Marie im Familienchaos - Christine Fehér - E-Book

Marie im Familienchaos E-Book

Christine Fehér

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein Geschwisterchen für Marie

War der Bauch von Papas Freundin schon immer so dick, wundert sich Marie. Nein, Silke bekommt ein Baby und dann wird Marie große Schwester. Wie aufregend! Weniger begeistert ist Marie von dem Familienzuwachs, der ihr bei ihrer Mutter droht. Zufällig entdeckt sie auf deren Schreibtisch eine Zeitungsseite mit Kontaktanzeigen …

• Band 5 der beliebten Mädchenreihe

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 161

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis
 
1. Von wegen langweilig!
2. Aufregung um Silke
3. Große Neuigkeiten
4. Eifriges Pläneschmieden
5. Ungeduldiges Warten
6. Clarissas zweites Gesicht
7. Noch mehr Familienzuwachs?
8. Blanka wird bewacht
9. Das Baby ist da!
10. Familienchaos
11. Noch mehr Familienchaos
12. Ein Mann für Mama?
13. Zusammenraufen
 
Extra: Basteln fürs Baby
Copyright
Die Autorin
Christine Fehér wurde 1965 in Berlin geboren. Neben ihrer Arbeit als Lehrerin an verschiedenen Schulen schreibt sie seit einigen Jahren erfolgreich Kinder- und Jugendbücher und hat sich mit Büchern wie „Dann bin ich eben weg. Geschichte einer Magersucht“einen Namen als Autorin authentischer Themenbücher gemacht. Sie lebt heute mit ihrer Familie am nördlichen Stadtrand von Berlin.
Von Christine Fehér ist bei cbj erschienen:
 
»Marie macht das schon« (Band 1, 21825) »Marie und die Neue« (Band 2, 21826) »Marie setzt sich durch« (Band 3, 21927) »Marie verliebt sich« (Band 4, 21991) »Ab heute gehe ich in die Schule!«(22055)
 
 
Bei cbt ist erschienen:
 
»Dann bin ich eben weg. Geschichte einerMagersucht« (30170) »Straßenblues« (30401) »Elfte Woche« (30390) »Mehr als ein Superstar« (30552)
1. Von wegen langweilig!
Bastian ist abgereist. Vor ein paar Wochen hab ich mich zum ersten Mal verknallt, in einen Jungen, der nur ein paar Wochen lang in unserem Ort und in meiner Klasse war. Jetzt ist er weg, und es kommt mir vor, als ob die ganze Stadt leer ist. Dabei hatte ich dieses Gefühl doch auch nicht, bevor er mit seinem Zirkus hier aufgetaucht ist. Es muss daran liegen, dass die Zeit mit ihm so aufregend war. Wir haben so viel zusammen gemacht. In dem Wohnwagen, in dem er und seine Familie leben, hab ich ihm bei den Hausaufgaben geholfen, denn durch das viele Reisen mit dem Zirkus war Bastian längst nicht so weit wie wir anderen in der Klasse. Danach haben wir uns mit seinen Tieren beschäftigt, den Ponys Tabasco und Tosca. Und oft durfte ich bei den Zirkusvorstellungen dabei sein. Es war einfach immer etwas los. Und jetzt kommt mir alles so still vor. Selbst Nico, der eigentlich mein bester Freund und fast wie ein Bruder ist, hat gemerkt, wie betrübt ich bin, seit Bastian nicht mehr da ist. Was ihm natürlich nicht passt. Nico will selbst bei mir im Mittelpunkt stehen. Die ganze Zeit war er schon eifersüchtig, obwohl ich wirklich versucht hab, auch mit Nico öfter mal etwas zu unternehmen. Er konnte Bastian nicht leiden. Manchmal kann Nico ganz schön stur sein.
»Jetzt krieg dich mal wieder ein«, sagt er und tut so, als ob er mir auf meinem Einrad einen Schubs geben will. Wie jeden Morgen fahren wir nebeneinander her zur Schule, Nico auf seinem Skateboard und ich eben mit dem Einrad, das ich zu meinem zwölften Geburtstag bekommen hab. Es kommt mir vor, als wären seitdem Ewigkeiten vergangen, so viel ist inzwischen passiert. »Du fährst ja wie eine Oma mit ihrer Gehhilfe, und auch genauso kurzsichtig. In deinen Träumen von Bastian krachst du noch gegen die Straßenlaterne!«
Ich zucke zusammen und kann im letzten Moment noch einen Schlenker fahren, ganz dicht neben der Laterne springe ich ab. Jetzt auch noch mit einer Beule am Kopf in die Schule zu müssen, hätte mir gerade noch gefehlt.
»Danke«, japse ich und schiebe mein Einrad ein paar Meter. »Du hast recht. Vom Trübsalblasen kommt Bastian auch nicht zurück. Vielleicht muss ich wirklich langsam mal wach werden.«
»Herzlichen Glückwunsch«, entgegnet er. »Und zur Abwechslung mal an deine alten Freunde denken, kannst du auch. Üben wir heute Nachmittag zusammen für den Englischtest?«
In Englisch bin ich besser als Nico und das weiß er genau. Er macht oft so idiotische Fehler, dass es manchmal wirklich zum Heulen ist, und der Test morgen wird nicht einfach.
»Machen wir«, verspreche ich ihm also. »Aber bitte nicht den ganzen Nachmittag. Ich muss unbedingt irgendwas tun, das mich auf andere Gedanken bringt. Weißt du nicht irgendwas?«
»’ne DVD gucken«, schlägt Nico vor. »Meine Mutter hat gesagt, ich darf mir James Bond ausleihen.«
»James Bond … nee«, sage ich lahm und stelle mir vor, zwei Stunden lang zuzusehen, wie dieser Supertyp mit seinem Alleskönnerwunderauto durch die Landschaft rast, um irgendwelche schmierigen Verbrecher zu verfolgen, und zwischendurch macht er mal Rast in einem Hotel, wo lauter Frauen im Bikini am Pool rumlungern und ihn anhimmeln. »Den guck mal lieber mit Max und Julien.« Ich steige wieder auf meinen Sattel und fahre weiter, sonst muss ich gleich brüllen, wenn ich mit Nico reden will. Er ist mit seinem Skateboard schon mindestens zwanzig Meter voraus.
»Dann schlag was Besseres vor!«, meint Nico. Das will ich ja, aber ich weiß auch nichts. Auf jeden Fall möchte ich irgendwas selber machen, dabei vergeht die Zeit viel schneller, als wenn man nur fernsieht. Aber fast alles, was mir in den Sinn kommt, würde mich an Bastian erinnern. Egal ob ich mit Nico draußen Einrad und Skateboard fahre, mit meiner besten Freundin Nora und ihrem Hund Kalle im Park trainiere oder zu Hause bin. Denn überall war Bastian vor Kurzem noch mit dabei.
»Ich weiß auch nicht«, sage ich also. »Wenn wenigstens irgendwas Aufregendes passieren würde! Hast du nicht vielleicht mal wieder einen Fernsehauftritt als Rapper oder feiert jemand eine Party?«
»Nicht dass ich wüsste«, meint er. »Bis zu meinem Geburtstag dauert es sowieso noch ewig und von den anderen darf ja kaum jemand’ne richtige Fete schmei ßen. Die meisten dürfen immer nur so viele Gäste einladen, wie sie an Jahren zählen. Voll kindisch.«
»Die meisten von uns werden dreizehn«, gebe ich zu bedenken. »So wenig ist das gar nicht.«
Nico jedenfalls fällt auch nichts Spannendes ein, bis wir fast in der Schule angekommen sind. Aber er denkt auch gar nicht richtig nach. Kein Wunder, denn er wäre ja auch mit einem ganz normalen DVD- oder Skateboardnachmittag zufrieden. Und normalerweise wäre ich das auch. Es ist nur, weil ich Bastian so vermisse. Ihn und seinen Zirkus, die Tiere, seine Geschwister. Und das Herzklopfen, das ich jedes Mal hatte, wenn ich ihn sah. Das alles zusammen war so, als ob ich jeden Tag Geburtstag und Weihnachten zusammen erlebt hätte. Aber ich muss wohl damit leben, dass jetzt wieder der ganz normale Alltag anfängt. Besser, ich finde mich damit ab und versuche, es zu genießen, so gut ich kann.
Ein wenig zieht es noch in meinem Bauch, als wir an dem Platz vorbeigehen, auf dem das Zirkuszelt und die Wohnwagen gestanden haben. Es sieht so öde dort aus. Vom letzten Regen stehen noch tiefe Pfützen in dem matschig gewordenen Sandboden, der Mülleimer am Zaun ist noch nicht geleert worden. Am liebsten würde ich rübergehen und nachsehen, ob auf dem Grundstück noch irgendetwas liegen geblieben ist. Etwas, das Bastian oder seine Eltern vergessen haben. Ein Erinnerungsstück an ihn. Aber das geht sowieso nicht, Nico und ich sind nicht besonders gut in der Zeit. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass ich ja schon das Hufeisen von seinem Pony Tabasco hab, das mir Bastian zum Abschied geschenkt hat.
Vor dem Haupteingang der Schule kommt Nora auf mich zugestürmt. Ihre Wangen leuchten rot und zwischen ihren breiten Lippen blitzen die weißen Zähne, sogar ihre dunkelbraunen Augen scheinen Funken zu sprühen. Über irgendetwas scheint sie sich wahnsinnig zu freuen. Vielleicht wird der Tag doch nicht so öde, denke ich, während sie ihre molligen Arme um mich schlingt.
»Ich darf!«, ruft sie noch ganz außer Puste, obwohl ich ihre Stimme an meinem Ohr jetzt wirklich verstehen kann, selbst wenn sie flüstern würde. »Stell dir vor, Marie, ich hab sie überredet! Ich darf wirklich!«
Ich drücke Nora auch, während Nico neben uns die Augen verdreht und zu Max verschwindet.
»Was darfst du?«, frage ich sie. »Ich kann mich gar nicht erinnern, dass dir jemand irgendwas verboten hat!«
»Verboten nicht«, gibt Nora zu und zieht mich ein paar Meter von der Traube aus Schülern und Lehrern weg, die jetzt die Treppe ansteuern. »Aber weißt du nicht mehr – wir beide haben doch überlegt, wie wir es anstellen können, dass ich ein eigenes Zimmer bekomme! Die kleine Kammer, die voller Gerümpel steht! Sag bloß, das hast du vergessen, Marie!«
»Nein, nicht vergessen.« Ich blicke zu Boden, weil es mir so peinlich ist. Die ganze Zeit hab ich nur an Bastian gedacht und Nora gar nicht mehr nach dem Zimmer gefragt. Dabei ist es bestimmt schon zwei Monate her, dass wir an einem Nachmittag, an dem niemand bei ihr zu Hause war, in die besagte Kammer geschlichen sind und überlegt haben, wie wir sie einrichten würden, wenn Nora den Raum als Zimmer haben könnte. Ganz allein, ohne ihre kleinen Geschwister. Sie wünscht es sich so sehr.
»Und jetzt haben deine Eltern es erlaubt«, wiederhole ich, als sei ich eben erst richtig aufgewacht. In meinen Adern beginnt es auch gleich zu kribbeln vor Aufregung. Vielleicht können wir heute Nachmittag schon anfangen, die Kammer leer zu räumen. Mit Nora zusammen macht sogar so was Spaß, weil sie immer so lustige Sprüche drauf hat und verrückte Geschichten erzählt. Auch als wir mein Zimmer bei meinem Vater zusammen dekoriert haben, hatten wir jede Menge Spaß. Eigentlich sind wir sogar erst seit dieser Zeit richtig gut befreundet. Zu dumm, dass erst noch der lange Schultag vor uns liegt.
»Genau!«, jubelt sie. »Und es war nicht mal besonders schwer. Meine Mutter hat gesagt, sie hätte sowieso schon daran gedacht. Sie meint, die Miete sei viel zu teuer, um einen Raum als Abstellkammer verkommen zu lassen.«
»Das hätte meine Mutter auch gesagt. Und was sagen deine Geschwister dazu?«
»Tina findet es ungerecht, und Ella hat geheult, weil ich bald nicht mehr mit ihr in einem Zimmer schlafe. Aber daran muss sie sich gewöhnen. Wenn ich später mal heirate, muss sie auch ohne mich schlafen.«
Sie sagt das so ernst, aber ich biege mich trotzdem vor Lachen bei der Vorstellung, dass Noras jüngere Schwester Ella bei ihr schläft, bis Nora heiratet. Wann das sein wird, weiß man ja nie. Manche heiraten erst mit 40 oder sogar noch später. Oder nie. Wie Silke zum Beispiel, ich glaube fast, die war noch nie verliebt, bevor sie meinen Vater kennengelernt hat.
Inzwischen ist es höchste Zeit, in den Klassenraum zu gehen, und genau wie ich es erwartet hatte, zieht sich der Schultag in die Länge wie Kaugummi. Nach der letzten Stunde kommt Nora noch rasch mit mir nach Hause, damit wir zusammen meine Mutter fragen können, wie lange ich weg darf. Nico, der missmutig neben uns her gondelt, erinnert mich an den Englischtest.
»Üben wir alle zusammen«, schlägt Nora vor und sieht Nico ziemlich lange an. Die beiden haben, glaube ich, schon lange ein Auge aufeinander geworfen, aber keiner von ihnen traut sich, es zuzugeben. Vielleicht muss ich da mal ein wenig nachhelfen. Neulich hat Nora schließlich mal gesagt, sie will das eigene Zimmer auch für den Fall haben, dass sie mal einen Freund hat. Damit der nicht denkt, er müsse jetzt mit ihren Geschwistern spielen.
Nico strahlt sie ebenfalls an. »Das würdet ihr machen? Und danach gucken wir James Bond?«
Nora und ich schütteln synchron den Kopf, dann erzählt sie ihm, was wir vorhaben.
»Na gut, dann helfe ich eben mit«, meint er schulterzuckend. »Alleine könnt ihr das bestimmt sowieso nicht. Sind ja sicher auch schwere Sachen in dem Zimmer.«
Als wir bei uns oben ankommen, stellen wir fest, dass wir Glück haben. Nicos Mutter Kirsten und meine haben zusammen gekocht, das trifft sich bestens. So können wir gleich sagen, was wir vorhaben, und ernten von beiden Müttern wohlwollendes Kopfnicken. Für die Schule lernen und ein Zimmer entrümpeln – wir müssen die reinsten Traumkinder für sie sein. Nora ruft kurz zu Hause an und sagt, dass sie später kommt, und nachdem wir uns alle zusammen den Bauch mit Lasagne vollgeschlagen haben, trichtern Nora und ich so lange die Englischvokabeln in Nicos Kopf, bis er nicht den allerkleinsten Fehler mehr macht, wir lassen ihn sogar alles aufschreiben.
»Ihr seid echt gnadenlos«, stöhnt er schließlich und springt von seinem Stuhl auf. »Mir qualmt die Birne, das war ja schlimmer als bei Frau Timreck! Kommt, jetzt lasst uns aber gehen. In meinen Kopf passt nicht ein Buchstabe mehr.«
Er verschwindet noch schnell in seiner Wohnung, um sich alte Sachen anzuziehen, denn beim Entrümpeln saut man sich meistens ziemlich ein. Und Nico legt Wert auf seine coolen weiten Jeans und die übergroßen Sweatshirts. Auch ich krame in meinem Kleiderschrank herum und finde eine Jeans, die mir schon etwas zu kurz geworden ist, und einen verwaschenen Pullover. Dann gehen wir los.
Aber bei Nora zu Hause können wir nicht so schnell loslegen, wie wir wollen. Ihre Schwester Tina, die nur zwei Jahre jünger ist, schmollt noch immer, weil nicht sie ein eigenes Zimmer bekommt, und ist aus lauter Trotz mittags nicht mit Kalle rausgegangen. Der Hund springt an uns hoch wie ein Gummiball, winselt und bellt und dreht sich immer wieder um die eigene Achse. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als selbst noch mit ihm auf die Straße zu gehen. Aber besonders Nico ist froh, auf diese Weise noch ein bisschen an die frische Luft zu kommen. Er sagt, er fühle sich sowieso schon wie ein Sklave wegen des langen Büffelns, zuerst in der Schule und dann auch noch mit uns. Im Park wirft er immer wieder einen Stock für Kalle, der auch nicht müde wird, ihn immer wieder zu holen und Nico vor die Füße zu legen. Aber nach mindestens einer halben Stunde schiebt Nico den Stock doch unter seine Jacke. Wenn wir jetzt nicht zurück zu Nora gehen, brauchen wir mit ihrem Zimmer heute gar nicht mehr anzufangen.
»Ich frage mich, ob dieser Hund überhaupt jemals schläft«, sagt er, weil Kalle ihn noch immer erwartungsvoll ansieht, obwohl er schon völlig erschöpft hechelt und bestimmt riesigen Durst hat.
»Doch, das tut er«, berichtet Nora. »Allerdings schreckt er beim kleinsten Geräusch hoch und ist dann sofort wieder voll da.«
»So müsste es mir mal gehen, wenn morgens der Wecker klingelt«, meint Nico.
Oben bei Nora kommt uns Ella entgegen, genau wie Tina mit missmutigem Gesicht. Allmählich regen mich Noras Schwestern auf; sie könnten ihr ruhig mal etwas gönnen. Schließlich kümmert sich Nora so viel um sie alle. Ella ist sogar meistens dabei, wenn Nora und ich etwas zusammen unternehmen.
Aber dann sieht Ella mich an und reicht mir ein schnurloses Telefon.
»Dein Vater hat angerufen«, sagt sie. »Er hat gesagt, du sollst dich unbedingt sofort bei ihm melden. Hörte sich sehr dringend an.«
»Mein Vater? Hier?«, wiederhole ich fassungslos und starre den Hörer an. »Woher hat er denn eure Nummer?«
»Bestimmt hat er zuerst bei Blanka angerufen«, vermutet Nico. »Und als sie ihm gesagt hat, wo du bist, hat er es eben hier versucht.«
»Aber das ist komisch«, sage ich, schon mehr zu mir selbst als zu den anderen. »Wie klang er denn am Telefon? War er irgendwie aufgeregt?«
»Eigentlich ganz normal«, erwidert Ella.
Meine Finger zittern leicht, als ich die Ziffernfolge von Papas Telefonnummer in die Tasten drücke, bis sie komplett auf dem Display erscheint. Nora und Nico drängen sich dicht um mich herum und noch ein wenig dichter aneinander. Gespannt lauschen wir auf das Freizeichen am anderen Ende.
Dann klickt es in der Leitung. Papa sagt seinen Namen. Er klingt wirklich ganz normal, trotzdem hämmert mein Herz wie verrückt, als ich »Ich bin’s« sage.
Heute früh hab ich noch geglaubt, mein Leben wäre langweilig. Und jetzt ist mir schon wieder beinahe alles zu viel.
2. Aufregung um Silke
»Hallo, Marie«, begrüßt mich Papa am Telefon. Angespannt lausche ich, ob ich nicht doch irgendetwas heraushöre. Irgendwas Komisches, ob er nervös ist oder sauer oder so. Obwohl ich gar nicht wüsste, weshalb er sauer sein könnte, höchstens auf Mama, die beiden meckern sich manchmal gegenseitig am Telefon an. Aber nie wirklich böse und auch nicht besonders doll oder lange. Aber er klingt ganz normal, genau wie Ella gesagt hat. Vielleicht sogar ein bisschen fröhlicher als sonst.
»Ist was Wichtiges?«, frage ich trotzdem. Ungewöhnlich ist es ja schon, dass er mich bei meiner Freundin anruft, statt zu warten, bis ich wieder zu Hause bin. Oder dass er zu meiner Mutter sagt, ich soll mich dann bei ihm melden. Am anderen Ende räuspert er sich.
»Dich zu sprechen, ist mir doch immer wichtig«, sagt er. »Aber vor allem wollte ich sichergehen, dass du Silke und mich bald mal wieder besuchst. Und so beliebt und viel unterwegs, wie du bist, dachte ich, ich sichere mir meinen Termin besser gleich.«
»Ach so«, antworte ich und komme mir dabei vor wie ein Ballon, aus dem jemand ganz langsam die Luft entweichen lässt. »So viel verabredet bin ich doch gar nicht. Nächstes Wochenende könnte ich kommen.«
»Prima, dann tu das.« Papa holt tief Luft. Neben mir fangen Nico, Nora und Ella an, leise miteinander zu reden. Ich wundere mich, dass Papa nichts mehr sagt, wir müssen noch klären, ob er mich abholt oder ob ich mit dem Bus fahren soll oder ob er und Silke wollen, dass Mama mich hinbringt. Also frage ich.
»Ich hole dich natürlich ab«, verspricht er mir. »Sagen wir … am Samstag so gegen fünf?«
Einen Moment lang schweige ich. Gegen fünf, dann lohnt es sich doch kaum noch, fährt es mir durch den Kopf. Selbst wenn ich da übernachte. Am Sonntag will ich nie so spät zurück nach Hause, weil ich immer noch in Ruhe meine Schultasche für Montag packen will. Manchmal muss ich für die Schule auch noch was machen. Und dann gehe ich meistens noch kurz zu Nico runter und wir quatschen ein bisschen oder vergleichen die Hausaufgaben, ob wir alles richtig und nichts vergessen haben. Jedenfalls, wenn in der Woche davor besonders viel auf war. Bestimmt ist es dieser Silke wieder mal zu viel, wenn ich so lange bei ihnen bin.
»Wieso erst um fünf?«, frage ich trotzdem. »Geht ihr vorher noch einkaufen? Oder hat dein Uhrengeschäft länger auf? Du machst doch sonst immer mittags zu.«
Am anderen Ende höre ich irgendwas rascheln. »Das nicht«, verrät Papa zögerlich. »Aber …«
»Ist es wegen Silke?« platze ich heraus. Erst hinterher fällt mir ein, dass er es überhaupt nicht leiden kann, wenn man ihn beim Reden unterbricht. Aber jetzt ist es zu spät. Hoffentlich wird er nicht gleich sauer auf mich.
»Wie … kommst du darauf?« Papa klingt gar nicht sauer, sondern eher so, als hätte ich ihn bei irgendwas erwischt.
»Nur so«, sage ich schnell und überlege fieberhaft, wie ich darauf komme. Dann fällt mir etwas ein.
»Neulich ging es Silke doch mal nicht so gut«, erinnere ich ihn. »Und da dachte ich, wenn sie noch krank ist, ist es vielleicht besser, wenn ich erst später komme.«
»Du hast doch gefragt, ob wir einkaufen gehen«, meint Papa verwundert. »Wenn sie krank wäre, könnte sie das doch gar nicht. Nein, Marie, es ist … wir wollen gerne mit dir ins Hallenbad gehen. Silke auch. Ich hole dich also um fünf ab, passt dir das?«
»Ja, gut«, sage ich. Passt dir das. Er redet mit mir, als wäre ich ein fremder Mensch, mit dem er einen Geschäftstermin vereinbaren will. Irgendwas stimmt da nicht. Grübelnd gehe ich hinter den anderen her in Noras neues Zimmer.
»Und? Was war?«, bestürmt mich Nora neugierig. Noch ganz durcheinander setze ich mich aufs Fensterbrett.
»Irgendwas mit Silke«, antworte ich mehr zu mir selbst. »Da stimmt was nicht, glaube ich. Papa hat gesagt, wie gehen am Samstag ins Hallenbad, aber er hat das so komisch ausgedrückt. So nervös.«