Lynnwood Falls – Mein Weg zu dir - Helen Paris - E-Book
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Lynnwood Falls – Mein Weg zu dir E-Book

Helen Paris

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Beschreibung

Wo verlorene Herzen ein Zuhause finden.

Melanie versteckt sich seit Jahren vor den Schatten ihrer Vergangenheit. In Lynnwood Falls scheint sie endlich ein sicheres Zuhause gefunden zu haben - und Freunde. Als ihr Verfolger sie schließlich doch aufspürt, unterstützt sie der ganze Ort. Ihre Freunde bringen Melanie auf einem Forschungsschiff in Sicherheit. An Bord ist auch der attraktive Meeresbiologe Jesse. Doch Mel hat geschworen, sich nie wieder auf einen Mann einzulassen. Wenn sich nur Herz und Verstand in Einklang bringen ließen ...

Auch Jesse kämpft mit einem schweren Schicksalsschlag und vergräbt sich in seiner Arbeit - auf hoher See findet er Ablenkung und konzentriert sich ganz auf die Walforschung. Sein Privatleben hat er auf Eis gelegt. Während sich Mel auf dem Schiff einlebt, merkt Jesse, dass sie ihm mehr bedeutet, als er eigentlich zulassen will. Aber wie kann er keine Gefühle für eine Frau entwickeln, die er beschützen muss?

Der dritte Band der romantischen Liebesromanreihe um die idyllische Kleinstadt Lynnwood Falls.

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Zitat

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Dankeschön

Weitere Titel der Autorin

Lynnwood Falls – Sommer der Liebe

Lynnwood Falls – Und dann kamst du

Über dieses Buch

Melanie versteckt sich seit Jahren vor den Schatten ihrer Vergangenheit. In Lynnwood Falls scheint sie endlich ein sicheres Zuhause gefunden zu haben – und Freunde. Als ihr Verfolger sie schließlich doch aufspürt, unterstützt sie der ganze Ort. Ihre Freunde bringen Melanie auf einem Forschungsschiff in Sicherheit. An Bord ist auch der attraktive Meeresbiologe Jesse. Doch Mel hat geschworen, sich nie wieder auf einen Mann einzulassen. Wenn sich nur Herz und Verstand in Einklang bringen ließen ...

Auch Jesse kämpft mit einem schweren Schicksalsschlag und vergräbt sich in seiner Arbeit – auf hoher See findet er Ablenkung und konzentriert sich ganz auf die Walforschung. Sein Privatleben hat er auf Eis gelegt. Während sich Mel auf dem Schiff einlebt, merkt Jesse, dass sie ihm mehr bedeutet, als er eigentlich zulassen will. Aber wie kann er keine Gefühle für eine Frau entwickeln, die er beschützen muss?

Über die Autorin

Helen Paris liebt das Abtauchen in fremde Welten, ob virtuell in Geschichten oder auf ihren Reisen rund um den Globus. Seit knapp zwanzig Jahren lebt sie mit ihrem Mann zeitweise auf ihrem Segelkatamaran und ist auf allen Weltmeeren unterwegs. Eine halbjährige Reise quer durch Nordamerika mit Schiff und Wohnmobil hat ihre Liebe zu diesem vielseitigen Kontinent geweckt.

Helen Paris

Lynnwood Falls –Mein Weg zu dir

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dorothee Cabras

Lektorat/Projektmanagement: Anna-Lena Meyhöfer

Covergestaltung: Sandra Taufer, München unter Verwendung von Motiven © shutterstock: NDAB Creativity | Tanya Sun | tomertu; © iStockphoto: KenWiedemann

eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 978-3-7325-9850-2

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Für Mama,

die mich die Liebe

zu Büchern und dem Meer

„Und wenn wir die ganze Welt durchreisen,

um das Schöne zu finden,

wir müssen es in uns tragen,

sonst finden wir es nicht.“

Kapitel 1

Melanie

Lynnwood Falls

Unwillkürlich schloss Melanie die Augen, als sie die vergilbten Buchseiten glatt strich. Sie konnte nicht widerstehen, auch mit den Fingern über das Buchcover zu fahren, die Unebenheiten des Goldkäfers darauf zu erfühlen. Bücher übten eine unwiderstehliche Faszination auf sie aus. Schnell öffnete sie die Lider, als die ersten Stühle gerückt wurden und die Mitglieder des »Lynnwood Falls Buchklubs« in ihre Jacken schlüpften. Die monatlichen Treffen in der Carly Martin Memorial Library waren immer ein Highlight – Mel mochte die bunt gemischte Runde, die einen Querschnitt der Bevölkerung von Lynnwood Falls bildete. Die Männer waren jedoch deutlich in der Unterzahl bei den etwa zwölf Büchereulen, die sich einmal im Monat um den ovalen Holztisch versammelten, deren Zahl gelegentlich wechselte.

»Oh, bevor alle weglaufen: Das nächste Buch ist klar, aber wie wäre es, wenn wir danach, wenn wieder ein Klassiker an der Reihe ist, Moby Dick lesen?« Will, der das örtliche Rechtsanwaltsbüro leitete und auch einen Bio-Bauernhof mit Schweinen besaß, blickte in die Runde. »Wir haben Herman Melvilles Geschichte sicherlich alle bereits gelesen oder als Film gesehen, aber zumindest bei mir liegt die Lektüre viele Jahre zurück. Ich denke, die Story bietet viel Potenzial und interessante Charaktere, um darüber zu sprechen. Und das Buch läge gerade auf meinem Bücherstapel. Ich wollte nur wissen, ob ihr Lust dazu hättet. Dann spare ich mir das Buch für euch auf.« Das Schmunzeln des jüngsten der McGinty-Brüder war so sympathisch, dass man es unwillkürlich erwidern musste. Es brachte ihm nun ein verliebtes Lächeln seiner Freundin Annabella ein.

Ein zustimmendes Gemurmel ertönte.

»Okay, prima, dann ist das geklärt. Wir nehmen uns Moby Dick sehr gern als nächsten Klassiker vor.« Mel überlegte kurz. »Da hätte ich auch einen Vorschlag für danach – von meinem Bücherstapel –, falls wir bei den Meeressäugern bleiben wollen: Wie wäre es mit Der Wal und das Ende der Welt? Es ist zwar auch schon ein paar Jahre alt, aber topaktuell. Und es passt gut zu unserer Kleinstadt: Es geht unter anderem um den Zusammenhalt in einer Dorfgemeinschaft.«

»Das klingt toll.« Annabella nickte, auch der alte Farmer Wes Tucker brummte zustimmend.

»Und welche Rolle spielt der Wal?«, wollte Hope, ganz die Tierärztin, wissen, während sie sich den Schal um den Hals wickelte.

»Ohne allzu viel zu verraten: Im Grunde dient er als Symbol. Das ganze Dorf lernt bei seiner Rettung Zusammenhalt, als der Wal dort strandet ...« Mel hielt inne, als sich die Miene von einigen verdunkelte und sich Bestürzung auf ihren Gesichtern abmalte. »Was ist?«

Normalerweise war Elly Johnson, Wills Assistentin in der Kanzlei, ein äußerst positiver Mensch, hatte für jedermann ein Strahlen übrig und immer einen guten Rat auf den Lippen. Nun wirkte sie irgendwie bedrückt.

»Ellys Bruder Jesse ist doch Walforscher«, erläuterte ihre Freundin Hope. »Du hast vielleicht von dem Unglück gehört ...« Sie verstummte.

»Mhm.« Mel biss sich auf die Lippen. Die Tragödie der Familie Johnson hatte sich wenige Monate nach ihrer Ankunft in Lynnwood Falls ereignet, vor gut eineinhalb Jahren. Ellys Schwägerin Beth, Jesses Frau, war hochschwanger nachts beim Fahren auf rutschigem Herbstlaub von der Straße abgekommen und mit dem Wagen den Hang hinuntergestürzt. Die dreijährige Tochter hatte mit im Auto gesessen. Weder sie noch ihre Mutter hatten überlebt.

Mel schluckte trocken. Den Schmerz der Angehörigen konnte sie förmlich fühlen. Ein dumpfer Druck bildete sich in ihrem Brustraum.

»Jesse saß nicht mit im Wagen, weil an dem Tag drüben bei Rockland ein Wal gestrandet ist und er vor Ort blieb, um bei der Rettung zu helfen. Er macht sich Vorwürfe, dass er seine Familie allein hat fahren lassen«, erklärte Hope mit belegter Stimme. »Deshalb ... Wenn es um Walstrandungen geht ...«

»Natürlich lesen wir etwas anderes«, erwiderte Mel sofort, wobei sie sich um eine einigermaßen ruhige Stimmlage bemühte. Dieses Schicksal hatte sie damals – frisch in Lynnwood Falls angekommen und so gut von der Gemeinde aufgenommen – schon schwer getroffen, auch wenn sie Beth kaum gekannt hatte. Sie war ihr vielleicht zwei-‍, dreimal in der Bibliothek oder im Ort begegnet. Ellys Bruder Jesse war mit noch nicht einmal Mitte dreißig seither ein gebrochener Mann – und Mel konnte das sehr gut nachvollziehen.

Der Verlust eines Kindes ... Kälte kroch in Melanies Glieder, die sie lähmte. Und der arme Jesse hatte gleich drei geliebte Menschen verloren. Seit einem guten halben Jahr war er auf einem Forschungsschiff auf dem Atlantik unterwegs, um den Zug der Wale zu verfolgen – der Abstand tat ihm sicherlich gut. Mel hatte auch ihn nur wenige Male getroffen, aber die Begegnungen hatten sie jedes Mal seltsam aufgewühlt.

Elly, die auf ihrem Handy herumgetippt hatte, winkte resolut ab. »Nein, es ...«, sie räusperte sich, »ist nur immer die Erinnerung. Aber natürlich lesen wir das Buch. Das klingt toll, ich habe mir soeben die Beschreibung durchgelesen. Solch hintergründige Geschichten sind ganz mein Ding. Ich bin dafür.«

Will warf seiner Assistentin einen nachdenklichen Blick zu. Als Elly herausfordernd das Kinn hob, stimmte er zu. Auch vom Rest der Truppe kam ein bejahendes Gemurmel.

»In Ordnung, dann merken wir uns das vor. Ich schreibe euch nachher die Details in unsere Messenger-Gruppe. Und wir sehen uns spätestens Anfang März wieder hier in diesen heiligen Hallen.« Mel machte eine weitschweifende Handbewegung durch die Bibliothek.

Einer nach dem anderen verabschiedete sich, nur Elly blieb zurück.

»Es tut mir wirklich leid, dass ich die Erinnerung habe aufleben lassen ...«, begann Mel zerknirscht, doch Elly, die in ihrer großen Umhängetasche gekramt hatte, schüttelte abwehrend den Kopf und schwenkte einen Umschlag.

»Lass gut sein! Das Leben muss weitergehen! Ich wollte wegen etwas anderem mit dir sprechen.« Nun erhellte ein inneres Leuchten ihre Züge. »Brandon und ich beenden unsere Verlobungszeit.«

»Beenden?« Mel lachte. »Ich gehe davon aus, ihr habt einen Termin gefunden? Denn solche tragenden Ereignisse wie eine Trennung wären in unserer Kleinstadt nicht verborgen geblieben. Und du würdest nicht so strahlen und hättest vermutlich den Ring abgelegt.« Sie deutete auf den schmalen Goldreif mit dem schillernden Diamanten an Ellys Finger.

»Stimmt!« Elly drückte ihr kichernd den Umschlag in die Hand. »Brandon und ich würden uns freuen, wenn du zu unserer Hochzeit kommst. Am Samstag, den siebzehnten April. Der Montag danach ist ein Feiertag, der Tag der Patrioten. Da kann man sich hinterher ausgiebig von der Feier erholen.«

Mel blinzelte gerührt. Sie hatten zwar in letzter Zeit viel zusammen unternommen und Freundschaft geschlossen, trotzdem fühlte sie sich überwältigt. »Danke! Ich ... freue mich wahnsinnig!«

»Oh, wie schön!« Elly umarmte sie. »Dann freue ich mich ebenso! Ich weiß, der Termin in zehn Wochen ist etwas kurzfristig, doch wir haben gerade erfahren, dass Brandon im Mai nochmals unters Messer muss ...«

»Oh, hoffentlich nichts Schlimmes?«

»Nein, er bekommt einen Nagel am Knie herausoperiert. Aber warum auch so lange warten? Jetzt sind wir so viele Jahre zusammen ...«, sie lächelte verschämt, »und zudem kann ich es kaum erwarten, endlich Mrs Brandon Simmons zu sein.«

»Da habt ihr völlig recht.«

»Danke!« Elly nahm ihre Hand, die Geste hatte etwas Feierliches. »Möchtest du auch eine meiner Brautjungfern sein?«

»Was, ich?« Vor Rührung musste Mel schlucken.

Elly blickte sich übertrieben in der Bibliothek um und grinste breit. »Ich sehe zwischen diesen Bücherschätzen hier niemanden außer uns beiden.«

»Oh, ich ... freue mich total!«

Trotz ihrer manchmal etwas burschikosen Art – und der meist ungeschminkten Wahrheit, mit der sie nicht hinter dem Berg hielt – war Elly äußerst feinfühlig. Offenbar ahnte sie, was in Mel vorging, auch wenn sie nicht alles wissen konnte. »Du gehörst zu uns, Mel«, betonte sie.

»Danke!« Die spontane Freude, die Mel anfangs bei den Worten empfunden hatte, verschwand abrupt, als ihr rationales Denken wieder einsetzte. Sie erstarrte. Und hörte nur mit halbem Ohr zu, während Elly weitersprach.

»Wenn du magst, könnte Jack Fuller dein Begleiter sein, er ist auch einer von Brandons ›Groomsmen‹ – oder auch ›Leibwächtern‹, wie ich seine Jungs, die ihn zum Altar begleiten, gern nenne. Er würde sich freuen.«

Mel presste die Lippen zusammen.

Elly zwirbelte an einer Haarsträhne. »Oh, ich bestimme so einfach über dich! Würdest du lieber mit jemand anders gehen? Mit deinem Bruder vielleicht?«

»Nein, nein, das ist es nicht!« Mark besuchte sie zwar gelegentlich hier, aber er hatte keinen Kontakt zu den anderen im Ort, das würde also nicht passen. Ihr lag etwas anderes wie ein Stein im Magen. Kaum jemand hier in Lynnwood Falls wusste etwas von ihrer Vergangenheit. Als sie hierhergekommen war, hatte sie damit für immer abgeschlossen – zumindest hoffte sie das. Sie fühlte sich geborgen in dem zauberhaften Örtchen. In Sicherheit. »Ich ... würde wirklich gern. Aber ich ... weiß nicht ...«

Elly verbarg ihr Erstaunen nicht. »Ist es wegen Jack?«

»Was? Nein! Ich mag Jack. Sehr sogar, er ist ein lustiger Kerl. Mit den Fuller-Zwillingen ist es immer witzig. Ich ... kann wohl nicht! Es ...« Mel zögerte. Einen Grund musste sie nennen, um Elly nicht vor den Kopf zu stoßen, und sie wollte ihre Freundin auch nicht anlügen. »Ich ... bin keine ›Jungfrau‹, ich meine ...«

»Ach, das ist keine von den Mädels!«, unterbrach Elly sie amüsiert.

Mel lachte auf, bevor sie wieder ernst wurde. »Ich meinte, ich ... bin nicht mehr ... unverheiratet.«

»Was? Ich hatte ja keine Ahnung!« Elly riss die grünen Augen auf.

»Kaum jemand weiß das, nur Doris. Und ich hatte einmal Hope davon erzählt, als wir uns über unsere Leben in einer Großstadt unterhalten hatten. Außerdem wissen es der Bürgermeister und seine Assistentin Hilary Higgins, wegen meiner Anmeldung im Ort.« Mel stieß die Luft aus und löste die Hand, die sich unwillkürlich zur Faust geballt hatte.

»Bist du ... auch Witwe?« Elly wirkte besorgt.

Mel schluckte. »Nein, er ... lebt noch. Doch ich ... spreche nicht gern darüber, wenn das okay ist? Es war nicht so ...« Sie verstummte. Unwillkürlich lief ihr eine Gänsehaut über die Arme.

»Natürlich!« Elly hatte viele großartige Eigenschaften, aber ein Pokerface aufsetzen konnte sie nicht. Die kaum zügelbare Neugierde war ihr auf die Stirn geschrieben. Mel rechnete ihr hoch an, dass sie dennoch nicht nachhakte. Bedingungslose Toleranz war nur eine von Ellys guten Seiten.

Verschämt zog Mel die Unterlippe durch die Zähne. »Ich hoffe, du nimmst es nicht persönlich, dass ich nicht darüber reden möchte? Aber manche Dinge lässt man besser in der Vergessenheit ruhen ...«

Und schon fand sie sich in Ellys Umarmung wieder. »Logisch bin ich nicht böse, und ich behalte es für mich. Eine Brautjungfer muss nicht ledig sein. Becky ist auch dabei, und die ist immerhin schon Mutter. Ich würde mich freuen, wenn du trotzdem zusagst.«

»Oh, dann klar, sehr gern!« Freude löste die unguten Erinnerungen ab.

»Super! Hope ist meine Trauzeugin, sie übernimmt die Leitung der Organisation – zusammen mit Ryan, der Brandons Trauzeuge ist. Wir würden uns dann gern am Samstagabend zusammensetzen, bei Hope und Ryan auf der Cooper-Farm. Könntest du da?«

»Ja, klar! Egal, was ich vorgehabt hätte, dafür nehme ich mir Zeit!« Mel lächelte. »Sehr gern sogar!«

Nachdem Elly sich mit einer erneuten stürmischen Umarmung verabschiedet hatte, schaltete Melanie die Lichter aus. Sie liebte ihren Job als Bibliothekarin; das kam ihrem früheren Traum sehr nahe. Normalerweise fühlte sie sich in diesen Räumen, inmitten der Bücher, wohl und geborgen.

Doch plötzlich schienen zwischen den deckenhohen Regalen aus hellem Ahornholz dunkle Schatten zu lauern. Ihr lief ein kalter Schauder über den Rücken. Was war nur los? Sie sollte sich auf Ellys Hochzeit freuen, anstatt sich in den unguten Erinnerungen zu verlieren, die zum Glück mit den Jahren zunehmend verblassten. Trotzdem fiel das Verriegeln der Tür etwas hektisch aus, und sie floh fast über die Straße in Richtung ihres Apartments, das – nicht weit entfernt am Marktplatz – über dem Lynnwood Falls Grocery & Deli lag, den ihre Vermieterin Doris Pearson betrieb.

Du bist ja albern, sagte sich Mel, doch ihr Atem beruhigte sich erst wieder, als sie die Haustür hinter sich geschlossen hatte und Doris' Stimme hörte.

»Mel, Kind, bist du das?«

Sie lächelte. Zwar könnte sie mit ihren achtundzwanzig Jahren biologisch gesehen durchaus die Tochter der siebenundsechzigjährigen Doris sein, aber trotz der Fürsorge, für die ihre Vermieterin hier im Ort bekannt war, war sie eher der kumpelhafte als der mütterliche Typ.

»Ja, ich bin's! Hi!« Mel steckte den Kopf in Doris' Wohnzimmer. Diese saß auf ihrem Lieblingssessel aus grünem Samt mit dem ausklappbaren Fußteil; das kastanienbraun gefärbte Haar wurde von der Stehlampe in einen leuchtenden Schein gehüllt. Die Stricknadeln klapperten emsig, während im Fernsehen eine Krimi-Serie lief.

Doris liebte alles, was mit Kriminalfällen zu tun hatte, von Rizzoli & Isles, über Bones, The Mentalist bis hin zu Monk und sämtlichen CSI-Serien. Auch die alten englischen Klassiker sah sie gern. An Doris war eine Privatdetektivin verloren gegangen; sie lebte in den jeweiligen Ermittlern regelrecht auf.

»Ich glaube, der Barkeeper war es«, murmelte sie nun.

Mel schmunzelte. »Du solltest unbedingt bei Sheriff Thomson anheuern.«

Lachfältchen bildeten sich um Doris' Augen. »Dazu ist Lynnwood Falls ein zu friedlicher Ort. Hier gibt es zu wenig zu ermitteln. Da würde ich ja vor Langweile sterben.«

»Zum Glück! Langweile ist genau das Richtige für mich.« Mel hob grüßend die Hand. »Hab noch einen schönen Abend.«

»Du auch, Darling.«

Mel ließ sich ein Bad ein und zwang sich, darüber nachzudenken, was sie Elly und Brandon zur Hochzeit schenken und was sie, als frisch gebackene Brautjungfer, zur Planung beitragen konnte.

Langsam ließ sie sich durch die Schaumberge ins warme Wasser gleiten, sog den Duft nach Lavendel und Rosmarin ein und versuchte, die unguten Erinnerungen zu vertreiben, die sich immer wieder in ihre Gedanken drängten. Sie hatte jetzt ein Zuhause gefunden. Hier, in der Geborgenheit von Lynnwood Falls.

Jesse

An Bord des Forschungsschiffes Cetus, Atlantik, Turks- und Caicosinseln

Jesse starrte grübelnd auf den Bildschirm des Laptops, auf dem sich Elly gerade die blonden Haarspitzen um den Zeigefinger wickelte. Das hatte sie schon als kleines Mädchen getan, wenn sie etwas ausgefressen und versucht hatte, irgendwie aus dieser Nummer rauszukommen.

»Natürlich komme ich zu deiner Hochzeit! Das habe ich dir doch gestern Abend gleich schriftlich zugesagt.«

»Ich habe dich gestern auch angerufen, aber nicht erreicht. Eigentlich wollte ich das nicht per E-Mail ...«

»Das sollte kein Vorwurf sein«, unterbrach er sie lachend. »Wir waren nachttauchen, es ist spät geworden. Was ich sagen wollte: Du bist meine kleine Schwester. Was ist denn das für eine Frage, ob ich komme? Ich bin doch kein Gefangener auf dem Forschungsschiff. Für solch ein wichtiges Event kann ich mir freinehmen!« Auch wenn es ihn sonst momentan selten nach Hause zog ... Schnell sprach er weiter:

»Der siebzehnte April ist schon fix im Kalender eingetragen. Sobald ich weiß, wo wir genau sein werden, buche ich den Flug.« Er versuchte, den Plauderton beizubehalten, obwohl es innerlich in ihm zu brodeln begann. Er liebte seine Schwester über alles, doch es war nicht zu übersehen, dass sie sich Sorgen um ihn machte. Dass sie fürchtete, ihn könnte eine Hochzeit zu sehr belasten. Er hasste es, wenn er wegen seines Schicksalsschlags wie ein rohes Ei behandelt wurde. »Ich freue mich riesig für euch!« Doch unwillkürlich fragte er sich, ob hinter Ellys Zögern noch mehr als Mitleid steckte.

»Es gibt da etwas ...«, setzte sie da auch schon an – die Haarsträhne zog sich immer enger um die Fingerspitze.

»Was führst du im Schilde?«, erwiderte er in ruhiger Tonlage, doch vermutlich kannte auch seine kleine Schwester ihn gut genug, um zu wissen, dass das die Ruhe vor dem Sturm war. Zumindest wirkte sein Konterfei, das er in der oberen Ecke des Monitors sehen konnte, bereits leicht grimmig. Die Augen, die normalerweise braungrün schimmerten, schimmerten nun so zusammengekniffen fast dunkelbraun, und zwischen den Augenbrauen bildeten sich Falten.

»Gar nichts, ehrlich!«, beteuerte sie. »Es gibt etwas, das ich beziehungsweise Brandon dich fragen wollte.«

»Erst mal schön, dass du dir freinehmen kannst!«, ertönte eine dunkle Stimme.

Sein Schwager in spe erschien neben Elly auf dem Bildschirm. Neben ihrem großen, breitschultrigen Verlobten verschwand sie beinahe, obwohl sie mit ihren ein Meter siebzig nicht gerade winzig war. Jesse mochte und schätzte Brandon, der mit seiner besonnenen Art genau der Richtige war, um seine manchmal etwas aufgedrehte Schwester zu erden. »Ich wollte dich fragen, ob du auch mein Groomsman sein und mich zum Altar begleiten möchtest?« Brandon grinste. »So als seelischer und moralischer Beistand?«

»He! Was soll das heißen? Hast du das nötig?«, empörte sich Elly und stieß Brandon in die Rippen.

»Du meinst wohl, als Fluchthelfer«, warf Jesse lachend ein. Er war ja weit genug entfernt, um von seiner Schwester gestoßen zu werden.

Elly stemmte die Hände in die Hüften. »Euch erzähle ich was!« Doch er sah ihr an, dass sie froh war, dass er nicht glattweg ablehnte. Hatte sie gedacht, er fürchte sich davor, vor einem Altar zu stehen?

Natürlich weckte das Erinnerungen. Aber die begleiteten ihn so oder so. Er würde sich doch nicht drücken. Er liebte seine kleine Schwester, und sie standen sich nahe! Es war einer der wichtigsten Tage in ihrem Leben, da spielten seine eigenen Befindlichkeiten keine Rolle.

Also lächelte er. »Ich begleite dich gern zum Altar, Brandon. Ich freue mich, danke.«

»Klasse, danke!« Brandon sah ehrlich erfreut aus.

»Gibt es eine Hochzeitsplanerin?«

Elly hob nur spöttisch die Augenbrauen. »Kannst du dir vorstellen, dass ich ...«

»Nein, schon gut!«, unterbrach Jesse sie lachend. Elly würde sich die Organisation nicht aus den Händen nehmen lassen, dazu machte ihr das zu viel Freude. Zudem oblag es traditionsgemäß auch den Trauzeugen sowie Brandons besten Freunden und den Brautjungfern, die Planung der Hochzeit zu übernehmen oder – wie in Ellys Fall – das Hochzeitspaar zumindest dabei zu unterstützen. »Sind Hope und Ryan die Trauzeugen?«

Elly und Brandon nickten gleichzeitig.

»Dann werde ich sie anmailen und mit ihnen abklären, was ich aus der Ferne zur Organisation beitragen kann.«

Seine Schwester verfiel sogleich in den Planungsmodus. »Du musst uns auf jeden Fall deine Maße durchgeben, wegen der Anzüge. Wir lassen sie in Portland schneidern, Wetherby's ist der beste Schneider in ganz Neuengland. Dann können sie deinen schon vorbereiten und nur kurzfristig die letzten Details anpassen. Wir nehmen anthrazitfarbene Schurwolle. Leicht glänzend. Ihr werdet ...« Oh, nein! Diese Pause sagte Jesse schon, dass Elly gleich ihr Lieblingswort benutzen würde, »... fesch darin aussehen, ich freue mich schon!«

Nachdenklich fuhr er sich durch die schulterlangen hellbraunen Wellen, in denen einzelne Strähnen von der Sonne ausgebleicht waren. Er hatte sie aus Bequemlichkeit an Bord wachsen lassen. »Dann werde ich wohl auch mal wieder zum Friseur müssen.«

Elly lachte auf. »Das musst du nicht. Du bist so oder so der Schönste im ganzen Land. Direkt nach Brandon.«

»Da hast du ja gerade noch die Kurve gekriegt, Weib«, brummte der. Die beiden konnten es einfach nicht lassen, sich ständig liebevoll zu necken.

Sie wurde wieder ernst, und abermals musste die Haarsträhne herhalten. »Kann ich Manja als deine Begleiterin einplanen?«

Jesse nickte und bemühte sich, sich die Erleichterung, die ihn durchflutete, nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Zum Glück versuchte Elly nicht, ihn mit irgendeiner ihrer Freundinnen zusammenzubringen – sie kuppelte für ihr Leben gern. Er hatte insgeheim etwas in der Richtung befürchtet. Seine Cousine Manja mochte er sehr – dank ihrer manchmal etwas verrückten Art wurde es nie langweilig mit ihr. »Klar, gern.«

In dem Moment erschallte ein Ruf von draußen. »Zwergwal, auf vier Uhr.«

»Ein Wal! Ich muss raus, wir hören uns wieder. Schönen Tag noch euch beiden! Ich freue mich auf die Hochzeit!« Ohne den Abschiedsgruß abzuwarten, beendete er die Videokonferenz, indem er den Laptop zuklappte.

Er eilte an Deck – eine warme Windböe verwirbelte ihm die Haare. Also würde er wieder vor einem Altar stehen. Doch für seine kleine Schwester konnte er die emotionale Achterbahnfahrt überstehen.

Dann wurden seine Gedanken von dem rund sechs Meter langen Zwergwal in Anspruch genommen, der zielsicher auf sie zu schwamm. Diese Art war neugierig und näherte sich – ähnlich wie Delfine – den kleineren Schiffen, um sie zu inspizieren.

Jesses Herzschlag beschleunigte sich. Seit er als kleiner Junge vor dem Ferienhaus seiner Eltern am Strand vor Cumbers Landing zum ersten Mal einen Wal hatte vorbeischwimmen sehen, der beim Abtauchen stolz seine Fluke präsentiert hatte – ein Buckelwal, wie er im Nachhinein erfahren hatte –, faszinierten ihn Meeressäuger. Diese Tiere hatten bis heute nichts von ihrem Zauber für ihn verloren.

Auch wenn sein Traum von einer Familie so jäh zerstört worden war, so hatte sich zumindest dieser Lebenstraum erfüllt: Meeresbiologe mit der Fachrichtung Cetaceen, also Waltiere, zu werden. Normalerweise forschte er von zu Hause aus, in der Gegend von Portland, und unterrichtete am Oceanographic Institute –er liebte seine Arbeit und auch das Leben in seiner Heimat Lynnwood Falls. Doch die Auszeit von gut einem halben Jahr, die er sich genommen hatte, um für eine Saison den Zug der Buckelwale von den kalten, nahrungsreichen Gewässern im Norden zu ihren Paarungs- und Brutstätten in die tropischen Gewässer im Süden zu begleiten, gefiel ihm ebenfalls ausnehmend gut und lenkte ihn vor allem hervorragend ab.

Der Zwergwal kam immer näher.

»Geschwindigkeit drosseln«, rief Jesse dem Kapitän Steven zu, während er schon nach seinem Neoprenanzug griff und die Haare mit einem Zopfgummi zusammenfasste. Normalerweise waren es eher Delfine, die Spielfreude zeigten – gelegentlich duldeten auch Buckelwale Schwimmer in ihrer Nähe –‍, aber er wollte bereit sein, falls der Zwergwal Lust auf Gesellschaft hatte. Auch seine Kollegin Mary Lou schnappte sich ihren Tauchanzug, während ihr Ehemann Robin, der Kameramann der Expedition, schon eifrig Fotos schoss und filmte.

Der Wal holte einige Male Luft, wobei er jedes Mal den langen, schlanken Kopf weit aus dem Wasser hob, was charakteristisch für diese Art war. Dies wirkte immer, als würde er ihnen einen Blick zuwerfen. Der Wal kreuzte einige Male vor dem Bug der Cetus, bevor er kurz darauf wieder abtauchte.

»Schade!«, stieß Mary Lou in einem Stoßseufzer hervor. »Ich habe kürzlich einen Bericht aus Kanada gesehen, wo ein Zwergwal direkt zu einem Boot geschwommen ist und sich hat kraulen lassen!« Ihre Augen leuchteten.

»Ich wäre dabei!« Jesse grinste. In dem Moment tauchte die lange spitze Finne des Wals wieder auf, bevor er den kaum wahrnehmbaren Blas registrierte. »Da, auf zwei Uhr«, rief er.

Zum Glück war die rund dreißig Meter lange Cetus groß genug und mit Stabilisatoren ausgerüstet. Nachdem nun die ganze Mannschaft nach Steuerbord rannte, um nach dem Wal Ausschau zu halten, wäre eine kleine Nussschale bei der einseitigen Last sicherlich gekentert. Jesse schmunzelte in sich hinein. Immerhin war die Größe ihres Forschungsschiffes spannend genug für den Wal, um es erneut zu umkreisen.

Jesse wies den Kapitän an auszukuppeln. Doch ohne Geschwindigkeit war es ihrem Besucher anscheinend zu langweilig, er tauchte abermals ab. Enttäuscht legte Jesse seinen Neoprenanzug weg. »Schade, dann wird wohl nichts aus einem gemeinsamen Bad.«

Immerhin tauchte der Zwergwal noch gelegentlich auf, präsentierte ihnen sogar einen Sprung, bevor er sich irgendwann auf der Höhe von Caicos wieder davonmachte.

Nur widerwillig zog sich Jesse wieder in den Arbeitsraum zurück. Am liebsten verweilte er draußen an Deck, schaute über das endlos blaue Meer, ließ sich die salzhaltige laue Luft um die Nase wehen und die Sonne ins Gesicht scheinen – zum Glück war er gut gebräunt, sodass er nicht mehr verbrannte. Doch sie hatten noch einiges an Forschungsergebnissen der letzten Tage aufzuarbeiten und Daten einzugeben, sonst würde ihnen diese Arbeit später über den Kopf wachsen. Notgedrungen setzte er sich an den Schreibtisch.

So sehr ihn das Lauschen der Walgesänge faszinierte und er die hypnotische Wirkung genoss, schweiften seine Gedanken dennoch immer wieder zu Ellys Hochzeit zurück.

Kapitel 2

Melanie

Lynnwood Falls

Mel liebte es, auf die Cooper-Farm zu kommen. Sie lag etwas erhöht am Ortsrand von Lynnwood Falls, umgeben von Wiesen und Wäldern. Ryan, der zusammen mit Hope die örtliche Tierarzt-Praxis von deren Eltern übernommen hatte, hatte hier mit der Zeit einen Gnadenhof eingerichtet für Tiere, die anderweitig kein Unterkommen fanden. Eine Quarter-Horse-Stute, ein Maultier, eine Kuh mit Kalb, ein Schaf und allerlei Kleintiere tummelten sich an diesem eher verregneten Samstag allesamt im Stall.

Vor dem mit blauen Holzlatten verzierten Hauptgebäude parkten schon einige Fahrzeuge. Es fing gerade wieder an zu nieseln. Mel zog die Kapuze über den Kopf und sprintete über den Hof. In großen Sprüngen setzte sie über die Pfützen hinweg, trotzdem spritzte es. Es roch nach feuchter Erde.

Hope öffnete sofort die Haustür, vermutlich hatten die Hunde Mel schon angekündigt. Das Bellen verstummte, und sie wurde schwanzwedelnd von Ryans Bobtail Chief, Hopes Labradorhündin Miss Sophie und Wills Golden Retriever Zeus empfangen. Sie beugte sich nach unten, um die Hunde zu kraulen. »Na, ihr drei Hübschen, das ist ja eine tolle Begrüßung!«

Hope zuckte lachend mit den Schultern und drängte sich durch die Hundemeute. »Da hat man keine Chance, die Erste zu sein.« Ungeachtet von Mels Protest, dass sie doch nass sei, umarmte die stets unkomplizierte Hope sie, bevor sie auf die Naturholz-Garderobe zeigte. »Leg ab! Und dann komm rein!«

Lautes Stimmengewirr drang aus dem Raum. Mel stieß die Wohnzimmertür auf. Wohlige Wärme schlug ihr entgegen – im Kamin loderte ein Feuer. Auch von innen heraus wurde es ihr warm, als sie förmlich in die nette Runde aufgesaugt wurde. Neben den je sechs Brautjungfern und Begleitern des Bräutigams waren auch Brandons und Ellys Eltern in die Planung involviert. Der große, mit viel Naturholz gemütlich eingerichtete Raum war von Stimmengewirr und Gelächter erfüllt.

Mel wanderte von Umarmung zu Umarmung und landete schließlich auf dem gemütlichen blauen Stoffsofa neben Annabella. Diese war mit ihrer milchkaffeebraunen Haut und den blonden Haaren schon immer anziehend gewesen, aber seit sie mit Will zusammen war, leuchtete sie richtiggehend von innen heraus. Es war nicht zu übersehen, wie verliebt sie ineinander waren. Mel freute sich darüber. Sie mochte Will sehr, der ihr manchmal in der Bibliothek dabei half, den Kindern vorzulesen, und genauso gern hatte sie Annabella.

Als Nächstes trafen die Fuller-Zwillinge Jim und Jack ein, die sich mit den schwarzen Haaren und saphirblauen Augen wie ein Ei dem anderen glichen.

Jim ging sofort zu seiner Freundin Lizzy, um sie zu küssen. Deshalb konnte Mel davon ausgehen, dass derjenige, der zu ihr kam und ihr ein Küsschen auf die Wange drückte, Jack war. Sie musste unbedingt lernen, die beiden auseinanderzuhalten, aber das war wirklich schwierig.

Er grinste schelmisch, als er sich neben ihr auf die Sofalehne sinken ließ. »Ich habe also die riesengroße Ehre, die Hochzeit an deiner Seite verbringen zu dürfen. Was bin ich nur für ein Glückspilz!«

Mel lachte. Jack hatte so eine ganz spezielle Art, mit einer Frau zu scherzen, die es einem unmöglich machte, ihn nicht gern zu haben. Es war nicht platt oder aufdringlich. Jack, durch und durch Charmeur, hatte sein Glück kurz bei ihr versucht, nachdem sie nach Lynnwood Falls gekommen war. Glücklicherweise hatte er es ihr nicht übel genommen, dass sie kein Interesse an einer Beziehung hatte.

»Ich freue mich auch, dass du mein Begleiter bei der Hochzeit bist«, betonte sie scherzhaft.

Gespielt betrübt legte er die Hand auf die linke Brusthälfte. »Autsch! Da wurde ich rüde in meine Schranken gewiesen. Dein spitzer Pfeil hat soeben mein Herz getroffen. Vermutlich verblute ich.«

»Im Nebengebäude gibt es doch einen OP für Großtiere. Hope und Ryan haben dort bestimmt Verbandsmaterial«, flachste sie.

Jack brach in fröhliches Gelächter aus. Dann legte er ihr den Arm um die Schulter, küsste sie auf die Schläfe und stand auf, um den Rest zu begrüßen. »Ganz im Ernst – ich freue mich wirklich sehr, dass wir beide ein Team sind.«

»Dito«, stimmte sie ihm lächelnd zu.

Hope hatte gerade ein Whiteboard aufgebaut, als der letzte Gast hereinschneite: Ellys und Jesses Cousine Manja. Da sie aus dem übernächsten Ort kam, hatte sie die längste Anfahrt von allen.

Der Regen musste stärker geworden sein – sie wischte sich Tropfen von der rotbraun geränderten Brille und schüttelte die rot gefärbten Haare. Ihr Lachen war ansteckend, als sie ausgiebig die drei Hunde kraulte, und dann in die Runde winkte. Sie begrüßte Elly und deren Eltern, Maggy und Clint, bevor sie den anderen vorgestellt wurde.

Vor den Fuller-Zwillingen blieb sie stehen, zog die Brille ab, polierte sie und musterte die beiden. »Also Jim kenne ich ja von Tante Maggys sechzigstem Geburtstag, zu dem Lizzy ihn mitgebracht hat. Aber schiele ich, oder gibt's ihn tatsächlich doppelt?«

Jack seufzte theatralisch. »Ich bin nur der unerwähnte Bruder. Aber wieso hat Elly uns die ganze Zeit verschwiegen, welch eine bezaubernde Cousine sie hat?«, beschwerte er sich und hauchte galant einen Kuss auf Manjas Handrücken.

»Zu ihrem Schutz, du alter Schwerenöter«, gab Elly lachend zurück und stieß ihn vor die Brust.

»Danke!« Manja zog schmunzelnd die Augenbrauen in die Höhe und sah dann von einem zum anderen. »Du lieber Himmel, wie soll ich euch nur auseinanderhalten?«

Jack grinste verschmitzt. »Am besten, du küsst uns. Wenn sie«, er deutete auf Lizzy, »dich schlägt, dann war es Jim. Wenn dein Kuss erwidert wird, bist du bei mir gelandet: Jack.«

Manja warf lachend den Kopf in den Nacken. »Ein kleiner Schelm dieser Kerl scheint zu sein.«

»War das gerade Yoda? Bist du Star Wars-Fan?«, wollte Jack begeistert wissen. Und schon waren die beiden in die Welt der Jedi-Ritter abgetaucht.

Wie sie so nebeneinanderstanden, war die schlanke Manja beinahe genauso groß wie der weit über ein Meter achtzig große Jack. Beide trugen Jeans, dunkle T-Shirts und Kapuzenjacken und sahen einfach beeindruckend zusammen aus.

Hope klatschte in die Hände. »So, Leute, genug gequatscht. Alle mal herhören! Jetzt geht es an die Planung.« Sie notierte alle wichtigen Punkte auf einer Liste am Whiteboard. Praktischerweise befanden sich viele »Fachleute« in ihrer Mitte.

Als Lokalität wurde der Festsaal des All about Meat ausgesucht, dem örtlichen Speiserestaurant. Es lag direkt am Marktplatz, unweit der Kirche, in der die Trauung stattfinden sollte.

»Den Empfang vor der Hochzeitsmesse könnten wir bei uns im Café stattfinden lassen«, schlug Annabella vor und sah ihren Geschäftspartner Jay, Wills Bruder, fragend an.

»Gute Idee! Wir werden dann ein paar Häppchen dazu vorbereiten. Außerdem könnt ihr mich für die Hochzeitstorte einplanen.«

Hope, die Süßes liebte, grinste. »Darauf habe ich spekuliert.« Sie wandte sich an Jays Freund Mitch. »Wenn wir schon dabei sind, euch zu verplanen ...« Sie zwinkerte ihm zu. »Hättest du ...«

Mitch, der Fotograf, hob lachend die Hände. Seine leuchtend blauen Augen funkelten so sehr, dass sie beinahe türkisfarben schimmerten. »Du brauchst nicht zu fragen: Natürlich werde ich die Fotos machen. Das ist mein Hochzeitsgeschenk.«

Elly, die heute sehr aufgedreht wirkte, drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Danke! Du bist ein Schatz!«

Brandon zog Mitch zum Dank in eine freundschaftliche Umarmung.

Auch für alle anderen anstehenden Aufgaben wie Dekoration, Musik und vieles andere mehr fanden sich gleich »Experten« in ihrer Mitte.

Je weiter der Abend und die Planung fortschritten und je mehr Alkohol floss, desto lauter wurde es – und desto skurriler wurden die Ideen, was beigesteuert werden könnte.

Ellys Bruder Jesse wurde per Videokonferenz über Hopes Laptop hinzugeschaltet. Man sah ihm die Zeit in den Tropen an. Die schulterlangen braunen Haare waren von der Sonne gebleicht. Er trug ein smaragdgrünes T-Shirt mit einem stilisierten Wal, das seine Bräune hervorhob. Um seine Mundwinkel zuckte es, und die braungrünen Augen funkelten amüsiert, als er in die Runde schaute.

Für einen Moment hatte Mel den Eindruck, er sähe ihr direkt in die Augen. Unsinn, sagte sie sich sogleich. Er blickte natürlich in die Kamera. Trotzdem fing ihr Herz unwillkürlich an, heftiger zu pochen, Mitgefühl überflutete sie. Jesse wusste, was es bedeutete, das zu verlieren, was man am meisten liebte. Auf einmal fühlte sie sich auf eigentümliche Weise mit ihm verbunden.

Er hielt sich schmunzelnd die Ohren zu, als die Anwesenden ihn unter Gelächter im Chor begrüßten. »Ich muss mal meinen Lautsprecher leiser stellen. Euch auch ein fröhliches ›Hallo‹.«

Manja winkte in Richtung Laptop-Kamera. »Hi, Partner!«

Jesse grinste. »Hey, da ist ja meine bezaubernde Begleiterin! Schön, dich mal wiederzusehen, Cousine!«

Die beiden flachsten noch etwas herum, bevor Hope ihn kurz und knapp in den aktuellen Planungsstand einweihte.

»Da wart ihr ja schon fleißig«, lobte er. »Und was habt ihr mir übrig gelassen?«

Ryan schaltete sich ein. »Du darfst die Gäste von eurer Seite der Familie auf ihre Plätze einweisen. Zum Junggesellenabschied kontaktiere ich dich noch separat.« Ryans Grinsen war immer spitzbübisch, aber nun wirkte es richtiggehend frech.

Brandon stöhnte auf. »Können wir diesen Teil nicht ausfallen lassen? Mir schwant Übles. Ich wage mir gar nicht vorzustellen, was ihr mit mir vorhabt!«

Jack klopfte ihm auf die Schulter. »Kommt gar nicht infrage, Buddy. Auf diesen Teil freue ich mich schließlich am meisten.«

Brandon kratzte sich den kurzen, blonden Bart. »Ihr werdet mir eine Stripperin organisieren, ich weiß es.«

Elly zuckte kichernd mit den Schultern. »Meinen Segen hat er. Solange du nur mit den Augen und nicht mit den Händen guckst.«

Jim seufzte. »Oh, ich liebe so tolerante Frauen.«

Seine Freundin Lizzy stemmte die Hände in die Hüften. »Willst du dich etwa beschweren? Dann bring es gleich hinter dich.«

Bevor sich Jim verteidigen konnte, legte Elly ihr den Arm um die Schultern. »Jim denkt, ich wäre tolerant. Er weiß noch nicht, dass Hope für uns die California Dream Boys engagiert hat.«

Mel lehnte sich zurück und sah in die Runde, in der die Neckereien nur so hin und her flogen. Wieder einmal erfüllte sie Dankbarkeit, dass es sie ausgerechnet hierher, nach Lynnwood Falls, verschlagen hatte. Abermals schweifte ihr Blick zum Laptop. Auch Jesse folgte dem Geschehen mit einem Lächeln, das sie eigentümlich berührte.

In der darauffolgenden Zeit kam es Mel so vor, als gäbe es nur noch die Vorbereitungen zu Ellys Hochzeit. Die Outfits mussten bestellt werden – die Brautjungfern bekamen einheitlich bodenlange, ärmellose Kleider in einem zarten Lindgrün, Ellys Lieblingsfarbe, mit einer passenden Spitzen-Stola, da es im April noch frisch sein konnte.

Manja kam immer häufiger nach Lynnwood Falls, und es war nicht zu übersehen, dass Jack und sie sich definitiv zueinander hingezogen fühlten. Manchmal steckten sie bei der Planung der Musik die Köpfe zusammen, um gemeinsam ein Lied über ein Headset zu hören, und sahen sich dann verliebt in die Augen.

Manja, die anfangs abends immer den weiten Heimweg auf sich genommen hatte, schloss sich ihnen an, als sie am darauffolgenden Samstagabend alle gemeinsam ins The Eighties zogen, die In-Kneipe von Lynnwood Falls. Mel mochte die Location, die ganz im Stil der Achtzigerjahre eingerichtet war. Auch die Musik dieser Zeit, die an diesem Abend von einer Live-Cover-Band gespielt wurde, gefiel ihr.

Jack legte Mel den Arm um die Schultern und brüllte ihr gegen den Musiklärm ins Ohr: »Willst du tanzen?«

Sie lächelte. »Du brauchst dich mir nicht verpflichtet zu fühlen, nur weil du mein Begleiter bei der Hochzeit bist«, rief sie zurück. »Du kannst ruhig mit Manja tanzen.«

Jack wirkte schuldbewusst. »Bist du dir sicher?«

Sie versetzte ihm einen liebevollen Stoß. »Logisch! Geh schon!«

Als die Band direkt nach dem Lied auf Kuschelsongs umschwenkte, Manja sich hingebungsvoll in Jacks Arme schmiegte und er dabei selbstvergessen die Augen schloss, war sich Mel sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Als die beiden am nächsten Morgen gemeinsam zum Brunch in Annabella's Café eintrafen und es ganz offensichtlich wurde, dass sie die Nacht zusammen verbracht hatten, hagelte es Glückwünsche und den gutmütigen Spott der Clique. Doch Mel blieben auch Ellys und Wills nachdenkliche Blicke nicht verborgen, die sie ihr zuwarfen. Sie ahnte, was sie bedeuteten. Aber sie hätte sich lieber die Zunge abgebissen, als von sich aus vorzuschlagen, die Begleiter zu tauschen. Irgendetwas in ihrem Unterbewusstsein sagte ihr, dass es Jesse ganz und gar nicht recht sein würde, wenn er statt seiner Cousine mit einer ihm fast fremden Person vorliebnehmen musste. Zudem löste der Gedanke, mit Jesse als Partner zur Hochzeit zu gehen, Gefühle in ihr aus, die sie verwirrten.

Jesse

An Bord des Forschungsschiffes Cetus, Atlantik, Turks- & Caicosinseln

Jesse starrte fassungslos auf den Bildschirm des Laptops, auf dem sich seine Schwester Elly gerade mal wieder die blonden Haarspitzen um den Zeigefinger wickelte.

»Was soll das heißen, ich werde nicht mit unserer Cousine zu eurer Hochzeit gehen? Es war doch so mit Manja verabredet!« Er versuchte, den Plauderton beizubehalten, obwohl es in seinem Inneren zu brodeln begann.

»Jack und sie sind jetzt ein Paar. Es wäre irgendwie doof, wenn sie nicht zusammen hingingen«, erklärte Elly, ohne dabei in die Kamera zu sehen.

Obwohl Jesse schon ahnte, worauf das hinauslief, lenkte er ab: »Ich dachte, Manja geht demnächst zum Studieren nach Deutschland?«

»Ja, das stimmt auch, aber wo die Liebe so hinfällt, genießen die beiden eben die Zeit, die sie hier noch zusammen verbringen können. Ich wollte erst mit dir reden, bevor ich Manja und Jack anbiete, dass sie zusammen gehen können ...«

»Kein Problem! Ich gebe Manja natürlich frei!« Er konnte es nicht lassen, seine Schwester zu necken. »Dann komme ich eben allein. Ich setze mich auch gern an den Kindertisch.« Er zwinkerte ihr zu.

»Das ist lieb, aber ...« Die Haarsträhne spannte sich immer enger um Ellys Fingerspitze, während sie die Worte in die Länge zog.

Jesse hob die Augenbrauen. »Ja?« Zu leicht würde er es ihr nicht machen.

»Jack wäre ja mit Mel gegangen, Melanie Rowling, der Bibliothekarin von Lynnwood Falls.«

»Und jetzt soll ich stattdessen ihr Begleiter sein?«, schlussfolgerte er. Von Anfang an hatte er ein ungutes Gefühl bei der Sache gehabt. Wurde er gerade ausmanövriert? Komm, jetzt bist du aber albern! Dafür, dass Jack und Manja zusammengekommen waren, konnte Elly nun wirklich nichts. Dennoch konnte er die Frage nicht zurückhalten: »Führst du etwas im Schilde?«

»Nein, gar nichts, ehrlich!«, beteuerte sie. »Ich will diesmal auch nicht kuppeln!«

»Ach, ausnahmsweise?«

Seinen ironischen Einwurf ignorierte sie und fuhr fort: »Mel ist definitiv nicht auf der Suche. Oder hast du Angst, dass sie beim Anblick eines so ...« – Oh, nein!, durchfuhr es Jesse, doch da war es schon – »... feschen Meeresbiologen sofort schwach wird und über dich herfällt?«

Alles war ihm lieber als Mitleid, und so zwang er sich zu einem Grinsen. »Die Gefahr besteht!«

Elly lachte befreit auf. »Auf jeden Fall!« Sie wurde wieder ernst, und abermals musste die Haarsträhne herhalten. »Kann ich sie als deine Begleiterin einplanen? Manja und die anderen aus der Clique sitzen ja auch bei euch, es sind runde Tische. Ich kann unsere Cousine auf deine andere Seite setzen. Du musst dich Mel nicht zwingend die ganze Zeit widmen, es wäre nur beim Verlassen der Kirche wichtig. Sie ist auch eher der ruhige Typ, gar nicht anstrengend. Ganz bestimmt schnattert sie dir nicht den ganzen Abend die Ohren voll. Und sie ist auch nicht der Typ, der sich dir an den Hals werfen wird.« Elly hatte zunehmend schneller gesprochen, was ihm verriet, wie angespannt sie war.

Für einen Moment schob sich das Gesicht der Bibliothekarin in Jesses Erinnerung. Wie sie bei dem Treffen bei Hope und Ryan in der Runde der Freunde gesessen hatte, mit diesem zufriedenen Lächeln, bei dem sich zauberhafte Grübchen gebildet hatten. Zwischen all den lärmenden Menschen bei der Videokonferenz war sie ihm seltsamerweise am deutlichsten in Erinnerung geblieben.

Jesse zwang seine Konzentration wieder auf seine Schwester. An ihrem siegessicheren Gesichtsausdruck konnte er erkennen, dass sie genau wusste, dass er sie nicht hängen lassen würde. »Ich habe ja schließlich keine Wahl, nicht wahr?« Er zwinkerte ihr zu. Es war albern, aber in ihm stieg bei dem Gedanken an eine fremde Frau an seiner Seite Unwohlsein auf. Es erschien ihm wie ein Verrat an Beth.

»Es tut mir echt leid ...«, fing Elly zerknirscht an, doch er unterbrach sie ungehalten. Mitleid war ihm genauso zuwider wie das Gefühl, manipuliert zu werden.

»Lass es gut sein! Gibt es sonst noch etwas?« Er merkte selbst, dass er ungerecht war.

Elly wirkte ungewöhnlich kleinlaut. »Nein. Ich danke dir.«

Auf einmal tat sie ihm leid. Sie konnte dieses Mal wirklich nichts dafür. Er spürte die Zuneigung zu seiner Schwester plötzlich fast schmerzlich, und er lächelte milde. »Schon gut! Das kriegen wir hin.«