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Wie lange waren Sie fort von zu Hause? Ich war niemals fort. Doch, wir wissen es, wie lange? Niemals war ich fort. Sie lügen, sagen Sie schon! Gut, ich lüge, aber das ist die Wahrheit.
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Seitenzahl: 72
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Adelhard Winzer, geboren in Karlshuld/Bayern, verbrachte die ersten Kinderjahre auf dem Bauernhof seines Onkels, Mitbegründer verschiedener Bands, Reisen durch Europa, Kinderbuchveröffentlichung „Andreas“, Georg Lentz Verlag, München, Bankangestellter, Bankkaufmann, intensive Schreib- und Zeichentätigkeit, Ausstellungen in Neuburg an der Donau, München und Umgebung, zwei Stücke im Cantus Theaterverlag, Eschach: „Krethi und Plethi“ – „Das Korkenspiel“, weitere Buchveröffentlichung: „Die Sprachgrenze“, Books on Demand, Norderstedt, lebt im Chiemgau.
Wie lange waren Sie fort von zu Hause? Ich war niemals fort. Doch, wir wissen es, wie lange? Niemals war ich fort. Sie lügen, sagen Sie schon! Gut, ich lüge, aber das ist die Wahrheit.
Schnurzlpurzl
Frau Garnicht
Lichter
Streit
Vergessen
Zwei Freunde
Der kleine Mann
Der kleine Fisch
Der Unsichtbare
Romane
Der Erfinder
Der Philosoph
Das Urteil
Die Schulklasse
Die Schwalben
Der Pilot
Das Haus
Das Mittagessen
Kino
Der Buchhändler
Frau Garnicht
Der Patient
Der Kettenraucher
Reform
Liebhaber
Der Zauberlehrling
Der Film
Der Wolf
Verführung
Sonntag
Als die Welt in Ordnung war
Müller
Das Unglück
Mythos
Das schwarze Telefon
Plastiktüten
Der Platz
Fünf Kinder
Der alte Mann
Das Haarwasser
Der kleine Stefan
Der Verliebte
Gedanken
Schock
Der Zeppelin
Veränderung
Das Loch
Übereinkunft
Fingerabdrücke
Das Buch
Der Schreibtisch
Der alte Mann
Der Hausbesitzer
Leidenschaft
Bleistift
Übereinkunft
Der Blick
Neuheim
Ausweg
Haareschneiden
Der Prophet
Natur
Der Unsichtbare
Schnee fällt
Das Notizbuch
Der Zimmermann
Die Chorleiterin
Der Wald
Die Radbolzen
Vorstand
Aufgabe
Treue
Ausreden
Probleme
Termine
Das Unfassbare
Der Spielplatz
Morpheus
Der Jäger
Null
Nil voll Krokodil
Kompetent
Der Luftballon
Kennen Sie den Schnurzlpurz, der jeden Morgen seine Schnurzl purzt? Der ist heute nicht aufgestanden. Sonst geht der ohne Umschweife zu mir. Das ist ganz unüblich. Ich weiß nicht, soll ich auf ihn warten. Man weiß ja nicht, was in so einem vorgeht. Vielleicht sagt er sich, heute stehe ich nicht auf, heute purz ich meine Schnurzl nicht. Heute mache ich mal was anderes!
Frau Garnicht war heute einkaufen. Im Supermarkt. Dort hat sie ein Paar Schuhe gesehen, die ihr sofort gefallen haben. So was passiert selten. Meistens ist man unzufrieden mit den Schuhen, und die Traumschuhe gibt es nicht. Doch Frau Garnicht hat sie gefunden. Sie ist auf die Schuhe losmarschiert, hat sie erst abwägend in der Hand gehalten, schließlich anprobiert – und auf Anhieb haben sie gepasst. Ohne geschwätzige Verkäuferinnen hat sie die Schuhe gesehen und gekauft. Das gibt es gar nicht, dachte sie. Sie hat sie im Supermarkt noch anbehalten und ist hinausgegangen damit. Sie hat sich wie ein neuer Mensch gefühlt. Sie ist gleich noch in das Süßwarengeschäft gegangen mit ihren neuen Schuhen und hat sich eine Tafel Schokolade von der besten Sorte gekauft. So sehr hat sie sich gefreut über ihre neuen Schuhe.
Der Mann, der nachts nicht schlafen konnte, stellte sich auf seinen Balkon und begann die Lichter in den Fenstern der Häuser gegenüber zu zählen. Manchmal brachte er es auf neunundvierzig, dann wieder nur auf siebenundzwanzig Lichter. Es gab auch Zeiten, wo es nur läppische zehn oder gar nur fünf Lichter zu zählen gab. Die höchste Zahl aber, die er jemals erreichte, sein Lichtrekord, waren dreihundertneunundneunzig Lichter. Er hat damals die Zahl gleich in seinen Lichterzahlenkatalog eingetragen und fett umrandet, so was passiert schließlich nicht jede Nacht. Und jedesmal, wenn der Mann eine neue Bekanntschaft macht, spricht er von seinem Lichterzahlenkatalog. Erst am Ende des Gespräches erwähnt er seine Höchstzahl. Daraufhin fragen die meisten Leute anstandshalber: Was, wie viele?! Dreihundertneunundneunzig, wiederholt er. Er könnte auch das Datum nennen. Oder die Uhrzeit. Aber das macht er nicht. War es doch während des Fußballweltmeisterschaftsendspiels, das damals im Fernsehen übertragen wurde. Alles, meint der Mann, muss man den Leuten ja nicht auf die Nase binden!
Brüderlein und Schwesterlein erwachten aus dem Schlaf und hörten, wie sich ihre Eltern stritten. Wenn wir groß sind, flüsterte das Schwesterlein, streiten wir nicht mehr, abgemacht? Abgemacht, entgegnete das Brüderlein. Wir machen es anders, wiederholte das Schwesterlein. Ja, sagte das Brüderlein. Aber wie, fragte das Schwesterlein. Nicht mehr streiten, meinte das Brüderlein.
Die Frau, die alles vergaß, schrieb sich täglich Zettel, um nicht mehr zu vergessen, was sie dauernd vergaß. Eines Tages schrieb sie: ESSEN LIEGT IM KÜHLSCHRANK! NUDELN IM GEFRIERSCHRANK! ROTE BEETE SIND SAUER! Am nächsten Morgen fand sie den Zettel in der Küche, konnte aber nichts mehr damit anfangen. ES IST SO WEIT, schrieb sie auf ihren Notizblock. Was sie damit meinte, wusste sie nicht.
Zwei Freunde trafen sich nach langer Zeit wieder. Der eine wusste, dass der andere nur dunkles Weißbier trank, und der andere wusste, dass der andere nur helles Weißbier trank. Sie mochten sich sehr. Jeder brachte dem anderen als Geschenk sein Lieblingsbier mit. Und sie freuten sich. Der eine trank dann sein dunkles Weißbier und erzählte von den Problemen der Welt, und der andere trank sein helles Weißbier und hörte ihm zu, oder auch nicht. So blieben sie zeitlebens Freunde.
Ach, wäre mir das doch nie passiert, jammerte der Mann, hätte ich es nur nicht gemacht! Wie bin ich dumm gewesen, ach, so dumm! Wäre mir das doch nie passiert! Plötzlich richtete sich in seinem Kopf ein kleines Männlein auf und marschierte gegen die dunklen Gedanken an. Halt, rief das Männlein, hier geht es lang! Ach, wollte der Mann schon wieder sagen. Das kleine Männlein aber lief hin und her in seinem Kopf, versuchte aus dem düsteren einen wunderherrlichen Tag zu machen, und das war eine große Aufgabe. Obwohl das kleine Männlein viel kleiner war als der Mann, war es zehnmal stärker als er. Ach was, hundertmal stärker! Für manche Sachen gibt es einfach keine Vergleiche mehr.
Der kleine Fisch drehte seine kleinen Kreise im tiefen Wasser und traf dabei auf einen großen Fisch. Ach, seufzte das kleine Fischlein, ich wäre so gerne ein großer Fisch! Nichts leichter als das, meinte der große Fisch und kam näher. Aber, wie wird man denn ein großer Fisch, fragte das Fischlein neugierig. Ganz einfach, entgegnete der große Fisch, sperrte sein Maul auf und verschlang das kleine Fischlein.
Der Mann, der sich unsichtbar machen konnte, marschierte auf eine Frau zu, die gemeinsam mit einer anderen Frau auf einer Parkbank saß. Er kannte diese Frau sehr gut, doch sie wollte nichts mehr von ihm wissen. Bestimmt reden die jetzt über mich, dachte er. Sie sprachen aber nur über Schuhe und Einkaufszettel, Abendschule und dergleichen. Die Frau, die er nicht kannte, war schön anzusehen von der Seite. Da wünschte er, die Frau, die von ihm nichts mehr wissen wollte, würde interessante Sachen erzählen über ihn, damit die schöne Frau neugierig würde. Hätte sie das getan, wäre er zufällig des Weges gekommen und hätte sich zu ihnen gesetzt. Aber nichts dergleichen geschah. Nur Wetterberichte, Reiseziele und Kino. Da dachte der unsichtbare Mann, es ist überhaupt nicht mehr interessant, unsichtbar zu sein!
Nachdem der arbeitslose Mann ein halbes Jahr arbeitslos gewesen war, dachte er: Ich werde einen Roman über Arbeitslose schreiben! Er kaufte sich Papier und Bleistift, auch ein Rechtschreibbuch. Es ging sehr gut voran. Er hatte in kürzester Zeit mehr als einhundert Seiten gefüllt. Eines Tages aber erschrak er, stand auf von seinem Platz und ließ den Bleistift fallen. Ich bin nicht mehr arbeitslos, dachte er, unmöglich weiter darüber zu schreiben. Das geht nicht! Also blieb der Roman unvollendet, und der Mann arbeitslos.
Als der Mann endlich den Beruf gefunden hatte, für den er glaubte, auf der Welt zu sein, stellten ihm die zuständigen Herren jede Menge Hindernisse in den Weg. Sie verleideten ihm den Beruf dermaßen, dass er einfach Erfinder wurde und damit unglaublich viel Geld verdiente, so viel, dass es für die Bewohner einer Großstadt ausgereicht hätte. Trotzdem wurde der Mann von Tag zu Tag unglücklicher, weil er nicht den Beruf ausüben konnte, für den er glaubte, auf der Welt zu sein. Die damals für ihn zuständigen Herren hätten jetzt gerne ihr letztes Hemd hergegeben für ein Autogramm von ihm, für ihre Töchter. Wagten aber nicht mehr, in seine Nähe zu kommen.