MEIN MALTA - Anke Jablinski - E-Book

MEIN MALTA E-Book

Anke Jablinski

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Beschreibung

"Zu den beiden Tempeln Ħagar Qim und Mnajdra fährt man mit dem Auto nur wenige Minuten. Mnajdra liegt über dem Meer gegenüber der kleinen Insel Filfla. Ist es Zufall, frage ich mich, dass dieser Tempel also ein Sonnentempel sein soll, wo ich mich immer gerade hier besonders gerne auf die warmen Steine gelegt habe, um mich zu sonnen? Ist es Zufall, dass ich immer gerade hier zur Ruhe gekommen bin? Wenn dann der Wind leise sang, die Bienen summten und die Vögel zwitscherten, wenn die Sonne mein Gesicht verbrannte, und die Eidechsen durch kleine Ritzen flitzten, fühlte ich mich wohl auf diesen warmen Steinen, und einmal schlief ich sogar ein, hier, wo der Stein nicht tot ist." (Aus dem Kapitel "Andacht und Zeremonie") "›Mein Malta – gestern und heute‹ […] ist ein Reisebuch der besonderen Art, persönlich und ›kulturhistorisch‹. Die Autorin bereist Malta seit Mitte der achtziger Jahre regelmäßig, feierte 2015 ihr sechzigstes" und 2019 ihr vierundsechzigstes "›Malta-Jubiläum‹. Man kann spüren, dass Anke Jablinski sich mit Haut und Haar und ganzem Herzen den Inseln Malta, Gozo und Comino verschrieben hat." Die Titel der vierzehn Kapitel des Buches – "Eine Märchenstadt bei Vollmond", "Andacht und Zeremonie", "Hafen der Winde" – sind so poetisch wie das Erlebnis des kleinen Archipels: Anke Jablinski hat auch Gedichte über Malta geschrieben hat, die sie ›Liebeserklärung an einen Inselstaat‹ nennt. "Die Autorin geht von einer ihrer vierzehntägigen Reisen aus, und bringt uns die schönen und reizvollen Orte nahe. Bestimmte Plätze, Orte und Städte führen […] in die interessante Geschichte Maltas, die von dort aus historisch fundiert und gründlich recherchiert erzählt wird. Mit Neugier und Staunen folgt man der Autorin zu den außergewöhnlichen Festen der Insel und den Spuren des Apostels Paulus, zu den Festungen der Malteserritter und in das mysteriöse ›Hypogäum‹, und vor allem zu den einzigartigen Megalith-Tempeln, einem Thema, dem sich Anke Jablinski als Studentin der Ur- und Frühgeschichte besonders angenommen hat."

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 206

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Anke Jablinski

MEIN MALTA

Gestern und heute

ErlebnisMalta 1

Anke Jablinski

MEIN MALTA

Gestern und heute

ErlebnisMalta 1

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

©dieser Ausgabe: Dezember 2019 | Mai 2024

p.machinery Michael Haitel

Titelabbildung, Fotos & Illustrationen: Anke Jablinski

Layout & Umschlaggestaltung: global:epropaganda

Lektorat: Michael Haitel

Herstellung: global:epropaganda & Bookwire GmbH, Frankfurt (Main)

Verlag: p.machinery Michael Haitel

Norderweg 31, 25887 Winnert

www.pmachinery.de

ISBN des Paperbacks: 978 3 95765 179 2

ISBN des Hardcovers: 978 3 95765 176 1

ISBN dieses E-Books: 978 3 95765 911 8

Anke Jablinski

MEIN MALTA

Gestern und heute

VorwortPrologZufluchtsort MaltaMalta – ich kann dich riechen!Andacht und ZeremonieIhr warmen SteineAuf den Spuren des St. PaulVallettaTrabrennbahn8. SeptemberDer lustige MalteserHafen der WindeEin tierischer Nachmittag in MarsaxlokkEine Märchenstadt bei VollmondIm UntergrundVon Honig und SalzAusflug auf die KümmelinselCominoReise in die prähistorische Zeit GozosÜberfahrt nach GozoRiesen, Mythen und LegendenMagicSpurensucheKommen und Gehen der TempelmenschenEinst weinte ichEvery Little Path | Jeder kleinste PfadZeittafel – ein ÜberblickQuellenverzeichnisAt last …Vita

Für Hilde und Christoph.

Ich danke Maltas Botschafter in Deutschland, Herrn Dr. Albert Friġġieri, B.u.Ch. Launer von der Deutsch-Maltesischen Gesellschaft zu Adenau und meinen langjährigen Freunden Inge und Renzo.

Merħba! heißt: Willkommen in Malta! Blick von Valletta über den Grand Harbour auf das Fort St. Angelo in Birgu (Vittoriosa).

Vorwort

Anlässlich meines vierundsechzigsten Aufenthalts auf dem maltesischen Archipel innerhalb der vergangenen zweiunddreißig Jahre habe ich den Entschluss gefasst, dieses Buch erneut zu veröffentlichen. Es liegt nun in überarbeiteter und aktualisierter Form vor, mit zahlreichen Fotografien und selbst gemalten Bildern, mit Fußnoten und Gedichten.

Eine frühere Ausgabe des Buches trug den Titel Zufluchtsort Malta und führte angesichts der Flüchtlingsströme nach Europa auf Lesungen zu Verwirrungen und Missverständnissen. Das Thema Flüchtlinge wird hier jedoch nicht behandelt.

Der Titel hatte vielmehr eine doppelte Bedeutung. Malet, der phönizische Name für Malta, bedeutet Zufluchtsort oder sicherer Hafen. Und Malta stellte für mich über Jahrzehnte hinweg eine Art Zufluchtsort dar, wenn ich nach viel Arbeit, Lautstärke, Hektik und Stress in der deutschen Hauptstadt den maltesischen Archipel bereiste.

Die allererste Version habe ich in den Jahren 1992–1994 zu Papier gebracht und hatte 1995 auch sogleich einen geeigneten Verlag gefunden. Nachdem bereits die Vorschau herausgekommen war, blieb der Verlag jedoch in seiner damaligen Form nicht bestehen. Der Druck meines Buches wurde gestoppt. Da es nicht in eine der vielen Reisebuchreihen passte, sondern »zu eigenwillig« war, wie ein Lektor es ausdrückte, war es schwer, einen geeigneten Verleger zu finden.

1998 hatte ich trotzdem einen Verlag gefunden und wieder kam etwas Unvorhergesehenes dazwischen!

Ich stellte das Buch seitdem auf Lesungen vor und es kam immer gut an. Als ein dritter Verlagsvertrag jedoch auch noch platzte, entschied ich mich schließlich für den Selbstverlag.

2009 erschien endlich »Zufluchtsort Malta. Ein persönlicher Reiseführer«, gefolgt von einer ersten Überarbeitung unter dem Titel »Mein Malta – gestern und heute«.

Ich bereise die Inseln Malta, Gozo und Comino seit Mitte der 1980er-Jahre. Vor allem die Hauptinsel Malta hat sich nicht nur von den 80ern zu den 90ern sehr verändert, sondern noch wesentlich stärker in den letzten zwanzig Jahren. Man könnte mitunter meinen, Malta habe seinen einzigartigen Charakter längst verloren, aber es ist immer noch möglich, das Ursprüngliche zu finden, wenn man die Augen nur offen hält und sich fernab vom Massentourismus und von den zusammenwachsenden Städten im Osten des Landes bewegt.

Malta ist 2004 der EU beigetreten und hat seit 2008 den Euro als Währung1. Schon seit vielen Jahren gibt es größere und besser ausgebaute Straßen, die Anschnallpflicht, viel weniger Oldtimer zu sehen und stattdessen wesentlich mehr Ampelanlagen2. Die vielen Roundabouts, durch die sich früher der Autoverkehr auch ohne Ampeln gewissermaßen von selbst regelte, scheinen beinahe schon der Vergangenheit anzugehören. Die alten Leyland- und Bedford-Busse wurden im Jahr 2011 aus dem Verkehr genommen und durch neue Fahrzeuge ersetzt. Erste Wolkenkratzer ragen in den Himmel: Vorreiter war der Portomaso-Tower in St. Julian’s (San Ġiljan), der im Jahr 2001 neben der ebenfalls neu gestalteten Hilton-Anlage gebaut wurde und bei der Bevölkerung nicht sonderlich beliebt ist. Etliche andere sind bereits in Planung.

Einer der grünen Oldtimerbusse, die in dieser Lackierung bis 1995 im Einsatz waren. Danach waren sie auf der Hauptinsel gelb, auf Gozo zunächst rot, später grau – und 2011 wurden die Oldtimer endgültig gegen neue Fahrzeuge – darunter auch Gelenkbusse – ausgetauscht.

Meine Lieblingstempelanlage Mnajdra, von der der Westtempel mit 5700 Jahren einer der ältesten der Welt sein dürfte (und dafür viel zu unbekannt ist!), wurde seit den 1990er Jahren arg gebeutelt. Im Jahr 1992 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt, zerstörte ein Orkan im Jahr 1994 einen Teil der Anlage. Da die Tempel damals nicht eingezäunt waren, wurden sie mehrmals von Vandalen zerstört, einmal so schwer, dass der Anblick des Westtempels erschütternd war. Im Jahr 2009 wurden die Tempelanlagen von Mnajdra und die benachbarten von Ħaġar Qim schließlich zum Schutz mit einer permanenten Zeltkuppel überdacht, die alles andere als schön, aber nützlich ist. Der Zauber, der einst von den Steinen ausging, ist seitdem allerdings kaum noch wahrzunehmen.

Die prähistorische, unterirdische Kultstätte namens Hypogäum sollte ebenfalls geschützt werden und wurde zur Besichtigung umgestaltet. Auch hier steht der Sinn und Zweck des Umbaus dem einst so faszinierenden Erlebnis gegenüber, bei dem ein Mann uns alleine und nur mit einer Taschenlampe ausgerüstet durch die dunklen, in den Stein geschlagenen Kammern führte.

Die Bastionen von Valletta, Mdina und der Zitadelle auf Gozo wurden und werden restauriert. Auch das ist sicherlich erforderlich und richtig, und trotzdem passen die neu gestalteten Mauern mitunter nicht in das Bild, wie auch die modernen, protzigen Tore und Häuser inmitten der verzierten alten Gebäuden aus gelbem Kalkstein verstören.

Leider ist auch ohne menschliches Zutun das Wahrzeichen von Gozo, das Azure Window (Tieqa Żerqa), während eines Sturms am 8. März 2017 eingestürzt. Die White Rocks-Apartmentanlage, so wie einige im Text erwähnte Restaurants, gehören auch schon lange der Vergangenheit an.

Wie wir es aus anderen Mittelmeerländern schon kannten, wurde auch Malta nicht von Bauwahn, schlechter Planung und Korruption verschont. Malta steht seit einigen Jahren sehr in der öffentlichen Kritik, nicht nur seit dem Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia, sondern auch schon vorher wegen dubioser Auslandskonten (Panama Papers), der Möglichkeit des Kaufs der maltesischen Staatsbürgerschaft durch Investitionen von insgesamt 1,15 Millionen Euro und deren Folgen wie Geldwäsche, Drogenhandel und Prostitution. Malta wird auch immer wieder kritisiert, weil Rettungsschiffen mit Flüchtlingen an Bord das Anlegen in den Häfen verweigert wurde. Unbedingt zu bedenken ist aber die Tatsache, dass Malta über eine der höchsten Bevölkerungsdichten der Welt verfügt, nämlich über 1370 Einwohner pro Quadratkilometer! Auch ohne Flüchtlinge wird es langsam eng auf Malta, auch und vor allem, was die vielen Autos angeht. Es gibt keine Metro oder dergleichen auf Malta. Zwar gehört diese ebenso wie eine Brücke oder ein Tunnel zwischen Malta und Gozo zu diversen Zukunftsvisionen, es bleibt allerdings zu befürchten, dass die Umsetzung solcher Ideen das so hübsche Bild Maltas weiter ruinieren würde.

Blick von den Upper Barrakka auf die Lower Barrakka Gardens in Valletta.

Das Azure Window (Tieqa Żerqa), Wahrzeichen von Gozo, das 2017 während eines schweren Sturms einstürzte.

Mein Buch führt aber in die Welt des alten, vergangenen Malta aus den Achtziger- und Neunzigerjahren, und es ist etwas für Nostalgiker und Malta-Liebhaber. Zusammen mit den Fußnoten und den alten, in gedeckteren Farben gehaltenen Bildern ist es zugleich eine Gegenüberstellung: (Mein) Malta – gestern und heute.

Anke Jablinski im Oktober 2019

Frühling auf Gozo.

1 · Bis zum 31.12.2007 hieß die Währung (maltesische) Lira (Mz. Liri; Lira Maltija, Lm., ISO-Code MTL), oft auch maltesisches Pfund genannt.

2 · Malta galt in zahlreichen deutschen Reiseführern noch lange als Inselstaat mit nur einer einzigen Ampel, als dies schon längst nicht mehr der Fall war.

Prolog

1994. Ich wachte auf und spürte, dass ich Sehnsucht nach Ruhe und Einsamkeit hatte. Nicht, dass es mir schlecht ging, aber ich hatte keine Lust, auch nur mit einem einzigen Menschen ein Wort zu wechseln. Das lag wohl daran, dass ich in den letzten Tagen von einer Verabredung zur nächsten gehetzt war, und diese vielen unterschiedlichen Menschen mein Verlangen nach Einsamkeit und Stille von Tag zu Tag hatten wachsen lassen. Ich schien übersättigt zu sein vom Smalltalk in den Bars von Sliema. Schließlich war ich nach Malta gereist, um in aller Ruhe an meinem ersten Buch über Malta zu schreiben!

Gerädert von einer fast schlaflosen Nacht auf einem quietschenden Bett mit Sprungfedermatratze und mit zu viel Wein am Vorabend, taumelte ich zum Fenster, zog den staubig-grauen Vorhang auf und kniff geblendet die Augen zusammen. Über mir rasselte der alte Ventilator, auf den ich in der Nacht meine Wäsche zum Trocknen gehängt hatte. Ich stellte ihn aus und das Radio an, hörte immer wieder ein aufgeregtes ballun und xejn, Ball und Null, Fußball also. Ich drehte so lange am Knopf des alten Transistorradios, bis ich gute Bluesmusik fand, machte mir einen Tee mit zu viel Milch und Zucker, und öffnete alle Fenster.

Was für ein schöner Tag! Es roch nach Kräutern und salziger Meeresluft. Die Sonne schien, und auf den Flachdächern lag ein goldener Schimmer. Unten in den Höfen spielten die Katzen. Ein paar Spatzen zwitscherten laut und hüpften aufgeregt in den großen, knallroten Weihnachtssternen herum. Sie übertönten sogar das Geräusch meines ratternden Kühlschranks. In den Gärten spannten Frauen Wäscheleinen, andere pflückten Früchte von den Bäumen. Eine Frau sang bei ihrer Arbeit, und ein milder Wind trug dieses Lied bis in mein Zimmer im fünften Stock hinauf. Es war warm für Januar. In der Ferne lagen saftig grüne Wiesen, die heute wie selten leuchteten. Eine friedliche Stimmung lag in der Luft, trotz des Lärms, der von der Stadt aus der Ferne herübergetragen wurde.

Noch immer verharrte mein Blick auf diesen leuchtenden Wiesen Maltas, meine Gedanken aber waren durch dieses Grün längst auf Maltas Schwesterinsel Gozo. Auf Gozo waren die Wiesen noch grün, wenn es auf Malta schon ausgedörrt und karg aussah. Es gab keinen Lärm, denn es gab keine großen Städte, und Männer und Frauen sahen zufrieden aus, wenn sie morgens Netze auslegten oder vor ihren Häusern sitzend Spitzendeckchen klöppelten, ein Bild aus bald schon vergangener Zeit. Auf Gozo hatte ich immer meinen inneren Frieden gefunden, wenn mir das auf Malta nicht geglückt war.

Schon bald stand mein Entschluss fest: Ich würde einen Tagesausflug nach Gozo unternehmen! Für Gozo lohnte es sich, trotz Kater aufzustehen, anstatt sich wieder ins Bett zu verkriechen. Ja, bestimmt würde ich zur Ruhe finden auf der Insel, von der man sagt, dass dort die Zeit stehengeblieben sei.

Auf Malta haben die Autos Namen und werden oftmals von ihren Besitzern selbst repariert. Oder auch nicht. Jedenfalls nicht gleich.

In früheren Jahren war Malta dank hoher Einfuhrzölle ein Mekka für Oldtimer. Das änderte sich mit dem Wegfall der Zölle – und zu den beliebtesten Marken zählten in den ersten Jahren Toyota und Isuzu. Heute sind die Oldtimer leider ein seltener Anblick geworden.

Eine nette Frau aus der Nachbarschaft hatte mir am Vortag Tomaten aus ihrem Garten geschenkt, die ich zum Frühstück aufschnitt. Ich hatte nämlich noch Reste von einem Ħobż-biż-żejt3, die ich mir sogleich im Ofen warm machte. Forn, il-forn, murmelte ich vor mich hin, denn ich lernte gerade Maltesisch, Malta, Malti, il-forn, Ofen. Marsalforn, Hafen mit Ofen, Ofen am Hafen. Gozo rief und ich rief Gozo zum Fenster hinaus, Gozo, Għawdex, Gaudisio, ich komme, geliebtes Land, Insel der Ogygia, der Nymphe Kalypso, Insel der Liebe!

Ich lief und hüpfte die Treppenstraße hinunter. Katzen kamen mir entgegen und miauten, ich streichelte sie. Bald schon würde ich die roten Katzen von Gozo streicheln, am roten Sandstrand der Ramla Bay (ir-Ramla l-Ħamra)!

Der salzige Geruch des Meeres wurde immer intensiver, ich atmete tief ein und schüttelte die Katerstimmung ab. Tausche Kater gegen Katzen, ging es mir durch den Kopf.

Ich sprang in meinen roten Toyota, flitzte durch die Sliema und St. Julian’s, kurvte anschließend die Küstenstraße Richtung Norden entlang, überholte diverse Gemütlichkeitsfahrer, grüne Bedford-Busse und andere Oldtimer, hielt die Luft an, als ich am Müllberg Magħtab Landfill vorbeikam, ließ Xemxija und Mellieħa hinter mir und landete schließlich im Hafen von Ċirkewwa. Die Autofähre, die mich überschiffen sollte, hatte ich gerade verpasst, sodass ich achtzig Minuten auf die nächste Fähre der Gozo Channel Line warten musste. Wie oft hatte ich hier schon auf die Fähre gewartet und mich wie ein Kind auf die Überfahrt gefreut? Wie oft war ich schon die Stufen des alten, drolligen Aussichtsturms hochgestiegen, in der Hoffnung, Delfine zu sichten, wie es die Legende besagte, und mich an diesem Ort auch ohne Delfine glücklich gefühlt, ob Sturm, ob Sonnenschein?

In der urigen Hafenkneipe, die ich seit mehr als zehn Jahren kannte, kaufte ich mir ein pastizz con piżelli4 für zehn maltesische Cent und einen Cappuccino. Ein dicker, freundlicher Mann in schmuddeligem T-Shirt und mit weit nach unten gerutschter Hose, reichte mir die Sachen über den Tresen, grinste breit und fragte: Alright?

Ja, alles alright. Alles ist gut. No problem.

Draußen nahm ich Platz auf einer wackligen Bank aus Eisen, die hinter einem von Wind und Salzwasser zerfressenen und wackligen Holztisch stand. Was für ein lustiger, tanzender Tisch! Ach, wie viele Male hatte ich genau hier auf dieser verrosteten Eisenbank schon gesessen, einen Kaffee oder ein Ċisk Lager5 getrunken und auf die nächste Fähre gewartet?

Jahr für Jahr und Reise für Reise war es gerade diese Einfachheit, die ich so angenehm gemütlich fand! Hier kam keiner, der einem die Serviette auf den Schoß legte, ständig den Aschenbecher ausleerte oder einem die Tasse wieder wegnahm, noch bevor man ausgetrunken hatte, niemand, der mit einer riesengroßen Pfeffermühle herangeeilt kam, wie es in den besseren Restaurants üblich ist. Die Malteser, die hier arbeiteten, machten ihren Job, aber sie ließen einen einfach in Ruhe, mit dieser schönen Leichtigkeit des Seins, die vielen Maltesern zu eigen ist!

Ich sonnte mich und lauschte dem Meer und den Spatzen. Es roch nach Salz und Diesel. Das Leben war so schön! In Gedanken oder fast in Meditation versunken, sprach mich eine Frau mit hektisch-aggressivem Tonfall an, und das gleich auf Deutsch! Das allein ist nun zwar nicht besonders komisch, da ich ja auch Deutsche bin; nur kam es für mich überraschend, weil ich sonst nie gleich als Deutsche erkannt, und von den Maltesern sogar meist in maltesischer Sprache angesprochen wurde.

Landschaft im Norden Maltas.

Die runden Steinhäuser heißen Girna, Giren in der Mehrzahl. Es handelt sich um Kraggewölbebauten aus Trockenmauerwerk.

Ich hatte diese Frau noch nicht einmal gesehen, und doch spürte ich ihr gegenüber sofort eine innere Abneigung. Oft reicht ein einziges unserer Sinnesorgane, um sich der Empfindung und Einschätzung sicher zu sein. Die Chemie stimmt nicht, sagen wir auch.

Aus meinen Tagträumen gerissen, öffnete ich trotzdem langsam die Augen, als sie aufdringlich und nervös fragte: »Sie sind doch Deutsche, oder?«

Eine Sekunde lang wollte ich mich verstellen und als Malteserin ausgeben, aber dann rutschte es mir doch heraus: »Ja.« (Oh nein!)

»Na, Gott sei Dank! Endlich mal ein vernünftiger Mensch, mit dem man reden kann. – Um Himmels willen, wann fährt denn nun bloß endlich die nächste Fähre? Schlimm ist das alles hier! Nicht auszuhalten! Diese chaotischen Zustände, na also, das habe ich mir ja nun wirklich anders vorgestellt! Furchtbar!«

Ich gab keine Antwort. Mit Ausnahme dieser Frau fand ich überhaupt nichts furchtbar. Ich betrachtete ihre hektischen Flecken im gestressten Gesicht und die strähnigen Haare, doch vor allem nervte mich diese Stimme, die ihre einnehmende und aufdringliche Art noch unterstrich. Ich bin ein musikalischer Mensch, und Stimmen sind für mich von großer Bedeutung.

»Na, haben Sie so etwas schon mal erlebt? – Also ich nicht! In meinem ganzen Leben ist mir sowas noch nicht passiert!«

Keine Antwort.

»Nein, ist das hier alles schrecklich! Schrääääklich!«, krächzte es aus ihrem Hals.

Ich fragte nicht, was denn so schrecklich sei, denn man sah dieser Frau an, dass das ganze Leben für sie schrecklich war. Mit solchen Frauen hatte ich schon meine Erfahrungen gemacht.

Die Frau tat aber so, als hätte ich sie gebeten, mir zu erzählen, was ihr Schreckliches widerfahren war:

»Ich kann hier einfach kein vernünftiges Zimmer finden, ja, glauben Sie das?«

Ich glaubte es nicht. Man fand hier immer eine schöne Unterkunft.

»Seit Tagen und Wochen ziehe ich von einem Zimmer in das nächste, aber nirgends ist es so, wie ich es brauche! Wissen Sie, ich bin nämlich Schriftstellerin, ich bin Ammelie Schröte6!«

Ich hatte noch nie etwas von Ammelie Schröte gehört, aber das sagte ich nicht. Ich erzählte der Kröte auch nicht, dass ich ebenfalls hier war, um zu schreiben. Ich hatte dieser Frau nichts zu sagen, und bereits ein Wort zu viel gesagt, dieses verhängnisvolle Ja!

»Einen Tisch, wissen Sie, einen richtigen Tisch, verdammt noch mal, das muss es doch selbst hier geben!«

Ich versuchte abzuschalten und nicht hinzuhören, die Kröte aber rückte mir immer dichter auf die Pelle. Sie kam mir zu nah. Ich dachte an die vielen Zimmer, die ich hier auf Malta schon bewohnt hatte, und mir fiel keins ein, das keinen Tisch gehabt hätte. Ich erinnerte mich an kleine Tische unter einem Spiegel, an Klapptische, Plastiktische, Balkontische, aber sogar auch an anständige und vernünftige Holztische, wenngleich auch nicht an Schreibtische, die in Hotels aber nicht nur auf Malta, sondern auf der ganzen Welt durchaus selten zu finden sind.

Għajn Tuffieħa Bay.

»Ich will doch nur einen anständigen Tisch, auf dem man vernünftig schreiben kann! Einen Tisch mit einer vernünftigen Lampe, nicht mit so einer Funzel oder Leuchte, da kann ich mir ja gleich eine Taschenlampe hinstellen!«

Wie wäre es mit einer Kerze?, dachte ich nur und lächelte.

»Eine Lampe!«, krächzte sie, »eine anständige Lampe! Das braucht man zum Schreiben, verstehen Sie?«

»Verstehe«, sagte ich kurz angebunden.

Immer aufgeregter steigerte sich die Kröte in immer wieder die gleichen Dinge hinein. »Auf der ganzen Insel nichts zu machen«, schnaufte sie, »nichts! Kein freies Zimmer mit Tisch und Lampe, das kann doch gar nicht sein! Da rennt man tagelang rum, nichts! Nirgends! Nicht mal in Buġġiba oder in Valletta!«

»Das kann doch gar nicht sein«, sagte ich nun, bewusst ihre Worte aufnehmend.

»Doch, doch, wenn ich es Ihnen doch sage«, keifte sie. »Na, und wenn ich versuche, den Maltesern das zu erklären … das mit dem Tisch und der Lampe, meine ich …, das kapier’n die doch gar nicht! Die verstehen doch gar nicht, wovon ich spreche! Wissen Sie, ich bin nämlich nicht das erste Mal hier auf Malta, ich kenne die Malteser aus dem FF! – Also, wann kommt nun bloß endlich die nächste Fähre?«

Ich öffnete erstmals die Augen, um auf die Uhr zu schauen.

»In einer Stunde«, sagte ich gelassen.

»Um Himmels willen, diese Warterei! Und das bei dieser Kälte! – Eines sage ich Ihnen: Malta ist nicht mehr das, was es mal war! Und die Malteser waren auch schon mal netter! – In welchem Hotel wohnen Sie denn eigentlich?«

»In keinem«, log ich und hatte einen Riesenspaß dabei, »ich lebe hier, bin mit einem Malteser verheiratet«, nuschelte ich und zog tief an meiner starken Du Maurier-Zigarette. Die Kröte erschrak ob dieser Bemerkung und wedelte mit der Hand den Zigarettenrauch beiseite. Sie ließ ihre Handtasche dabei prompt auf den Tisch fallen, sodass mein Cappuccino verschüttet wurde.

Sie entschuldigte sich nicht, rückte stattdessen noch näher an mich heran und meinte: »Also wissen Sie, ich komme aus einer großen Stadt, aus Berlin. Und wenn man aus Berlin kommt, dann empfindet man die Malteser – und erst recht die Gozitaner – als provinzlerisch, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

Wieder sagte ich nichts. Auch nicht, dass ich auch aus Berlin kam.

»Malta ist inzwischen hektischer als Berlin, das können Sie mir glauben, ich kenne das Land! Wenn es wenigstens schöne Sandstrände geben würde und man nicht immer auf Felsen liegen müsste!«

In mir stiegen Bilder von den bezaubernden Buchten mit rotem Sand auf, wie etwa bei Għajn Tuffieħa.

»Jedenfalls weiß ich jetzt gar nicht, was ich machen soll!«, krächzte sie. »Warum sagen Sie denn gar nichts?«

»Ich weiß auch nicht, was Sie jetzt machen sollen«, sagte ich und blickte in graue, hysterische Augen.

Plötzlich wurde mir auch kalt. Demonstrativ gähnte ich, zog mir die Jacke über und setzte zur Abschottung eine verspiegelte Sonnenbrille auf.

Salzpfannen und Steilküste bei Xlendi auf Gozo. Rechts oben in der Ecke erkennt man noch ein Stückchen vom Xlendi Tower.

»Auf Gozo sind bestimmt auch alle Zimmer belegt«, hörte ich sie schimpfen.

So ein Blödsinn, dachte ich.

Endlich entdeckte sie meinen verschütteten Cappuccino, grabschte nach ihrer Handtasche und keifte: »Ach, Kaffee! Gute Idee! Ich hole mir auch erst mal einen Kaffee zum Aufwärmen!«

Diesen Augenblick nutzte ich, um in meinen Mietwagen zu springen und damit um die Ecke zu fahren, außer Sichtweite, Richtung Paradise Bay Hotel. Ich parkte hinter einer halbfertigen Mauer, schaute jedoch zum Meer, das friedlich vor sich hin plätscherte. Ein Glück, diese Kröte war ich los, nun konnte ich mich noch in aller Ruhe ein bisschen sonnen.

Auf Gozo verbrachte ich einige schöne Stunden in Ruhe und angenehmer Einsamkeit. Ich schlenderte bei den Salzpfannen hinter Xlendi entlang, schrieb in einem Hafencafé in Marsalforn auf einem schönen, weißen Tisch an meinem Buch und trank ein Bier in einer gemütlichen Bar auf der Pjazza L-Assunta in Żebbuġ mit toller Aussicht über den Terrassenanbau und Blick hinüber zum Gordan Lighthouse. Ich genoss die Stille um mich herum, das sanfte Lied des Windes, hörte den Vögeln zu und erfreute mich an der Blumenpracht und den saftig grünen Wiesen. Rote Katzen sprangen auf den Schoß, denen ich ein wenig Käse gab. Bei der Steilküste hinter Ta’ Ċenċ stand ich fast zweihundert Meter über dem Meer. Mein Atem und mein Herzschlag waren so ruhig, wie es nur möglich war. Gozo sehen und sterben, ging es mir durch den Kopf.

Abends nahm ich wie immer die Autofähre zurück nach Malta. Ein heftiger Wind war mittlerweile aufgekommen, sodass die Fähre hin und herschaukelte, als sie sich vom Hafen Mġarr entfernte. Viele Passagiere hatten sich nach drinnen verkrochen und verpassten die wunderschöne Stimmung, das traumhafte Licht über den Klippen der Insel Comino, wo das Meer wie immer türkis aussah, so türkis, wie nirgendwo.

Als ich die Augen schloss, war es, als hielten Wind und Wellen einen Dialog. Ich gab mich ganz den Schaukelbewegungen hin, hörte die Möwen kreischen und genoss, als ich die Augen wieder öffnete, den berauschenden Sonnenuntergang. Der Himmel, das Meer und ich schienen eins zu sein. Ich atmete tief ein, mir war angenehm schwindlig, ganz leicht, ich fühlte mich ein wenig weggetreten, und doch hellwach, klar, aufnahmefähig.

Plötzlich und völlig unerwartet spürte ich eine knochige Hand auf meiner Schulter, erschrak und drehte mich um. Die Kröte war es! Beleidigt sah sie mich an, und ihre grauen Augen sahen so kalt neben dem warmen Licht der untergehenden Sonne aus, dass ich innerlich erstarrte. Vor Schreck sagte ich wieder nichts.

Sie keifte: »Na, Sie sind mir ja vielleicht eine! Warum sind Sie denn vorhin einfach verschwunden? Ohne ein Wort zu sagen? Sie sind eine unverschämte Person! Wer zum Teufel bilden Sie sich bloß ein, zu sein?«

Mir fiel nichts ein. Mit dem tiefen Gefühl der Liebe zu den Inseln Malta, Gozo und Comino war es nun wieder vorbei.

Der Busfahrer und seine Madonna. Die Abbildungen der auf Malta sehr verehrten Marienfigur finden sich praktisch in jedem maltesischen Autobus.

Zu mir freundlich, aber nicht zu den Vögeln – Maltas Vogeljäger.

3 · Ħobż-biż-żejt heißt ganz einfach »Brot mit Öl«. Die Rezeptur findet man mit diesem Begriff leicht im Internet.

4 · Blätterteigtaschen mit Erbsenfüllung.

5 · Das vermutlich bekannteste Bier Maltas.

6 · Das ist selbstverständlich nicht der wirkliche Name.

Zufluchtsort Malta

Im Flugzeug. Ich fliege mal wieder nach Malta, auf diese kleine goldene Insel, die für mich das Herz des Mittelmeeres darstellt. Homer nannte sie den Nabel des Meeres. Malta hatte viele Namen. Malet hieß es bei den Phöniziern, was so viel wie Obdach, Zufluchtsort oder sicherer Hafen heißt. Melite