MALTEROS - Anke Jablinski - E-Book

MALTEROS E-Book

Anke Jablinski

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Beschreibung

Anke Jablinski sagt über ihre Prosatexte, dass diese sich fast immer um zwischenmenschliche Missverständnisse drehen. Und auch wenn in diesen vier erotischen Geschichten, die sich auf Malta und Gozo abspielen, mitunter die Liebe siegt, sind die Begegnungen in diesem Buch zumindest von Gegensätzen geprägt. Da verliebt sich eine junge Frau in einen Sex-Maniac, ein kleiner Mann in eine große Frau, die bis dahin nicht viel von Männern hielt, ein Professor hat sexuelle Fantasien zu einer Schülerin und ein Pfarrer verrennt sich so sehr in sexueller Ekstase, dass diese im Wahnsinn und sogar im Mord endet.

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 156

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Anke Jablinski

MALTEROS

Vier Jahreszeiten, vier Geschichten

ErlebnisMalta 4

Anke Jablinski

MALTEROS

Vier Jahreszeiten, vier Geschichten

ErlebnisMalta 4

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.

© dieser Ausgabe: August 2023

p.machinery Michael Haitel

Titelbild: Daniel Cilia

Layout & Umschlaggestaltung: global:epropaganda

Lektorat & Korrektorat: Michael Haitel

Herstellung: global:epropaganda

Verlag: p.machinery Michael Haitel

Norderweg 31, 25887 Winnert

www.pmachinery.de

ISBN der Printausgabe: 978 3 95765 345 1

ISBN dieses E-Books: 978 3 95765 758 9

Wer nicht genießt, ist ungenießbar.

Konstantin Wecker

Frühling

Autosex

Erster Teil

Marisa trat angespannt auf die Bremse und hielt den Wagen an. Die winzige Schotterstraße wurde immer enger, das Fahren immer holpriger. Was, wenn die Achsen des alten Wagens brechen würden? Einer der Reifen einen Platten bekäme, hier in dieser Einöde? Was, wenn ihr doch mal ein Fahrzeug entgegenkäme, ja, und warum war ihr eigentlich bisher noch kein einziges entgegengekommen? Links und rechts befanden sich Steinmauern, die einst von Hand erbaut worden sein mussten. Stein auf Stein übereinandergelegt, was für eine Arbeit! Wer diese wohl wann erbaut hatte? Zum Wenden oder für den Gegenverkehr fehlte es an Platz. Irgendwo aber, sagte sie sich, musste es eine Ausweichmöglichkeit geben, und so fuhr sie rasch weiter, damit sie eine solche Stelle fand, bevor ihr wirklich noch ein Auto entgegenkam. Im zweiten Gang holperte sie angespannt durch die Gasse in der Hoffnung, hier richtig zu sein und nicht in einer Sackgasse zu landen. Ein winziges, blaues und ausgeblichenes Schild mit der Aufschrift Mgarr ix-Xini hatte sie hierhin geführt. Im Hotel hatte sie beim Frühstück die Leute am Nebentisch von diesem kleinen Strand schwärmen gehört, ein Steinstrand zwischen hoch aufragenden Klippen links und rechts mit noch klarem Wasser zum Schwimmen und Schnorcheln und dazu gemacht, vom Fels ins Meer zu springen. Genau so etwas suchte sie. Kein Hotel sollte es hier geben, nur ein einfaches Restaurant, wo sie nach dem Schwimmen und Klippenspringen hungrig etwas essen und trinken würde, wunderbar! –

Als es bergab ging, tauchte zur Linken endlich ein Gemäuer auf, das einer Haltestelle ähnelte. Merkwürdig, einen Bus hatte es hier doch sicher nie gegeben. Hier aber war die Straße immerhin breit genug, um zu wenden, was sie auch tat. Mehrfach musste sie vor- und zurücksetzen, aber es schien ihr sicherer, auf dem Rückweg gleich in Fahrtrichtung zu stehen. Der Linksverkehr war ihr noch nicht vertraut, und alles dauerte länger als daheim, weil das Lenkrad sich auf der falschen Seite befand, vor allem aber die Gangschaltung mit links zu betätigen war. Sie parkte unter dem Dach des merkwürdigen Gebäudes und freute sich über den Sonnenschutz. Die Flaschen Wasser und die Bananen, die sie vorhin gekauft hatte, würden sich in der Zwischenzeit nicht allzu sehr aufheizen. Sie stieg aus und erschrak.

Ein Mann mit einer Schrotflinte über der Schulter kam aus einer tiefen, felsigen Schlucht direkt auf sie zu. Rasch flüchtete sie zurück ins Auto, der Mann aber setzte sich nur lässig und entspannt auf die Mauer, die an dieser Stelle ganz flach war, und rauchte in aller Ruhe eine Zigarette. Dann pfiff er durch die Zähne, und ein kleiner Jagdhund kam herbeigelaufen. Sie hatte vor der Reise von Vogeljägern gelesen, die es hier noch geben sollte. Sie erinnerte sich dunkel an Vogeljäger in Sizilien, aber diese Reise war lange her. Der alte Mann sah harmlos aus, aber Jäger mit einem Gewehr waren ihr doch unheimlich, und so parkte sie wieder aus, wendete und fuhr weiter in Richtung des Strandes. Sie meinte, einige Schüsse zu hören.

Nun wurde der Straßenbelag zwar besser, aber die Straße noch schmaler, und die Mauern links und rechts schienen neuer zu sein. Zum Glück erschien am rechten Fahrbahnrand bald eine Art Parkplatz, auf dem zwei Autos Platz hatten. Das Mauerwerk war teilweise zu Steinhaufen verfallen. Ein alter Pick-up stand bereits da. Marisa parkte vorwärts ein und stellte ihren kleinen Chevrolet Spark rechts neben den Toyota.

Als sie ausstieg und zur Bucht hinab sah, schlug ihr Herz höher. Unter ihr lag sanft das türkis schimmernde Meer, und sie konnte nur drei Menschen darin schwimmen sehen, so einsam war es in der Vorsaison hier. Sie konnte es kaum erwarten, einen Kopfsprung von den Klippen zu machen. Sie war mit dreiunddreißig Jahren noch immer sehr sportlich. Sie setzte sich zurück in den Mietwagen, holte ihren Bikini aus ihrer Strandtasche, zog ihre Turnschuhe aus und danach Socken, Shorts und den Slip. Sie stellte beide Vordersitze komplett nach hinten und kippte sie zurück, um mehr Platz zum Umkleiden zu haben.

Sie wollte sich gerade die Bikinihose überstreifen, als wie aus dem Nichts ein groß gewachsener, kräftiger Mann vor ihr stand, braun gebrannt, splitternackt und mit stark erigiertem Glied! Seine Wäsche lag auf dem Boden, so wie seine Schlappen. Fast hätte sie gelacht, so skurril und unwirklich erschien ihr dieses Bild, aber dazu hatte sie keine Zeit.

»Leg dich bequem auf den Rücken und mach die Beine breit, schnell!«, befahl der Fremde mit tiefer, sanfter Stimme in Englisch im landestypischen Akzent. Schon war er in sie eingedrungen, eigentlich hart und dennoch irgendwie zart. Sie spürte noch, dass er sich auf ihre Schultern stützte, dann aber traf er in ihrem tiefsten Inneren einen Punkt, von dem sie noch nie Notiz genommen hatte. Eine schier überwältigende Lust machte sich im ganzen Körper breit, sie glaubte, das Bewusstsein zu verlieren oder verrückt zu werden. Speichel bildete sich in ihrem Mund und die ganze Haut schien in Flammen zu stehen, alle Gedanken waren ausgeschaltet. Wie in Trance packte sie seinen Po und schob seine Lust noch tiefer in sich hinein, immer und immer wieder. Er rief: »No, no«, das mal nach einem englischen und mal nach einem italienischen No klang. Einem Gebet ähnlich stieß er einige Worte in der Landessprache aus und brüllte schließlich »Madonna!« Sie vibrierte, schwitzte, ihr ganzer Körper war in Aufruhr, so wie sie es noch nie erlebt hatte. Alles hatte sich zusammengekrampft und sich im Schrei gelöst, ein Schrei, wie aus der Ferne.

Er blieb weder auf ihr liegen noch rannte er fort, sondern lag erschöpft rücklings auf der Straße auf seinen Anziehsachen.

Was für ein Proll, schoss es ihr durch den Kopf, es könnte schließlich jemand des Weges kommen, wie peinlich sähe dieses Bild aus! Sie könnte um Hilfe rufen: Vergewaltigung!, aber sie blieb einfach liegen. Sie wollte ihm nicht ins Gesicht sehen. Die Gedanken hatten wieder Besitz von ihr genommen. Wut stieg in ihr auf, weil sie ein Gefühl der Peinlichkeit empfand, dabei musste es dem Kerl doch peinlich sein! Dieser Typ war ein hinterhältiger Vergewaltiger, warum hatte sie sich zu schämen? Dieses Arschloch hatte sich an ihr vergangen. Scheiß-Kerl! Nichts hasste sie mehr, als Vergewaltiger.

Sie traute sich nicht, sich zu bewegen. Unter ihr war alles nass, so eine Nässe hatte sie noch nie erlebt beim Sex. Sie schien regelrecht in einer Pfütze zu liegen. Ihre Schläfen pochten noch immer, sie hörte ihn laut atmen. Das Atmen ging in ein Wimmern über. Er schien zu weinen, merkwürdig. Wieder sprach er ein Gebet in dieser merkwürdigen, kreolischen Sprache mit tiefer, schöner Stimme. Arabisch, Englisch, Italienisch. Anscheinend drehte er sich auf den Bauch, sie konnte Steinchen rollen hören.

»Mamma Mia«, sagte er vor sich hin, und immer war da diese Stimme, die ihr jeglichen Hass verbot. Tief verstört und glückselig zugleich legte sie ihren rechten Arm auf ihre Augen, blind wollte sie sein, nicht in seine Augen schauen müssen.

Nun klang es so, als zöge sich der Fremde seine Sachen über. Er stand neben dem Chevrolet. Er war groß und etwa in ihrem Alter. Sie vernahm Schritte. Sie wurden leiser und wieder lauter, kam er zurück? Sie hörte Geräusche, die sie nicht einordnen konnte. Plötzlich nahm er ihre Füße in seine großen, warmen Hände und knetete sie. Sie wagte nicht, zu reagieren, und empfand Unsicherheit und ein schönes Gefühl in den Füßen. Beinahe hätte sie noch einmal ihre Beine zur Einladung gespreizt!

Nun wagte sie es doch, den Kopf ein wenig anzuheben, und sie sahen sich in die Augen. Er reichte ihr eine gelbe Blume und sagte: »Es tut mir leid, bitte entschuldige.«

Sie nahm das Blümchen entgegen, sagte aber nichts. Die ganze Situation war vollkommen absurd! Sie legte die Blume auf das Armaturenbrett und senkte den Blick. Sie hörte, dass der Mann sich entfernte und über die Mauer kletterte.

Noch lange lag sie regungslos in der Pfütze und dann heulte sie eine gefühlte Ewigkeit, völlig durcheinander. Schließlich rappelte sie sich auf, zog den Bikini an, Shorts und Shirt darüber, und lief hinunter zu dem Traumstrand. Das Meer würde sie säubern und ihren Kopf kühlen und klarer machen. Niemand war mehr im Wasser, aber die drei Leute, die sie vorhin aus der Ferne gesehen hatte, saßen an einem kleinen Tisch im Restaurant in der Sonne, aßen, lachten, amüsierten sich. Das konnte sie nie, sich einfach so zu amüsieren, laut zu lachen. Sie beneidete solche Menschen.

Sie legte all ihre Sachen hinter einen großen Stein und tauchte ins Meer ein.

Helen hörte Manwel zur Haustür hinein kommen. Wie immer ließ er die Tür laut in das Schloss fallen. Er schaute flüchtig in die Küche, warf ihr einen Handkuss zu, stieg die Treppe hinauf und ging unter die Dusche. Helen konnte es hören. Sie legte das Geschirrtuch beiseite, zog genervt die Mundwinkel nach unten und atmete schwer aus. Er war also wieder bei einer Frau gewesen, sie konnte es förmlich riechen. Heute Abend würde er wieder unter der Dusche stehen, heute war sein freier Tag. Morgens eine, abends eine. Es wurde nicht ausgesprochen, aber jeder im Ort wusste es, vielleicht sogar die ganze Insel. Ihr Sohn war nicht normal.

Viele auf der Insel waren geistig oder körperlich behindert, manche beides, es waren arme Geschöpfe, die Gott liebte, aber so etwas? Sie liebte Manwel, ihren einzigen Sohn. Sie hatte sich ein Mädchen gewünscht, aber ihr Mann Mario war froh gewesen, dass er einen Jungen gezeugt hatte, wie er es nannte. Und was für ein heiteres, nettes, aufgeschlossenes junges Kerlchen Manwel gewesen war! Er war bei allen beliebt gewesen, Jungs und Mädchen mochten ihn gleichermaßen, immerzu lachte er, erfand Spiele und alle liebten seine lustigen Augen. Zwar waren die Brauen ein wenig zu stark betont und buschig, aber davon abgesehen, war er ein schlanker, hübscher Junge, der es auch in der Schule nicht schwer hatte.

Mit neun Jahren bekam er einen Wachstumsschub, bei dem seine Arme immer länger wurden und sein Oberkörper nicht ganz mitkam. Noch heute befanden sich seine Hände beinahe bei den Knien, wenn er aufrecht stand und die Arme hängen ließ, weshalb er die Arme oft verschränkte, vorne oder hinten. Als der Junge zehn war, wuchsen aber auch seine Hoden und sein Penis viel zu früh und er hatte auch viel früher als alle seine Freunde den ersten Samenerguss. Damit fing der Ärger an.

Helen erinnerte sich nur ungern an diese Zeit. Andauernd hatte sie das Bettzeug des Jungen reinigen und neu beziehen müssen. Sie hatte gebetet und gebeichtet, denn wie die meisten auf der Insel war sie ein frommer Mensch. Aber Gott hatte ihre Gebete nicht erhört. Sein lockiges Haar und seine leuchtenden Augen zogen die Mädchen an, und im Alter von nur zwölf Jahren war er von einer Siebzehnjährigen verführt worden. Er hatte älter ausgesehen als zwölf, denn auch sein Bartwuchs hatte früh begonnen, und seine Stimme war tief und sanft geworden. Der Ausdruck der Augen aber hatte sich vom Lustigen zum Lüsternen gewandelt und die Mädchen waren errötet, sobald ihr Junge den Dorfplatz betreten hatte.

Helen hatte all das nie gefallen. Alles andere, nur das nicht. Sie tröstete sich damit, dass er nicht schlecht in der Schule war, nicht log oder betrog, nicht klaute oder sich prügelte, so wie die anderen in seinem Alter. Stets war er höflich und charmant. Er war ein guter Junge, nicht aber der gute Christ, den sie sich so sehr gewünscht hatte. Er besuchte das Gotteshaus nicht mehr, seit er in die Pubertät gekommen war, wollte kein Messdiener sein, so wie es üblich war. Er interessierte sich auch nicht für die Dinge, für die sich die anderen Jungs interessierten, das erste Mofa, den ersten Computer, das Abschlusszeugnis. Während die Augen der Mädchen auf ihn gerichtet waren, brachen seine Jungsfreundschaften entzwei. Manwel spannte ihnen die Mädchen aus.

Nachts hatte sie ihn immerzu an sich selbst spielen gehört, und am Frühstückstisch hatte er das Vierfache von dem gegessen, was sein Vater aß. Zu seiner Sucht nach sexueller Befriedigung hatte sich ein permanenter Appetit gesellt. Wollust und Völlerei, was für Laster!

Immerzu hatte sie sich Witze über ihren Sohn anhören müssen. Man erzählte sich, er könne so viel essen, ohne zuzunehmen, weil er sich ständig abreagierte und genug Kalorien dabei verbrannte. Auch Witze über seine langen Arme hatte sie aufgeschnappt. Mal hieß es, er sei in Wirklichkeit ein Affe, ein Bonobo. Die Bonobos vergnügten sich angeblich den ganzen Tag lang miteinander, sie wechselten Partner und verbesserten dadurch das Sozialverhalten, meinten Tierforscher. Seine buschigen Augenbrauen passten in das Bild eines Affen, und wenn man wollte, konnte man auch in seine weichen Ohren und in seinen breiten Mund affenartige Züge hineininterpretieren. Die Arme, lästerten andere, waren gut dazu, die Mädchen anderer Jungs einzufangen und sie zu behalten. Es gab auch noch unanständigere Witze, an die Helen gar nicht denken wollte.

Als Manwel sechzehn war, entdeckte er den Genuss des Weins. Erst der Wein hatte seine Figur zu der eines Mannes werden lassen, er war nicht dick, aber kräftiger geworden. Das Bild eines Mannes. Damals, vor etwa zwanzig Jahren, hatten sich die sozialen Strukturen auf den Inseln verändert. Die Mädchen durften ausgehen und mussten nicht mehr um neun Uhr abends wieder zu Hause sein. Die Jugendlichen feierten andauernd alleine, nicht nur bei den ortsüblichen Festen, was oft bedeutete, dass viel Alkohol getrunken wurde. Manwel verdiente sich schon damals sein eigenes Geld als Kellner und lernte so viele Dinge über den Wein, dass er Mädchen mit seinem Wissen zu beeindrucken wusste. Schon als Teenager veranstalte er zu Hause in seinem Zimmer Weinproben für die Mädchen. Mit siebzehn war die Schule vorbei. Er wollte nicht in den Betrieb des Vaters einsteigen, was die Beziehung der beiden fast zerrüttet und zum Zerwürfnis geführt hatte. Mario war Elektriker und besaß ein beliebtes, gut laufendes Kleinunternehmen in Xewkija. Manwel aber interessierte sich nicht für Elektrik und wollte Kellner bleiben.

Helen vermutete, er liebte diesen Beruf so sehr, weil er andauernd Touristinnen begegnete. Eine Zeit lang verbot Mario seinem Sohn, diese Flittchen mit nach Hause zu bringen, aber oft setzte sein Sohn sich darüber hinweg und Mario kuschte schließlich, weil er viel kleiner als Manwel war. Andere Väter wären vielleicht stolz auf einen Weiberhelden gewesen, aber nicht ihr Mario …

Helen war gerade dabei, die Schalen und Enden der Zwiebeln und Auberginen zu entsorgen und den Tisch zu decken, als Manwel frisch geduscht und in guter Kleidung in die Küche kam. Er gab Helen einen Kuss auf die Wange.

»Es gibt brungiel mimli«, sagte sie, wohlwissend, dass der Sohn das Gericht bereits am Geruch erkannt hatte. »Wie viele Portionen willst du haben?«

»Drei oder vier werde ich schon schaffen«, scherzte Manwel, nahm unter der Madonnafigur Platz und entkorkte eine Flasche, auf der Helen Astarte las.

Marisa verbrachte den Tag darauf im Zimmer des Hotel Calypso in Marsalforn. Sie hatte drei Wochen Urlaub gebucht und noch reichlich Zeit zum Erkunden der kleinen Insel. Der Blick übers Meer, den sie von ihrem Balkon aus hatte, war gerade richtig, um zu entspannen und zu faulenzen, vor allem aber auch um nachzudenken. Sie fühlte sich niedergedrückt und wollte nicht unter Menschen sein, obwohl die Sonne lachte und der Himmel so blau war, wie er nur sein konnte. Aber sie verstand sich selbst nicht mehr.

Sie war diesem Arschloch von Vergewaltiger nicht böse, empfand weder Hass noch hatte sie Rachegedanken, sie wollte nicht zur Polizei gehen, nichts. Alles, was sie als Sozialpädagogin den Frauen in einer solchen Lage seit dreizehn Jahren predigte und riet, kam für sie selbst plötzlich nicht infrage. Alles, was sie gelernt hatte und wovon sie zutiefst überzeugt gewesen war, hatte sie über Bord geworfen. Allein dafür müsste sie sich schämen. Sie sollte sich dafür schämen, ihn nicht anzuzeigen, schoss es ihr immer wieder durch den Kopf. Empört hätte sie jeder anderen geraten, den Kerl mit allen erdenklichen Mitteln fertigzumachen. Vor allem aber hätte sie die unterschiedlichen Therapiemöglichkeiten mit dem Opfer besprochen.

Marisa hatte mit unzähligen Frauen zu tun gehabt, die vergewaltigt worden waren. Viele von ihnen waren schwer traumatisiert und konnten ihr ganzes Leben lang keine Beziehung zu einem Mann aufbauen. Sie kannte das alles aus dem FF und hatte über viele Jahre hindurch alles für diese Frauen getan, was in ihrer Macht stand. Sie hatte vor einigen Jahren sogar Artikel für eine Frauenzeitschrift veröffentlicht, in der sie alle Vergewaltiger als Bestien bezeichnet hatte.

Vergewaltiger waren das Letzte, sie nutzen ihre körperliche Überlegenheit aus, um sich abzureagieren. Warum musste ein Mensch leiden, nur weil ein anderer sexuelle Lust empfand? Das war einfach nur pervers und abscheulich. Sie wollten doch erniedrigen, quälen, diese Bastarde!

Dieser Einheimische im Auto musste einer von ihnen sein, aber sie konnte es nicht so empfinden. Sie schmunzelte nun sogar, als sie an den Augenblick dachte, in dem er »no, no!« gestöhnt hatte. Sie hätte schließlich »no« rufen müssen, nicht er! Warum hatte sie es nicht getan? Warum keinerlei Gegenwehr geleistet?

Sie errötete vor Scham, als sie sich eingestehen musste, dass sie es genossen hatte, ja mehr noch, sie hatte das größte Glücksgefühl ihres Lebens erfahren. Der Mann hatte außerdem gut gerochen, sie konnte ihn noch jetzt riechen, er sah interessant aus und irgendwie gar nicht, wie man sich einen Vergewaltiger vorstellt.

Wiederum wusste sie, dass die unterschiedlichsten Männer aus allen Schichten Frauen vergewaltigten. Ehemänner vergriffen sich an der eigenen Frau, der nette Onkel an der Nichte, der Opa an der Enkelin, der Pfarrer an dem Ministranten, der Chorleiter an den Mädchen und Jungen im Chor, oder eine ganze Horde dahergelaufener Typen rackerten sich nacheinander vor einem Club an einem hilflosen Mädel ab, als wäre dieses eine Matratze.

All diese schrecklichen Dinge wusste heutzutage jeder. Vergewaltiger blieben Vergewaltiger, egal, wie die Frau sich verhielt. Fast alle Frauen hatten Angst, sich zu wehren, um die Aggressionen des Peinigers nicht noch zu schüren. Marisa war sich sicher, dass es keine Frau auf der Welt gab, die vergewaltigt werden wollte.