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Zamorra griff zum Beifahrersitz, wo er Wilhelm von Zanths Buch deponiert hatte. Er spürte es, als seine Finger den Einband berührten. Oder bildete er es sich ein? Er legte das Buch vor sich gegen das Lenkrad und öffnete es. Nein, er täuschte sich nicht. Das Buch fühlte sich an, als wäre es ein Lebewesen aus Fleisch und Blut. Völlig absurd, dachte der Parapsychologe. Und dennoch war es der Fall ...
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Seitenzahl: 131
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Gestrandet
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Gestrandet
von Stefan Hensch
Zamorra griff zum Beifahrersitz, wo er Wilhelm von Zanths Buch deponiert hatte. Er spürte es, als seine Finger den Einband berührten. Oder bildete er es sich ein? Er legte das Buch vor sich gegen das Lenkrad und öffnete es. Nein, er täuschte sich nicht. Das Buch fühlte sich an, als wäre es ein Lebewesen aus Fleisch und Blut. Völlig absurd, dachte der Parapsychologe. Und dennoch war es der Fall ...
An einem unbekannten Ort
Gabriel Mercier spürte den Schmerz, als das Amobarbital in seinen Blutkreislauf injiziert wurde. Ein brennender Schmerz breitete sich von der Einstichstelle aus und zog in Richtung seiner Schulter.
Er hatte schon von dem Mittel gehört, meistens in zweitklassigen Filmen. Bislang hatte er das für ausgemachten Blödsinn gehalten. Eric Warren schien hingegen von der Wirksamkeit der Substanz überzeugt zu sein.
Gedanken rasten durch Merciers Kopf. Es gab Mittel und Wege, mit denen jeder Mensch gebrochen werden konnte. Er musste an Tanguy denken und an das, was die Kinder des Subraums anrichten würden, wenn sie aus dem Subraum befreit wurden. Verdammt! Nach Rupert Grays Tod1 und seiner eigenen Inhaftierung wollte er nicht dem nächsten Irren die Apokalypse ermöglichen.
»Wie lange dauert es, bis das Amobarbital wirkt?«, fragte Warren den Arzt.
»Wenige Minuten, wie bei allen Barbituraten. Monsieur Mercier wird es als leichte Müdigkeit bemerken«, antwortete Doktor Cole.
Mercier presste die Zähne aufeinander und atmete scharf ein.
Warren sah ihn mit einem fast mitleidigen Blick an. »Sie haben es in der Hand, Professor Mercier. Das hier muss keinesfalls schlimm werden.«
Mercier antwortete nicht darauf, es gab keine neue Antwort. Stattdessen konzentrierte er sich auf seine Atmung. Erschrocken stellte er fest, dass seine Muskelspannung nachließ. Cole behielt recht, die Droge wirkte bereits.
»Sie sehen müde aus, Mercier!«
Wut glomm im ehemaligen Meister auf. »Noch lange nicht. Da müssen Sie schon ganz andere Geschütze auffahren, Warren.«
Der Söldner lachte. »Ihr Pokerface sollten Sie noch besser einstudieren, ansonsten nimmt man Sie beim Spiel wie eine Weihnachtsgans aus.«
»Die Droge entfaltet jetzt ihre komplette Wirkung«, erklärte Doktor Cole nach einem Blick auf seine Armbanduhr.
»Erzählen Sie uns doch etwas über den Subraum, Professor. Was ist das genau?«
Mercier dachte gar nicht daran zu antworten. In ihm gab es keinerlei Impuls zu reden, nur einen leichten Gähnreiz. Momente vergingen, und er glaubte das Ticken von Coles Chronometer hören zu können.
»Verdammt, Doktor. Warum redet er nicht?«
Cole sah den Söldner irritiert an. »Für gewöhnlich reicht die Menge an Amobarbital. Vielleicht dauert es doch noch etwas länger, bis es wirkt.«
»Geben Sie ihm mehr davon!«
Achselzuckend nahm der Arzt die Spritze und zog sie wieder auf, indem er die Kanüle in den Verschluss eines bereitstehenden Fläschchens stach.
Mercier beobachtete, wie der Kolben sich nach hinten bewegte und die Spritze mit der unheilvollen Flüssigkeit füllte.
Vielleicht täuschte er sich, aber es schien, als würde der Arzt dieses Mal eine größere Menge abfüllen.
Mit einem kaum merklichen Zögern wandte sich der Mediziner ihm wieder zu und verpasste Mercier eine zweite Injektion.
»Sie halten sich für einen ganz knallharten Kerl, was? Ich kenne Leute wie Sie. Am Ende werden Sie mir die Füße küssen. Ich bekomme immer, was ich will!«, zischte der Söldner. »Vielleicht ist es dann jedoch zu spät für Sie, Monsieur Mercier. Jedes Medikament hat Nebenwirkungen, vergessen Sie das nicht!« Er lächelte boshaft.
»Sie ... Sie können mich mal!«, presste Mercier hinaus.
Unbeeindruckt wandte sich Warren von ihm ab und sah auf seine Uhr. Er schwieg.
Mercier spürte, dass sein Herzschlag schneller wurde, wohl ein Nebeneffekt der Droge. Gleichzeitig wurde ihm schwindelig, und die zuvor angekündigte Müdigkeit traf ihn wie ein Hammer.
»Wie kann man den Subraum öffnen?«
Spontan löste sich ein Lachen aus Merciers Kehle.
»Was ist so lustig?«
Mercier grinste übers ganze Gesicht und fühlte sich dabei an seine Studentenzeit in Paris erinnert. Dort hatten Sie nicht nur Alkohol und Gras konsumiert.
»Müde macht mich das Zeug tatsächlich. Meine Zunge löst es jedoch nicht. Vielleicht sollten Sie mich besser betrunken machen?«
Hektische Flecken erschienen auf dem Gesicht des Söldners. »Doktor, er braucht mehr Wahrheitsserum!«
»Das Präparat kann zum Aussetzen der Atmung führen«, wandte der Arzt ein.
Warren zuckte mit den Schultern. »Dessen bin ich mir durchaus bewusst und Monsieur Mercier ebenso. Er hat seine Entscheidung bereits getroffen. Machen Sie jetzt, Cole!«
Mercier spürte den erneuten Einstich in der Ellenbogenbeuge. Warren hatte recht damit, dass er seine Entscheidung getroffen hatte. Er würde nicht kooperieren. Täuschte er sich, oder wurde das Atmen schwerer als zuvor?
Nach dem nächsten Ausatmen war er sich sicher. Das Luftholen war so anstrengend, als würde ein bösartiger Zwerg auf seiner Brust sitzen und ihm die Luft abdrücken. Atemaussetzer, dachte der Gefesselte. Nicht einschlafen, bloß nicht einschlafen.
Kein Zweifel, das verfluchte Zeug wirkte. Bislang konnte er den Drang zu plaudern noch unterdrücken, aber die Müdigkeit wuchs ins Unendliche. Seine Augen wurden trocken, und die Lider brannten. Er versuchte das Gefühl von Sand in den Augen wegzublinzeln, blieb jedoch erfolglos.
Warren stand einen Meter von seinem Gefangenen entfernt und wirkte unbeirrbar und in sich selbst ruhend. Cole wirkte daneben wie ein unsicherer Schuljunge. Sein Körper war ständig in Bewegung, und seine Blicke irrten zwischen den zwei Männern hin und her. Über all dem tönte das Ticken von Warrens Armbanduhr. Wer zur Hölle zahlte den Preis eines Einfamilienhauses für so eine nervige Uhr?
»Ihre verdammte Uhr nervt«, erklärte Mercier laut und wunderte sich über sich selbst. Weshalb hatte er das gesagt?
Cole nickte seinem Befehlshaber zu. »Die psychogene Wirkung hat endlich eingesetzt!«
Eine eiskalte Klaue legte sich um Merciers Kehle. Coles Bemerkung stimmte, denn unter normalen Bedingungen hätte er sich eine solche nebensächliche Bemerkung verkniffen. Allein schon aus dem Grund, um keine Schwäche zu zeigen. Er musste auf der Hut sein.
»Mir gefällt meine Uhr Was meinen Sie, Doktor Cole?«
»Definitiv! Ein ausgesprochen schönes Modell.«
Mercier sah das hämische Grinsen auf Warrens Gesicht. Hier ging es nicht um Uhren. Der Söldner lauerte auf den Zusammenbruch seiner Willenskraft. Wenn es unweigerlich dazu kommen würde, so wollte er es so lange wie möglich herauszögern und genießen. Idealerweise würden sie ihm so viel von der Droge verabreichen, dass er letztlich nicht mehr mit dem Wahnsinnigem ihm gegenüber kooperieren konnte.
»Wie sieht es aus, Monsieur Mercier? Wollen Sie uns jetzt etwas über den Subraum erzählen?«
Einen Scheiß werde ich. Für einen Moment wusste er nicht, ob er den Satz lediglich gedacht oder laut ausgesprochen hatte. Benommenheit stieg in ihm auf. Er schüttelte den Kopf, um sich davon zu befreien.
»Vergessen Sie es, Warren. Selbst wenn ich wollte, könnte ich Ihnen nicht helfen. Der Richtige für Sie wäre Rupert Gray, und der weilt nicht mehr unter uns.«
Warren nickte dem Art zu. »Unser Gast hier verfügt über einen ausgesprochenen Dickschädel, Cole. Verpassen Sie ihm den nächsten Schuss!«
Der Arzt zögerte: »Das könnte Ihn umbringen, Mr Warren. Ich bin immer noch Mediziner und habe den ...«
Die Antwort des Unternehmers bestand aus einem Lachen. »Ich verdopple Ihr Honorar, das müsste den Eid aufwiegen, nicht wahr? Und jetzt machen Sie schon, ich habe es eilig.«
Mit jedem Wort mehr ging mit Doktor Cole eine sichtbare Veränderung vonstatten. Immer weniger schien er sich aufrecht halten zu können und wirkte am Ende wie ein Greis, der am Stock ging.
Innerlich triumphierte Mercier, als er die nächste Injektion bekam. Lieber nahm er seine Informationen mit ins Grab, als seinen Zögling erneut auszuliefern. Wenige Sekunden später raste sein Herz, und er konnte die Augen kaum noch offen halten. Bald war es so weit, bald würde er es geschafft haben.
Brennender Schmerz flammte an seiner rechten Wange auf. Er war tatsächlich eingeschlafen.
»Bevor Sie wegdämmern, geben Sie uns die Informationen über den Subraum!«, befahl Warren direkt vor dem Gesicht seines Gefangenen.
Mercier wusste, wie es um ihn stand. Der Bogen war längst überspannt. Sie hatten ihm zu viel verpasst. Ansatzweise erinnerte es ihn an Paris, wo er so manchen Rausch erlebt hatte. Das Gesicht des Söldnerchefs dehnte sich aus und zog sich wieder zusammen, die Farben veränderten sich. Alles um ihn herum begann sich zu drehen, schneller und schneller, bis er das Bewusstsein verlor.
»Verdammt noch mal, Cole!«
Der Arzt wäre am liebsten ausgerastet, dafür blieb jedoch keine Zeit. Zuerst musste er den drohenden Herzstillstand des Gefangenen verhindern. Danach konnte er die Frage der Verantwortlichkeit für diesen Kollaps ausdiskutieren. Routiniert öffnete er das Notfallset und nahm die Adrenalinspritze heraus. Mit sicheren Bewegungen injizierte er das Mittel in die linke Ellenbogenbeuge.
»Kümmern Sie sich um Mercier, solange ich in Afrika bin. Tun Sie alles Nötige, Cole. Wenn er das nicht durchsteht, mache ich Sie dafür verantwortlich!«
Cole sah seinen Chef mit festem Blick an. »Die Verantwortlichkeit für diesen Bockmist finden Sie, wenn Sie in den Spiegel schauen. Den Schuh ziehe ich mir nicht an!«
Warren wollte noch etwas erwidern, drehte sich jedoch auf dem Absatz um und verließ den Keller. Jetzt war keine Zeit für Diskussionen.
Cole atmete hörbar auf. Das hatte er nicht auf sich sitzen lassen wollen. Nachdenklich setzte er das Stethoskop auf und presste es an Merciers Brust. Das Herz schlug ruhiger, noch etwas schwach, aber das würde wieder. Der Arzt wollte sich nicht ausmalen, was dem Patienten blühte, wenn Warren aus Afrika zurückkehrte.
Ein paar Monate später, Château Montagne
Zamorra saß am Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer und bedeckte das Gesicht mit den Handflächen. Die Ereignisse im Labyrinth des Wahnsinns hatten an seiner Substanz gezerrt. Nur allmählich war es ihm gelungen, wieder ganz der Alte zu sein.
Aber die Zeit, die er dafür gebraucht hatte, hatte andere unerledigte Fälle in den Hintergrund rücken lassen. Er hatte sie schlichtweg nicht mehr verfolgt.
Warum er ausgerechnet heute an die Sache mit dem geflohenen Mitglied der Bruderschaft und dem militärischen Nachrichtendienst DRM dachte, wusste er nicht2. Aber es ging ihm nicht aus dem Kopf.
Genauer betrachtet handelte es sich überhaupt nicht um einen ausgewachsenen Fall. Zumindest ließ sich mit dieser Perspektive besser leben.
Colonel Mussa hatte ihn und Nicole erst eingeschaltet, als sich die Flucht in ein Fiasko verwandelt hatte. Das Fluchtfahrzeug war mit den Leichen von zwei Militärangehörigen in einem Waldstück gefunden worden. Die Toten waren maßgeblich an Merciers Flucht beteiligt gewesen.
Zamorra und Nicole konnten durch eine Zeitschau lediglich den Tathergang im Wald rekonstruieren. Dabei hatte sich herausgestellt, dass eine unbekannte Partei involviert war, die Söldner einsetzte und einen Helikopter benutzt hatte.
Mercier blieb verschwunden und stellte nun ein potenzielles Sicherheitsrisiko dar. Niemand wusste, welche Informationen und Kenntnisse der Ex-Bruderschaftler besaß. Aus diesem Grund gingen sowohl der Dämonenjäger als auch der DRM vom Schlimmsten aus.
Möglicherweise war der Verschwundene in der Lage, ein Portal in den Subraum zu öffnen und das Werk der Bruderschaft schlussendlich umzusetzen. Dass es bislang noch nicht zu einem neuen Invasionsversuch der Bestien aus dem Subraum gekommen war, stellte keine Beruhigung dar.
Das Auftauchen des unbekannten Gegenspielers sorgte für weitere Fragezeichen. Zamorra und Nicole waren sich einig, dass die Sache noch nicht ausgestanden war. Aber wie sollte sich der Meister des Übernatürlichen auf diese unbekannte Bedrohung einstellen?
Er nahm die Hände vom Gesicht, und sein Blick fiel einmal mehr auf das mysteriöse Buch des Wilhelm von Zanth. Es lag auf dem Schreibtisch, da es in den letzten Wochen immer wieder sein Interesse auf rätselhafte Art gebannt hatte.
Er nahm das Buch in die Hand, schlug es auf und sah sich die fremdartigen Buchstaben an.
Warum hatte der Verfasser eine völlig unbekannte Sprache gewählt? Dem Parapsychologen fielen die Hermetiker ein, die ihre Geheimnisse ausschließlich von Mund zum Ohr weitergegeben hatten. Dies war eine Übertragungsweise, die eine Verbreitung des Geheimwissens effektiv limitiert hatte.
Sobald Wissen in Buchform gegossen wurde, wurde es ansonsten dem Zugriff nahezu unbegrenzt vieler Menschen ausgesetzt. War der Text jedoch in einer fremden Sprache verfasst, konnten es nur die Menschen lesen, die in ihr unterrichtet waren.
Zamorra schlug den Folianten zu und nickte. Der Gedanke hörte sich schlüssig an. Die Sprache funktionierte wie ein Code, der einen Zugriff auf das enthaltene Wissen beschränkte.
»Ist dir so langweilig, dass du dich mal wieder mit deinem Kumpel Wilhelm triffst?«
Er zuckte zusammen und fuhr zu Nicole herum, die lautlos im Türrechteck des Arbeitszimmers erschienen war.
»Ich werde mich mit dem alten Schinken wohl doch mal etwas eingehender beschäftigen dürfen?!«
Nicole nickte kurz. »Aber erst, wenn wir die gelbe Bestie zur Werkstatt gebracht haben. Du kannst Wilhelm ja mitnehmen, Während du in deiner Göttin auf mich wartest. Dann hast du zumindest etwas zu tun.«
Zamorra runzelte die Stirn. »Ist der Manhart kaputt?«
Nicole warf ihm einen eiskalten Blick zu: »Männer!«
Die Augenbrauen ihres Lebensgefährten führten eine sehenswerte Choreografie auf. »Ähm, hattest du etwas gesagt ...?«
»Ja, mehrfach! Schön, dass du dich wenigstens schemenhaft daran erinnerst. Inspektion, mein Lieber. Das ist das Zauberwort! Der Bordcomputer meldet das schon seit einer geraumen Weile, was ich schon unzählige Male erzählt habe. Jetzt hat sich Goudon endlich gemeldet.«
»Und wann sollen wir fahren?«
»Jetzt, chéri! Nicht morgen und auch nicht in einer Woche«, sagte sie lachend und kam auf ihn zu.
»Okay«, antworte er »Dann sehen wir wenigstens mal etwas anderes.«
»Vergiss das Buch nicht. Vielleicht hast du unterwegs einen Geistesblitz. Außerdem kenne ich dich. Du denkst ohnehin an nichts anderes«, erklärte Nicole und küsste ihn auf die Wange. »Ich fahre jetzt, komm du in fünfzehn Minuten nach.«
Zamorra wusste, dass Charles Goudon nicht unbedingt zu den geschwätzigsten Zeitgenossen zählte. Das hatte er selbst erlebt, als er seine Göttin in dessen Werkstatt abgeholt hatte. Mehr als das Nötigste sprach der Autoschlosser nicht. Das musste er auch nicht, denn der schneeleopardenweiße Citroen DS Pallas sprach für sich.
Goudon hatte zwei goldene Schraubenschlüssel, mit denen er aus dem ehemaligen Wrack ein ästhetisches Kunstwerk geschaffen hatte. Tendyke Industries war ebenfalls beteiligt gewesen, indem Techniker nicht nur den Verbrenner in ein leistungsfähiges E-Fahrzeug mit Solarzellen umgebaut, sondern das Gefährt mit etlichen Gimmicks ausgestattet hatten.
Anstelle eine Viertelstunde zu warten, fuhr Zamorra bereits nach zehn Minuten ins Dorf hinunter und hielt auf der Straße vor der ehemaligen Dorfschmiede, da der Hof überfüllt mit Fahrzeugen war.
Goudons Ruf bescherte ihm zahlreiche Kunden. Für einen Moment hatte er gezweifelt, dass der Manhart in Saint-Cyriax gut aufgehoben war. Es handelte sich um nicht weniger als einen Supersportwagen. Jedoch konnte sich Zamorra kaum einen besseren Autoschlosser als ihn vorstellen.
Zamorra stellte die Göttin ab und griff zum Beifahrersitz, wo er Wilhelm von Zanths Buch deponiert hatte. Er spürte es, als seine Finger den Einband berührten. Oder bildete er es sich ein? Er legte das Buch vor sich gegen das Lenkrad und öffnete es. Nein, er täuschte sich nicht. Das Buch fühlte sich an, als wäre es ein Lebewesen aus Fleisch und Blut. Völlig absurd, dachte der Parapsychologe. Und dennoch war es der Fall.
Wie schon unzählige Male zuvor, blätterte er wahllos durch den rätselhaften Text. Einmal mehr nahm er die klassische Gliederung in Vorwort, Inhaltsverzeichnis und unterschiedliche Kapitel wahr. Nichts hatte sich verändert. Aber unvermittelt intensivierte sich das Gefühl. Um ein Haar hätte er das Buch erschrocken zugeschlagen.
Doch seine Neugierde gewann die Oberhand. Er spürte, wie das Buch seine Aufmerksamkeit auf ihn selbst richtete, so als würde es ihn, seinen Leser, studieren. Wie lange der Moment dauerte, konnte Zamorra nicht sagen. Vermutlich war es nur ein Wimpernschlag, möglicherweise noch kürzer. Der trennende Impuls ereignete sich auf seiner Brust. Merlins Stern lag dort locker auf und musste sich aus eigener Kraft bewegt haben. Es war nur eine winzige Bewegung, jedoch absolut unbestreitbar. Dann war die Verbindung zu dem Buch vor ihm unterbrochen.
Stirnrunzelnd sah er den alten Schinken an. Rein äußerlich war kein Unterschied zu bemerken. Das Amulett hatte keinen messbaren Schaden angerichtet, zumindest nicht materiell. Feinstofflich hatte die Silberscheibe definitiv alle Verbindungen zu Zamorra beendet. Hatte das Buch ihm schaden wollen, oder war es lediglich eine Vorsichtsmaßnahme des Amuletts gewesen?