Ma'at - Harry Eilenstein - E-Book

Ma'at E-Book

Harry Eilenstein

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Beschreibung

Die Göttin Ma'at ist die wichtigste Göttin, wenn man das Weltbild der Ägypter zur Zeit der Pharaonen verstehen will. Sie ist ein Aspekt der Muttergöttin und zugleich die Verkörperung der Richtigkeit. Diese Richtigkeit ist die Grundlage der Effektivität und sie ist die Kausalität, die Analogien, die Weisheit, die Schönheit, die gegenseitige Hilfe, die Tradition, die Gerechtigkeit, die Grundlage der Magie usw. Der persönliche Anteil an der Ma'at ist die Seele im eigenen Herzchakra, die über die eigenen Entschlüsse und die eigenen Worte auch die Quelle der Magie und allgemein des Erfolges ist. Sie ist vor allem mit dem Sonnengott Re verbunden, aber auch noch mit einigen anderen Gottheiten wie Osiris, Ptah, Amun, Thot, Hathor usw. Sie ist auch die wichtigste Gottheit beim Jenseitsgericht. Der Blickwinkel, unter dem Ma'at die Welt betrachtet, ist heute wieder aktuell geworden - er findet sich unter neuen Namen z.B. als die "Eleganz" mathematischer Theorien und physikalischer Formeln, als die Notwendigkeit der Zusammenarbeit in einer globalisierten Welt und als die Solidarität mit unterdrückten Personen und Völkern.

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Inhaltsverzeichnis

I Ma'at – die Logik der Schönheit

1. Das Richtige und das Gute

2. Die Qualitäten der Richtigkeit

3. Die Störung und die Wiederherstellung der Ma'at

a) Die Störung der Richtigkeit

b) Die Wiederherstellung der Richtigkeit

c) Die Wirkung der Richtigkeit

4. Ma'at und Analogien

5. Ma'at und Seele

6. Ma'at und Gottheiten

7. Ma'at und die Epochen

8. Handeln in Ma'at

II Die Göttin Ma'at

1. Das Aussehen der Ma'at

2. Der Name der Ma'at

3. Das Alter der Ma'at

4. Die Entwicklung der Ma'at

5. Ma'at im Jenseitsgericht

6. Ma'at, die Göttin der Richtigkeit

7. Ma'at und die Schreiber

8. Ma'at und Re

9. Ma'at und Thot

10. Ma'at und Isfet

11. Ma'at im Ritual

12. Die Wirkung der Ma'at

III Ma'at in der ägyptischen Überlieferung

1. Ma'at und Re

a) Ma'at ist die Mutter des Re

b) Ma'at ist die Grundlage des Re

c) Ma'at ist der Ka (Lebenskraftkörper) des Re

d) Ma'at ist die Gefährtin des Re

e) Ma'at ist die Frau des Re

f) Ma'at ist die Tochter des Re

g) Ma'at ist die Uräus-Schlange

h) Ma'at ist das Udjat-Auge

i) Re ist der Herr der Ma'at

j) Re lebt von der Ma'at

k) Re liebt die Ma'at

l) Anrufung des Re und der Ma'at

m) Ma'at und Isfet

2. Ma'at und Osiris

a) Osiris erschafft die Ma'at

b) Osiris freut sich über die Ma'at

c) Ma'at gehört dem Osiris

d) Ma'at gehört zu Osiris

3. Ma'at und Atum

4. Ma'at und Thot

5. Ma'at und der Skarabäus (Kephera)

6. Ma'at und Ptah

7. Ma'at und Hapi

8. Ma'at und Hathor

9. Ma'at bei der Bestattung

a) Ma'at ist die Essenz des Jenseitsgerichts

b) Die Prüfung des Herzens

c) Die 42 Unschuldsbeteuerungen

d) Das bestandene Jenseitsgericht

e) Die Opfergaben sind Ma'at

f) Das Grab

10. Ma'at und die Weisheitslehren

a) Die Weisheitslehren des Hordedef (Fragment)

b) Die Weisheitslehren des Wesirs Ptah-hotep

c) Die Weisheitslehren des Kagemni

d) Der redegewandte Bauer

e) Die Weisheitslehren des Pharaos Kheti

f) Die Weisheitslehren für Merikare (Auszug)

g) Der Bericht des Amenemhet I.

h) Die Weisheitslehren des Amenophis (Auszüge)

i) Weisheit eines Priesters aus Theben

j) Sprichworte

11. Ma'at und der Pharao

a) Der Erhalter der Ma'at

b) Das Bestehen des Jenseitsgerichts

12. Ma'at und der Wesir

13. Ma'at und die Richter

a) Der juristische Terminus „in Ma'at“

b) Jenseitsgericht

14. Ma'at und die Schreiber

15. Ma'at und Magie

16. Ma'at in Grabinschriften

17. Isfet

a) Beschreibungen der Isfet

b) Abwehr der Isfet

c) Ma'at und Isfet

IV Ma'at im eigenen Leben

Bücherverzeichnis

I Ma'at – die Logik der Schönheit

1. Das Richtige und das Gute

Man kann das Konzept der Ma'at und auch den Namen „Ma'at“ der Göttin, die dieses Konzept verkörpert, mit „Richtigkeit“ übersetzen. Diese Richtigkeit ist früher einmal eine zentrale Vorstellung gewesen – der Kern der magisch-mythologischen Weltbilder. In den heutigen Weltbildern ist die Richtigkeit in dem damaligen Sinne hingegen kaum noch von Bedeutung – zumindestens nicht als bewußtes Konzept.

Im Grunde ist die Richtigkeit etwas sehr Einfaches: Die Richtigkeit ist der Zustand einer Sache, in der diese Sache funktioniert, sich in der gewünschten Weise verhält, effektiv ist, zu dem angestrebten Ziel führt, optimal ist usw.

Die Richtigkeit findet sich letztlich in allem, woran man ein Interesse hat – zumindestens kann die Richtigkeit in diesen Dingen sein, wenn sie auf eine gute Weise erschaffen und gestaltet worden sind:

Die Sonne ist richtig, wenn sie hell ist,

der Sommer ist richtig, wenn er warm ist,

der Winter ist richtig, wenn er kalt ist,

der Honig ist richtig, wenn er süß ist,

das Messer ist richtig, wenn es scharf ist,

der Pfeil ist richtig, wenn er gerade ist,

das Rad ist richtig, wenn es rund ist,

die Achse ist richtig, wenn sie in der Mitte sitzt,

die Harfe ist richtig, wenn sie gestimmt ist,

die Mauer ist richtig, wenn sie fest ist,

das Dach ist richtig, wenn es dicht ist,

das Auto ist richtig, wenn es fährt,

das Schiff ist richtig, wenn es schwimmt,

das Flugzeug richtig, gut, wenn es fliegt,

der Pharao ist richtig, wenn er weise, gerecht und stark ist

Die Richtigkeit ist offensichtlich der gute Zustand – und daher auch der erwünschte Zustand.

2. Die Qualitäten der Richtigkeit

Der Begriff der „Richtigkeit“ findet sich in vielen Religionen, wobei für die Umschreibung dieser Qualität verschiedene Vergleiche benutzt werden:

Ägypter:

ma'at

(„Mutter“)

Sumerer:

me

(„Mutter“)

Tibeter:

tashi

(„glückliches Schicksal“)

Navahos:

ho'zhong

(„Schönheit“)

Römer:

ritus

(„Rad“)

Inder (alt):

rita

(„Rad“)

Hethiter:

aya

(„Rad“)

Perser:

asha

(„Rad“)

Inder (neu):

dharma

(„Versmaß“)

Germanen:

sidr

(„althergebrachte Weise“)

Chinesen:

tao

(„Weg“)

Kelten:

fhirinne

(„Wahrheit“)

Slawen:

prawda

(„Wahrheit“)

Griechen:

dikaios

(„Gerechtigkeit“)

usw.

Die Betrachtung dieser verschiedenen Vergleiche hilft, das Wesen der Richtigkeit besser zu verstehen:

Die Umschreibung der Richtigkeit als die „Mutter“-Qualität zeigt, daß die Beachtung der Richtigkeit das Entstehen von Fülle und Geborgenheit bewirkt. Zudem könnte die Richtigkeit ursprünglich als ein Geschenk der Muttergöttin angesehen worden sein.

Die Umschreibung der Richtigkeit als „glückliches Schicksal“ zeigt, daß die Befolgung der Richtigkeit dazu führt, daß einem das, was man sich vornimmt, gelingt und daß man glücklich wird.

Die Umschreibung der Richtigkeit als „Schönheit“ zeigt, daß durch die Richtigkeit alles Teile eines Ganzen miteinander in Harmonie stehen. Das bedeutet wiederum, daß sich alle Teile eines Ganzen selbstähnlich sind, da.h. nach demselben Grundprinzip konstruiert sind.

Dieses Prinzip der Selbstähnlichkeit ist ein Element aller lebendigen Dinge: Jedes Lebewesen hat sein Horoskop und folglich seinen Charakter, der sich in jedem Körperteil und jeder Verhaltensweise wiederfindet. Daher stimmt das Horoskop auch mit der Iris-Diagnose, mit den Handlinien, mit den Fußreflexzonen, mit dem Zustand der Akupunkturpunkte usw. überein.

Man kann sogar die Fraktale aus der Mathematik zu dieser Schönheit rechnen, da auch sie selbstähnlich sind, da sich jede Form in einem Fraktal, wenn man ausreichend weit ins Detail geht, im ganz Kleinen wiederholt.

Die Richtigkeit ist also die Harmonie zwischen den Teilen eines lebendigen Ganzen.

Im weiteren Sinne ist die Schönheit auch die Harmonie zwischen einem Menschen und seiner Umwelt. In diesem Sinne ist diese Schönheit derzeit im Verhalten der Menschheit als Ganzes dringend notwendig, damit wir nicht durch Atombomben, Überbevölkerung, Artensterben, Umweltverschmutzung, Klimaerwärmung usw. die Erde unbewohnbar machen.

Die Umschreibung der Richtigkeit als „Rad“ zeigt, daß es jedes Ding eine Idealform haben kann – so wie ein Rad rund sein sollte.

Weiterhin zeigt die Umschreibung der Richtigkeit als „Rad“ auch, daß die Richtigkeit auch einen zeitlichen Aspekt hat, d.h. einen Rhythmus, also die regelmäßige Wiederkehr des Früheren. Dieser zeitliche Aspekt zeigt sich vor allem im Jahreslauf, der die Landwirtschaft mit ihrem Aussaat-Terminen und Ernte-Terminen prägt. Die Richtigkeit ist auch ein Zyklus.

Die Umschreibung der Richtigkeit als „Versmaß“ zeigt, daß in einem auf die richtige Weise erschaffenen Ding die Teile dieses Dinges miteinander in Resonanz stehen. Die Lyrik beruht schließlich darauf, daß sich Elemente wiederholen und dadurch miteinander klingen: durch dasselbe Versmaß, durch denselben grammatischen Aufbau eines Satzes, durch gleiche Anfangsbuchstaben (Stabreim), durch einen Reim am Vers-Ende, durch die Wiederholung einer Aussage mit anderen Worten usw.

Diese Resonanz führt dazu, daß die Teile des Ganzen miteinander schwingen und auf diese Weise ein lebendiges Ganzes bilden. Das findet sich dann in einem Lebewesen als Pulsschlag, Atem, EEG-Frequenzen, der Wechsel von Wachen und Schlafen usw. wieder.

Der als „Versmaß“ umschriebene Resonanz-Aspekt der Richtigkeit läßt aus einzelnen Elementen ein Lebewesen werden – die Resonanz der Teile eines Ganzen miteinander ist ein wesentliches Merkmal von allem Lebendigem.

Aus diesem „lebendigem Schwingen“ ergibt sich eine weitere Eigenschaft, die sich aus dem Befolgen der Richtigkeit ergibt: die Elastizität. Diese Qualität kann man z.B. bei einer springenden Katze beobachten. Wenn eine Sache diese Elastizität und Eleganz hat, befindet sie sich in dem Zustand der Richtigkeit, dann ist sie „in Ma'at“.

Die Umschreibung der Richtigkeit als „althergebrachte Weise“ zeigt, daß sich aus der Beachtung der Richtigkeit ein komplexes Verhalten ergibt, daß sich aus der Gesamtheit aller sinnvollen Verhaltensweisen ergibt: die Tradition, die durch den Kult lebendig und in allen bewußt erhalten wird.

Diese Tradition ist solange die sinnvolle Richtschnur, wie man nicht ein Verhalten entdeckt, daß noch sinnvoller ist, also noch eine effektivere Form der Richtigkeit ausdrückt. Die Tradition, die sich aus dem Befolgen der Richtigkeit ergibt, ist also nicht starr, sondern entwicklungsfähig.

Die Richtigkeit ist somit nicht festgelegt, sondern ist etwas, das wachsen und sich verändern kann.

Die Umschreibung der Richtigkeit als „Weg“ zeigt, daß die aktuelle Version der Richtigkeit der effektivste Weg ist, um etwas zu tun: Der „Weg“ ist die „Tradition“.

Die Umschreibung der Richtigkeit als „Wahrheit“ stammt aus der Zeit, als das jungsteinzeitliche Weltbild, das sich um die Richtigkeit herum gebildet hatte, allmählich von dem Prinzip der Zentrierung, die das Königtum, den Monotheismus und die Philosophie geprägt hat, abgelöst worden ist.

Die Wahrheit ist die Betrachtung der Richtigkeit als etwas Ewiges, Allgemeingültiges, Unveränderliches, Festes.

Die Umschreibung der Richtigkeit als „Gerechtigkeit“ stammt aus derselben Zeit wie die „Wahrheit“. Das richtige Handeln, das sich aus der Einsicht in die Situation ergibt, wurde durch die Gerechtigkeit abgelöst, d.h. durch ein Handeln, daß sich an Gesetzen, die immer und für alle gleich sind, orientiert.

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Die Richtigkeit ist folglich ein Geschenk der Muttergöttin, sie bringt Fülle und Geborgenheit und Erfolg, sie zeigt sich in der Selbstähnlichkeit der Teile eines lebendigen Ganzen sowie in der Harmonie und der Resonanz zwischen diesen Teilen, und zeigt sie sich auch noch schließlich in dem rechten Maß und der rechten Form und dem rechten Zeitpunkt der Dinge. Daraus ergibt sich die Tradition, d.h. das Wissen über die effektive und daher sinnvolle Art und Weise, etwas zu tun.

3. Die Störung und die Wiederherstellung der Ma'at

Die Richtigkeit und ihre Störungen und auch die Auswirkung sowohl der Richtigkeit als auch der Nicht-Richtigkeit werden bereits in den alten Kulturen beschrieben.

a) Die Störung der Richtigkeit

Bei den Ägyptern gab es nicht nur die Richtigkeits-Göttin Ma'at, sondern auch ihr Gegenstück, die Göttin Isfet. Sie stellt die Nicht-Richtigkeit dar, also die Störung der Richtigkeit.

Eris, die griechische Göttin des Streits, hat zwar Ähnlichkeit mit Isfet, aber sie wird nicht so klar als Nicht-Richtigkeit dargestellt. Diese Rolle hat eher Pandora, die alles Übel in die Welt gebracht hat. Wie die griechische Bezeichnung „Dikaios“, d.h. „Gerechtigkeit“ für die Richtigkeit, sind auch Eris und Pandora keine rein sachlichen Beschreibungen der Richtigkeit, sondern schon moralisch-rechtlich bewertende Vorstellungen und Bezeichnungen.

Die Hopi-Indianer haben jedoch einen Begriff, der der ägyptischen Göttin Isfet entspricht: „Koyaanisqatsi“. Dieses Wort bedeutet „Leben, das aus dem Gleichgewicht geraten ist“ oder „ein Lebens-Zustand, der verändert werden muß“.

Solche mythologische Gestalten wie der germanische Loki, der westafrikanische Anase, der Spinnenmann Iktomi der Dakota-Indianer, der Coyote-Trickster der Prärie-Indianer, der europäische Narr usw. sind zwar auch Störer der Ordnung, aber sie haben keinen so engen Bezug zur Richtigkeit wie Isfet und Koyaanisqatsi.

Die Auswirkungen von Isfet und Koyaanisqatsi sind das Gegenteil von dem Guten, das durch die Richtigkeit entsteht: Leid. Buddha hat diese Folge der Nicht-Richtigkeit, also das Leid, in das Zentrum seiner Lehre gestellt – seine Lehre soll daher die Richtigkeit („Dharma“) wiederherstellen.

b) Die Wiederherstellung der Richtigkeit

Wenn die Richtigkeit in einem Menschen oder in einer Gemeinschaft gestört werden kann, liegt es nahe, nach Ritualen zu suchen, die diese Ordnung wiederherstellen.

Auf Hawaii gibt es ein Ritual, das angewendet wird, um einen Streit beizulegen. Dieses Ritual heißt „Ho'oponopono“, was wörtlich „Korrektur, Richtigstellung, Wiederherstellung der Richtigkeit“ bedeutet. Dieses Ritual, das von einer in diesen Dingen erfahrenen Person geleitet wird, enthält unter anderem eine ausführliche Aussprache, eine Klärung der Situation und schließlich die gegenseitige Vergebung.

Die Auflösung und Heilung des Nicht-Erkennens der eigenen Richtigkeit, also dss Nicht-Erkennens der eigenen sinnvollen Lebensweise, wird generell durch Meditationen und Mysterien angestrebt, da diese beiden Methoden die Selbsterkenntnis und sekundär auch die Erkenntnis des Wesens der Welt fördern. So empfiehlt z.B. Buddha zur Überwindung des Leides, das die Folge des nicht-richtigen Verhaltens ist, die Meditation.

Die Mysterien als Weg der Selbsterkenntnis sind im Wesentlichen eine Jenseitsrise. Im Gegensatz dazu ist der Sonnentanz, der sich bei vielen Völkern findet, der aber vor allem aus Amerika und Afrika bekannt ist, eine schlichte Konzentration auf die Sonne als Symbol und Analogie zu der Seele des Menschen. Die Seele des Menschen enthält dessen Essenz und ist somit die Quelle der Richtigkeit des Menschen.

Der Sonnentanz ist die dynamische Variante der eher statischen Herzmeditation, die ebenfalls der Bewußtwerdung der eigenen Seele im eigenen Herzchakra dient.

In den frühesten Staaten, d.h. in Ägypten und Sumer, ist die Rechtsprechung noch keine Bestrafung durch festgelegte Regeln, sondern der Versuch der Wiederherstellung der Richtigkeit. Dieser Vorgang hat zwei Aspekte: zum einen die Wiedergutmachung des Schadens und zum anderen ein Ritual, daß dem Störer der Richtigkeit sein Handeln bewußt machen und es ihm ermöglichen soll, in die Richtigkeit und somit in die Gemeinschaft zurückzukehren.

Erst wenn dieses Bemühen zweimal erfolglos bleibt und es einen weiteren Rückfall gibt, wird der Betreffende aus der Gemeinschaft ausgestoßen.

Eine Rechtsprechung, die auf der Ma'at beruht, sucht nach der Wiederherstellung des Friedens und der Schönheit, also letztlich nach einer Heilung. Dazu sucht sie nach kreativen Lösungen, die vielfältig und jedem Fall wieder neu sein können. Durch die Neigung des Königtums, alle möglichen Fälle ein und für allemal zu entscheiden und festzulegen, sind daraus dann die Gesetze geworden, die Abweichungen bestrafen, also letztlich Disziplinierungsmaßnahmen durch Angst sind – also das Gegenteil von der Heilung einer auf der Ma'at beruhenden Rechtsprechung.

Diese „Ma'at-Rechtsprechung“ findet sich bei vielen frühen Völkern, die noch in kleinen Gemeinschaften, Stämmen, Sippen o.ä. leben und noch keine hierarchische Ordnung mit einem Führer (Fürst, König) haben. Diese Art der Rechtsprechung wird sehr ausführlich in den germanischen Isländer-Sagas beschrieben: die Thing-Versammlungen.

Generell haben Rituale die Aufgabe, den richtigen Zustand darzustellen bzw. wiederherzustellen und die Ritual-Teilnehmer an diesen Ritualen an die Richtigkeit zu erinnern. Das ist die Essenz des Kultes.

c) Die Wirkung der Richtigkeit

Die Ägypter hatten ein differenziertes Vokabular, um die Wirkungen der Ma'at zu beschreiben. Wenn man dieser Richtigkeit folgte, erlangte man den Zustand des „hotep“, den man am ehesten als „Seelenfrieden“ übersetzen kann. Dieser Zustand ruft wiederum den Zustand der „reshut“ hervor, also die Freude. Die Freude ist das Gegenstück zu dem Leid, das durch Isfet, also durch die Nicht-Richtigkeit, verursacht wird.

Die Entstehung des Hotep wird noch genauer beschrieben. Dieser Vorgang hat drei Schritte:

Zunächst ist da der Entschluß im Herzen/Herzchakra, der durch den Gott Sia dargestellt wird. Dieser Entschluß sollte im Einklang mit Ma'at stehen.

Den Ägyptern zufolge trägt jeder Mensch eine „Gottheit in seinem Herzen“ (ägyptisch: „netjer em ib-i“). „Sia“ ist die allgemeine Umschreibung für diese Gottheit, aber jeder Mensch hat eine ganz konkrete Gottheit in seinem Herzen, also Horus, Hathor, Anubis, Sobek, Re, Thoeris usw. Diese „Gottheit im eigenen Herzen“ stellt die eigene Grundqualität dar, also den eigenen Anteil an der Ma'at.

Wenn die Ägypter z.B. den Traum eines Menschen gedeutet haben, haben sie zunächst geschaut, welche Gottheit der Betreffende in seinem Herzen trägt, denn z.B. ein Kampf hat für die Kriegsgöttin Sachmet eine völlig andere Bedeutung als für die Hebammengöttin Thoeris.

Sia gelangt dann vom Herzen in den Mund, wo er zu einem Ausspruch wird, der durch die Gottheit Hu personifiziert wird. Auch Hu sollte im Einklang sowohl mit Sia als auch mit Ma'at stehen.Wenn sowohl Sia als auch Hu in Resonanz mit Ma'at stehen, beginnt das gesprochene Wort magisch zu wirken und Wirklichkeit zu werden. Diese magische Wirkung des Einklangs mit der Ma'at wird durch den Gott Heqa dargestellt.

Dasselbe Konzept findet sich auch bei den Chinesen. Dort ist die Richtigkeit an sich das „Tao“. Das Nicht-Abweichen von diesem Weg bzw. das Nicht-Stören dieser Verhaltensweise wird „Wu-wei“ genannt, d.h. „Nicht-Tun“ im Sinne von „den Lebensfluß nicht stören“. dieses Verhalten, daß die Richtigkeit aufrechterhält, führt dann zu „Tê“, der magischen Wirkung des eigenen Handelns und Sprechens: Die Richtigkeit in einem selber ruft auf magische Weise die Richtigkeit im eigenen Leben hervor.

Auch die Indianer kennen dieses Konzept von „Gedanke, Wort und Handlung“, die dann, wenn sie in der Richtigkeit ruhen, eine magische Wirkung haben.

In einem Navaho-Lied, in dem die Richtigkeit mit „Schönheit“ umschrieben wird, heißt es:

I walk in beauty before me,

I walk in beauty behind me,

I walk in beauty above me,

I walk in beauty below me,

I walk in beauty all around me,

As I walk my life the beauty way.

My thoughts will all be beautyful – ho!

My words will all be beautyful – ho!

My actions will all be beautyful – ho!

As I walk my life the beauty way

As I walk my life the beauty way.

Derartige Richtigkeits-Lieder sind bei den Indianern, insbesondere bei den Hopis und Navahos, weit verbreitet.

4. Ma'at und Analogien

Aus der Richtigkeit ergibt sich noch eine weitere Qualität, die auf den ersten Blick nicht so offensichtlich ist: die Analogien und ihre Anwendung in der Magie.

Die Richtigkeit ist mit der Selbstähnlichkeit, mit den Rhythmen und mit der Resonanz verbunden. Diese drei Qualitäten lassen sich u.a. auch in der Astrologie wiederfinden:

Selbstähnlichkeit: Ein Mensch ist in allen seinen physischen und psychischen Teilen von seinem Horoskop geprägt, was bedeutet, daß alle seine Teile dieselbe Qualität haben.Rhythmen: Die kreisförmigen Bewegungen der Planeten ergeben auf die Erde bezogen Rhythmen wie den Jahreslauf der Sonne oder wie den Mondzyklus.Resonanz: Da alle Teile des Menschen von derselben Qualität (Horoskop und aktuelle astrologische Transite) geprägt werden, stehen sie in Resonanz miteinander, d.h. sie „tanzen denselben Tanz“.

Die Astrologie zeigt, daß die Analogien nicht nur ein geistiges Konstrukt sind, sondern daß sie tatsächlich als Zusammenhang existieren: Horoskope funktionieren. Das Horoskop eines Menschen drückt dessen Wesen, Charakter und Lebensstil aus – und somit auch seine Richtigkeit. Man kann die Ma'at zum Teil von dem Stand der Planeten ablesen …

Analogien haben noch eine weitere Wirkung. Zunächst einmal wird die Psyche durch Assoziationen geordnet: Man kann sich erinnern, was man alles mit einer bestimmten Person erlebt hat, was unter anderem das eigene Verhalten gegenüber dieser Person prägt. Dann ist die Psyche aber auch noch durch Analogien geordnet: Gruppen gleicher Dinge, also eine Vielzahl von Bilder, werden zu bestimmten Grundformen zusammengefaßt – z.B. die Bilder der Birke, der Fichte, der Palme, des Thujas usw. zu dem Urbild des Baums.

Diese Urbilder stellen die Essenz der Bäume, der Pflanzen, der Tiere, der Autos, der PCs, der Freundschaft, des Gedeihens usw. dar. Diese Urbilder gibt es für alle Gruppen von gleichartigen Dingen. Aus diesen Urbildern entstehen auch eine große Anzahl von Worten wie z.B. „Schreiner“, womit eben nicht der ganz konkrete Schreiner in dem eigenen Dorf gemeint ist, sondern eben alle Schreiner. Mit dem Wort „Schreiner“ sind dann verschiedene Aussagen verbunden, die eben einen Schreiner ausmachen wie z.B. „Alle Schreiner sind sorgfältig, kräftig und brauchen viel Zeit für ihre Arbeit.“

Welche Urbilder jeweils wichtig sind, hängt von der jeweiligen Kultur ab. Die Gesamtheit der Urbilder einer Kultur macht deren Mythologie aus. Nun denkt man bei dem Wort „Mythologie“ zunächst einmal an Götter und Helden aus den Geschichten alter und längst vergangener Kulturen, aber auch jede heutige Kultur hat ihre Urbilder, die eine gemeinsame Geschichte erzählen, auch wenn in diesen Geschichten vielleicht Autos statt Pferde, Menschen statt Götter, und die Rettung der Welt statt des Jahreszeiten-Krieges der Götter vorkommen.

Diese Mythologie einer Kulturist die vollständige und meist ziemlich komplexe Form der Ma'at. Die Mythologie zeigt auf der Ebene der Urbilder, wie die Dinge sind, wie sie funktionieren und auch wie sie nicht funktionieren, wenn man sich nicht an die Richtigkeit hält.

Diese Urbilder sind sozusagen „Analogie-Essenzen“. Sie bilden die „Sprache der Ma'at“.

Meditationen und Mysterienkulte haben das Ziel, den Teilnehmern zu helfen, wieder zu seinem eigenen Urbild, d.h. zu seiner Seele zurückzukehren. Die eigene Seele ist die eigene „Analogie-Essenz“.

Die Darstellung einer Analogie durch eine Handlung ist ein Ritual; die Gesamtheit der Rituale ist der Kult; das Wissen um den Kult ist die Tradition.

Es gibt eine ganze Reihe von Systemen, die auf der Analogie-Logik beruhen: die Astrologie; das Tarot, das I Ging, die Geomantie und auch alle anderen Orakel; Mandalas, der kabbalistische Lebensbaum usw.

Die praktische Anwendung dieser Analogie-Ordnung in der Welt, durch die Gleiches mit Gleichem in Resonanz steht, ist die Magie, die Homöopathie, die Fußreflexzonen-Massage, die Steinheilkunde, die Bachblüten-Therapie usw. Die Formulierung des Zusammenhanges ist immer wieder ein bißchen anders, aber sie drückt immer aus, daß Dinge, die in Analogie zueinander stehen, sich in derselben Weise entwickeln: Gleiches wirkt auf Gleiches; Gleiches heilt Gleiches; Gleiches entwickelt sich gleich; Gleich und Gleich stehen im Einklang miteinander; usw.

Bei genauerer Betrachtung findet sich die Analogie an vielen Stellen wie z.B. in der Musik in dem Aufbau der zwölf Grundtönen, in den Akkorden, in der Wiederholung von Themen usw.

Auch in der Mathematik ist die Analogie ein zentrales Element: Die beiden Seiten links und rechts des Gleichheitszeichens sind stets gleich. Mathematiker und Physiker haben schon früh festgestellt, daß in dem Fall, daß man ein Phänomen auf mehrere Weisen beschreiben und erklären kann, die einfachste Variante wahrscheinlich die richtige Beschreibung ist. Insbesondere in der Mathematik hat sich inzwischen auch die Erkenntnis breitgemacht, daß es bei der Suche nach dem richtigen mathematischen Modell sinnvoll ist, sich von der „Eleganz“ der verschiedenen möglichen Modelle leiten zu lassen: Das eleganteste Modell ist in aller Regel auch das richtige Modell. Dieser Begriff der „Eleganz“ aus der Mathematik entspricht genau dem Begriff „Schönheit“, mit dem die Navahos die Richtigkeit beschreiben.

Der bekannteste Fall für eine sehr grundlegende und zugleich schlichte und daher schöne Formel ist sicherlich Einsteins „E=m·c2“.

5. Ma'at und Seele

Die Quelle und auch die Zusammenfassung der Richtigkeit eines Menschen ist dessen Seele, die sozusagen die „Eichel“ ist, aus der heraus der konkrete Mensch als „Eiche“ entstanden ist. Wenn man die Eiche verstehen will, sollte man die Eichel betrachten – entsprechend ist der Kontakt zur eigenen Seele der einfachste und direkteste Weg, sich selber zu verstehen.

Wenn man im Einklang mit der eigenen Seele, d.h. mit der eigenen Richtigkeit lebt, wird das Leben einfach, da dann die Dinge, die in dem eigenen Leben als Resonanz zu dem eigenen Verhalten entstehen, genau das sind, was man auch haben möchte. Diese Treue zur eigenen Seele ist sozusagen eine umfassende Form der Magie, die – wenn man sie erst einmal erreicht hat – völlig mühelos aussieht. Dabei erscheint die Richtigkeit wieder als Schönheit oder – wenn man so will – als die Eleganz einer springenden Katze.

Die Ma'at erscheint im Menschen als dessen „Gottheit im eigenen Herzen“ („netjer em ib-i“). Die Ägypter waren bestrebt, im Einklang mit dieser Gottheit zu leben, da dadurch die Psyche im Einklang mit der Seele steht und sich daher „in Ma'at“ und folglich auch in „reschut“ (Freude) befindet und das eigene Handeln „heqa“ (eine magische Wirkung) hervorrief und daher erfolgreich war.

Die Sumerer hatten ein Sprichwort über diesen Zusammenhang: „Ohne das eigene

Me gelingt einem nichts – mit dem eigenen Me gelingt einem alles.“ Das „Me“ war für die Sumerer dasselbe wie für die Ägypter die Ma'at: die Richtigkeit in allen Dingen, die Verkörperung der Richtigkeit durch die Götter, und die eigene Richtigkeit, die sich als die eigene Seele zeigt. Zudem haben sowohl das ägyptische „Ma'at“ als das sumerische „Me“ die Bedeutung „Mutter“ im Sinne von „Qualität der Mutter“.

Die Qualität der eigene Seele und auch ihres Entschlusses für ihre derzeitige Inkarnation zeigt sich auch noch in drei weiteren Dingen:

Die Dynamik der Seele erscheint als das eigene Krafttier. Dieses Krafttier ist das Tier, das von seiner Dynamik her dem Wesen und den Absichten der Seele am ähnlichsten ist und daher in Analogie zu der Seele steht und folglich fest mit ihr verbunden ist.Die Haltung der Seele erscheint als die eigene Kraftpflanze. Diese Kraftpflanze ist die Pflanze, die von ihrer Haltung her dem Wesen und den Absichten der Seele am ähnlichsten ist und daher in Analogie zu der Seele steht und folglich fest mit ihr verbunden ist.Die Struktur der Seele erscheint als der eigene Kraftstein. Dieser Kraftstein ist der Stein, der von seiner Struktur her dem Wesen und den Absichten der Seele am ähnlichsten ist und daher in Analogie zu der Seele steht und folglich fest mit ihr verbunden ist.Möglicherweise gibt es auch noch einen Kraftpilz, aber das ist noch weitestgehend unerforscht.

Das Krafttier, der Kraftstein, die Kraftpflanze und möglicherweise auch ein Kraftpilz bilden neben dem Horoskop die differenzierteste Möglichkeit der Darstellung der Ma'at eines konkreten Menschen.

6. Ma'at und Gottheiten

Die Gottheiten sind die wichtigsten Elemente in einem Weltbildes, in dem die Richtigkeit die zentrale Vorstellung ist, denn die Gottheiten und ihre Mythen stellen das richtige Verhalten und auch die Folgen des nicht-richtigem Verhaltens urbildhaft dar.

Ursprünglich ist die Richtigkeit als eine Gabe der Muttergöttin angesehen worden. Deshalb hieß diese Qualität bei den Ägyptern und Sumerern auch „Ma'at“ bzw. „Me“, was beides „Mutter“ bzw. „Mutter-Qualität“ bedeutet.