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"Bewusstseinserweiterung ist der Schlüssel für unsere Zukunft. Durch einen Intelligenzzuwachs werden wir zur raumfahrenden Spezies. Die Schwerelosigkeit hat eine positive Wirkung auf das menschliche Gehirn und führt zu einer weiteren Expansion des menschlichen Verstandes. Außerdem kann die Menschheit durch die sich sprunghaft entwickelnde Technologie praktisch die Unsterblichkeit erreichen! Dieser Weg steht uns nun dank LSD offen!"
Timothy Leary, San Francisco, 1966
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Seitenzahl: 139
Cover
Impressum
Was bisher geschah …
Im Rausch der Sinne
Leserseite
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Lektorat: Michael Schönenbröcher
Titelbild: agsandrew/shutterstock
Autor: Stefan Hensch
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7517-0040-5
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, „Maddrax“ genannt, dessen Staffel durch einen Zeitstrahl vom Mars ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde. Bis sie durch ein Wurmloch in ein Ringplanetensystem versetzt werden, während der Mond auf die Erde zu stürzen droht. Matt findet Hilfe und Verbündete und die Rettung gelingt in letzter Sekunde – aber etwas geht schief: Areale aus verschiedenen Parallelwelten manifestieren sich plötzlich auf der Erde…
Um diese 50 Kilometer durchmessenden Parallelwelt-Areale, die von hohen Dornenhecken umgeben sind, aufzuspüren, nutzen Matt und Aruula ein im Erdorbit installiertes Satelliten-Netzwerk. Mit einem Gleiter überwinden sie die Pflanzenwälle. In einem parallelen Rom treffen sie auf einen zeitreisenden Archivar namens Patrem, der mit Hilfe gefährlicher Artefakte herrschen will. Matt setzt dem ein Ende. Seine Waffen deponiert er im Hort des Wissens, einer Enklave befreundeter Retrologen und Wissenschaftler.
Da erscheint ein weiteres Areal: die Stadt Coellen – und mit ihr der Neo-Barbar Rulfan, ein in ihrer Welt längst verstorbener Freund, der sich ihnen anschließt.
Matts Erzfeind Colonel Aran Kormak wird derweil auf der Suche nach Verbündeten Chefexekutor der Reenschas in Glasgow. Er greift den Hort des Wissens an, scheitert aber und wird in den Kerker geworfen. Matt und Aruula erleben Kormaks Flucht mit, und wie er in einem Ballon von einem Artefakt verkleinert wird! Später dringt er in den Hort des Wissens ein, erfährt vom Zeitstrahl und versucht ihn zu durchqueren.
Da empfängt Aruula einen Hilferuf der Pflanzenentität GRÜN. In Neuseeland treffen die Freunde auf eine botanische Seuche, die aus einer Parallelwelt herübergekommen ist. GRÜN, der für die Dornenhecken rund um die Anomalien verantwortlich zeichnet, ist dagegen machtlos. Gemeinsam mit den Hydriten – Fischmenschen, die seit Äonen auf der Erde leben – entwickelt man eine Waffe gegen die Rote Pest, die sie dank des wieder gesundeten GRÜN zünden können.
Inzwischen haben die Archivare herausgefunden, dass ihre Reisen in die Vergangenheit für die Weltenwechsel verantwortlich sind: Wo immer sie ein Portal schufen, wurde die Raumzeit geschwächt und bricht nun durch den Wurmloch-Unfall auf! Ein Gegenmittel verspricht man sich von späteren Generationen, und mit einem Trick wird es aus ferner Zukunft in einer Stasiskapsel zurückversetzt. Doch als die Freunde die Kapsel finden, ist sie leer! Das Wesen darin hat vier Menschen okkupiert, die „Krieger des Lichts“, die einen Feldzug gegen den Weltrat in Washington führten! Nun mutieren sie zu mächtigen Wesen, die auf der Suche nach Energie eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Die Gefährten setzen sich auf ihre Spur. Doch da taucht erneut ein Parallelwelt-Areal auf…
Im Rausch der Sinne
von Stefan Hensch
San Francisco, 1966
„Bewusstseinserweiterung ist der Schlüssel für unsere Zukunft. Durch einen Intelligenzzuwachs werden wir zur raumfahrenden Spezies. Die Schwerelosigkeit hat eine positive Wirkung auf das menschliche Gehirn und führt zu einer weiteren Expansion des menschlichen Verstandes. Außerdem kann die Menschheit durch die sich sprunghaft entwickelnde Technologie praktisch die Unsterblichkeit erreichen!“ Leary machte eine Pause und sah in die gebannt zuhörende Menge. Der etwa turnhallengroße Raum war mit Besuchern überfüllt, die allesamt an den Lippen von Timothy Leary hingen. Ausnahmslos waren es junge Leute in farbenfroher Kleidung, mit langen Haaren und Ethnoschmuck. „Dieser Weg steht uns nun dank LSD offen!“ fuhr Leary fort.
Spontan begannen die Anwesenden zu applaudieren, als der Psychologe die Abkürzung für Lysergsäurediethylamid nannte. Genau deshalb waren die Menschen dem Ruf des Mannes, den sie wie einen Guru verehrten, zum Haus in der Lombard Street gefolgt.
Leary lächelte und nickte den Anwesenden zu. „Wenn ihr mit uns auf diese Reise gehen wollt, könnt ihr jetzt den ersten Schritt tun. Turn on, tune in, drop out!“
Maxine Johnson, Learys Assistentin, hatte schon auf diesen Moment gewartet und steuerte den ersten Besucher an. Mit beiden Händen hielt sie ein hölzernes Tablett, auf dem sich zahlreiche LSD-Blotter befanden. Zusammen ergaben sie ein farbenfrohes Mandala. Jeder Teilnehmer musste sich nur eines der Blättchen nehmen und auf der Zunge platzieren. Dann konnte die psychedelische Erfahrung zur Löschung der Konditionierungen beginnen.
Leary beobachtete Maxine, wie sie jeden Einzelnen mit einem Stück Papier versorgte. Sein Blick blieb dabei einige Momente an ihrer fabelhaften Figur hängen. Das knappe rote Minikleid mit den orangefarbenen Kreisen betonte ihre Vorzüge auf dezente Art und Weise.
Der Raum war völlig leergeräumt. Die Besucher hatten ihn bereits mit Matten, Schlafsäcken und Decken ausgelegt. Der Trip war durchaus anstrengend, deshalb sollte es jeder Teilnehmer möglichst bequem dabei haben.
Leary ließ seinen Blick über die Besucher wandern, während sich einer nach dem anderen niederließ und den LSD-Blotter geradezu feierlich auf die Zunge legte. Stolz erfüllte den Psychologen, denn diese Menschen vertrauten ihm und seiner Vision. Dies war die Generation, die endlich ihre Konditionen abschütteln und die Tore zu einer neuen Epoche öffnen würde. Seine Vision hatte die Menschen dazu ermutigt.
In diesem Moment schlug das Schicksal zu.
Sich bewegende Schemen tauchten hinter den Fenstern an der Gartenseite auf, gleichzeitig hämmerte eine Faust an die Tür.
„Hier ist das San Francisco Police Department!“, dröhnte eine klirrende Stimme. „Kommen Sie sofort raus, Leary! Sonst kommen wir zu Ihnen rein, und dann wird es verdammt ungemütlich!“
Verdammt, dachte der Psychologe. „Was wollen die verfluchten Cops hier?“, rief er in die Richtung von Maxine.
Die Blondine mit den zusammengebundenen Haaren schüttelte den Kopf. „Wir tun nichts Ungesetzliches, Timothy. Wir forschen!“
Im Raum brach Unruhe aus. Gehetzt blickte Leary von einem Teilnehmer zum anderen. Bei den meisten würde gleich die Wirkung der Droge einsetzen. Der unerfreuliche Besuch kam zum wirklich ungünstigsten Zeitpunkt.
Maxine nickte ihrem Chef und Lebensgefährten zu. „Ich kümmere mich hier um alles, sprich du mit der Polizei!“
Mit hämmerndem Herzen und schnellen Schritten ging Leary zur Eingangstür und sah die Silhouette eines Beamten durch die Milchglasscheibe. Er legte die Hand auf die Klinke und öffnete sie.
„Sie sind Leary?“, fragte ein untersetzter Polizist.
„Ich bin Dr. Timothy Leary. Was ist hier los, Officer?“
Der Polizist verzog das Gesicht. „Sie sind festgenommen, Dr. Leary.“ Er trat zur Seite. „Nehmt ihn fest, Jungs!“
Zwei jüngere Polizisten betraten das Haus. Einer drehte Timothy die Hände auf den Rücken und legte ihm Handschellen an. „Sie haben das Recht, zu schweigen. Alles, was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Sie haben das Recht, zu jeder Vernehmung einen Verteidiger hinzuzuziehen. Wenn Sie sich keinen Verteidiger leisten können, wird Ihnen einer gestellt!“, leierte der andere Cop herunter.
„Sie machen einen großen Fehler, Officer. Dies ist ein offizielles Forschungsprojekt der…“, versuchte der Psychologe zu erklären.
„Da täuschen Sie sich, Mann.“ Der korpulente Polizist trat dicht an Leary heran. „LSD wurde mit sofortiger Wirkung verboten. Und aus gut unterrichteter Quelle wissen wir, dass Sie hier eine Drogenhölle betreiben!“ Der Dicke sah einen seiner Männer an. „Schafft mir dieses Subjekt, das unsere Kinder vergiften will, aus den Augen. Bei seinem Anblick wird mir schlecht.“
„Keine Sorge, Lieutenant. Richter Dundy wird seine Freude mit diesem Intellektuellen haben!“, grunzte einer der Cops.
Leary hielt sich zurück. LSD wurde verboten? Er schloss kurz die Augen, als er grob aus dem Haus befördert wurde. Wenn das stimmte, würde dieses Retreat hier tatsächlich ein juristisches Nachspiel haben.
Das war dem Psychologen im Grunde ziemlich egal, denn es gab keine Forschung ohne Risiko. Viel schlimmer aber war die Bedeutung eines solchen Verbots für seine wissenschaftliche Arbeit, die vollständig auf dem Einsatz von LSD basierte. Wenn die Polizisten recht hatten, war er erledigt!
Die Cops schoben ihn in Richtung eines abgestellten Streifenwagens. Einer öffnete die Tür des Fonds, während der andere grob seine Pranke auf Learys Kopf von legte und ihn in den Wagen schob. Das Knallen der Tür war wie der Schlusspfiff beim Football.
In diesem Moment schwor sich Timothy Leary, weiter an seinem großen Ziel zu arbeiten. Die Bewusstseinserweiterung des Menschen war seine Mission, und LSD war ein wichtiges Werkzeug dazu gewesen. Aber natürlich gab es auch noch andere psychedelische Substanzen, Meskalin oder Psilocybin zum Beispiel.
Leary nickte sich selbst bestätigend zu. Er würde weiterforschen, trotz des furchtbaren Rückschlags!
Jeff Crossing, den seine Freunde zumeist Dude nannten, hatte den Blotter mit dem LSD noch nicht auf die Zunge gelegt, als ihn das lautstarke Hämmern an der Eingangstür zusammenfahren ließ. Die nächste Eskalationsstufe war das Geschrei der Polizei gewesen. Hier lief irgendetwas ganz gewaltig schief.
„Was geht hier ab, Dude?“, wollte Freddy Turner flüsternd wissen. Crossing schüttelte nur still den Kopf.
Leary unterhielt sich kurz mit seiner Assistentin, dann verließ er den Raum in Richtung Haustür.
Der Retreat war gelaufen, so oder so. Selbst wenn es sich um ein gewaltiges Missverständnis handelte, die Stimmung war definitiv und unwiederbringlich dahin.
Dude traf eine Entscheidung und erhob sich langsam. Maxine Johnson versuchte zwei andere Teilnehmer zu beruhigen, deshalb war sie abgelenkt.
„Wo willst du hin?“, raunte Freddy.
Zur Antwort deutete Crossing in die Richtung, in der auch Leary verschwunden war. Leise schlich er sich aus dem Raum. Er wollte unbedingt wissen, was weiter passieren würde.
Der Psychologe hatte nur einen leichten Vorsprung. Wie ein Schatten pirschte der Student hinter dem LSD-Guru hinterher. Als er Stimmen hörte und einen Luftzug spürte, blieb er stehen. Behutsam wagte er sich zu der Ecke vor, hinter der Leary verschwunden war, und lugte zur Tür. Zwei bullige Polizisten hatten Leary Handschellen angelegt und führten ihn ab.
Dude nickte grimmig. Das Establishment will Dr. Leary verschwinden lassen!
Einige Stunden später war Dude wieder in seiner Wohnung. Die Polizei hatte die Personalien aller Teilnehmer des Retreats aufgenommen und sie dann gehen lassen. Zumindest die ansprechbaren Besucher. Diejenigen, die bereits LSD konsumiert hatten, waren mit Krankenwagen zur Beobachtung in eines der örtlichen Krankenhäuser gebracht worden.
„Dieser fette Lieutenant ist ein reaktionärer Idiot“, meinte Nicole Derringer in schleppendem Tonfall vom Sofa aus. Genüsslich nahm sie einen tiefen Zug aus der Wasserpfeife.
Dude saß auf seinem Lieblingssessel und trug seinen grellen Neonpyjama. Darin fühlte er sich am wohlsten; außerdem sollte es heute doch noch auf einen Trip gehen.
Die Jalousien waren heruntergelassen, das spärliche Licht des frühen Abends fiel durch einige schmale Ritzen herein. Auf der Fensterbank stand eine Lavalampe. Dude betrachtete die sich windenden Formen darin und spürte das THC in seinem Blut. Nach dem Schrecken bei Dr. Leary hatte er einfach den einen oder anderen Johnny rauchen müssen.
Mittlerweile war das Wohnzimmer so qualmverhangen, dass man auch als Passivraucher high werden konnte. Dude liebte das nebelige Wabern; es war die perfekte Atmosphäre, um sich auf den nächsten Trip vorzubereiten.
„Lass Jesus am Kreuz. Er ist sehr glücklich dort“, meinte Chris Brown und nahm einen tiefen Zug von dem Joint, den er von irgendjemandem gereicht bekam.
Dude dachte über den Spruch nach. Er hatte keine Ahnung, was sein Freund meinte. Gleichmütig zuckte er mit den Schultern. Aus den Boxen der Stereoanlage dröhnte „I can’t get no Satisfaction“, und Dude nahm die alte Zigarrenkiste vom Wohnzimmertisch.
„Geht es endlich los?“, fragte Sandy Nichols nervös.
Der Gastgeber lächelte und klappte das Behältnis auf. Es war bis zum Rand mit seinem absoluten Heiligtum gefüllt – unzählige winzige quadratische Blotter mit der Substanz, die seit dem heutigen Tag verboten war: LSD.
„Greift zu, solange es noch welche gibt“, meinte Dude grinsend. Genießerisch legte er sich eins der Blättchen auf die Zunge. Zu gerne hätte er einen von Dr. Leary geführten Trip gemacht, aber das war leider bis auf weiteres nicht mehr möglich.
Die Holzkiste mit den Blottern wurde herumgereicht, und jeder machte es sich auf seine Weise bequem. Dude blieb sitzen und schloss die Augen, während er sich auf die Musik konzentrierte. Der Stones-Titel war zu Ende, die ersten Klänge von „California Dreamin“ erklangen. Der junge Mann konzentrierte sich auf seine Atmung. Sämtliche Muskeln lockerten sich spürbar. You know the preacher liked the cold, he knows I’m gonna stay.
Zeit verging, wurde bedeutungslos. Der Plattenspieler hörte auf zu spielen, aber niemanden kümmerte es.
„Wir müssen die Linearität des bekannten Universums mit der Nicht-Linearität des unbekannten Universums in Einklang bringen.“
Die Stimme war einfach in Dudes Kopf. Es dauerte eine Weile, bis er erkannte, dass es die von Freddy Turner war. Ein Zitat, da war sich Crossing sicher. Woher stammte es?
Egal, er erinnerte sich nicht mehr. Letztlich war auch das völlig bedeutungslos. Die Gedanken in seinem Kopf kamen zum Stillstand. Dude verbrachte ungezählte Minuten in tiefster Kontemplation.
Es begann mit einem leichten Kribbeln auf seiner Schädeldecke, das sich steigerte, um sich auf seinen Kopf und dann auf den ganzen Körper auszubreiten. Dude öffnete die Augen. Er war auf dem Trip. In den Sonnenstrahlen, die durch die Ritzen der Jalousien fielen, sah er winzige Staubpartikel tanzen. Sein Gehirn arbeitete rasend schnell und er glaubte die komplizierten Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, denen die winzigen Teilchen auf ihrem Flug durch das Wohnzimmer gehorchten.
In diesem Moment erweiterte sich sein Bewusstsein auf eine radikale Art und Weise. Energien durchfluteten ihn und er fühlte sich wie ein Gott. Diese Partikel dort in der Luft waren heilig. Mindestens eines der winzigen Staubkörnchen musste bereits von Jesus Christus geatmet worden sein! Ehrfurchtsvoll nickte er in Richtung der flirrenden Bewegungen vor dem Fenster.
Doch die Show ging jetzt erst so richtig los, denn das Sonnenlicht wurde gleißend und nahm eine fast weiße Farbe an. Das grelle Licht traf Dudes Gesicht, und es fühlte sich an, als würde einer der Strahlen direkt durch die Augen auf sein Gehirn treffen.
Da erkannte der Student die Wahrheit. Das war kein normales Licht, sondern göttliche Erkenntnis! Darin erschien das Gesicht von Timothy Leary. Es strahlte pure Güte aus. Der Wissenschaftler lächelte Dude an und nickte ihm zu. „Ich komme zurück, Dude. Gemeinsam werden wir unsere Vision umsetzen!“
Titusville, Florida
Leary sah dem Taxifahrer zu, wie er in die Einfahrt seines Hauses zurücksetzte. Auch in Florida gab es mieses Wetter, und ausgerechnet heute war so ein Tag. Er liebte sein Haus direkt an der Atlantikküste, aber heute ließ ihn die eisige Seeluft frösteln. Hastig wühlte er in seinen Taschen nach dem Haustürschlüssel. Er hatte ihn von einem Wärter mit den anderen persönlichen Gegenständen vor einer knappen halben Stunde zurückbekommen.
Endlich fand er den Schlüssel und öffnete die Haustür. Abgestandene Luft schlug ihm entgegen. Dennoch besser als die im Gefängnis. Er trat in die Diele, schloss die Tür hinter sich und sperrte damit die eisige Atlantikluft aus.
Mit schweren Schritten ging Leary zur Garderobe und hängte seine Jacke auf. Jede Bewegung fiel ihm schwer und kostete Energie.
Er hatte die Worte von Richter Dundy noch gut im Gedächtnis: „Wenn Sie jemals wieder mit LSD experimentieren, werden Sie für sehr lange Zeit einsitzen, Dr. Leary. Haben wir uns verstanden?“
Es war eine Farce gewesen. Schattenmänner aus dem Establishment hatten es auf ihn abgesehen, das wusste Leary. Sie hatten ihn seines wichtigsten Werkzeugs zur Weiterentwicklung der menschlichen Spezies beraubt: LSD.
Grüblerisch schlurfte er in sein Arbeitszimmer und setzte sich an den Schreibtisch. Im Gefängnis hatte er schon befürchtet, die Behörden hätten eine Hausdurchsuchung durchgeführt, doch das war merkwürdigerweise nicht passiert.
In der obersten Schublade verwahrte er seine bewährtesten Hilfsmittel auf. Er zog sie auf und nahm einen stattlichen Joint heraus. Auf der Schreibtischplatte lag ein Zippo. Mit dem Daumen schnippte er das Feuerzeug auf und gab sich selbst Feuer. Tief inhalierte der Psychologe den Qualm.
Er musste an Maxine denken. Sie war seine Assistentin, aber nicht nur. Eine Woche nach seiner Festnahme hatte sie ihm eine Nachricht zukommen lassen. Sie war nach Mexiko aufgebrochen, um dort eigenen Forschungen nachzugehen.
Leary schluckte hart. Maxine war Ethnologin. Ihre eigenen Studien hatte sie hinten angestellt, um ihm zu helfen. Bisher. Doch nun gab es nichts mehr zu helfen.
Während er wieder an dem Joint zog, sah er zum Fenster hinaus auf die Oberfläche des grauen Atlantiks. An schönen Tagen nahm das Wasser des Ozeans eine fast azurblaue Färbung an. Bei schlechtem Wetter wirkten die Fluten schmutzig und trist. Damit passten sie zu Timothy Learys momentaner Stimmung.
Erneut nahm er einen kräftigen Zug von dem Joint und spürte, wie sich sein Körper zu entspannen begann. Doch sein Bewusstsein wollte sich nicht aufklären. Dazu brauchte er ein anderes Kaliber.
Aus den Tiefen einer Schublade förderte er eine kleine Schatulle hervor. Sein Privatvorrat an LSD. Unangetastet. Er schüttelte den Kopf. Warum war niemand hier gewesen, um die Drogen zu konfiszieren? Wollte man ihn verhöhnen? Wir lassen dir dein Zeug, aber du darfst nicht damit arbeiten.
Er klappte den Deckel des kleinen Kästchens auf, nahm einen Blotter heraus und legte sich das quadratische, briefmarkengroße Blättchen auf die Zunge. Er schloss seine Augen. Der Speichel durchtränkte das Löschpapier und löste den Wirkstoff mit einem leicht säuerlichen Geschmack. Doch bis das LSD durch die Mundschleimhaut in seinen Blutkreislauf gelangte, würde es noch einige Minuten dauern.
Der Psychologe lehnte sich zurück und widmete sich wieder seinem Joint. Die unterschiedlichsten Gedanken gingen ihm dabei durch den Kopf. Mein Ego leidet, diagnostizierte er sich selbst. Maxine war nicht ohne Grund auf Reisen gegangen. Ich bin nicht mehr ihre Zukunft, sie muss selbst für sich sorgen.