine? Ihre Ehe mochte die reinste Katastrophe sein, aber wenigstens war sie nicht allein.

Vielleicht unterstellte Ryan ihr, dass sie wie die Frauen in ihrem Club sein wollte? Sicher, sie hatte behauptet, dass sie gar keine Zeit für einen Mann und eine Beziehung hatte. Aber jeder wusste, dass diese Aussage ausgemachter Schwachsinn war. Es war immer nur eine Frage der Prioritäten. Vor acht Wochen hatte Lauren sich schließlich auch nicht darum geschert, dass ihr nur sehr wenig Schlaf bleiben würde, wenn sie Ryan mit nach oben nahm. Sie hatte ihn gewollt. Mehr als alles andere.

Das hatte sie nun davon.

Sie erlaubte sich noch einen kurzen Moment der Schwäche. Dann wischte sie sich entschlossen die Tränen aus dem Gesicht. Letztlich brachte es ja doch nichts, sich die Augen aus dem Kopf zu heulen. Ryan hatte deutlich gemacht, was er von ihrer gemeinsamen Nacht erwartete – und das schloss ein Kind definitiv nicht mit ein. Also war sie auf sich allein gestellt.

Sie warf den bescheuerten Test in den Mülleimer und tappte aus dem Badezimmer in das geräumige Loft im Industrial Style, das im Wesentlichen aus einem riesigen Raum bestand, dessen Bereiche durch stylische Regale und Schränke voneinander abgetrennt waren. Die hintere Wand war komplett mit Backsteinen versetzt. Gegenüber sorgte eine deckenhohe Fensterfront für sattes Tageslicht. Nun waren die Jalousien jedoch heruntergelassen, weil es draußen bereits dunkel war. Stehlampen tauchten den Raum in behagliches Licht.

Lauren ging an der Küchenzeile mitsamt den beiden hohen Barhockern vorbei und ließ sich auf das gigantische hellgraue Ecksofa fallen, das sie sich bei ihrem Einzug gegönnt hatte. Sie winkelte die Knie an und zog sich den Quilt über die Beine, den ihre Großmutter vor vielen Jahren genäht hatte. Der bunte Stoff war mittlerweile an vielen Stellen ausgebleicht und kratzig. Dennoch liebte Lauren den Quilt, weil er sie an glückliche Tage aus ihrer Kindheit erinnerte. An eine Zeit, in der ihre Familie noch ein lauter, verrückter Haufen war, der am Stadtrand von Goodville in einem hübschen Einfamilienhäuschen lebte.

Das war vor vielen Jahren gewesen, bevor ihre Mutter einfach abgehauen war, weil ihr der Kleinstadttrubel zu viel geworden war – und bevor Lauren ihren großen Bruder an den Avon River verlor.

Wie üblich zog sich ihr Herz vor Kummer zusammen, wenn sie an Aiden dachte. Er hatte es nicht gut aufgenommen, als ihre Mutter sie damals verließ, war rebellisch und unbezähmbar geworden. Nur sein bester Freund Jonah hatte ihm stets den Rücken freigehalten. Bis zu diesem verhängnisvollen Sommertag, an dem ein übermütiger Sprung in den Fluss Jonah das Leben kostete und in Aiden jeglicher Funke erlosch. Obwohl er erst siebzehn gewesen war, hatte er Goodville noch am Tag von Jonahs Beerdigung verlassen und war nie zurückgekehrt. Und das würde er auch nicht. Zu viele schmerzhafte Erinnerungen verbannten ihn von diesem Ort.

Teilweise konnte Lauren ihren Bruder verstehen. Sie hatte ja selbst vier Jahre später ihre Sachen gepackt und war für einige Zeit aus der Stadt verschwunden, um in New York Fuß zu fassen. Doch die Anonymität der Metropole war nicht ihr Ding gewesen. Und dann hatte ihr Dad einen Herzinfarkt erlitten. Er war mitten im Nowhere einfach umgekippt. Lauren war nicht da gewesen, als er starb, und nun war die Bar alles, was von ihrem einstigen Familienglück übrig war.

Familie.

Geistesabwesend ließ Lauren die Hand unter die Decke gleiten und legte sie auf ihren flachen Bauch. Sie hatte deutlich an Gewicht verloren in den letzten Wochen, weil sie kaum eine Mahlzeit bei sich behalten konnte. Die Übelkeit war nervig, aber damit kam sie klar. Die Abgeschlagenheit machte ihr da deutlich mehr zu schaffen. Doch egal, wie erschöpft und mutlos sie sich gerade fühlte, sie brauchte einen Plan.

Nachdenklich sank sie tiefer in die weichen Polster und versuchte, sich auf das Kernproblem zu fokussieren: Da wuchs ein Kind in ihrem Bauch heran, für das sie nun eine wichtige Entscheidung treffen musste.

Welche Möglichkeiten hatte sie?

Erstens: ein Schwangerschaftsabbruch.

Allein die Vorstellung fühlte sich an, als würde ihr jemand ein Messer ins Herz rammen. Klar, streng genommen handelte es sich im aktuellen Stadium maximal um einen abstrakten Zellhaufen. Aber er lebte. Das kam also nicht infrage.

Zweitens: Sie könnte das Baby austragen und es anschließend zur Adoption freigeben.

Damit würde sie die Verantwortung in liebevolle Hände abgeben. Vorausgesetzt, es fand sich jemand, der bereit war, ein fremdes Kind als sein eigenes anzunehmen und zu lieben. In diesem Fall würde Lauren ihr Kind wohl niemals wiedersehen. Sie würde nie erfahren, ob es ihre grünen oder Ryans strahlend blaue Augen geerbt hatte, sein braunes Wuschelhaar oder ihr Flammenmeer. Hätte es blasse Haut voller Sommersprossen wie Lauren oder das schiefe Grinsen seines Vaters? Würde es sich fragen, warum seine Eltern es nicht gewollt hatten?

Lauren schluckte schwer. Sie hatte sich jahrelang gefragt, warum ihre Mutter einfach abgehauen war. Was trieb einen Menschen dazu, seine eigenen Kinder im Stich zu lassen?

Die Antwort, die sie gefunden hatte, war nicht gerade schmeichelhaft: purer Egoismus. Ihre Mutter hatte einfach ihre eigenen Bedürfnisse über die ihrer Familie gestellt. Es hatte verdammt wehgetan, sich das einzugestehen, und wenn Lauren ganz ehrlich zu sich selbst war, schmerzte es auch heute noch. Wollte sie das wirklich ihrem eigenen Kind antun?

Blieb nur noch Option drei: Das Kind behalten und allein aufziehen.

Schlagartig wurde Laurens Brust eng, und ihr blieb die Luft weg. Sie riss den Mund auf und rang nach Atem. Aber es wollte partout kein Sauerstoff in ihre Lungen strömen. Ihr Herz begann wie eine alte Dampflok zu pumpen, und ihr brach der Schweiß aus. Panisch strampelte sie den Quilt weg, stolperte zum Fenster, zerrte die Jalousie nach oben und riss das Fenster auf.

Für Mitte September war es in Colorado noch erstaunlich mild. Aber immerhin kühlte es nachts herunter. Gierig sog Lauren die Luft ein und sang in Gedanken Aidens ABC-Lied, weil sie sowieso keinen Ton herausbekommen hätte.

So stand sie eine ganze Weile reglos am Fenster, starrte hinab auf die leere Straße und versuchte, sich zu beruhigen. Doch obwohl das in der Regel gut funktionierte, dauerte es diesmal deutlich länger, bis sich ihr Puls normalisiert hatte und sie nicht mehr das Gefühl hatte, an ihren Gedanken zu ersticken.

Drei Optionen. Die erste lehnte sie kategorisch ab, die zweite verabscheute sie, und die letzte löste eine ausgewachsene Panikattacke in ihr aus. Wirklich klasse! Da konnte man ja voller Optimismus in die Zukunft blicken.

Erneut traten Lauren Tränen in die Augen, weil sich der nächste Heulkrampf ankündigte. Verdammt noch mal, so kam sie doch nicht weiter! Sie brauchte einen Rat. Wenn sie mit jemandem darüber reden könnte, würde sie vielleicht etwas klarer sehen. Vielleicht gab es ja noch eine vierte Lösung, die sie bisher nicht bedacht hatte.

Lauren ging zum Küchenbereich und schnappte sich ihr Handy vom Tresen. Inzwischen war es nach zehn. Trotzdem schickte sie einen Notruf in die Chatgruppe der Soul Sisters und bat ihre Freundinnen, umgehend in den Clubraum zu kommen, wenn sie es so kurzfristig einrichten konnten. Keine zwei Minuten später hatten May, Nova und Josephine geantwortet und waren unterwegs.

Zum ersten Mal an diesem Abend hob ein Lächeln Laurens Lippen. Diese Frauen waren wirklich etwas Besonderes.

Nachdem sie sich ihm Bad literweise eiskaltes Wasser ins Gesicht geklatscht hatte und in Jeans und einen dünnen Pullover geschlüpft war, schnappte sie sich ihre Wohnungsschlüssel und ging über die metallene Außentreppe runter ins Nowhere.

Weil es ihr einfach zur Gewohnheit geworden war, ließ Lauren einen prüfenden Blick durch die Bar gleiten. An diesem Sonntagabend hatte Stacy Spätschicht. Sie stand hinter dem Tresen und zapfte Biere, während sie entspannt mit ein paar Stammgästen schwatzte, die auf den Hockern saßen. Darüber hinaus waren lediglich fünf Tische besetzt. Eine Anzahl, die Stacy spielend managen konnte.

Beruhigt bog Lauren in den Nebenraum ab, in dem sich der offizielle Clubsitz der Soul Sisters befand. Obwohl die Renovierung des Clubraums inzwischen mehrere Wochen zurücklag, drang der dezente Geruch von Farbe und Möbelpolitur in Laurens verstopfte Nase, als sie rastlos in dem gemütlich eingerichteten Zimmer umherging. Sie schaltete die kleine Stehlampe vor dem weiß lackierten Regal an der Wand ein, das bisher nur ein paar Dekoartikel und eine Schüssel mit Schokoriegeln enthielt. Anschließend ging sie an dem breiten Clubsofa, das mit grauen Leinenkissen bestückt war, vorbei zum Schreibtisch auf der gegenüberliegenden Seite und knipste die antike Tischleuchte an, die Helen aus ihrem Fundus gesponsert hatte. Schon erstrahlte der Raum in warmem Licht und setzte die hübsche Ornamenttapete und die hellen Möbel geschickt in Szene.

Lauren wollte sich gerade in einen der Ohrensessel fallen lassen, da stürzten auch schon May und Josephine zur Tür herein. May hatte ihr braunes Haar, das mit leuchtend blauen Strähnen durchsetzt war, zu einem losen Dutt auf dem Hinterkopf zusammengeknotet. Sie trug Jeansshorts und ein Hemd von Cole, in dem sie förmlich versank. Mit angespannter Miene sah sie Lauren an. »Lauren, was ist los?«

Bei ihrem einfühlsamen Ton schossen Lauren schon wieder Tränen in die Augen.

Zögernd trat Josephine näher an sie heran. Die Blondine war das jüngste Mitglied bei den Soul Sisters und Jonahs Zwillingsschwester.

Nachdem Jonah gestorben war und Laurens Bruder Aiden die Stadt verlassen hatte, war ihre Beziehung zunächst distanziert geblieben. Auch jetzt streckte sie im Affekt die Hand nach Lauren aus, zog sie aber sogleich wieder zurück, als würde sie damit eine unsichtbare Grenze überschreiten. Sie hatten nie über den Unfall oder ihre Brüder gesprochen. Vielleicht, weil sie beide es nicht ertragen konnten. Trotzdem waren sie inzwischen Freundinnen, und Lauren war froh, dass Josephine sich dem Ladies Club angeschlossen hatte.

Zittrig deutete Lauren auf die Sitzmöbel. »Setzen wir uns erst mal.«

Es war May anzusehen, dass sie am liebsten sofort Bescheid wissen wollte. Aber sie drängte Lauren nicht weiter, sondern setzte sich mit Josephine aufs Sofa.

Lauren blieb stocksteif im Clubraum stehen und knetete nervös die Hände.

»Hey«, erklang Novas Stimme hinter ihr. Wie üblich trug die schüchterne Souvenirladenbesitzerin ein schlichtes Kleid, in dem sie aussah wie eine Elfe. Ihr braunes Haar wurde von einer Klammer festgehalten. Nur ein paar Strähnen umrahmten ihr Gesicht. »Was ist passiert?«

»Vielleicht sollten wir noch auf Helen warten«, krächzte Lauren.

»Ich glaube nicht, dass sie noch kommt«, warf Josephine vom Sofa aus ein und zog sich eines der bunt gemusterten Kissen auf den Schoß. »Der Sheriff hat diese Woche Frühschicht. Also ist sie vermutlich auch schon im Bett.«

Lauren nickte, während ihr Herz schon wieder ihre Brust zu sprengen drohte.

Behutsam legte Nova ihr die Hand auf den Unterarm. »Sag uns, was los ist.«

O Mann. Das war doch viel schwerer, als Lauren gedacht hätte, obwohl es sich bei diesen Frauen um ihre engsten Vertrauten handelte.

»Bist du krank?«, fragte Josephine leise.

Ein Schluchzer platzte aus Laurens Kehle. Sie konnte ihn beim besten Willen nicht zurückhalten.

»Lauren!« Aufgewühlt warf May die Hände in die Luft. »Ich schwöre dir, ich drehe gleich völlig durch, wenn du nicht endlich mit der Sprache rausrückst.«

Nervös befeuchtete Lauren ihre Lippen. »Ich bin nicht krank, sondern schwanger.«

Ohrenbetäubende Stille schlug Lauren entgegen, während ihre Freundinnen sie schockiert anstarrten.

Eine Träne kullerte über Laurens Wange, die sie fast schon grob fortwischte, bevor sie ihre Mundwinkel in die Höhe zwang. Wahrscheinlich sah sie aus, als wäre sie irre. Andererseits war sie ja wirklich kurz davor, komplett durchzudrehen. »Überraschung!«

Das Schockschweigen hielt an. Dann platzte Nova endlich mit einer Reaktion heraus. »Deshalb war dir ständig schlecht.«

»Jepp.« Betont gelassen zuckte Lauren mit den Schultern und kämmte sich eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr. »Ich dachte immer, schwangere Frauen kämpfen bloß mit Morgenübelkeit, aber wie sich herausgestellt hat, tickt meine Uhr ein bisschen anders.«

»Wie weit bist du?«, fragte May, die sichtlich Mühe hatte, die Neuigkeiten zu verarbeiten.

»Anfang neunte Woche.«

Erneut schlug Lauren Schweigen entgegen. Keine der Frauen schien so recht zu wissen, was sie sagen sollte.

»Ist das nicht der Hammer?«, fragte sie in dem Versuch, die angespannte Stille zu durchbrechen. Ein bitteres Lachen platzte aus ihr hervor. »Die Barbesitzerin mit der großen Klappe ist zu dämlich zu verhüten. Wenn das mal kein gefundenes Fressen für die Klatschweiber ist.«

May zog die Beine an und schlang die Arme um ihre Knie. »Aber du hast doch gesagt, dass du seit Monaten mit niemandem zusammen warst.«

Shit! In ihrem Elend hatte Lauren total vergessen, dass sie vor einiger Zeit ein bisschen geflunkert hatte, als die Sache mit Nova und Jax ernst wurde. Damals hatte sie behauptet, ein stinklangweiliges Singledasein zu fristen. Dabei hatte der beste Sex ihres Lebens gerade mal ein paar Wochen zurückgelegen. Ihre Wangen brannten vor Scham, als sie ihren Fehler einräumte. »Ich habe gelogen. Tut mir leid.«

Verständnislos schüttelte Nova den Kopf. »Warum? Wir hätten dich niemals verurteilt.«

»Das weiß ich«, erwiderte Lauren kleinlaut. »Aber es war bloß eine einmalige Sache. Ich dachte nicht, dass es je wieder zur Sprache käme.« Sie schnaubte, weil sie sich so blöd vorkam. »Mann! Ich lag in meinem ganzen Leben noch nie so daneben.«

Josephine runzelte die Stirn. »Und wer ist der Vater?«

Obwohl Lauren im Grunde mit der Frage gerechnet hatte, zuckte sie nun doch zusammen. Sie konnte ihnen unmöglich sagen, dass es Ryan war. Schließlich hatte sie ihm versprochen, dass diese Nacht ohne Konsequenzen bleiben würde. Das schloss ein Baby garantiert mit ein. Also tat Lauren das Einzige, was ihr spontan einfiel, obwohl sie es hasste, ihre Freundinnen schon wieder anzulügen. »Nur ein Kerl auf der Durchreise. Niemand von Bedeutung.«

Nova runzelte die Stirn. »Was willst du jetzt tun?«

Tja, wenn sie das wüsste.

Weil Lauren plötzlich absolut keine Kraft mehr hatte, ließ sie sich in den nächsten Ohrensessel sinken und rieb sich über das Gesicht. Dann schüttelte sie den Kopf. »Ich kann dieses Kind nicht töten.«

Das schien keine der Frauen zu überraschen.

May nickte. »Also wirst du es behalten?«

Hilflos zuckte Lauren mit den Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Ich meine, könnt ihr euch das vorstellen? Ich – eine fürsorgliche Mutter?«

»Du wirst in diese Aufgabe reinwachsen«, sagte Josephine und lächelte mitfühlend. »Genau wie wir alle.«

Lauren lachte erstickt auf. »Du bist Erzieherin, Jo, quasi geschaffen für diese Rolle, und May ist ein Universalgenie. Ich hingegen …« Sie schluchzte auf. »Ich kann eine Bar führen und werde mit großmäuligen Touris fertig. Aber ein Kind? Herrgott noch mal! Ich werde es total versauen.«

»Nein, wirst du nicht!« Nova sank vor Lauren auf die Knie und ergriff ihre Hand. »Du hast ein gutes Herz, Lauren McGreedy, und bist eine schlaue, mutige, großartige Frau. Dieses Kind wird all deine Liebe erfahren und glücklich aufwachsen.«