Mausmeer - Tamara Bach - E-Book
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Mausmeer E-Book

Tamara Bach

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Beschreibung

Nur dieses eine Wochenende. Nur noch einmal in Opas altes Haus am Arsch der Welt, hier war alles immer gut. Nur das will Ben, der gerade achtzehn geworden ist und irgendwie festhängt – in der Schule, in der Familie, im Leben. Ein paar Tage raus aus allem. Zusammen mit Annika, der großen Schwester, die doch immer die Vernünftigere war. Einen Spaziergang, ein Osterfeuer und einen umgefallenen Tisch und die Folgen später sieht nicht mehr alles so aus wie vorher. Eine Geschichte übers Fremdsein und Sichnäherkommen von der vielfach ausgezeichneten (u.A. Jugendliteraturpreis) Autorin Tamara Bach

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Veröffentlichungsjahr: 2018

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Außerdem von Tamara Bach im Carlsen Verlag:

 

Busfahrt mit Kuhn

Jetzt ist hier

Marienbilder

Marsmädchen

Vierzehn

Was vom Sommer übrig ist

 

Die Liedauszüge stammen aus

»Pure Vernunft darf niemals siegen« (Tocotronic, 2005), © Text Dirk von Lowtzow, Arne Zank; Label: L’ Age d’ Or

»Holiday« (Madonna, 1983), © Text: Curtis Hudson, Lisa Stevens, Verlag: Sire, Warner Brothers Records

 

© 2018 CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg

Umschlaggestaltung und -typografie: formlabor unter Verwendung von Fotos von shutterstock.com/©Olga Tropinina, Alexander Tolstykh, irin-k

Lektorat: Katja Maatsch

E-Book-Umsetzung: Dörlemann Satz, Lemförde

ISBN: 978-3-646-92302-5

 

»Pure Vernunft darf niemals siegen

Wir brauchen dringend neue Lügen«

Tocotronic – Pure Vernunft darf niemals siegen

 

»Holiday! Celebrate!«

Madonna – Holiday

 

 

 

Für Markus

 

Er sagt »Hey«, sagt es laut.

Ich bin wach. Ich mache die Augen auf und er fragt: »Bist du wach?« Er macht das Licht an, sitzt neben meinem Bett. Zappelt.

Ich muss blinzeln, zu hell.

»Ich bin durchs Fenster geklettert«, sagt er.

»Warum hast du denn nicht die Tür benutzt?«

Ich gähne und schau ihn dann an.

Er zuckt mit den Schultern. Steckt einen Finger in ein Nasenloch. Das Knie im Rhythmus zu irgendwas. Er zieht den Finger aus der Nase und steckt ihn in den Mund.

»Wie spät ist es?«, frage ich.

»Ich habe heute gelernt, dass Rolltreppen in Deutschland eine Höchstgeschwindigkeit von 2,7 km/h haben.«

Ich setze mich auf, reibe mir die Augen. »Hast du gekokst?«

»Drogen sind für Arschlöcher.«

Ich glaub ihm nicht.

»Ich bin auf Mate.«

Ich suche nach einer Uhr. Finde sie nicht. Um sechs muss ich aufstehen.

»Geh«, sag ich zu ihm. Dann guckt er mich an, lächelt.

Sagt »Okay« und steht auf.

Als er die Tür aufmacht, dreht er sich um, »Wie lang bist du denn hier?«, fragt er.

»Die ganzen Semesterferien. Bis April.«

Er nickt.

»Du hast deinen Schlüssel verloren, oder?«, frag ich.

Er grinst, zuckt mit den Schultern und schließt die Tür. Ich höre seine Schritte auf der Holztreppe. Mache das Licht aus, lege mich hin. Und dann frag ich mich, wie er ins Dachgeschoss geklettert ist.

Mittwoch

»Sei Pippi, sei nicht Annika«, sagt er. Er sagt es einmal am Nachmittag, als ich frage, ob ich dableiben muss. Weil ich lieber noch an was arbeiten möchte. Da hat er die Augen groß gemacht, mir eine Hand auf die Schulter gelegt und gesagt, dass er ja nur einmal achtzehn wird. Und ich als seine Schwester. Und dann eben den Spruch mit Pippi.

Er hat gesagt, dass er nüchtern bleibt, dass er eh mehr und mehr zum Straight Edger wird. Nur vegan schafft er noch nicht. »Noch«, hat er gesagt.

Dann hat er sich mit Edding ein X auf den Handrücken gemalt und das jedes Mal hochgehalten, wenn jemand mit ihm anstoßen wollte. Das und die Flasche Wasser.

Um fünf räumen die Eltern das Feld, mit Taschen in den Händen, das Auto gepackt, das vom Vater. Den Wagen der Mutter hat er schon den ganzen Tag benutzen dürfen.

»Endlich legal«, sagt er. Die Eltern runzeln die Stirn, dann legt Vater einen Arm um seine Frau, »Komm, wir sind hier nicht erwünscht«, und zu den Kindern, zu uns: »Nicht zu wild, ja?«

»We’re gonna party like it’s 1999!«, sagt er, der Sohn, mein Bruder, und dann: »Ach nee, warte, das wart ja ihr. Dann nicht.«

Vater und Mutter gucken zu mir, Augendialoge, du passt auf, ja? Und dass sie ja nicht zu Orgie / Naturkatastrophe / Rave / Super-GAU heimkehren wollen. Natürlich nicke ich. Alles gut, ihr könnt gehen. Vaters Hand geht abschließend in die Höhe und winkt nicht. Signalisiert nur: Wir sind raus.

Er hat also Mutters Wagen. Ein paarmal fährt er einkaufen, ein paar Kisten Bier, Wein trinkt ja eh keiner, Wein wird ja eh mitgebracht von denen, die daran denken, was mitzubringen, also von den Freundinnen seiner Freunde.

Er backt einen Kuchen, eine Backmischung, schaut die Butter an, sagt dann zu mir: »Mit Butter merkt man das gar nicht, dass das eine Backmischung ist«, zu sich: »Und auch das ist nicht vegan«, und seufzt. Ich warte nur. Ich soll hier sein und da sein, anwesend, mahnend, aufmerksam. Pass ja auf. Aber passiert ja nichts. Ich könnte auch nach oben gehen, noch was arbeiten, aber dann sagt er wieder: »Sei Pippi, sei nicht Annika.« Das sagt er heute die ganze Zeit. Und es wird nicht witziger.

Das Haus riecht jetzt nach Kuchen.

Er sagt, das hätte er mal gehört, dass das Makler machen, wenn sie potenzielle Käufer durch Wohnungen führen, dass sie Kekse oder Kuchen in der Wohnung backen und man sich dann gleich sehr zu Hause fühlt.

Ich schaue auf die Uhr.

Er sagt, ich soll doch ein Bier trinken, dass das Bier bestimmt inzwischen kalt ist. »Oder ein Radler?«

Ich guck zum Fenster raus, als er zum Kühlschrank geht. Es hat schon wieder geregnet. Wenigstens können die jetzt nicht im Garten feiern. Ich frag mich dann, ob es vielleicht doch besser wäre, im Garten zu feiern. Dort: kein Teppich, keine Fenster, nichts Zerbrechliches. Keine weißen Wände. Kein cremefarbenes Sofa.

Aber: die Nachbarn. Aber: der Lärm.

Er hält mir ein Bier hin.

Ich nehm es. Und ja, es ist kalt.

Eine Stunde später hab ich doch nur einen Schluck und noch einen getrunken, den widerwillig, und jetzt ist das Bier warm und schlapp.

Also er wieder: »Sei Pippi, sei nicht Annika.«

Die brauchen ja gar keine Sitterin. Ich könnte jetzt nach oben gehen, dort weiter an der Arbeit schreiben. Im Hauptteil fehlen noch zwei Kapitel, dann noch der Schluss, am Ende noch einmal die Einleitung überarbeiten.

»Na hopp, Annika.«

Er nimmt mir das erste Bier ab, hält mir ein weiteres hin. Ich schüttel den Kopf.

Er rollt mit den Augen, zieht mich auf die Terrasse, da rauchen sie sich ein. Es regnet nicht mehr, der Boden ist nass. Drüben rümpfen die Nachbarn die Nasen und erinnern sich an ihr Studium in Freiburg damals. Sagt ja keiner was.

Draußen seine Gang. Die Jungs. Die alle irgendwelche Namen haben, auf die sie nicht getauft wurden. So was wie »Würfel« oder »Bolle« oder »Neun«.

Drinnen auch seine Gang und deren gelangweilte Mädchen. »Meet the feebles« auf drei Trilliarden Zoll in MegaHD, so HD, da tun einem die Augen weh. »So scharf ist nicht mal die Welt«, sagt er.

Auf dem Tisch der Kuchen, Schokolade, er hat noch eine ganze Tafel extra reingerieben, Milchschokolade, »Ja, Kuhmilch«, hat er gesagt. Wir sind also draußen und es regnet nicht mehr und da sitzen seine Jungs, die halten mir das Tütchen hin, sagen, dass ich an der Reihe bin. Ich heb die Hände hoch.

»Wie jetzt?«, sagt einer.

»Nein, nicht kiffen.«

»Pippi«, sagt er.

Einer lacht, weil er den Witz erst jetzt versteht. Ach stimmt. Die komische Freundin von der. Tommy und Langweilika.

»Witzig«, sag ich. So witzig. Der andere lacht immer noch. Und der, der mir das Tütchen eben noch hingehalten hat, will schon weitergeben, da schau ich meinem Bruder in die Augen, der doch selbst angeblich so Straight Edge ist.

Greif es mir, ziehe, und ja, ernte beeindruckte Blicke vom Jungvolk.

Da schaut ihr, was? Dass ich mich fast verbeuge. Leise fängt es an zu regnen und einer zieht einen Stuhl ran. Sagt, ich soll Pippi sein. Und nicht Annika.

Also bin ich nicht Annika. Und ziehe noch einmal, dann gebe ich weiter. Trinke vom Bier.

Ich weiß, erst werde ich hungrig, dann müde. Ich schau mich um und denk an die Eltern, die sind woanders und machen sich vielleicht Sorgen. Das ist keine Orgie. Ich lehne mich zurück und greife zum Tütchen, das wieder an mir vorbeizieht.

Das ist keine Orgie.

Das ist kein Rave.

Das ist kein Super-GAU, kein Festival, kein Ausufern.

»Ihr seid nett«, sag ich.

Ich werde müde und will einschlafen, mein Zimmer, mein Kinderzimmer, ist aber ganz weit oben. Im Turm, will ich sagen, ich wohne im Turm. Ich bin Rapunzel. Da kommt Ben und schaut mich an. Sagt was von Pizza und dass er mich braucht für die Pizza. »Pippi muss Pizza holen«, sagt einer, der auch irgend so einen komischen Namen hat. Heißt der Backofen? Nein? Ich sage: »Du heißt doch Backofen, oder?«, und die anderen lachen sich scheckig und kringelig und ein Loch in den Bauch und sagen nicht, wie der wirklich heißt. Mein Bruder nimmt mich am Arm und fragt mich, ob alles okay ist. »Ja«, sage ich, aber dass ich auch was zu trinken brauche. Was mit Bläschen. In Gelb. Also Fanta, sage ich, und dann stehe ich da und denke, der braucht mich doch gar nicht, um Pizza zu holen, aber dann klingt Pizza so gut, mein Mund will Pizza. Mit perfektem Teig. Innen weich, außen knusprig, aber nicht verbrannt. Mit würziger Tomatensoße und gerade genug Käse, dass man die Soße noch durchsieht. Und der Käse goldblond gebacken. Und langfädig. »Seidenzarter Käse«, sage ich und sehe eine Flasche in meiner Hand und denke, ach, schau, Fanta, wie nett. Ich bekomme die Flasche auch auf, so stark bin ich, dann trinke ich und denke dann wieder an Pizza, frage ihn, ob er eine mit Pilzen bestellt hat, ob es hier Menschen gibt, die Pilze mögen. Er steht im Flur mit seiner Jacke, da steht er und sagt einer was ins Ohr, die kenn ich nicht, und ich sage: »Mögen deine Freunde Pilze?«

Das Mädchen nickt, dabei hat die mich gar nicht gehört, und hinter mir sagt einer: »Mein Pappmaul ist wichtiger als Deutschland.« Das klingt richtig und lustig. Ich möchte mir das aufschreiben. Ich will mir das merken.

Er steht da mit dem Mädchen, die zieht gerade ihre Jacke aus und guckt ihn an. Er hat mich nicht gehört. Also ruf ich, erst nur »PIZZA!«, und als er nicht reagiert: »BENNIFER, PIIIIIZZAAA!«

Er nickt dem Mädchen zu, nimmt dann den Schlüssel. Wie das aussieht, dass er den Schlüssel so im Vorbeigehen vom Schlüsselbrett nimmt, wie man im Vorbeigehen eine Jacke von der Garderobe pflückt.

Organisch hat das ausgesehen.

Ich mag das Wort.

Ich will Pizza.

In meiner Umarmung die Limoflasche, folge ich ihm auf den Fuß, sage es: »Ich folge dir auf den Fuß«, und frage mich dann, ob Akkusativ oder Dativ. Und laufe ihm auf den Hacken herum, das im Dativ.

Versuche ihm die Schuhe von den Füßen zu treten.

Er greift nach hinten und kriegt mich aber nicht zu fassen. Weil ich so schnell bin. Und wendig. Ich bin unfassbar, denke ich. Gänsemarsch auf Waschbeton. Waschbeton. Ein komisches Wort. Ich muss das nachschlagen, ob das erstens stimmt, zweitens, warum das so heißt. Aber dazu brauch ich mein Handy, hab es aber nicht. Ich hab auch kein Geld.

»Ich hab kein Geld und kein Handy«, sag ich.

»Macht ja nichts«, antwortet er.

»Waschbeton«, sag ich also, »merk dir das mal.«

Er nickt, sagt »Waschbeton«, das Auto blinzelt uns gelb zu, charmant, denk ich, steig ein, da die Sitzheizung, nasse Windschutz- und Heckscheiben. Denke, dass es doch bestimmt seit Stunden nicht mehr geregnet hat, aber die Trauerweide, ja, die hat geweint.

Und eben Sitzheizung. Da schlaf ich also ein.

Ich mache die Augen auf und sitze im Auto. Vor einem Haus. Das ist nicht die Pizzeria. Hier ist keine Straße, hier ist nur ein Haus, nur dieses Haus. Mir ist kalt, es ist Nacht und sehr dunkel. Ich weiß nicht, wo ich bin. Ich weiß nicht, wo er ist.

Über meinen Beinen eine Decke, ich kenne die Decke, es ist die vom Rücksitz.

Wo bin ich?

Ich steige aus, taste mich ab, keine Tasche, nichts in der Hose, in der Jacke ein Labello, ein, zwei alte Tempos. Kein Handy, kein Geld.

Das Haus: leuchtende Fenster.

Ich kenne das Haus.

Ich mache die Beifahrertür zu. Das Auto bleibt unabgeschlossen auf der Straße stehen. Hier klaut niemand. Gehe zur Vordertür und drücke sie auf.

Er hat den Ofen angemacht. Er kann das seit der Kindheit. Jedes Mal, wenn wir damals hier waren, hat er sich neben den Großvater gehockt, wenn der vorm Ofen kniete, erklärte, abfragte, wie man Papier knäult, Holzscheite stapelt, und er kann es anscheinend immer noch, der Ofen brennt, bullert, wärmt.

Er am Küchentisch, schaut hoch, hält in seinen Händen das alte Radio, sucht einen Sender.

»Was machen wir hier?«, frag ich. Ich bin zu müde, um mich zu streiten.

Er zuckt mit den Schultern.

»Ich wollte dich ja aus dem Auto tragen, aber du hast mich gehauen.«

Er steht auf, holt mir eine Tasse aus der Anrichte, gießt Tee ein.

Ich setze mich an den Tisch. Werde wach, werde warm.

Sein Geburtstag ist jetzt vorbei, denke ich.

»Wo ist die Pizza?«, frag ich ihn dann.

»Du bist nach zwei Minuten eingeschlafen und mir war gar nicht nach Pizza. Aber ich hab eine zum Aufbacken gekauft, an der Tanke.«

Pfefferminztee und Deutschlandfunk.

»Das Auto ist von ganz allein hierhergefahren«, sagt er. Das Grinsen.

»Zu Hause sitzen doch noch deine Freunde. Was ist denn mit denen?«

Er zuckt mit den Schultern. »Die werden schon nicht sterben.«

»So schnell stirbt man nicht«, sag ich automatisch.

»Eben.«

»Willst du heute Nacht wieder nach Hause fahren?« Er zuckt erst mit den Schultern, schüttelt dann den Kopf.

»Was ist mit den Betten?«, frage ich.

Er weiß es nicht.

»Lass schauen.«

Das Licht funktioniert. Das fällt mir erst jetzt auf, dass der Strom noch funktioniert.

»Komisch, nicht? Und das Wasser haben sie auch nicht abgestellt. Vielleicht weil die vom Verein Strom brauchen. Und Wasser und so.«

»Ja, vielleicht.«

Am Ende des Flures ein Zimmer.

Es riecht nach damals. Es riecht nach Ferien.

Auch hier geht die Lampe an. Der Lichtschalter einer der Art, die gedreht werden müssen. Das Geräusch ein Klicken in Weiß.

In der Lampe sind Tiere. Insektenfriedhöfe.

»Unsere Betten«, sag ich.

Er nimmt Anlauf, wirft sich auf das am Fenster. »Meins!«

Ich öffne den Schrank, da Decken, Federbetten. Laken. Kissen. Alles da.

»Kalt hier.«

»Mach dir warme Gedanken«, sagt er.

»Perverser, du.«

Und dann, später, die Betten gemacht, er und ich jeder in seinem Bett unter Decken, das Licht fast aus, frag ich ihn: »Kannst du bitte die Tür absperren?«

Er mault, steht trotzdem auf, geht alles ab, untersucht alle Zimmer nach Räubern und anderen Monstern, schließt ab.

Zurück im Zimmer, Licht aus, Bett, Gutnacht.

»Warum sind wir hier?«, frag ich leise ins Dunkle, und ich glaub, ich kann sein ewiges Schulterzucken hören.

Gründonnerstag

»Anni«, sag ich. »Schau mal, es ist schon hell.«

Und dabei ist es nicht mal sieben.

»Anni«, sag ich leise. Die hört mich nicht.

»Ich muss dir was erzählen.«

Warte. Rührt sich nicht.

»Anni, ich hab die Schule geschmissen. Ja, kurz vorm Abi. Und ich geh da nie wieder hin. Und nein, ich weiß nicht, was ich stattdessen machen will.«

Keine Reaktion.

»Anni, die Eltern haben mich adoptiert und dich auch. Und ich hab einen Mord begangen. Und wie gesagt, ich hab die Schule geschmissen.«

Nichts.

»Anni?«

Es ist ja noch früh. Ich lass sie noch ein bisschen schlafen.

»Hey, lass uns doch einfach hierbleiben. Und wenn es uns gefällt, dann gehen wir nie wieder weg. Du kannst ja auch dein Studium schmeißen, das ist sehr viel einfacher, als man glaubt.«

Warte. Die atmet nur.

»Das ist doch ein Plan, oder? Also, wenn du dagegen bist, dann sag es jetzt«, nichts, »oder schweige für immer.« Nö. Nichts.

»Okay. Dann geh ich jetzt mal Frühstück einkaufen. Ja? Gut.«

*

Bens Bett ist leer. Es ist hell draußen, das kann ich durch die Ritzen der Fensterläden sehen. Ich lausche ins Haus, da ist nichts, kein Ton.

Der Boden kaltschnäuzig zu meinen Füßen. Ziehe mit langen Beinen meine Schuhe zu mir, zieh sie ohne Socken an. Alles kalt, kalt, kalt.

Klamm hab ich hier gelernt. Klamm sei kalt und feucht, haben sie mir damals erklärt. Oder: so kalt, dass es sich feucht anfühlt. Man war sich nicht einig.

Ich rufe nach ihm, einmal bei geschlossener Zimmertür, dann Tür auf, werfe seinen Namen in den Flur, nichts. Die Küche still, die Küche auch kalt. Nicht mal das, nicht mal Feuer hat er gemacht. Schau auf den Hof, der Wagen ist weg.

Der Wagen ist weg.

Taste mich ab, da ist nichts, das weiß ich doch eh, da war gestern schon nichts, nicht in Hose, Jacke, Tasche, da war gar keine Tasche, wir wollten ja nur kurz Pizza holen. Er hat doch noch gesagt, dass ich nichts brauche.

Ich lasse mich auf die Küchenbank sinken. Die Uhr über der Tür steht seit drei Jahren still.

Der hat mich ausgesetzt.

Am Arsch der Welt hat der mich ausgesetzt.

Das haben die damals auch immer gesagt. Wo wohnt dein Opa denn? Am Arsch der Welt. Und wenn andere Leute gesagt haben, dass sie für ein Ersatzteil bis dahin fahren mussten, oder wo denn die neue Freundin wohnt, oder wo man im Urlaub war, alle waren dort beim Großvater gewesen.

Ich schau mich um. Keine Nachricht.