Mein Individualgewicht - Ruediger Dahlke - E-Book
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Mein Individualgewicht E-Book

Ruediger Dahlke

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Beschreibung

Im Einklang mit der Seele zur gesunden Wunschfigur.

Welchen Körper braucht unsere Seele, damit wir wirklich glücklich und mit uns im Reinen sind? Wirklich den, der in eine bestimmte Kleidergröße passt? Und was, wenn wir zu wenig Kilos auf die Waage bringen? Um genau dieses individuelle Figur-Optimum geht es Fastenguru und Peace-Food-Pionier Ruediger Dahlke mit seinem innovativen ganzheitlichen Ernährungskonzept vom Individualgewicht. Er zeigt, welche ungesunden (Ess-)Muster sich hinter Gewichtsproblemen, Belohnungs- oder Kummerspeck verbergen und welche Lebensthemen und Lernaufgaben auf uns warten. Indem wir im Einklang mit unserer Seele essen, söhnen wir uns mit unserem Gewicht aus und legen den Grundstein für ein neues und erfülltes Leben.

Mit 60 Rezepten, Meditationen zum Audio-Download und 4-Wochen-Ernährungsprogramm für das ganz persönliche Individualgewicht.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 473

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Dr. med. Ruediger Dahlke arbeitet seit 40 Jahren als Arzt, Autor und Seminarleiter. Mit Büchern von »Krankheit als Weg« bis »Krankheit als Symbol« begründete er seine ganzheitliche Psychosomatik, die bis in mythische und spirituelle Dimensionen reicht. Die Buch-Trilogie »Die Schicksalsgesetze«, »Das Schatten-Prinzip« und »Die Lebensprinzipien« bildet die philosophische und praktische Grundlage seiner Arbeit. Ruediger Dahlke nutzt seine Seminare und Vorträge, um die Welt der Seelenbilder zu beleben und zu eigenverantwortlichen Lebensstrategien anzuregen.

Sein Ziel, ein Feld ansteckender Gesundheit aufzubauen, spiegelt sich in Büchern wie »Peace Food« und »Die Hollywood-Therapie« wider, aber auch in der Verwirklichung des Seminarzentrums TamanGa in der Südsteiermark.

Eva Gassmann, geboren 1972 in Wien, ist diplomierte Ernährungstrainerin, vegane Kochtrainerin und zertifizierte Peace-Food-Coachin. Sie lebt mit ihrer Familie in Wagna in der Südsteiermark. Nach schweren Jahren der Krankheit stellte sie ihr altes Leben auf den Kopf und startete beruflich noch einmal neu durch. 2019 erfüllte sie sich mit der Gründung einer veganen Kochschule in ihrer Heimatgemeinde ihren Traum. Eva Gassmann hält Vorträge über Gesundheit und Ernährung und würde am liebsten jeden bekochen, um allen die Vorzüge und Köstlichkeiten von pflanzenbasierter Ernährung näherzubringen.

Ruediger Dahlke

unter Mitarbeit von Eva Gassmann

MeinIndividual-GEWICHT

Zur Wohlfühlfigur finden – ohne Hungern, Frustessen und falschen Verzicht

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Die geführten Meditationen des Zusatzcontents wurden auch separat als Download 2015 unter dem Titel »Mein Idealgewicht« veröffentlicht.

Die hier vorgestellten Informationen und Ratschläge sind nach bestem Wissen und Gewissen geprüft. Dennoch übernehmen Autor und Verlag keinerlei Haftung für Schäden irgendeiner Art, die sich direkt oder indirekt aus dem Gebrauch dieser Informationen, Tipps und Ratschläge ergeben. Im Zweifelsfall holen Sie bitte ärztlichen Rat ein.

Originalausgabe

© 2020 Arkana, München

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Lektorat: Ralf Lay

Covergestaltung: ki 36 Editorial Design, München, Sabine Krohberger

Coverillustration: © Jessica Durrant

Layout: ki 36 Editorial Design, München, Bettina Stickel

Bildredaktion: Jessica von Saucken

Rezeptfotos und Requisite: © Meike Bergmann

Foodstyling: Caroline Franke

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN 978-3-641-25878-8V003

www.arkana-verlag.de

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Zum Geleit zwei Gedanken von meiner Lieblingsheiligen Teresa von Ávila:

Lasst uns gut sein zum Körper, damit die Seele gern in ihm wohne.

Und die Bitte um Verständnis:

Mein umfangreiches Wissen sollte eigentlich nicht brachliegen, sondern weitergegeben werden.

Aber du verstehst, Herr, dass ich mir ein paar Freunde erhalten möchte.

VORBEMERKUNG

Das vorliegende Buch ist sorgfältig erarbeitet worden. Es fußt auf neueren Erkenntnissen und enthält darauf basierende Empfehlungen, die nicht in jedem Fall dem Stand der Schulmedizin entsprechen. Deshalb erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen. In Zweifelsfragen erkundigen Sie sich bitte bei Ihrem Hausarzt oder medizinischen Spezialisten.

HINWEISE

Dieses Buch will zum einen Erleichterung für Übergewichtige bringen und ihnen dazu verhelfen, geistig-seelische statt körperliche Schwergewichte zu werden. Es soll ihnen die Chance einräumen, den ersehnten Raum im übertragenen Sinn einzunehmen.

Zum anderen will es Untergewichtigen das notwendige Gewicht verleihen, um ihre hochfliegenden ehrgeizigen Träume zu verwirklichen und ihr Leben statt ihren Körper leichter zu nehmen.

Diese beiden Markierungen werden für schnelle Orientierung sorgen: Unmarkiertes geht alle an, ein die einen und ein die anderen.

Inhalt

EINLEITUNG

VORSICHTVORWERTUNGEN!

PRAKTISCHEHILFSMITTELODERTOOLS

AUFDENSPURENVONMISSMARPLEUNDMR STRINGER

MUSTERAUSALLENZEITENUNDEINMODERNESPROBLEM

I. DIE SEELISCHE EBENE DER GEWICHTSPROBLEME

ESSENISTSOWICHTIG, UNDALLESBEGANNDAMIT

VOM »DIÄTELN« UNDÄRZTLICHENMASSNAHMEN

WELCHESGEWICHTBRAUCHTUNSERESEELE?

WOGENAUANFANGEN?

ETWASPHILOSOPHIE: SCHWERESSCHLUCKENUNDVERDAUEN

WASESSENMITWACHSTUMZUTUNHAT

GEWICHTSREGELKREISE

GRÜNDEFÜRÜBERGEWICHT – DIEMUSTERINDERTIEFEUNDIHREURPRINZIPIEN

DASEIGENEESSENSMUSTERENTTARNEN – ESSENUNDBEWUSSTSEIN

WASBEDEUTUNGHAT, ISTDEUTLICH

ESSENSMUSTERDERZWÖLFLEBENSBÜHNEN

DIEBOTSCHAFTENUNSERERSPEISEN

VERLOCKUNGENDERINTERNATIONALENKÜCHE

UNSERETRINKMUSTER

AUSDEMRAHMENFALLEN

DICKEMUSTER

ZWISCHENBILANZ

DERWEGINSNEUELEBEN

II. DIE KÖRPERLICHE EBENE DER GEWICHTSPROBLEME

SEELEUNDKÖRPERINENGEMZUSAMMENSPIEL

UNMÄSSIGESESSENVONUNZULÄNGLICHEMUNDSÜCHTIGMACHENDEM

HUNGERFALLEN

BIOHACKING – NOCHMEHRLICHTNACHSOVIELSCHATTEN

IMMERMEHRFÜRIMMERWENIGER – DASARCHETYPISCHEWEGMUSTERINDENABGRUND

DIEROLLEDESALKOHOLSBEIDERGEWICHTSTHEMATIK

BEWEGUNGUNDMOTIVATIONSENERGIE

DASGRUNDUMSATZ-DILEMMA

III. DIE PRAXIS DER INDIVIDUALGEWICHTVERWIRKLICHUNG

DIEUMSETZUNGINDERKÖRPERWELT

WOCHE 1: DETOX

WOCHE 2: FASTEN

WOCHE 3 UND 4: AUFBAUUNDIDEALEERNÄHRUNGSFORM

DIEVIER-WOCHEN-PROGRAMMEFÜRSINDIVIDUALGEWICHT

IV. DIE REZEPTE FÜR DAS INDIVIDUALGEWICHT

DIEREZEPTEINDERÜBERSICHT

Tees

Grundrezepte

Smoothies

Frühstück

Salate

Dressings/Vinaigrettes

Suppen

Mittags

Desserts

Abends

ERKLÄRUNGEN, AUSBLICK UND VISION

FRÜHDIEWEICHENSTELLEN

DIEWERTSCHÄTZUNGDERPSYCHOSOMATIK

MEINEVISIONFÜREINELEICHTEREZUKUNFT

DANK

ANHANG

VERÖFFENTLICHUNGENVONRUEDIGERDAHLKE

QUELLEN

REGISTER

EINLEITUNG

VORSICHT VOR WERTUNGEN!

Von zentraler Wichtigkeit ist es, unsere Gewichtsmuster auf allen Ebenen aufzuspüren, sie zu deuten, um sie verstehen und anschließend wandeln zu können. Aber es geht keinesfalls darum, sie zu werten oder gar zu (ver)urteilen. Und Achtung: Von außen betrachtet können wir nie sicher sagen, ob etwas Entsprechung oder Kompensation ist.

Beim Buddha nehmen wir automatisch an, dass ein runder Bauch einem ebenso runden Leben entspricht. Möglicherweise und gar nicht selten verbergen sich hinter physischen Schwer- aber auch seelische Leichtgewichte im Sinn von Kompensation. So kann ein runder Körper auch ein rundes Leben ersetzen statt spiegeln.

Bevor wir uns bei dieser Symptomatik ins Werten oder Urteilen oder gar Verurteilen verirren, müssen wir diesen Punkt klären. Ein Muster ist nur zu deuten, wenn es mit Leid verbunden ist und wir zur Deutung aufgefordert sind. Also immer an Buddha denken – und dass sein runder lachender Bauch Ausdruck runder Vollkommenheit ist. Und immer Vorsicht vor Wertungen! Sie gehören weder zur Krankheitsbilder- noch zur Musterdeutung.

Wer genauer hinschaut und -horcht, findet oft bei einer Psychotherapie heraus, wie die körperliche Ebene des Übergewichts andere Themen nur überdeckt und lediglich Bühne für tiefere seelische Themen ist. Dann ist es notwendig, diese tiefere Ebene freizulegen und das eigentliche Problem dort zu lösen. Ähnlich wie bei archäologischen Ausgrabungen ist dabei achtsam und zugleich konsequent Schicht für Schicht abzutragen, bis sich in der Tiefe die wesentlichen Strukturen zeigen. Diese Arbeit muss leisten, wer sein Gewichtsthema nachhaltig lösen will.

Wertungen ganz zu vermeiden ist andererseits schwierig bis unmöglich, da auch unser Werkzeug, die Sprache, ausgesprochen wertend ist. Dem herrschenden Zeitgeist folgend spricht sie gegen dick und für dünn. Das gilt es bei der Suche nach dem eigenen Individualgewicht im Auge zu behalten, um uns nicht schon von der Sprache auf Irrwege leiten zu lassen. Oft habe auch ich eine aufrüttelnde und herausfordernde Sprache gewählt und den diesbezüglich besonders drastischen Volksmund und die Mundart als Kunst des Mundes zu Wort kommen lassen, das aber geschieht immer nur in der Absicht, das Thema bloßzulegen, aber niemals, um jemanden bloßzustellen. Es geht darum, mit treffenden Bemerkungen Betroffenheit auszulösen, um daraus Erkenntnis zu gewinnen, die ins neue Land des Individualgewichts führt.

Immerhin kennt unsere Sprache neben der modernen Abwertung alles Dicken auch noch dessen frühere Hochschätzung. Die Kunst der Stummfilm-Ära zeigt uns mit den Schauspielern Stan Laurel und Oliver Hardy als »Dick und Doof« das Umkippen der Sympathie. Der dicke Ollie ist zwar gemütlich, aber versucht doch ständig, den armen, doofen und dünnen Stan zu dominieren. So gewinnt der geplagte und gehetzte Stan bald die Sympathien der Zuschauer. Die Mehrheit dürfte sich damals eher mit seiner Rolle identifiziert haben. Mit der Zeit wurde Dick immer doofer. Wer schwer war, hatte es nach dem sich wandelnden Zeitgeist zunehmend schwer, vor allem auch weil es ihm immer schwerer gemacht wurde. Sein Leben wirkte beschwerlich, er galt als »Fresssack« und »Nimmersatt« wie der gefräßige, überblähte Kapitalist des 19. Jahrhunderts, der Archetyp des Aussaugers. Ab den Zwanzigerjahren des 20. Jahrhunderts galt solch dickes Dasein als »dicker Hund«, nur Abnehmen konnte hier Erleichterung schaffen. Heute, wo selbst Schweine schlank tragen, ist »fett« ein Schimpfwort oder doch zumindest anrüchig. Die fetten Schlagzeilen etwa deuten auf unseriöse, eingedickte Wahrheit hin. In der Mode werden die Dicken trotz ihrer Masse und wohl gerade wegen ihr auch in Zeiten von »Curvy Models« weitgehend ignoriert. Vollschlanke, madamige Moden sind wirtschaftlich sicher ein Renner angesichts großer Kundenscharen, doch es scheint, als herrsche Angst unter den Couturiers, ins Fettnäpfchen zu treten, ein fettiges oder gar ranziges Image zu bekommen. Sie tragen und respektieren den Trend wie ein Mann.

»Dick ist chic« bleibt da als gewollte Verteidigung im Fett stecken. Ältere Ausdrücke kennen jedoch die Hochschätzung des Runden noch. Eine »runde Sache« ist eben eine gute, ihr kann man »Gewicht und Bedeutung beimessen«. Jeder hat noch heute lieber eine »dicke Chance« als eine hauchdünne, und wir schätzen es noch immer, wenn unsere Meinung »Gewicht hat« in der Runde. »Das Dicke hat es«, wissen die Älteren. Wird die Schwangerschaft medizinisch als »Gravidität« bezeichnet, was »Schwere« heißt, weist das darauf hin, wie ehrenwert und ersehnt Gewicht früher war. Im Ausdruck »guter Hoffnung sein« schwingt Ähnliches mit. Zu seiner Zeit wollte Cäsar, laut Shakespeare, nur »wohlbeleibte Männer« um sich haben. Ein wohlbeleibter deutscher Politiker sagte: »Dünnleibige und griesgrämige Askese verleitet zu widerlicher Besserwisserei. Zu ihrem guten Gedeihen braucht vernünftige Heiterkeit ein kleines Polster.«

In grauer Vorzeit war Fett das mit Abstand wertvollste Material, unsere Urvorfahren nahmen nur das Fett der Mammuts mit, das Fleisch ließen sie zurück, wie uns Funde im ewigen Eis zeigen. Eiweiß lohnte den Transport nicht.

Bevor wir uns aber ganz in alten Zeiten verlieren, nochmals als wichtigste Vorbemerkung: Es geht hier weder um Wertung noch erst recht Bewertung von Mustern, sondern ausschließlich darum, sie zu finden, zu ent-decken. Fett ist Fett und nicht schlecht. Schon Paracelsus wusste, die Dosis macht das Gift. Der Volksmund sagt: »Zu wenig und zu viel ist der Narren Ziel.« Das richtige Maß aber ist wieder überaus individuell.

Leid ist oft, vor allem wenn es nicht geteilt wird, schwer nachvollziehbar. So kann jemand an drei Kilo Übergewicht durchaus leiden, während sich ein anderer mit 30 noch ganz wohlfühlt. Während sich eine Frau mit Größe und Gewicht ihrer Brüste einfach nicht abfinden kann, mag eine andere sie gerade darum beneiden. Wo einer noch stolz auf seinen Bierbauch verweist, mag ein anderer unter ein bisschen Hüftspeck deutlich leiden. Der einen Traumfigur mag für die andere durchaus unweiblich und kränkend sein.

Es ist einfach davon auszugehen, dass alles, was Betroffene leidvoll erleben, Symptom ist, damit Be-Deutung hat und folglich Deutung verdient. Insofern behandeln wir auch Symptome, die zum Beispiel medizinisch gar nicht als solche gelten, wie etwa Untergewicht. Auch sollte aus den Beispielen klar werden, dass der Einzelne immer nur für sich entscheiden kann, wie sehr etwas bei ihm Symptom ist. Ein Bierbauch könnte eines sein, aber ist er mit Freude akzeptiert, wäre es unsinnig und übergriffig, seinem Besitzer die entsprechende Bedeutung aufzudrängen. Nur wo Betroffene bereit sind, sich von der Botschaft ihrer Symptome betreffen zu lassen, ergeben Deutungen wirklich Sinn. Anderenfalls gehen sie eher in Richtung Einmischung und aufdringliche Besserwisserei. Im Übrigen werden sie in solchen Situationen, gerade wenn sie stimmen, heftigste Abwehrreaktionen auslösen – und das mit Recht.

Insofern ist es schon hier, zu Beginn unseres Unterfangens, wichtig, darauf hinzuweisen, dass dieses Buch für Betroffene geschrieben ist, um ihnen zu helfen, sich selbst in ihrem Symptom zu erkennen. Nur deswegen sind die Formulierungen so locker und oft umgangssprachlich hart gewählt. Gerade in der Übertreibung – etwa der Karikatur – liegt etwas Überdeutliches, Aufrüttelndes, und das ist hier beabsichtigt.

Wer schon bis hierher gelesen hat, darf sich klarmachen, dass er höchstwahrscheinlich betroffen ist. Und gerade von unangenehmen Wahrheiten profitieren wir, denn sie enthalten mehr Schattenanteile. Schatten aber ist der größte Schatz auf dem Weg der Selbsterkenntnis. Möglicherweise liegt die Betroffenheit auf einer anderen Ebene, aber sie wird da sein – sie zu entdecken ist eine Frage der Ehrlich- und der Findigkeit.

FRAGEN

1. Wie bewerte ich mein Gewicht?

2. Was sage ich darüber zu mir und zu anderen?

3. Was denke ich über mein (Aus)maß?

PRAKTISCHE HILFSMITTEL ODER TOOLS

Die Entdeckungsreise zur eigenen Gewichtsproblematik und ihr zugrunde liegenden Mustern ist ein Stück Selbsterkenntnis, die Verwirklichung des Individualgewichts ein Stück Selbstverwirklichung – der Weg zum Individualgewicht also Teil der Individuation nach C. G. Jung. Er wird von allem Anfang an sehr durch Aufzeichnungen – wenigstens in Stichworten – gefördert. Diese können wirklich stechen und in diesem Spiel zum entscheidenden Stich werden. Wann immer im weiteren Verlauf solch ein (Stich)punkt auftaucht, der piekst, trifft und betroffen macht, lohnt es sich also, ihn stichwortartig festzuhalten. Ähnliches lässt sich natürlich auch durch – farbig sogar abgestuftes – Unterstreichen oder »Highlighten« oder beides erreichen. Innerhalb der Stichworte ließen sich diese noch farblich beim Hervorheben differenzieren. So könnte Rot besonders heiße und persönlich betroffen machende Punkte herausheben, Orange immer noch treffende und Gelb wichtige. Grün könnte für Hoffnungsschimmer stehen und Blau für Beruhigendes.

So wird sich auf der Reise durch die Welt der Gewichtsprobleme nebenbei eine Art Steckbrief aus Stichpunkten des eigenen Musters ergeben.

Praktische Hilfen

• 5 Leuchtstiftmarker,

• 1 gefaltetes DIN-A4-Blatt als handliches Lesezeichen und für Stichworte,

• mehrere DIN-A4-Blätter,

• ein Muster-Tagebuch,

• Download mit den zugehörigen geführten Meditationen.

Fragen

1. Bin ich bereit, mich so wichtig zu nehmen, dass ich mir diese Mühe mache?

2. Leiste ich mir, dieses Buch zu meinem ganz persönlichen zu machen?

3. Traue ich mich, es richtig bunt zu treiben und anzugehen?

4. Habe ich Mut, mein Gewichtsmuster mittels meines eigenen Steckbriefs zu ent-decken? Den Deckel zu lüften?

5. Bin ich bereit, auch meine weibliche Seite der inneren Seelen-Bilder-Welten dazu zu nutzen, um mich zu durchschauen und umfassend zu erkennen?

AUF DEN SPUREN VON MISS MARPLE UND MR STRINGER

Wo wir unterwegs Anleihen bei der Kriminalistik machen, hat das gute Gründe: Wenig ist schwerer, als sich selbst auf die Spur und die Schliche zu kommen. Diese Spur gilt es als roten Faden auf dem Weg zum eigenen (Lebens)muster zu finden und ihr zu folgen. Das ideale Vorgehen gleicht dem genialer Kriminalkommissare. Damit der Steckbrief zum Schluss alle wichtigen Hinweise enthält und zur Basis wird, um aus dem Puzzle der verdächtigen Elemente ein Gesamtbild zu entwickeln, braucht es zwei wesentliche Aspekte. Aus dem steckbrieflich gesuchten Muster der einzelnen treffenden Stichpunkte ergibt sich die eine Lösung, wenn wir etwa dem Weg von Agatha Christie oder Arthur Conan Doyle folgen.

Traditionell verlässt sich Agatha Christies Miss Marple auf ihren brillanten Intellekt, beachtet im Film aber auch die Intuition ihres männlichen Vertrauten Mr Stringer. Ähnlich kooperieren beide Aspekte im Gespann von Sherlock Holmes und Dr. Watson. Pater Brown vereinigt beide notwendigen Seiten in sich, die archetypisch männlich-logische und die gefühlsbetont-weibliche.

Zur logischen Seite können die Ausflüge durch die Zeiten und Kulturen beitragen, Besuche bei den Essenstypen und Deutungen der Speisen. Da geht es darum, für das eigene persönliche Muster wesentliche Aspekte zu finden, wie aus der Analyse der Gegenwartskultur Hindernisse und mögliche Stolpersteine.

Der Stringer- und Watson-Effekt kann aus geführten Meditationen kommen (siehe Anhang), die die Intuition eigener Seelen-Bilder-Welten anzapfen. Tatsächlich geht es darum, sich selbst auf die Schliche zu kommen und sich zu überführen. Das zusammen führt – angereichert durch das Verständnis der Umstände – zur Grundlage für wirklich nachhaltige Wandlung.

Danach erst lässt sich erfolgreich mit sinnvoller Resozialisierung auf dem Boden des durchschauten Musters, aber in einem sinnvolleren konstruktiveren Rahmen beginnen. Dabei werden die Ur- oder Archetypen, Lebensmuster oder -bühnen helfen. Sie finden sich einerseits in den 12 Lebensprinzipien, andererseits als Reisen nach Innen auf den CDs des gleichnamigen Sets (siehe Anhang). Sie bringen bei diesem meist schwerwiegenden Thema die Ebene der Ideen ins Spiel, die schon Plato (ca. 428–348 v. Chr.) empfahl, als er hinter jedem Ding eine Idee postulierte. Einstein sagte, Problem- sei nie Lösungsebene, wir müssen also tiefer schürfen bei unserer Mustersuche. Paul Watzlawick (1921–2007) gab uns mit, immer mehr vom selben führe nie zu Lösungen, wie die Diätschwemme so anschaulich belegt.

FRAGEN

1. Habe ich den Mut, mein Gewichtsmuster mittels meines eigenen Steckbriefs zu finden?

2. Bin ich bereit, auch meine weibliche Seite der inneren Seelen-Bilder-Welten zu nutzen, um mich zu erkennen?

3. Traue ich mich, dazu geführte Meditationen zu machen beziehungsweise auf Reisen nach Innen zu gehen (siehe Anhang)?

MUSTER AUS ALLEN ZEITEN UND EIN MODERNESPROBLEM

Zahlenspiele

Ehe wir uns unter die Oberfläche, in die seelischen Tiefen der Fettberge wagen oder in den unausgefüllten luftigen Raum, den Untergewicht offenlässt, wollen wir sie oberflächlich und in Zahlen betrachten. Über die Hälfte der EU-Bürger ist übergewichtig. Die EU will angeblich dagegen angehen, dabei sind es gerade ihre in Brüssel tätigen Lobbyisten, die dem schweren Elend mit ihren industriefreundlichen Gesetzen und Bestimmungen den Weg ebnen. 60 Prozent der deutschen Bundesbürger sind übergewichtig, über 60 Prozent der Frauen in Deutschland wollen dringend abnehmen. Österreicher liegen noch knapp vor den Deutschen. Über sechzig gravierende Krankheitsbilder stehen im Zusammenhang mit Fettleibigkeit. Sie ist selbst ein gravierendes Risiko, erhöht aber auch das für Bluthochdruck und damit Herzinfarkt, das für Insulinresistenz und damit Diabetes Typ 2 – und stellte sich von daher als entscheidender Risikofaktor bezüglich Corona beziehungsweise Covid-19 heraus. Erhöht aber auch die Wahrscheinlichkeit für Krebs und Demenz, Asthma oder Allergien und vieles mehr.

Krankhafte Fettleibigkeit kostet Betroffene viele Lebensjahre und das Gesundheitssystem in Deutschland jährlich je nach statistischer Methode bis zu 60 Milliarden Euro.

Gewichtsprobleme sind in der reichen Welt vor allem Übergewichtsprobleme, wobei Untergewichtige natürlich nicht minder leiden, ganz zu schweigen von den Hungernden in der armen Welt.

Bevor wir weiter auf archetypisch männliche Art mit Zahlen spielen, ist der Frage nachzugehen, wo das Statistiken entspringende Übergewicht beginnt, und was ist überhaupt Normal- und was Idealgewicht?

Die gängige Methode zur Bestimmung des Normalgewichts verwendet eine vom französischen Anatomen und Chirurgen Pierre Paul Broca (1824–1880) eingeführte Formel: Körpermaß in Zentimetern minus 100 gleich Normalgewicht in Kilogramm.

Ein 170 Zentimeter großer Mensch hat demnach (170 minus 100) das Normalgewicht 70 Kilogramm. Idealgewicht ergibt sich durch nochmaliges Abziehen von zehn Prozent, also 63 Kilogramm (70 minus 7). Übergewicht fängt aber erst zehn Prozent über dem Normalgewicht an, also in unserem Fall über 77 Kilogramm (70 plus 7). Dazwischen ist definitorisches Niemandsland. Bei 20 Prozent über Normalgewicht sprechen Mediziner von »Fettsucht« (Adipositas), also in unserem Fall ab 84 Kilogramm (70 plus 14).

Diese Definitionen ergeben an sich wenig Sinn. Warum etwa beginnt Übergewicht nicht über dem Normalgewicht, sondern erst bei zehn Prozent darüber? Konsequenten Fragen halten die Definitionen kaum stand, und doch sind sie die Basis für viele medizinische Aussagen und so auch für die Selbsteinschätzung Betroffener und das daraus erwachsende Elend.

Statt uns mit weiteren Formeln und deren Kritik zu verzetteln, ist einfach festzustellen: Unser Individualgewicht ist jenes Gewicht, bei dem wir uns am wohlsten im Körper fühlen. Eine Normalgewichtsdefinition, die vom Idealgewicht abweicht, besagt im Übrigen, dass das bei uns Normale nicht ideal ist und das Ideale nicht normal. Das heißt das übliche, normale Gewicht verweist auf eine kranke Situation, und das Ideal ist bei uns inzwischen eher selten. Das Spiel mit Normalwerten ist zur Domäne der Schulmedizin geworden. Dabei werden die – überhaupt erst 1843 eingeführten – Normalwerte der kranken Gesamtsituation angepasst. So wird das Kranke plötzlich normal und groteskerweise das Gesunde unnormal. Dieses Schicksal ereilte auch schon Blutdruck- und Cholesterinwerte. Aber auch die Normalwerte sind relativ, der für Vitamin B12 etwa ist in Deutschland doppelt so hoch wie in England.

Das alles mag verdeutlichen, wie wenig Normalwerte über die Gesundheit Einzelner aussagen. Tatsächlich sagen sie nicht einmal viel über den Gesundheitszustand der Gesellschaft aus, vielleicht noch am ehesten über den herrschenden Geisteszustand.

Am besten fühlen wir uns, wenn Körper, Seele und Geist in Harmonie sind, das heißt zusammenpassen oder sich in Balance befinden – das ist tatsächlich unser aller Wohlfühl-, Ideal- oder am treffendsten Individualgewicht. Formeln und Namen sind noch viele entwickelt worden bis zum Body-Mass-Index (BMI). Aber letztlich geht es beim Idealgewicht um unser persönliches Gewicht, das nicht mit Zahlen und komplizierten Formeln einzufangen ist. Ich nenne es »Individualgewicht«, da es eben keiner für alle gültigen Formel gehorcht, nicht mal einer besonders komplizierten. Es gilt nur für uns ganz individuell und entzieht sich schon deshalb Formeln. Wer es dem Zeitgeist entsprechend unbedingt messen will, kann es besser im Spiegel ermessen oder erkennen oder auch noch in den Augen seiner Mitmenschen, aber jedenfalls nicht in einer Zahl. Es ist das Gewicht, bei dem wir persönlich uns gesund und wohlfühlen, und Wohlfühl- und Gesundheitsgewicht sind individuell.

Schon das Wort macht es deutlich: Die Vorsilbe »in« ist gleichbeutend mit »un«, also eine Verneinung, das lateinische dividere meint »teilen«. Insgesamt also meint In-dividualgewicht »ein mit niemandem teilbares, ganz persönliches Gewicht«, das nur für einen selbst gilt. Insofern hat es auch gar keinen Sinn, sich an fremden Idealen zu orientieren und mit ihnen zu quälen. Das anzunehmen sollte generell gar nicht so schwer sein. Tatsächlich gibt es unter Billiarden keine zwei gleichen Kieselsteine, warum sollte es unter Milliarden Menschen zwei gleiche geben? Nicht einmal eineiige Zwillinge haben die gleichen Fingerabdrücke, wie wir heute wissen. Wieso sollte es also auch nur zwei gleiche Gewichtsmarken geben?

Mit der Tendenz, alles zu verallgemeinern und Urprinzipiensysteme wie das Periodensystem nach Mendelejew oder das der Antike mit seinen zwölf Urprinzipien zur besseren Orientierung und Angstminderung zu (er)finden, kam als Schatten das Bedürfnis, alle und alles über einen Kamm zu scheren. Die Französische Revolution hat hier mit der Einführung allgemeinverbindlicher Maßeinheiten ganze Arbeit geleistet, der aber auch der erwähnte Schatten anhaftet. Die Menschen in Bali haben dem widerstanden. Bevor dort ein Gehöft gebaut wird, nimmt man das Maß von der Elle des Hausherrn und richtet alles daran aus. Aber moderne Hotelburgen ließen sich so natürlich nicht erstellen.

Natürlich hat das Metermaßsystem auch enorme Vorteile und ganz entsprechend auch die Ur- oder Lebensprinzipien, deren wir uns noch intensiv bedienen werden. Das Individuelle und das Kollektive sind die beiden Seiten der Medaille, die Ganzheit darstellt.

Ideale

Alte Ideale – etwa der Antike – waren nie in Zahlen, sondern in Bildern gehalten wie der aus Schulzeiten vertraute Spruch »Mens sana in corpore sano«: »Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper.« Bei genauerer Betrachtung heißt er allerdings: »Orendum est, ut sit mens sana in corpore sano«: »Es ist zu beten, dass ein gesunder Geist in einem gesunden Körper wohne.« Wenn darum gebetet werden musste, war es wohl schon damals meist eher nicht der Fall. Und obendrein blieb die Frage offen, was ein gesunder Geist und Körper sei.

Nehmen wir das Ideal der Antike, wie es sich in den Skulpturen eines Praxiteles spiegelt, war es ein schlanker, muskulöser männlicher Körper und ein eher vollschlanker weiblicher mit sehr weiblicher Beckenform und – gemessen an heutigen Vorstellungen und Vorlieben – vergleichsweise kleinen Brüsten. Dieses weibliche Ideal hielt sich bis in die Renaissance und darüber hinaus, wie Bilder von Leonardo, Raffael und Tizian spiegeln. Das Männliche wurde in Michelangelos Darstellungen in der Sixtinischen Kapelle eher noch männlich-muskulöser, wenn er auch seinem David in Florenz eine schlanke drahtige Gestalt gab. Während das allgemeine männliche Ideal recht ähnlich durch die Zeiten blieb, unterlag das weibliche durch die Zeiten und Kulturen häufigem Wandel.

Die drei Grazien von Rubens, damals Schönheitsideale, leiden aus heutiger Sicht schwer unter schwerster Cellulite, also in der Moderne völlig aus der Mode gekommenem weiblichem Gewebe. Die Frage ist nun: Sind Rubens’ Grazien schwer krank oder das ausgesprochen unweibliche Ideal der Moderne? Ist möglicherweise das Weibliche an sich in der Moderne aus der Mode gekommen?

In meinen guten vierzig Arztjahren habe ich viele Menschen zu ihrem persönlichen Idealgewicht, das heißt ihrem Individualgewicht, begleiten dürfen. Es war immer berührend, wie glücklich dessen schlussendliches Erreichen sie machte.

Das gilt auch für diejenigen, die sich scheinbar und angeblich mit erheblichem Übergewicht abgefunden hatten, wie viele US-AmerikanerInnen, die für den europäischen Geschmack trotz dramatischer Ausmaße verblüffend selbstbewusst und -sicher auftreten. Aber gerade sie waren besonders froh, wenn sie das Überspielen dieser Beschwerden machenden Schwere aufgeben konnten und sich in mehrerer Hinsicht erleichtert fühlen durften. Es ist ihnen offensichtlich doch schwergefallen, ihre Schwere leichtzunehmen und -zureden und ihre überbordende Figur schönzureden. Sobald sie sich erleichtert und befreit hatten, kam eine oft geradezu euphorisierende Erleichterung auch auf seelischer Ebene in ihr Leben und zum Tragen. Individualgewicht ist wahrscheinlich immer ungleich erträglicher als alle Rationalisierungen.

Im Erleben ihrer neuen Leichtigkeit, naturgemäß ungleich leichter zu (er)tragen, war ihnen, als fielen ihnen langsam, aber sicher große und manchmal gewaltige Lasten von ihren Schultern, vom Herzen und von den Hüften.

Ähnlich, nur umgekehrt, erlebten es Untergewichtige, die zu ihrem Wunsch- beziehungsweise Individualgewicht aufstiegen und endlich den Raum einnehmen konnten, der ihnen zusagte und vor allem behagte.

Das eigene Wunsch- und Individualgewicht hat offenbar auch Bezug zum Gefühl, sich wichtig nehmen zu können und eine (ge)wichtige Position im Leben einzunehmen. Als ausgesprochenes Leichtgewicht fühlen sich viele ebenso wenig wohl, wahrscheinlich nach dem Spruch »Gewogen und zu leicht befunden«. Wir wollen offensichtlich wichtig sein und eine (ge)wichtige Stellung einnehmen. Aber Übergewicht will praktisch niemand. Wer das behauptet, hat – nach meinen Erfahrungen – meist einfach resigniert und den Kampf um sein Leben schon weitgehend aufgegeben. Wobei die Leichtgewichte sogar noch eher resignieren. Das heißt, praktisch alle Menschen sehnen sich nach ihrem persönlichen Individualgewicht, auch wenn das – wie gesehen – nicht objektiv, sondern kultur- und zeitabhängig ist.

Leider ist das Idealgewicht aber gar nicht immer identisch mit dem Individualgewicht. Letzteres ist wie gesagt hauptsächlich vom eigenen Wohlgefühl abhängig, das Idealgewicht jedoch in einem Kulturraum wie dem der westlichen Moderne vor allem von Modeidealen. In von Nahrungsmangel geprägten Zeiten waren vollschlanke Figuren besonders bei Frauen, aber auch Männern in Mode, wenn wir etwa an den Prototypen des Kapitalisten denken. Das vollschlanke Damenideal reicht sehr lange zurück, tatsächlich über die Frauengestalten von Peter Paul Rubens bis direkt zur Venus von Willendorf und ähnlich gewaltigen Figuren der Großen Göttin, die in fast allen Kulturen die frühe Zeit nicht etwa dominierte, sondern wohl eher »feminierte«. Es gab lediglich zwischenzeitlich kurze Einbrüche bezüglich dieses vollschlanken Ideals wie zur Zeit der Reformation, als die Gläubigen vor allem Buße tun und sich vor Gott geißeln sollten. Da malte Hieronymus Bosch dürre Gestalten, die vor dem Jüngsten Gericht zitterten. Seitdem hat sich die Menschheit aber scheinbar nie mehr ganz von dieser Elendsphase erholt. Unsere von kollektivem und individuellem Ehrgeiz geprägte Zeit verlangt offenbar ebenfalls ausgehungerte Gestalten, wie wir sie von hungernden Kindern aus Afrika kennen mit obendrein hohen Backenknochen, die auch dem Gesicht etwas Leidendes verpassen. Das spiegelte sich bald in magersüchtigen Models nach dem Vorbild Twiggys wider, die das neue nicht nur krank wirkende, sondern wirklich kranke Ideal wie keine andere prägte.

Da Figurideale von Zeitströmungen geprägt sind, ist es notwendig, sie zu durchschauen, um nicht kranke Figurmuster zu kopieren, die tatsächlich weit vom Individualgewicht entfernt sind. Twiggys spätes Bekenntnis, dass ihre Figur dem Krankheitsbild Magersucht geschuldet war, kam viel zu spät. Die fast die ganze westliche Welt erfassende Prägung war längst erfolgt. Das Eingeständnis ihrer damals (lebens)bedrohlich kranken Situation konnte das Elend nicht mehr von den Laufstegen holen.

Rückwirkende Einsicht kommt auf allen Ebenen meist zu spät. Auch politisch hat es wenig genutzt, zurückschauend die absurden Geschichten zu durchblicken, die als Vorwände für Kriege herhalten mussten.

Wie konnte es zu so einer Verkehrung, diesem regelrechten Un-Sinn kommen? Ganz einfach: Im Patriarchat erfordern alle Spitzenpositionen Männer. Das gehört zum Wesen des Patriarchats, das sich nun wohl endlich dem Ende zuneigt. Aber noch ist es am Ruder und wohl der Grund, warum sich im Fernsehen praktisch nur männliche Spitzenköche den Löffel in die Hand geben, obwohl weltweit sicher ungleich mehr Frauen kochen. Nach dieser einseitigen Logik mussten eben auch die Spitzenschneider Männer sein, obwohl offensichtlich weltweit ebenfalls viel mehr Frauen viel mehr Kleider und auch Hosen schneidern. In der Wirtschaft haben weiterhin Männer die Hosen an. Und wenn Frauen Spitzenpositionen anstreben, müssen sie sich auch in jeder Hinsicht Hosen anziehen und männlich geben und agieren – wie auch die männlichen Polit-Frauen von Indira Gandhi über die Eiserne Lady Thatcher bis zu »Mutti« Merkel. Immerhin gibt es seit Neuestem vor allem in Skandinavien, aber auch in Neuseeland und Schottland Präsidentinnen, die sich auch öffentlich (arche)typisch weibliche Gedanken leisten (dürfen).

Nun hat es aber wenig Sinn, etwa aus weiblicher Sicht auf männliche Modeschöpfer, Medien und die patriarchale Gesellschaft zu projizieren. Die Mainstream-Medien und Mode-Linien kommen damit nur durch, weil wir ihnen diesen Unsinn – im wahrsten und doppelten Sinne des Wortes – abkaufen. Würden wir den Couturiers ihre einseitig-patriarchale Mode nicht abnehmen, das Fernsehen abdrehen, wenn es nur männliche Köche präsentiert, wäre sehr rasch Schluss mit dem einseitigen Un-Sinn. Industriekonzerne produzieren garantiert nur, was wir ihnen abkaufen, die Mainstream-Medien können nur Einseitigkeiten senden, die wir uns (an)bieten lassen. Sobald wir damit aufhören, müssen auch sie aufhören. Wir haben als Konsumenten in einer völlig auf Konsum abgestellten modernen Welt ungeheure Macht. Was wir nicht konsumieren, ist out, und konsumieren meint hier nicht nur kaufen, sondern auch akzeptieren und uns gefallen lassen.

Insofern hat es auch keinen Sinn, beziehungsweise ist sogar Unsinn, einem völlig kranken Mode-Figur-Ideal nachzueifern, das so daneben ist, dass es wohl die meisten Mädchen und Frauen unglücklich macht.

FRAGEN

1. Traue ich mich, meinen eigenen Weg zu meinem ureigenen Individualgewicht zu finden?

2. Wie abhängig fühle ich mich von der Einschätzung anderer?

3. Welche Rolle erlaube ich den Idealen der Modeschöpfer in meinem Leben zu spielen?

4. Traue ich mich, zu meinem persönlichen Geschmack in der Partnerwahl zu stehen?

Das Ideal der Antike

Das bis heute in Bildungsbürgerkreisen anerkannte, obwohl dem modernen Zeitgeschmack widersprechende Form- und Figurideal der Antike mag helfen auf dem Weg zum Individualgewicht. Das Formgeheimnis der Antike liegt in der Harmonie des Ganzen, die das Detail vergessen lässt. Nicht das Gewicht steht hier im Mittelpunkt, sondern der Gesamteindruck, den dieser Mensch ausstrahlt. Die Griechen verwendeten noch keine Fettwaage, ihnen ging es um Ausgewogenheit. Das rechte Maß entstammte offensichtlich nicht Tabellen und Statistiken, sondern war eine ästhetische Frage des Gleichgewichts und Geschmacks. In der Moderne hungern und kasteien sich Menschen oft zu »ihrem« Ideal- oder Normalgewicht, ohne körperlich oder seelisch im Gleichgewicht zu sein.

Die Antike liefert uns so einen weiteren Hinweis, dem modernen, quantifizierenden Blick zu misstrauen, und neuerliche Anregung, lieber nach dem eigenen individuellen Maß, der persönlichen goldenen Mitte, Ausschau zu halten. Der Goldene Schnitt ist heute nicht zufällig in Vergessenheit geraten. Der Muschelspirale und damit der Natur nachempfunden bringt er formvollendete Ausgewogenheit und Proportion ins Spiel (des Lebens) und ist in jedem Fall für jedes Maß ganz individuell und nicht durch Zahlen, sondern deren Verhältnis zueinander bestimmt.

FRAGEN

1. Welche Rolle spielen Harmonie, Gleichgewicht, Balance in meinem Leben?

2. Sagt mir der Goldene Schnitt noch etwas?

3. Welche Rolle spielen Proportionen für mich?

4. Was weiß ich über meinen Geschmack?

5. Habe ich Geschmack und zeige das auch?

6. Habe ich keinen und weiß das gar nicht?

7. Habe ich keinen und weiß es, kann mich also beraten lassen?

Das Runde über das Kantige

Das Runde ruht in seiner Existenzfülle eher in der Mitte und steht für Zufriedenheit, Selbstsicherheit und Großzügigkeit, während das Dünne, Dürre aus der Mitte gefallen wirkt und so von Heimat- und Ruhelosigkeit und der Sehnsucht nach Rückkehr zur Vollkommenheit spricht. Dem in sich ruhenden Buddha steht da der unbefriedigt nach Erfüllung hungernde Asket gegenüber, getrieben von seiner Sehnsucht, die fehlende Hälfte zu finden.

Der ruhende Pol der Mitte und der danach jagende, sich aufreibende Streber sind zwei archetypische Musterbeispiele. Ersteres ist im Westen heute kaum zu finden, Letzteres dafür massenhaft im Heer der »Workaholics«.

Den fetten Jahren entsprechen die wohlgenährten, rundlichen, gemütlichen Menschen, die es sich leisten können, aus dem Vollen zu schöpfen und geradezu verschwenderisch aus der Fülle zu leben. In der Dürre aber müssen sich die entsprechend Dünnen im Schweiße ihres Angesichts plagen, um ihr Leben zu fristen, sich überhaupt durchzubringen. Sie erinnern uns besonders drastisch an die Halbierung der ursprünglichen Plato’schen Kugelmenschen durch Zeus (siehe weiter unten): geteilt, vereinzelt, von der Ganzheit getrennt.

Diese grundsätzliche und für die heutige Zeit ungewohnte Hochschätzung der rundlichen Figur hat ihre Entsprechung in der klassischen Homöopathie. Diese rechnet rundliche Typen der lymphatischen Konstitution zu, die sich durch ihr pralles, vitales Gewebe auszeichnet, das noch die Regenerationskraft des Kindesalters bewahrt. Am Anfang des Lebens gehören wir fast alle zu diesem Naturell. Die dem hageren, ausgezehrten Menschen entsprechende Konstitution wird – nomen est omen – »destruktiv« genannt. Hier bleiben bei aller Zähigkeit kaum Regenerationskräfte und eine deutlich verminderte Vitalität.

Die grundsätzlich bessere Lebensperspektive des Runden kommt – allen Risikofaktoren bei seiner Übertreibung zum Trotz – auch in ihren vielfältigeren Möglichkeiten zum Ausdruck. Rundliche Pykniker sind imstande, durch bewusste Entscheidung die Figur und Form ihrer Wahl anzunehmen. Hageren, leptosomen Typen fehlt diese freie Wahl im selben Maße.

Wichtig bei all diesen Vorgedanken als Basis für spätere Deutungen ist die Erkenntnis, dass es offensichtlich sinnvoll ist, Gewichtssymptome nur im Zusammenhang des jeweiligen Lebensmusters zu deuten.

Leibesfülle kann, wie beim Buddha gesehen, innere Fülle und Rundheit spiegeln nach dem Motto »Wie innen, so außen«. Sie kann aber auch die innere Verzweiflung und Frustration ausdrücken nach dem heute gängigeren Motto »Wenn schon nicht innere, dann wenigstens äußere Fülle und Ganzheit«.

FRAGEN

1. Spricht mein Übergewicht eher für Kompensation eines Problems?

2. Was fällt mir spontan mit dem ersten aufsteigenden Gedanken dazu ein, wovon?

3. Oder spiegelt es meine innere Rundheit?

4. Warum lese ich dann dieses Buch?

FRAGEN

1. Drücke ich als schlanke Ranke meinen Ehrgeiz aus?

2. Oder kompensiere ich etwas damit?

3. Oder spiegelt meine superschlanke Figur einfach meinen Wunsch und Willen aufzusteigen, ohne viel Ballast mitzuschleppen?

Individualgewicht in Raum und Zeit

Bevor wir uns den Mustern widmen, die uns vom Erreichen unseres Individualgewichts trennen, ist es wichtig, sich klarzumachen, wie relativ Figur- und Gewichtsideale zu allen Zeiten und in allen Kulturen waren. Beim Betrachten solch unterschiedlicher Ideale geht es aber auch schon immer darum, in allen Zeiten und Kulturen eigene Anteile zu identifizieren und zu markieren.

Auch wenn es für so individuelle Wesen wie uns Menschen kein für alle gültiges Ideal-, sondern nur ein Individualgewicht geben kann, haben wir alle ein Gefühl, was mit Über- und Untergewicht gemeint ist, wann wir jemanden dick und wann dünn finden. Interessanterweise hat aber jeder von uns sein eigenes Gefühl in dieser Hinsicht. Generell werden unsere Gefühle beziehungsweise Geschmäcker einige Ähnlichkeit aufweisen und sich in ihrer Gemeinsamkeit wiederum vom Geschmack anderer Kulturen, anderer Länder und erst recht anderer Zeiten unterscheiden. Wer könnte bezweifeln, dass einige von uns schlanke und andere üppige Formen bevorzugen. Es ist ein Glück und hat seine Gründe.

Wir könnten argumentieren, mit anderen Zeiten und Kulturen nichts mehr zu tun zu haben, aber tatsächlich schwingen in uns noch so viele Einflüsse aus anderen Zeiten und Kulturen wesentlich und bestimmend mit. Wer nur 35 Generationen zurückgeht, ist schon mit allen Menschen auf Erden verwandt und sogar mit allen, die je hier auf ihr gelebt haben. Insofern ist es wichtig, sich beim Lesen zu beobachten und zu erspüren, was bei uns selbst aus anderen Zeiten und Kulturen da ist und auf dem Individuationsweg zum Individualgewicht helfen kann.

Da unser Individualgewicht in gewissem Ausmaß zeit- und kulturabhängig ist, lohnt es sich, diese geistig zu bereisen, um zu erkennen, was da von wann und wo hängengeblieben ist und unseren Weg und Geschmack mitbestimmt.

Im Osten, etwa Indien, treffen wir auf ein unserem heutigen konträres Ideal: Runde, üppige Formen und Fettpolster gelten als schön, stehen sie doch für Reichtum und Überfluss. Gewicht wird noch direkt mit (Ge)wichtigkeit assoziiert und zeigt, dass man es nicht nötig hat, sich zu bewegen oder gar zu arbeiten. Reiche Inder ließen sich gern von ihren dünnen, gehetzten Dienern tragen. Die runde Frau drückt obendrein noch den Reichtum ihres Mannes aus, ist sein stattliches Aushängeschild, seine Trophäe, und dokumentiert sein gesellschaftliches Gewicht. Frühere Hollywoodfilme kamen hier nicht an wegen der »unattraktiv dünnen« Frauen – für uns erstaunlich angesichts sprichwörtlicher Kurvenstars à la Jayne Mansfield, Marilyn Monroe oder Sophia Loren.

Aber auch schon in Italien, dem beliebtesten Urlaubsziel der Deutschen, durfte die »Mamma« bis vor Kurzem eine Üppigkeit zur Schau stellen beziehungsweise tragen, die bei uns schon längst verpönt war. »Mamma« war noch Matrone, was ein heruntergekommener Ausdruck für »Große Mutter« ist, figürlich rund wie ihre Pizza und Zentrum der Familie. Die Familie ihrerseits war von zentraler Wichtigkeit, von der kleinen eigenen bis zur großen der Mafia. Mütterlichkeit aber wurde, in Anlehnung an den Überfluss von Mutter Natur, mit wogenden Brüsten und überfließender Fülle assoziiert, breitem, gebärfreudigem Becken und einem Schoß, auf dem »Mann« und die Kinderschar noch ausruhen konnten. In unserer Gesellschaft, die für Mütterlichkeit und Warmherzigkeit kaum noch Raum bietet und der Mutter bei weitem keine so tragende und schwerwiegende Rolle zugesteht, wurde solche Fülle nie so wohlwollend betrachtet.

Die moderne Industriegesellschaft gesteht, ihrer Wertskala entsprechend, (schwer)gewichtige Behäbigkeit noch am ehesten erfolgreichen Männern nach der Lebensmitte zu. Bei männlichen Politikern etwa akzeptieren wir zum Teil erhebliches Übergewicht. In intakten Indianerkulturen wäre so etwas undenkbar. Wer möchte sich Ludwig Erhard oder Helmut Kohl zu Pferd vorstellen? Abgesehen von der damit einhergehenden Tierquälerei wirkten Anführer von solch unförmiger körperlicher Aufgeblasenheit für indianische Augen wohl grotesk.

Reisen durch Raum wie Zeit bringen uns sehr schnell zu verschiedensten Mustern und Idealen. An Zeiten, in denen figurlose Mannequins im Gefolge der bereits genannten Twiggy den Trend bestimmten, erinnern wir uns gut. Um die vorletzte Jahrhundertwende wäre sie auch bei uns noch als mitleiderregend und chancenlos bedauert worden. Im Gegenzug bekämen die vollschlanken Idealfrauen jener Zeit heute in jeder Modellagentur die Tür gewiesen. Sie wären jetzt wohl alle »auf Diät«.

Ähnlich ginge es wohl dem Schönheitsideal der italienischen Renaissance, Leonardo da Vincis Mona Lisa. Kaum besser erginge es Schönheitsidealen der klassischen Antike. Idealfrauen unserer Vergangenheit – wie die Bavaria in München oder die Freiheitsstatue in New York – erinnern figürlich ebenfalls an Wagners Walküren und wären heute als Models chancenlos. Auch an mittelalterlichen Idealfrauen, in unserer Zeit als Denkmal gegossen, ließe sich eine Menge Bronze sparen. Insofern könnte der Verdacht aufkommen, statt allen anderen Zeiten unserer ein Figurproblem beim Weiblichen zu attestieren.

Dabei gab es auch das Twiggy-Ideal lange vor unserer Zeit schon einmal im späten Mittelalter, wie die Malerei verrät. Auf Bildern von Hieronymus Bosch und niederländischen Zeitgenossen leiden gepeinigte abgemagerte Sündergestalten wie gesagt an ihrer eigenen skeletthaften Erscheinung. Die Kunst spiegelt jenen Totentanz, den das Leben unter Einfluss des zu jener Zeit besonders lebensfeindlichen Christentums darstellte. Aber bald darauf schwemmte sprichwörtliche Rubens’sche Fülle das dürre Askese-Ideal auf einer Welle von Üppigkeit und Lebenslust davon. Die spindeldürren Spinnenwesen mussten der Grazie der Vollschlanken wieder weichen.

Sowohl für das Leben generell wie auch für das individuelle Leben der Damen der Zeit muss diese Revolution eine unvorstellbare Befreiung gewesen sein – nach atemberaubender Enge solche Weite. Das Aufatmen lässt sich geradezu in den malerischen Dokumenten der Zeit spüren.

Im Spiegel der Zeiten zeigt sich ein beständiger Wechsel der Ideale. Auf dürre Ästhetik im Büßergewand der Reformationszeit folgt eine füllige Zeit, die das mütterliche Ideal betont, um im 18. Jahrhundert wieder in ein graziles zur »Wespentaille« zusammengeschnürtes Ideal überzugehen, im folgenden Jahrhundert wieder überbordender Fülle zu weichen, wo es sich die Damen nicht verkneifen konnten, Po und Hüften noch künstlich aufzubauschen. Es ist wie zu Josephs biblischen Zeiten in Ägypten: Auf sieben fette Jahre folgen sieben dürre.

Einem schwingenden Pendel entsprechend zeigt sich ein Rhythmus, dessen Durchschauen es uns erlauben könnte, statt zu leiden, sich seiner Zeit voraus zu fühlen oder auf figürliche Nostalgie zu setzen und sich in seinem Individualgewicht zu etablieren und so richtig wohlzufühlen.

Wer durchschaut, wie Figurideale das weltanschauliche Menschenbild ihrer jeweiligen Zeit spiegeln, könnte sich über diesen Durchblick von diesem Ideal ein gutes Stück distanzieren. Das würde ein weiteres Stück Freiheit schenken auf dem Weg zum eigenen Individualgewicht. Das asketische Büßerchristentum der Reformationszeit frönte dem dürren, gepeinigten Sünder, der bekennend und bereuend sein Leben durchlitt. Die folgende Zeit neigte ganz selbstverständlich dazu, Langversäumtes genussvoll nachzuholen und sich voller Sinnlichkeit Leben und Kunst hinzugeben. Die Figuren durften sich sogleich wieder befreien und zeigen, dass von nun an Kostverächter auf jeder Ebene weniger gefragt waren. So bilden sich Ideale und Werte einer Zeit konsequent in Erscheinungsbild und Figurideal ihrer Menschen ab. Aber müssen wir da um jeden Preis, etwa den unseres Lebensglücks, mitmachen?

Setzt die Gesellschaft etwa auf Nachkommen, wird sie Mütterlichkeit und Gebärfreudigkeit hochschätzen und in der Mode betonen. Steht sie dagegen auf Nullwachstum in dieser Hinsicht in ökologisch so verantwortlichen Zeiten wie unserer, werden Mütterlichkeit und entsprechend ausgebaute Figuren gering geachtet.

Das durchschauend und den Hintergrund verstehend läge es nicht nahe, sich persönlich von solchen Strömungen frei zu machen und abzukoppeln? Und lieber eigene persönliche Wege zum Individualgewicht einzuschlagen und darauf auch noch stolz zu sein?

FRAGEN

1. Meine jetzige Figur passt in welche Kultur?

2. Und in welches Zeitalter?

3. Könnte es sein, dass ich etwas aus dieser Zeit und Kultur mitbringe und körperlich ausdrücke?

4. Wie könnte ich das noch, außer figürlich?

5. Kann ich den Mut aufbringen, bei der Mode gegen den Strom zu schwimmen?

6. Welches Frauenideal bestimmt mein Leben als Frau? Als Mann?

7. Wie kann ich mein Ideal mit meiner Figur verbinden?

Mitgift auf dem Weg zum Individualgewicht

Wie aber wurde dieses Desaster möglich? Pykniker sind das Erfolgsmodell der Evolution, und insofern sind sie heute die überwältigende Mehrheit. Das beschert uns inzwischen ein Thema mit Übergewicht, denn seit circa siebzig Jahren stehen erstmals für fast alle in unseren Gesellschaften mehr als genug, wenn auch zunehmend leere Kalorien zur Verfügung. Es war deren Jahrtausende währende Knappheit, die uns zum Erfolgsmodell der Entwicklungsgeschichte machte. Denn wir machen etwas aus dem, was wir essen. Man sieht das bei uns auch gleich, zeigen wir doch, was wir haben, indem wir rasch Fett ansetzen. Das war die längste Zeit ein großer Vorteil. 99,9 Prozent der Vergangenheit war die Venus von Willendorf das Schönheitsideal. Die dünne Gestalt Twiggys ist es seit fünfzig Jahren. Folglich haben Pykniker sich genetisch auf breiter Front durchgesetzt. Die schlanke Linie ist viel zu neu, als dass die Leptosomen damit schon hätten zahlenmäßig punkten können.

Noch heute gilt in der islamischen Welt der Satz, eine Frau ohne Bauch sei wie ein Himmel ohne Sterne. Und was wäre ein Himmel ohne Sterne, ein Bauchtanz ohne Bauch?

Pykniker legen Vorräte an, um immer ein gutes Polster zu haben. Das war über Jahrmillionen unser Vorteil. Die Leptosomen können futtern, so viel sie wollen, alles wird gleich verbrannt, und Vorratsbildung bleibt ihnen körperlich fast verwehrt. Sie haben sich nur durch ihre Zähigkeit in der Entwicklungsgeschichte durchgeschlagen.

Athleten lernen, Nahrung in Muskeln umzuwandeln. Die aber brauchen weiterhin viel Futter, was die längste Zeit schwierig zu beschaffen und also kein Vorteil war. Außerdem müssen Athleten ständig hart (an sich) arbeiten. Als Vorteil hatten sie früher die Demonstration ihrer Kraft bei der Partnerwahl. Das ließ ihre Gene überleben.

Aber in Wirklichkeit überlebten in der Evolution gar nicht die Stärksten. Dieser Irrtum geht auf Darwins Fehlübersetzung im Deutschen zurück. Bei ihm heißt es survival of the fittest, nicht the strongest. Sonst müssten die Dinos noch da sein, nicht die Insekten. Den Pfau etwa machen seine langen Schwanzfedern keineswegs physisch stark, nicht mal fit, denn sie behindern ihn beim Laufen wie beim Fliegen. Aber da Frau Pfau auf das Rad, das er damit schlagen kann, so sehr steht, hat er eine starke, anmachende Ausstrahlung. Diese machte ihn fit – wie den Athleten – im Partnerschaftswettbewerb und sicherte ihm so sein Überleben durch die Zeiten. Darwin hat das Überleben der Schönsten übersehen. Ihm zuliebe könnten wir aber auch Attraktivität als einen Aspekt umfassender Anpassung anerkennen.

Allerdings ist das athletische Ideal lange nicht mehr so hilfreich wie bei der frühen Partnersuche, zählen doch heute ganz andere Werte mehr. Frauen schauten immer mehr auf Ansehen als auf Aussehen. Letzteres hielten nur Männer immer für so wichtig, weil sie selbst so funktionieren und ihnen Aussehen oft über alles geht. Ansehen ist heute insgesamt – jedenfalls für Menschenmänner – viel wichtiger und kommt dadurch zustande, dass einen viele ansehen. Im Tierreich ist das ganz offensichtlich. Das Tier, auf das sich am meisten Augen richten, ist der Chef des Rudels, Schwarms oder der Herde. Insofern hat sich da auch bei uns nicht so viel verändert. Allerdings punkten im Tierreich die Männer mehr mit Schönheit, die Weibchen mehr mit Fruchtbarkeit.

Wo wir entwicklungsgeschichtlich herkommen, bleibt weiterhin wichtig. Die pyknische Konstitution können wir, wann und wie immer wir wollen, in eine athletische umwandeln. Dazu müssen wir uns nur entsprechend anstrengen und trainieren, was das Zeug beziehungsweise die Muskeln halten. So lässt sich Nahrung in Muskulatur verwandeln. Wir können aber auch durch Reduktion der Kost oder deren geschicktes Management schlank werden. Pyknikern stehen also alle Optionen offen. Das können wir dankbar annehmen, denn an unserer Konstitution lässt sich sowieso nicht wirklich etwas ändern.

Wer sich etwa als kleiner Pykniker mittels Eingriffen vonseiten übergriffiger Mediziner strecken lässt durch viele absichtliche Beinbrüche und anschließendes Auseinanderziehen der Bruchstücke, wird lediglich zur pyknischen Witzgestalt. Auf seinen Eigenbaustelzen wirkt er disproportioniert, beim Gehen und Laufen behindert. Wer dieses Elend auf sich nahm, weil Größere (im Partnerschaftswettbewerb) erfolgreicher sind, hat sich im wahrsten Sinne des Wortes ins eigene Fleisch geschnitten beziehungsweise schneiden lassen. Auch hier ist es viel geschickter, sich innerlich aufzu»manteln« und statt physisch lieber seelisch und sozial, geistig und spirituell zu wachsen. So viele kleine Männer etwa haben – wohl vor allem aus Kompensationsgründen – so Großartiges geleistet, nicht nur Mozart und Smetana. Pykniker haben also die Wahl, und dieses Buch kann dabei helfen, die eigene Wahl auch zu verwirklichen.

FRAGEN

1. Zu welchem Konstitutionstyp bin ich zu rechnen?

2. Auf welchen Typ stehe ich beim anderen Geschlecht?

3. Setze ich bei mir auf An- oder auf Aussehen?

4. Und wie ist es bei der Partnerwahl?

Auf den Spuren der schlanken Linie

Was war los, als aus dem vollschlanken Ideal der Jahrhundertwende das der schlanken Ranke wurde? Ende des Ersten Weltkriegs eroberte von Paris aus, schon damals Hauptstadt des guten Geschmacks und des Zeitgeistes, in der Damenmode der Garçon, zu Deutsch »Bub« oder »Junge«, die »kultivierte Welt«. Der zugehörige »Bubikopf« war in der Haarmode eine Revolution. Bis dahin waren Frauen mit kurzen Haaren absolut undenkbar – aber eine Eva wagte es, und andere folgten ihr.

»Alte Zöpfe« fielen in dieser Zeit überall. Andere Merkmale reifer Weiblichkeit gingen mit über Bord. Volle Brüste, breite Becken, der wiegende Gang der Hüften, um die Jahrhundertwende noch unverzichtbar, waren in den Zwanzigerjahren bereits überholt. Schon die Abwertung des Beckens zeigte: Gebärfreudige Zeiten waren vorbei. Die neue Frau setzte auf die »neue Linie«, und die war durchaus wörtlich zu nehmen. Eine Linie hat nichts Ausladendes, und so fiel alles Üppige dem Zeitgeist zum Opfer, wurde beseitigt oder doch versteckt. Das Figurideal wurde unter dem Strich betrachtet einfach zu selbigem – ein Strich in der Landschaft oder eben männlich: Auch Frauen traten ab jetzt schmalbusig und -hüftig auf, die neue Frau war schlank und rank wie ein hübscherer Junge.

Analog führte zu jener Zeit Schmalhans das Regiment in den Küchen. Das Formideal entsprach der schweren Zeit. Europa lag in Trümmern wie nie zuvor. Dazu kam der völlige Zusammenbruch des über Jahrhunderte gewachsenen gesellschaftlichen und staatlichen Gefüges. Gleichsam über Nacht im Industriezeitalter gelandet, das neue Freiheiten, aber wenig Sicherheit oder Geborgenheit bot, war die Mehrheit bis an ihre Grenzen ge- und die meisten wohl überfordert.

Wer es zu etwas bringen wollte, musste das aus eigener Kraft und Anstrengung. Und hier wollte, sollte und musste die neue Frau mit zupacken, sollte ihren Anteil an der Last tragen, und da waren lange Haare und Reifröcke eher hinderlich.

Das »Weib«, über Jahrhunderte auf Heim, Herd und Kinder fixiert, wurde zum Kameraden, der an der Seite des Mannes mit ihm durch dick und dünn und in diesen Zeiten besonders durch dünne Phasen gehen musste.

Wiederum entsprach die Mode dem Zeitgeist, der zumindest bei den Pflichten auf Gleichberechtigung setzte und junge Mädchen wie gleichaltrige Jungen anzog, junge Frauen wie junge Männer, den Busen flach geschnürt, die Hüften weggetrimmt und die Schultern betont. Wer dünn und dynamisch unterwegs war, hatte beim Neuanfang bessere Chancen: Die schlanke Ranke machte also das Rennen, runde, weiche Weiblichkeit hatte dagegen keine Chance mehr. Konkurrenz und Wettkampf waren nun auch Frauensache.

Das hatte Licht- und Schattenseiten, und es ist an der Zeit, beide zu durchschauen. Denn dieser Trend hält weiter an, ist jedoch nicht jedermanns Sache. Und schon gar nicht die jeder Frau, denn es geht schnurstracks in den archetypisch männlichen Pol, der nur als Gegenpol zu Frauen passt.

Waren früher jedenfalls die die Mode bestimmenden Menschen allein durch Geburt schon genug gewesen und hatten sich im Wesentlichen um die Organisation ihres Genusses zu kümmern, musste nun (fast) jede(r) ran. Die Anstrengung spiegelt sich im Form- und Figurideal der neuen Zeit und bis heute in den Gesichtern wider. Das geschäftige, in vieler Hinsicht rekordsüchtige moderne Leben ist anstrengend und hat sich enorm weit vom Ur-Anfang der Menschheit wegentwickelt. Das dünne Ideal kommt also aus der Notwendigkeit einer dürren Zeit. Das Runde, Volle steht folglich der Urvollkommenheit, dem paradiesischen Einheitszustand, näher. Die Ur-Schöpfung ist eine runde Sache, und so wundert es auch nicht, dass die zeitlose, diesem Urgrund verbundene Kunst ganz unabhängig von den jeweiligen Modeströmungen ihre Lust am Runden, Vollen bewahrt und ausdrückt.

Die zeitlose Symbolik der Mythologien, Märchen und Religionen der Völker wie auch die moderne Naturwissenschaft bestätigen diese Erkenntnis durch alle Bereiche. Die Erde ist rund wie auch Sonne, Mond und selbst Sterne, die in unserer Vorstellung Spitzen haben, in Wirklichkeit aber rund sind. Es ist ihr Strahlen, das Spitzen nur vortäuscht. Alle Atome, die diese ganze Schöpfung aufbauen, sind rund – wie die allermeisten Zellen, aus denen unser Körper geformt ist. Ohne Ausnahme rund sind jedenfalls ihre Zellkerne, die das Geheimnis des Lebens bewahren. Die Erbsubstanz in diesen Kernen ist wiederum in runden Doppelspiralen der DNS angeordnet. Und kein Lebewesen, das nicht einer runden Eizelle entwüchse! Natürlich fließendes Wasser bewegt sich in runden Mustern, Wirbeln, Schleifen und Bögen, und selbst das Licht der Sonne kommt in Spiralen zur Erde. Wenn wir genau hinsehen, ist fast alles rund in der Natur bis hin zum neugeborenen Menschenkind, von dem wir nicht umsonst sagen, es sei »rund und gesund«.

Auf die schlanke Linie sind immer nur Menschen gekommen und auch nur in Zeiten von Not und Anstrengung, etwa in der Reformations- und Inquisitions- sowie in der Neuzeit. Die gerade Linie gibt es überhaupt nur in der Vorstellung von der alten euklidischen Geometrie. Heute wissen wir, der Raum ist gekrümmt beziehungsweise gebogen.

Symbole der Vollkommenheit waren und sind immer rund. In allen Kulturen finden wir solche Zeichen der Ganzheit in Mandalas, kreisrunden, symmetrischen Gebilden, die in ihrer runden Ordnung die Ordnung des Ganzen widerspiegeln. lm Osten dienen sie bis heute als Vorlagen zur Meditation, bei uns finden wir sie in den Rosenfenstern der Gotik, wenn wir auch sonst die Beziehung zum Heilen, Heiligen und Runden weitgehend verloren haben. Wie sehr wir uns vom heiligen Kreis des Ur-Anfangs entfernt haben, können wir am Siegeszug erkennen, den gerade Linie und rechter Winkel in unserer Welt angetreten haben. Nur selten und nur in Kirchen erlaubt sich der heutige Baustil noch runde Formen, mal abgesehen von bewussten Widerständlern wie Steiner, Gaudí und Hundertwasser.

Sehr schön wird die archetypische Bedeutung des Runden in Platos Gastmahl deutlich. Da erzählt der Dichter Aristophanes die Geschichte von den bereits erwähnten Kugelmenschen: Ursprünglich seien die Menschen kugelrund gewesen mit vier Gliedmaßen und zwei Köpfen. Nach kurzer Zeit schon hatten sie – mehr kugelnd als gehend – eine solche Geschicklichkeit entwickelt, dass sich die Götter in ihrer Vorherrschaft bedroht fühlten und Zeus die Menschenkugeln halbierte. Seither fühlen die Menschen sich nicht mehr ganz, denn sie erinnern sich noch vage an ihren runden Urzustand. In der Liebeserregung versuchen sie krampfhaft, wieder ganz und vollkommen zu werden, müssen aber immer wieder feststellen, dass die Lust der Vereinigung zur runden Vollkommenheit für sie zeitlich begrenzt bleibt. Das erklärt die Ernüchterung und sogar Enttäuschung, die oftmals solchen Akten folgen.

Für den Osten war das Runde wie gesagt immer das Heil(ig)e. Eingebettet in eine Kultur, die das Symbol des Mandala heilig weiß, wäre dort kaum jemand auf die Idee verfallen, Buddha als dünnen Asketen oder sportlich schlanken Dynamiker darzustellen. Im Gegenteil ruht Buddha meist auf weichen Polstern seines eigenen Leibes. Er lebt in der Fülle und aus der Fülle der Möglichkeiten. Innen und außen entsprechen einander hier vollkommen. Aber japanische Zen-Buddhisten haben es mit ihrem Ideal der strengen Disziplin dann doch geschafft, auch Buddha schlank und rank zu trimmen.

Westliche Menschen sind diesbezüglich in einer schwierigen Situation. Wir erinnern uns in der Tiefe unserer Seele an die runde vollkommene Urform allen Anfangs, und auch unsere Vollkommenheitssymbole sind rund. Die Welt aber, die wir uns bauen, ist unnatürlich rechtwinklig, eckig und spitz, und unsere Seele kann sich darin nicht heimisch fühlen. Auch uns ist der Gedanke an runde, pralle Formen wie die der Früchte der Natur durchaus angenehm und mit Genuss verbunden. Spitze Formen beziehungsweise Auswüchse wie Stacheln und Dornen haben die Früchte nur, um sich zu schützen oder um Feinde abzuschrecken. Wenn wir ehrlich sind, werden auch wir von allem Spitzen, Eckigen abgeschreckt. Es erscheint auch uns gefährlich und abstoßend. Schauen wir uns an, wie wir auf Dünnes, Dürres und Spitzes in der Welt reagieren: Die Spinne wäre da zu nennen mit ihren langen, dünnen Beinen und mit ihr all die kriechenden und krabbelnden, langgliedrigen Insekten. Ausnahmslos sind sie uns ein Graus. Nur wenn ein großer, dicker Körper hinzukommt, wie bei Käfern, wird unser Gefühl wieder besser und sogar vertrauensvoll. So ist uns der Elefant lieber als die Schlange, der Löwe lieber als der Skorpion und der Delphin lieber als das Krokodil.

Die böse, alte Hexe unserer Märchen ist immer ein dürres Weib und stößt uns entsprechend ab. Den guten, alten König dagegen stellen wir uns keineswegs dürr, sondern eher gut beleibt, rund und gemütlich, eben gütig vor. Hager und ausgezehrt ist dagegen in unserer Fantasie der Geizkragen, der böse Zauberer, die böse Stiefmutter und natürlich Gevatter Tod. Sollen sich Kinder dagegen den lieben Gott vorstellen, so gerät er – jedenfalls im Patriarchat – meist zu einem gütigen und majestätisch rundlichen alten Mann mit guten Augen. Schon allein die Vorstellung solch »guter Augen« in einem hageren, harten Gesicht, dem jede Rundheit fehlt, ist uns fremd. Ein sehr natürliches und überaus ehrliches Indiz dafür, wo die Vollkommenheit liegen könnte, haben wir in der Schwangerschaft vor uns. Da wird die Frau wieder rund, und fast alle Schwangeren fühlen sich entsprechend rund, gesund und in ihrer Kraft. Nun sind wieder zwei in einem, und das fühlt sich vollkommener an. Da fällt einem sofort das Gleichnis von den Kugelmenschen ein.

So bleibt uns nur, einmal mehr festzustellen, dass in unserem Fall die Wirklichkeit des herrschenden Zeitgeschmacks und das tief in uns verwurzelte Formempfinden weit auseinanderklaffen. Nicht wenige Menschen leiden an dieser Kluft ganz konkret: Männer, die sich mit einer eleganten, schlanken Frau an ihrer Seite schmücken, auf der erotischen Ebene aber von einer reifen Frau mit vollen Formen träumen; Frauen, die in dieser gänzlich unerträglichen Situation nicht aus noch ein wissen: Mollig und rund werden sie geliebt und begehrt, solange sie mit dem Partner allein sind. In Gesellschaft aber schämt er sich ihrer Üppigkeit und seines runden Geschmacks.

Wollen wir die Bedeutung des Übergewichts für uns persönlich klären, müssen wir nach diesem Ausflug in die gar nicht so grauen, sondern eher runden Vorzeiten vorsichtig sein und gut auf unsere altmodische Seele achten. So wie wir über barocke Üppigkeit lächeln und die Nase rümpfen können, würden unsere Ahnen sich im Grabe umdrehen, könnten sie über unsere kollektive Magersucht nachsinnen. Sie würden wohl sogar an gesellschaftliche Pubertätsmagersucht denken und mit Recht darauf verweisen, dass wir die Frauen offensichtlich gar nicht mehr erwachsen und als reife Frauen ertragen können, da wir die ganze Formentwicklung auf dem Vorpubertätsniveau einfrieren wollen.

Wie weit es mit uns gekommen ist, zeigt sich sehr plastisch an einem Ausdruck wie »du Kugel«, der heute als Beschimpfung gilt. Die Kugel war und ist aber seit eh und je das klassische Ganzheitssymbol – etwa die goldene Kugel im Märchen vom Froschkönig. Sie zu einem Schimpfwort des Zeitgeistes verkommen zu lassen verrät, wes Geistes Kinder wir inzwischen sind. In einer Zeit, in der sich so vieles um die »Linie« dreht und diese nur mehr ein Strich in der Landschaft ist und per definitionem keine Kurven haben darf, ist es schwer, noch entspannt sein Individualgewicht zu bestimmen, wo sich der Zeitgeist so entschieden zum archetypisch männlichen Ideal auch für Frauen bekennt, das für sie aber einseitig krank wirkt. Wo andererseits aber überall im Untergrund uneingestandene Sehnsüchte nach vollen, formvollendeten Formen lauern.

Vor allem könnte jedes Mädchen und jede Frau sich fragen, ob sie dieses allem Weiblichen wesensfremde Spiel wirklich mitspielen oder nicht doch in der eigenen Seele nach ihrem Individualgewicht forschen möchte.

FRAGEN

1. Inwieweit folge ich dem Zeitgeist?

2. Wie weit kann ich mir erlauben, meine eigene Figur zu finden?

3. Was ist meine Traumfigur für mich, was bei PartnerInnen?

4. Was sind die Ideale meines Lebens: