Angst frisst Seele - Ruediger Dahlke - E-Book + Hörbuch

Angst frisst Seele E-Book und Hörbuch

Ruediger Dahlke

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Beschreibung

Ob Angst vor Viren, (Zwangs)Impfungen, Gesundheits-Diktatur, vor wirtschaftlichem Zusammenbruch oder Angst vor der Angst – Angst war schon vor der Pandemie ein zentrales Phänomen in den deutschsprachigen Ländern. Nun wurde sie gesellschaftlich bestimmend. Obwohl sich an der Oberfläche die Opfer verschiedener Ängste unterscheiden und sich sogar aufeinanderhetzen ließen, in der Tiefe ist es immer dieselbe Angst vor dem Tod. Infektion ist sowohl aus naturheilkundlicher als auch schulmedizinischer Sicht ein Kampf bzw. Krieg zwischen Immunsystem und Erregern. Hinter Todesangst steckt ein Urthema, das uns (westliche) Menschen beherrscht. Die Themen Aggression und Todesangst haben nun Jahre unseres Lebens bestimmt und werden das weiter tun, bis wir bereit sind, uns ihnen zu stellen und sie zu (er)lösen. Da wir das Geschehen im Außen nur bedingt in der Hand haben, gilt es, unser Inneres zu stärken. Wie das konkret geht, zeigt Bestsellerautor Ruediger Dahlke in seinem spannenden, hochaktuellen neuen Buch, das verdeutlicht: Nur wenn wir bereit sind, die Wurzeln der Angst zu ergründen, greifen die Strategien ihrer Bewältigung. Dann finden wir Auswege aus der Angstfalle und können ein Leben in Freiheit und Frieden führen.

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Seitenzahl: 318

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Zeit:8 Std. 2 min

Sprecher:Matthias Ernst Holzmann
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Ruediger Dahlke

Wie wir uns von (ir)realenund geschürten Ängsten befreien

WICHTIGER HINWEIS: Die Informationen und Ratschläge in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt von Autor und Verlag erarbeitet und geprüft. Alle Leserinnen und Leser sind jedoch aufgefordert, selbst zu entscheiden, ob und inwieweit sie die Anregungen in diesem Buch umsetzen wollen. Eine Haftung des Autors bzw. des Verlags für Personen-, Sach- oder Vermögensschaden ist ausgeschlossen.

1. eBook-Ausgabe 2022

© 2022 Scorpio Verlag in Europa Verlage GmbH, München

Diese Ausgabe basiert zum Teil auf dem Buch Angstfrei leben vonRuediger Dahlke, das 2014 bei Arkana erschien, und wurde vom Autorkomplett überarbeitet und erweitert.

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Lektorat: Silwen Randebrock, Berlin

Layout und Satz: Margarita Maiseyeva

Konvertierung: Bookwire

ePub-ISBN: 978-3-95803-534-8

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Alle Rechte vorbehalten.

www.scorpio-verlag.de

– aus dunkler Enge in lichte Freiheit

INHALT

VORWORT

I. BESTANDSAUFNAHME

Die Weite der Seele und die Enge der Angst

Ausflug ins Mythen-Forum

Im Reich der Phobien

Der Rahmen des Lebens: Geburts- und Todesangst

Das Drama der Geburt

II. DIE ANGST DER MODERNE

Pandemie der Ängste

Beispiele der Hoffnung und Angstfreiheit

Die Macht der Angstmache(r)

Varianten der Angstfreiheit

Von der Corona-Angst lernen

Angstpolitik für die ganze Welt?

Wem bringt Angst was?

Vielfältige Ängste aus derselben Quelle

Die Mutter aller Ängste: Todesangst

III. GUTE SEITEN SCHWIERIGER ZEITEN

Angst als Chance

Die Herausforderungen der Moderne

Regeln der Angst

Der (Alb-)Traum der totalen Kontrolle

IV. ZEITENWENDE

Die Angst auf unserer Seite

Das Hirn an unserer Seite

Wer oder was macht uns Angst? Und was nimmt sie uns wieder?

Unsicherheit als eigentliche Angstquelle

Starker Mann, der alles kann

Die Instrumentalisierung der Angst

V. WISSENSCHAFTLICH BELEGTE UND PSYCHOLOGISCH ERPROBTE MITTEL

Angstreflexe

Erstarrung und Flucht

Draufgängertum und Angriff – Angriff als beste Verteidigung

Angstmuster und Neurosen

Wirksame Mittel und Maßnahmen

1. Zutrauen zu (s)einer Gruppe gewinnen

2. Vertrauen in eigene Fähigkeiten entwickeln

3. Alles wird gut – das stärkste Antidot gegen Angst

4. Urvertrauen gewinnen

5. Konzentration auf das Wesentliche, den Augenblick

VI. ANGST NOCH TIEFER VERSTEHEN

Angstdiagnose im Körper

Physiologische Angstsignale

Alb- und Angstträume als Signal der Seele

Die Lebens-Schule

Systematik der Angstformen

Die Übermacht des Schicksals

Yin und Yang

Die vier Grundformen der Angst nach Fritz Riemann

Die vier Elemente und ihre jeweiligen Lebensprinzipien

VII. SPEZIELLE ANGSTSZENARIEN UND IHRE DEUTUNG

Panik(attacken)

Angst vor Tieren

Schlangenangst

Spinnenangst

Angst vor Ratten

Angst vor Mäusen

Angst vor Hunden und (Seelen-)Wölfen

Angst vor Katzen

Angst vor Natur(-Gewalten)

Blitz und Donner

Angst vor Sturm

Angst vor Erdbeben, Vulkanausbrüchen, Tsunamis

Angst vor tiefen Wassern

Höhenangst

Flugangst

Angst vor Nacht und Dunkelheit

Angst vor Schlaflosigkeit in der Nacht

Soziale Ängste

Zukunfts- und Existenzängste

Angst vor dem Verlust naher Menschen

Angst vor Einsamkeit – keine(n) Partner(in) zu finden

Angst, nicht geliebt zu werden

Versagensängste

Spezifisch weibliche Ängste?

Lampenfieber und die Angst vor Prüfungen

Ängste der Moderne

Ängste bei Kindern

Medizin, die Angst macht

Angst vor Krankheit (Hypochondrie)

Angst vor den tödlichsten Krankheitsbildern

Herzangst

Angina Pectoris – Enge und Angst in der Brust

Krebsangst

Angst vor Alzheimer und dem Altwerden

Schwerste Angst – Colitis ulcerosa

Angst vor Schmerzen

Allergien und die Angst dahinter

Angst vor Verdauungsstörungen in der Fremde

Angststörung Stottern

Angst und Tetanie

Die Angst vor Enge und Weite

Angst und Schuld(gefühle)

Spirituelle Krisen und Angst vor dem Numinosen

VIII. WEGE AUS DER ANGST

Ordnung als Stabilisator und Schutz vor Angst

Wer die Spielregeln kennt, braucht weniger Angst

Sich mit der Sterblichkeit aussöhnen

Der Angst bewusst begegnen

Das Angstlösungsritual

Körperliche Angst und ihre Vermeidung

Peace Food – die leichte Lösung – auf Ernährungsebene

IX. ZU GUTER LETZT

Angst und ihre Lösung in Filmen

Medikamentöse Angstbehandlung

Ausblick

Angstlösende Auswege

ANHANG

Veröffentlichungen von Ruediger Dahlke (Kurzversion)

Neuerscheinungen

Grundlagenwerke

Krankheitsdeutung und Heilung

Gesundheit und Ernährung

Filmtherapie

Fasten

Krisenbewältigung

Meditation und Mandala

Roman

Adressen

Auf einen Blick: Alle in diesem Buch erwähnten Bücher von Ruediger Dahlke

Im Buch erwähnte Literatur zum Weiterlesen

Im Buch erwähnte Filme

Über den Autor

VORWORT

Angst ist ein Grundthema im menschlichen Leben – wahrscheinlich von Anfang an. Schon für unsere Vorfahren muss die Natur mit ihren wilden Tieren und verheerenden Katastrophen beängstigend gewesen sein. In Höhlen und Gruppen eng zusammenlebend, waren aber wenigstens andere Menschen wohl noch keine Gefahr. Für so wenige war Platz kein Problem, ohne Waffen, Werkzeuge und die Beherrschung des Feuers aßen sie notgedrungen pflanzlich-vollwertig, also Peace Food1. Ohne künstliches Licht menstruierten und lebten alle Frauen im gleichen Rhythmus, und das aus dieser großen Resonanz folgende Matriarchat scheint überaus friedlich gewesen zu sein. Jedenfalls finden sich bei den Funden aus dieser Frühzeit keine Hinweise auf Verletzungen durch Gewalt, Mord und Totschlag oder gar Kriege. Warum auch, um was und für wen?

Heute sind wir viele und haben – im Patriarchat – Mutter Erde erobert und fast vollständig eingenommen. Wir haben sie dabei aber auch in eine so schwierige Lage gebracht, dass uns hausgemachte und weit schlimmere Katastrophen als früher wie beispielsweise Atomkriege und durch Klimaveränderungen heraufbeschworene Sintfluten drohen. Diese neue Situation ängstigt heute viele.

Vor allem aber kommt hinzu, dass sich Menschen untereinander immer mehr Angst einjagen. Das reicht von Stalking bis zu Amokläufen, Terrorismus und anderen Gewalt- und Verzweiflungstaten, von übler Nachrede und Mobbing bis zur Angst davor, nicht beziehungsfähig zu sein, weil die zahlreichen Dating-Portale immer kürzere Partnerschaften ermöglichen. In jüngster Zeit kommen wieder Angstarten wie Inflations- oder Verarmungs-Angst sowie die Angst, im Winter frieren oder gar hungern zu müssen, hinzu. Und natürlich die allseits gegenwärtige Angst vor Krankheiten. Außerdem gibt es auch noch alte Mitbringsel aus unserer Entwicklungsgeschichte wie Spinnenund Schlangenangst, die mit ihrer Symbolik ängstigen. Dementsprechend vielfältig sind die Angstsymptome von der Angina in Hals und Brust bis zu Stottern und Zittern.

Eigentlich als Helfer angetretene Mediziner nutzen heute Angst, um PatientInnen zu ihrer Art von Vorsorge zu nötigen. Wohl gerade weil diese mit wirklicher Vorbeugung, Prävention und Prophylaxe gar nichts zu tun hat, vermeiden sehr viele Menschen diese Form von beängstigender und zumeist unangenehmer Früherkennung. Auch um Menschen zu Impfungen zu bewegen, wurde vielen Angst eingejagt und nicht wenigen geradezu mit dem Tod gedroht.

In den Pandemie-Jahren stieg die Angst in unserer und den meisten Gesellschaften ins Unermessliche durch beispielloses Angstschüren mit äußerst unwahrscheinlichen und auch niemals eingetretenen Horrorszenarien, die von den Mainstream-Medien willig aufgegriffen flächendeckend verbreitet wurden. So entstand ein nie da gewesenes Angstfeld, das noch nicht einmal offen angesprochen werden durfte, was die Angst noch weiter vertiefte. Wer seinem Herzen nicht Luft machen kann, bei dem staut sich alles – auch Angst.

In einer in Mitteleuropa schon lange nicht mehr da gewesenen Weise breitet sich das Gefühl immer mehr aus und frisst sich bis in den Alltag und die Seelen der Einzelnen. Die gesellschaftlichen Gräben zwischen denen, die diese Angst-Politik akzeptieren, und denjenigen, die sich dagegen verwahren und wehren, spalten Firmenbelegschaften und reichen bis in Familien, sogar Partnerschaften. Tiefe Spaltung und entsprechendes Misstrauen untereinander verstärkt die Angst weiter.

In dieser Zeit, wo nichts so wächst wie Angst, fühlte ich mich geradezu be- und aufgerufen, ihr ein grundsätzliches Buch zu widmen, das die vielen kleinen, mittleren und großen Ängste und ihre Symptome in der von Krankheit als Symbol2 bewährten Art deutet und auf die eine tiefste Grundangst und das zugrunde liegende Lebensprinzip zurückführt.

Denn nur so eröffnet sich die Chance, Auswege aus der Angst aufzuzeigen und Therapien und Rituale zu entwickeln, um sie zu lösen und uns davon zu erlösen. Das Ziel ist, zu einer offenen weiten, weitgehend angstfreien Gesellschaft zurückzukehren, die die tiefen Spalten und Gräben wieder schließen und Lebensfreude und Entwicklungsbereitschaft nähren und verbreiten kann. Wir waren schon auf gutem Weg und könnten ihn weiter gehen und entwickeln. Wenn wir aus der Enge der Angst in die Weite höheren Bewusstseins wachsen, ist noch viel mehr möglich an Chancen für jede(n) Einzelne(n), unsere Gemeinschaft und sogar die ganze Menschenfamilie. Erst wenn es uns gelingt, in Frieden wieder zu einer menschlichen Gemeinschaft zusammenzuwachsen, eröffnet sich aus dieser der Weg für viele zur Selbstverwirklichung.

Ihr Ruediger Dahlke

Juli 2022

I. BESTANDSAUFNAHME

Die Weite der Seele und die Enge der Angst

Unsere Seele ist weit und unbegrenzt. Wer sie je – etwa in einem luziden Traum – erfuhr, erlebte sich frei von den Beschränkungen von Raum und Zeit, frei zu reisen, wohin auch immer – in Gedankenschnelle. Auch in jeder Richtung auf der Zeitachse nach vorn und hinten, weil die Grenzen der Täuscherin Zeit nicht gelten. Diese Wirklichkeit ist das Eigentliche, Wesentliche, und die Angst ist plötzlich irrelevant und fern. Wann immer wir ins Reich der Seele gelangen, tauchen wir in diese unbegrenzte Freiheit ein, ob in Gipfelerlebnissen auf den Höhen von Bergspitzen oder in den Tiefe der Meditation, ob nach dem Tod im strahlenden Licht am Ende des Tunnels oder im Glück dieser Erde, ob im körperwarmen Thermalwasser, wenn sich die Grenzen zwischen drinnen und draußen auflösen und unsere Wahrnehmung grenzenlos wird – oder in der Überschwemmung mit Lebensenergie Prana beim »verbundenen Atem«, auf dessen Schwingen wir rascher und bequemer in die Nähe der Einheit entschweben oder sogar in sie eintauchen können.

Trotz dieser überwältigenden Erfahrungen des Seins in den unendlichen Weiten der Seelenwelt jenseits der Zeit richten sich die meisten die meiste Zeit in der Welt der Illusionen, der Enge und der Angst, in den Begrenzungen von Raum und Zeit häuslich ein. Selbst jene wenigen, die die Wirklichkeit grenzenloser Weite aus eigenen Erfahrungen kennen, tappen immer wieder in die Fallen dieser Täuscher.

In den großen Städten der Industrieländer, den Ballungszentren, ist die Enge des Normallebens längst spürbar – jedenfalls außerhalb der Seelenwelt in der Welt der Illusionen und Grenzen, in der wir es uns so unbequem eingerichtet haben. Die Weite des Landlebens scheinen die Menschen immer mehr zu meiden. Weltweit drängen sie sich stattdessen in Metropolen, wo sich in der Enge mit den Menschen auch die Probleme ballen. Dort gedeiht Angst am besten, und trotzdem wählt die Mehrheit der Menschen diesen Lebensraum – fast, als seien sie süchtig danach.

Das Leben auf dem Land bildet einen konkreten Gegenpol dazu, aber der eigentliche Gegenpol findet sich in der Seelenwelt mit ihren unbegrenzten Weiten. In den Träumen der Nacht könnten wir sie erleben, aber immer mehr moderne Menschen erleben nicht mal mehr ihre Träume bewusst. Jedenfalls erinnern sie sie nicht, wenn sie am Morgen aus den Traumreichen der eigentlichen seelischen Wirklichkeit zurückkehren in die Enge ihrer modernen Arbeitswelt. Warum tun wir uns das an, ließe sich fragen, zumal bei jeder Bedrohung deutlich wird, wie viel leichter es sich auf dem Land überleben ließe? In den Weltkriegen hungerten die Menschen auf dem Land entschieden weniger als in den Städten. Während der Corona-Lockdowns blieb das Leben auf dem Land vergleichsweise normal und frei. Warum suchen wir die Enge, wenn die Weite unserer Seele so viel besser entspricht? Dieser Frage wollen wir nachgehen.

Interessanterweise verhalten sich Tiere ganz ähnlich, und zwar nicht nur unsere nahen Verwandten, die Menschenaffen. Setzt man etwa Ratten in einem riesigen Terrarium aus, das alles enthält, was Ratten sich so wünschen können, entwickelt sich ein ganz ähnlicher Trend zum Ballungsraum in der Mitte. Selbst wenn die Nahrung dort schon knapp wird und die Männchen bereits ihre eigenen Kinder fressen, hält der Zug zur Mitte an. In der Peripherie mag das Leben noch so rattengerecht und beschaulich sein, sie lockt die Tiere nicht.

Tatsächlich beginnt die Evolutionsgeschichte von uns Menschen in der Höhlengemeinschaft unserer Vorfahren. Die Griechen der Antike erkannten in uns das Zoon politikon, das Gemeinschaftswesen. Heute können wir feststellen: Wir suchen die Gemeinschaft selbst dann, wenn sie uns schon längst nicht mehr guttut. In der modernen Gesellschaft, in der es sowohl konkret als auch im übertragenen Sinn immer enger wird, muss Angst naturgemäß zunehmen. In ihr steigt die Zahl der Menschen, die unter Panikattacken leiden – dieser besonderen modernen Form konzentrierter Angst – seit Jahren kontinuierlich.

Im ähnlichen Ausmaß, wie die Städte dichter bebaut werden und in den Himmel wachsen, verlieren ihre Bewohner zunehmend den Kontakt zu Himmel und Erde und damit zu sich selbst. Weder sind sie noch mit Mutter Erde in Kontakt, noch wagen sie es, sich zum Vater im Himmel zu orientieren. Kaum mehr barfuß auf der Erde unterwegs, haben sie zugleich den Kontakt zum himmlischen Ziel des Lebens verloren.

Wer in Symbolen denkt, könnte meinen, der biblische Turmbau von Babel ist zum (un-)menschlichen Alltag geworden. Die Menschheit baut immer höher, die Türme türmen sich ganz buchstäblich in den Himmel. Zugleich verstellen sie die Aussicht auf diesen und lassen ihn auch im übertragenen Sinn aus dem Blick verschwinden. Was richten wir da an und auf?

Wer die Augen der Seele oder die des Herzens benutzt, die nicht nur sehen, sondern auch noch schauen können, sieht die Ergebnisse allenthalben. Die Strafe für die Anmaßung des Turmbaus zu Babel, dem Symbol der Selbstüberhebung der Menschen über Gott, folgte im Alten Testament auf dem Fuß. Heute erfolgt sie subtiler, wird aber in den Praxen der Mediziner und ihren Krankenhäusern überdeutlich.

Kinder sind besonders von dieser beängstigenden und Stress verursachenden Verdichtung und Beengung der Lebensräume betroffen und wurden längst zu Stiefkindern städtebaulicher (Fehl-)Entwicklungen. Wie wenig unsere Gesellschaft sich für sie interessiert, offenbarten unsere Politiker weltweit während der Pandemie. Sie fanden aber schon lange davor kaum noch Platz zum Toben und Spielen. Doch auch vielen Erwachsenen wird die Enge des Lebens in den Städten zur Qual. Das Eingeschlossen-Sein während der Lockdowns in der Pandemie war da nur ein vorläufiger Höhepunkt.

Das Leben gestaltet sich überall, aber besonders in diesen Ballungszentren, immer schneller, lauter und dichter – zu eng für die Menschen. Sie reagieren mit Angst. Mit immer weniger Zeit, diese dafür aber immer öfter im Stau verbracht, wird die (Lebens-)Zeit knapper und das Leben subjektiv immer noch enger.

Go with the flow, das Motto der Jungen, ist längst zur Karikatur geworden. Der Flow in den Städten, ihren Straßen und Verkehrsadern, ist wie in den Gefäßen ihrer BewohnerInnen längst zum Stau geworden. Die Worte des Vorsokratikers Heraklit panta rhei – alles fließt – klingen wie Hohn und ein Abgesang aufs moderne Leben. Die sich daraus ergebenden medizinischen Symptome sind inzwischen Legion. Aber je mehr Symptome, desto mehr Pharmaka, der Rubel rollt nicht nur, er rast.

Angst ist Enge, als Angina schnürt sie die Hälse zu, als Angina Pectoris auch immer öfter die Brust und darin die Atemwege, aber schon längst auch den Lebenszusammenhang.

Im Sinne der Krankheitsbilder-Deutung meiner Bücher Krankheit als Weg3 bzw. als Symbol2 bietet Angst die Chance, die eigene Enge zu erkennen und (sich) wieder zu weiten, um sich in neue, bisher verschlossene Bereiche hinein zu entwickeln. Panik ist schrecklich, aber auch eine Chance, der eigenen unbewussten Natur in Gestalt des alten Naturgottes Pan wieder zu begegnen und aus diesem großen Schatten den noch größeren Schatz zu heben. Wird die Konfrontation mit der Angst jedoch weiter gemieden statt gesucht, wächst nicht der Mensch an der Angst, sondern die Angst im Menschen. Die moderne Glücksforschung erkannte – Jahrtausende nach Heraklit – durch Mihaly Csikszentmihalyi den Flow als Ausdruck von Glück. Ein Leben im Fluss ist glücklicher als im Stau. Doch dieses vitale Fließen verschwindet klammheimlich aus der modernen Welt.

Wo Wasser, die Basis von Blut, stockt und steht, wird es brackig und verliert seine Lebendigkeit. Sobald Blut in den Gefäßen nicht mehr fließt, sondern sich – bezeichnenderweise in Geldrollenform – staut, wird es lebensgefährlich. Die moderne Medizin muss also den Fluss des Blutes mit Blutverdünnungsmitteln in Gang halten, um Komplikationen wie Thrombosen, Embolien und Schlaganfälle zu vermeiden.

Die Enge der Angst begünstigt Staus, und Staus fördern Angst. Charakteristisch für Stoß- und Stauzeiten ist, dass sie Menschen im Konkreten wie im Übertragenen unter Druck setzen. In modernen Großstädten wie deren Prototyp New York, dem Big Apple, ist fast immer Stoßzeit. 24/7/365 lautet der Rhythmus im modernen Babylon. Immer ist aber gar kein Rhythmus, sondern dessen und unser absehbares Ende.

Wo Enge und Druck zunehmen, kommt Angst automatisch als Dritte im Bunde hinzu. Warum nur tun wir uns das alles an? Denn wir tun das selbst, auch wenn wir lieber so tun, als würde es uns angetan.

Unsere Seele ist ungebundene Weite ohne Beschränkungen durch Raum und Zeit. Die Enge der Angst ist ihr Gegenteil und raubt uns die Erfahrung der Grenzenlosigkeit. Wird die Angst extrem, stellen sich Tiere tot, und auch Menschen kennen, wenn Kampf und Flucht keinen Ausweg mehr versprechen, diesen Totstellreflex. Kriecht die Beengtheit allmählich und kaum merklich ins Leben, verschwindet mit der Weite auch die Energie, und die Enge der Angst frisst im buchstäblichen Sinn die Seele. Im Tod hat die Enge endgültig gewonnen. Fühlen sich jedoch nicht viele Menschen schon zu Lebzeiten gleichsam leblos oder stellen sich im Extremfall tot?

Jede(r) kann und muss für sich entscheiden: Wollen wir die Weite der Seelenwelt genießen oder die Enge der Angstwelt erleiden. Wollen wir wirklich allen Ernstes der Angst erlauben, unsere Seele zu fressen?

Ausflug ins Mythen-Forum

Forschen wir weiter und gehen zurück zum Anfang, zu den Mythen der Völker und ihrem Bezug zur Angst. Nach dem dritten der Schicksalsgesetze liegt alles schon im Anfang, oder wie Hesse sagte: »Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.« Tatsächlich kann uns die Mythologie einiges zu Angststörungen (Phobien) offenbaren. Aphrodite-Venus, die kunstsinnige Göttin der Liebe und des Friedens, und der rüpelhafte Kriegsgott Ares-Mars finden – nach dem Polaritätsgesetz, dem wichtigsten der Schicksalsgesetze – nicht zufällig Gefallen aneinander, wie ja im Mythos nichts zufällig geschieht. Sie fallen also übereinander her und bekommen vier illegitime Kinder, zwei des Lichts und zwei des Schattens. Eros, dem Liebesgott, und Harmonia, der Göttin der Balance, stehen die beiden dunklen Sprösslinge des Schattens gegenüber: Phobos, der Namensgeber der Phobien, und Deimos, dessen Name die Dämonen – und die Besessenheit durch diese in der Schizophrenie – anklingen lässt.

Erfahrungen der Schattentherapie zeigen, wie wir uns vor Phobos und Deimos, den Ängsten und den Dämonen, schützen und sichern können. Je mehr wir uns mit den beiden lichten Kindern des ungleichen Paares und ihren heilsamen Tugenden Liebeskunst und harmonischer Ausgleich der Kräfte einlassen, desto eher verschonen uns die dunklen und lassen uns buchstäblich in Ruhe. Meine kurze berufliche Zeit in der Psychiatrie war doch lang genug, um zu erkennen, dass die PatientInnen, die sich mit Ängsten und Dämonen herumschlugen, es nie zu einer Kultur der Liebe und Harmonie im Leben geschafft hatten. In den anschließenden Jahrzehnten meiner Zeit als Psychotherapeut und ärztlicher Berater war es andererseits nicht zu übersehen, wie sehr Offenheit und Weite der Liebe der Verschlossenheit und Enge der Angst den Garaus machen.

Die beiden lichten Götter Eros und Harmonia bieten Weite, Offenheit und Balance und stehen für Erlösung. Deimos und Phobos, ihre dunklen Gegenpole, repräsentieren Enge, Angst und Bedrohung und schaffen den notwendigen Ausgleich zu den lichten Kräften. Wir haben die Wahl. Tatsächlich haben Menschen, die in ihrem Leben eine richtiggehende Liebeskultur entwickeln und ihr Leben mit der Offenheit und Weite ihrer Liebe in Harmonie bringen, nichts von der Angst zu befürchten. Die Enge der Angst hat in der Weite keine Chance – genauso wenig wie die Dunkelheit gegen Licht – und wird sich einfach auflösen.

Liebende können das mit ihrem eindrucksvollen Mut zu neuen Ufern und Lösungen bestätigen. Von Mars nehmen sie Mut statt Gewalt, von Venus Offenheit statt Eitelkeit. Wer sich die Weite der Liebe gönnt und dem Bedürfnis nach Ausgleich und Balance entspricht, wird sich auch seine dunklen Seiten erschließen und sich ihnen im Sinne einer Schattenarbeit bewusst zuwenden und stellen. Diese bietet die wundervolle Möglichkeit, den eigenen Schatz aus dem Schatten zu befreien und zu erlösen. Sich dem Schattenreich mit der Weite und Offenheit der Liebe und dem Bedürfnis nach Ausgleich der Gegensätze zu widmen, ist ein wundervoller Weg der Erlösung. Das Schattenprinzip hilft so, Licht ins Dunkel und blockierte Energien ins Fließen zu bringen. Nicht selten führt uns solche Schattenarbeit sogar zu unseren Gaben, die in unseren Begabungen schlummern und darauf warten, der Welt geschenkt zu werden. Wo das mit Hingabe geschieht, ist alles möglich. Das mag schon verdeutlichen, wie sinn- und hoffnungsvoll es ist, uns unseren Ängsten und Phobien später konkret zu widmen, um ihnen – indem wir sie deuten – ihre Schätze zu entlocken. Ängste und Engstellen harren der Erweiterung und Erlösung. Damit erlösen wir uns aus der Enge und öffnen uns für die Weiten der Seelen-Wirklichkeit. Die Engpässe des Lebens sind die Orte unseres Wachstums auf dem Weg zu uns selbst.

Dabei ist es notwendig, zu unserem persönlich Anfang zurückzukehren, um herauszufinden, warum wir uns diese moderne Angstwelt aus freien Stücken antun und damit gleichsam bereitwillig, wenn auch unbewusst, auf die freie grenzenlose Seelenwelt verzichten. Insofern werden uns auch Empfängnis und Geburt – ganz zu Beginn – zu beschäftigen haben.

Im Reich der Phobien

So viele Namen von Phobien wie Agora-, Klaustro-, Herz-, Krebs-, Schlangen-, Spinnen-, Nykto-, Erythro-, Xeno-, Nekrophobie und weitere zeigen die fortbestehende Macht dieser alten Gottheit beziehungsweise dieses Prinzips. Was immer wir konkret oder symbolisch aus unserem Leben verbannen, bekommt die Chance, sich zur Phobie zu entwickeln. Das gilt auf allen möglichen Ebenen. Potentaten schickten gerne unliebsame Kritiker in die Verbannung, aber von dort wurden sie dann meist erst recht gefährlich. 1976 hat etwa die alte DDR Wolf Biermann, den Barden und Visionär eines menschlicheren Sozialismus, zwangsausgewiesen, also verbannt. Aber als singender Insider konnte er von draußen aus der freien Hansestadt Hamburg eher noch mehr bewirken und der entgleisten DDR-Sozialismus-Karikatur noch wirksamer den Spiegel vorhalten. »Was verboten ist, das macht uns gerade heiß.« Mit diesem berühmten Ausspruch lieferte er gleich selbst die Erklärung: Diskriminieren und Zensieren, Verbannen und Verbrennen hat, analog zu den Mechanismen der Verdrängung im persönlichen Bereich, genau den gegenteiligen Effekt. Wenig hat der weltweiten Verbreitung der Psychoanalyse so genützt wie das Verbrennen von Freuds Schriften auf den Scheiterhaufen der Nazis. Scheiterhaufen sind überhaupt ein Symbol des Scheiterns ihrer Anzünder. Was immer verbrannt wurde, erstarkte anschließend.

Den Aufdruck »Made in Germany«, im Ersten Weltkrieg von der englischen Regierung zur Diskriminierung deutscher Waren erzwungen, entwickelten deutsche Ingenieure und Handwerker zu einem weltweiten Markenzeichen für Qualität. Der Schuss ging voll nach hinten los, statt englisches Zeug wollten die meisten lieber deutsche Qualität, nun erst recht »Made in Germany«.

Auch die Verbannung Andersdenkender aus den Mainstream-Medien und deutschen Talkshows zu Pandemiezeiten hat den alternativen Medien enormen Zuspruch gebracht. Die Verbannung von früher anerkannten und geehrte Fachleuten, wie Dr. Wodarg oder Prof. Bhakdi, hat ihnen zu enorm erfolgreichen Bestseller-Büchern und einer Art zweiter Karriere verholfen, und Prof. John Ioannidis von der Stanford University gelangte so erst recht zu Weltruhm. Das Zensierte hatte Hochkonjunktur, die Zensur erreichte das Gegenteil des Beabsichtigten. Sie hat auch mich angestachelt, innerhalb von drei Wochen mein Buch Schutz vor Infektionen4 zu schreiben, das schon weitere zwei Wochen später herauskam und vielen geholfen hat, ihre Abwehrkräfte auszubauen und sich zu schützen. Auch Corona als Weckruf?5, ein Aufruf aus dem Verständnis des Vorgefallenen, das Leben wieder mit Mut, (Selbst-)Vertrauen und Hoffnung anzugehen, hat das wohl bei vielen bewirkt. Ob Mind Food6, das ich noch wichtiger als Peace Food1 finde, auch solche Kreise zieht, ist noch offen. Aber ich glaube, wenn wir nicht verstehen, mit welchen Psychotricks und Angsttechniken wir hinters Licht geführt wurden, sinken unsere Chancen, ins Licht zu finden.

Diese drei Bücher gäbe es nicht, wenn ich mich nicht mit allen mir zur Verfügung stehenden und für mich vertretbaren Mitteln gegen den von oben verordneten Maulkorb gewehrt hätte. Ich durfte dadurch die mutigsten Verleger kennen- und schätzen lernen, die organisatorische Wunder vollbrachten, um diese Bücher in Rekordzeit zu realisieren – vorher unvorstellbare Leistungen im Bereich von Buchveröffentlichungen, und auch die etablierten, ebenfalls zensierenden sozialen Medien haben sich durch ihre Zensur eine Konkurrenz geschaffen, die sonst wohl chancenlos geblieben wäre.

Die Inhalte der Phobien mögen aus ganz anderen Zeiten stammen, von ihnen ausgelöstes und für die Mitwelt absurd erscheinendes Verhalten belastet aber die Gegenwart der Phobiker. Ich bezeichne ein Verhalten, das zu einer bestimmten Zeit seine Bedeutung hatte und nun bei ganz anderen Gelegenheiten völlig sinnlos wiederholt wird, als »Zeitverzerrung«. Wir werden in diesem Buch noch öfter darauf zurückkommen. Neurotische Zeitverzerrungen oder chronische Angstzustände, deren irreale Basis Betroffenen oft durchaus bewusst ist, können diese nur durchschauen, indem sie die zugrunde liegende symbolische Komponente in den Griff bekommen.

Eine Hundephobie beispielsweise verwechselt die Angst vor dem Hund mit der vor dem inneren (Seelen-)Wolf und damit vor der eigenen unbewussten Aggression. In der deutschen Sprache gibt es nicht umsonst den Ausdruck, dass jemand vor Wut die Zähne fletscht oder eine Antwort knurrt.

Eine Rattenphobie symbolisiert die Angst vor Unrat und Schmutz, den Ratten mögen, und verweist damit vage auf eine womöglich gefährliche innere Vermüllung. Mäuse symbolisieren neben ihrem kindlich süßen Micky-Maus-Aspekt das Blitzschnelle, das Unkontrollierbare, das überall Eindringende und damit auch das erotisch Kuschelige. Daneben aber auch das diebisch-schmarotzende Leben von fremden Tischen und Vorräten. Wer sich mit dieser Mischung bei sich selbst noch nicht anfreunden konnte, mag das Thema in einer Mäusephobie leben.

Nekrophobie ist die Angst vor Totem und natürlich dem (eigenen) Tod, an den alles Tote erinnert. Der Versuch, Totes zu meiden, um so dem eigenen Tod zu entgehen, ist leicht durchschaubar und wirkt ebenso hilf- wie aussichtslos. Die sich in diesen wenigen Beispielen andeutende Aussöhnung mit unserem urmenschlichen Schatten, die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit oder Goethes »Stirb und werde« können helfen, uns aus diesen Phobien zu befreien.

Bei diesen und allen anderen später noch ausführlich gedeuteten Phobien geht es darum, das im Außen Gefürchtete im eigenen Unbewussten aufzuspüren und schlussendlich anzunehmen. Zeitverzerrungen lassen sich durch eine zeitliche Einordnung der entsprechenden Erfahrung korrigieren. Wer sich klarmacht, in welche vergangene Zeit diese Angst gehört, kann sich bewusst und relativ leicht in der Gegenwart von ihr lösen. Die Aussöhnung mit dem in der Angst bekämpften Seelenanteil setzt die darin gebundene Energie frei und stellt sie für andere Bereiche zur Verfügung.

Der Rahmen des Lebens:Geburts- und Todesangst

Bedrückende Enge ist die Grundsituation der Angst, und bei der Geburt machen wir unsere erste existenzielle Bekanntschaft damit. Dementsprechend ist Angst für uns alle eines der großen existenziellen Themen. Sie ist die erste Erfahrung in der Welt der Polarität. Für das Ungeborene wandelt sich die bergende Höhle des Mutterleibes, die zu Beginn Empfindungen von grenzenloser Weite und Einheit ermöglichte, mit dem Näherrücken der Geburt in eine geradezu höllische Enge. Wo zu Anfang freies Schweben ohne Grenzen die Grundlage des späteren Urvertrauens legt, der Körper noch transparent und die Wahrnehmung transzendent ist, kommt allmählich der Gegenpol ins Spiel: ein sich über zehn Monde nähernder neuer Lebensabschnitt in der Polarität. Und niemand ist schuld an der immer enger werdenden Situation, vielmehr entspricht sie der natürlichen Entwicklung von Schwangerschaft und Geburt. Im Idealfall wandert der kindliche Kopf – von Senkwehen vorangetrieben – in das Becken der Mutter hinab. In dessen Tiefe im sogenannten kleinen Becken wie in einen Schraubstock eingezwängt bei noch verschlossenem Muttermund, wird das Ungeborene mit seinem Kopf von Presswehen gleichsam wie an die Wand gepresst. In dieser am stärksten mit Angst belasteten Phase der Geburt steigert sich der Druck ins Dramatische – jedenfalls solange der Gebärmuttermund verschlossen ist und sich kein Ausweg öffnet. Das Köpfchen des Kindes wird geradezu zum Rammbock, der den Muttermund unter enormer Belastung aufzwängt – natürlich verbunden mit Empfindungen größter Bedrängnis und Angst. So wird die Geburtsangst zu Beginn des Lebens schon zur wichtigsten Ausdrucksform der Todesangst – in der Enge des Geburtskanals zu Tode gequetscht und erdrückt zu werden. Die Gefahr dieser Enge zu durchleben bedeutet einen wichtigen Entwicklungsschritt, wie die Vorteile der auf natürlichem Weg geborenen Kinder gegenüber den per Kaiserschnitt geborenen zeigen.

Nach dem Muster des individuellen Geburtserlebens entwickelt sich unser späterer Umgang mit Situationen von Enge. Schwierige, stockende Geburten mit entsprechenden Komplikationen nähren im Laufe des weiteren Lebens verschiedenste Arten von Angst. Wird es später im Leben wieder einmal eng, entwickeln besonders diejenigen Angst, die schon zu Beginn die Enge im Geburtskanal kaum ertragen oder gar nicht bewältigen konnten und aus der Angst der Enge in Ohnmacht flohen.

Aus diesem Grund meiden AngstpatientInnen oft geradezu panisch alle für sie mit Enge assoziierten Situationen. Dabei spielt es eine untergeordnete Rolle, ob es in einer Menschenmenge eng wird, im Aufzug, beim Stau in einem Tunnel, in der überfüllten U-Bahn oder gar bei deren Stopp in enger Röhre zwischen zwei Stationen. Genauso mag die Enge einer Partnerbeziehung zum Problem werden – oder die einer beruflichen Situation. Wird 50 Mitarbeitern von der Firmenleitung mitgeteilt, im Laufe des Jahres müssten 20 »freigestellt« werden, reagieren zuerst jene panisch, die nie gelernt haben, Enge-Situationen zu bewältigen. Dies geschieht ganz unabhängig von fachlicher Qualifikation und menschlicher Eignung.

So bestimmen ungelöste Geburtstraumata große und wichtige Momente des Lebens – jedenfalls bis zu ihrer Lösung. Die Angst kann sich mit der Zeit auch auf andere Bereiche ausweiten, die urprinzipiell dafür infrage kommen. Wer etwa unter sogenannter Tunnelangst leidet, nimmt in seiner Not im Zusammenhang mit dem unverarbeiteten Geburtstrauma viel Ungemach auf sich. Betroffene fliehen etwa über gefährliche Passstraßen, um ihre Tunnelangst zu umfahren. U-Bahnfahren mag dann ebenso tabu sein wie die Nutzung des Fahrstuhls selbst in Wolkenkratzern. Anstrengende Vermeidungsstrategien sind der nervenaufreibende Versuch, sich der anstehenden Lernaufgabe zu entziehen, ja zu verweigern. Hier mag wieder der Gedanke auftauchen, was für ein fabelhafter Wegweiser Angst auf dem Entwicklungsweg ist. Statt die Angstsituationen zu fliehen, wäre es so viel besser und entwicklungsträchtiger, seine Angst aufzusuchen und zu lösen. Diese frühe Quelle der Angstenergie versiegt erst mit der Bewältigung des Geburtstraumas, ein Prozess von entscheidender Bedeutung für ein von neurotischen Ängsten freies Leben.

Bewältigt ist eine problematische Geburt, wird sie nochmals, jetzt aber bei Bewusstsein, durchlebt. Wurde das Geburtsgeschehen mit seiner Enge zu unerträglich, floh womöglich die an unendliche Weite gewöhnte Seele aus dem in Not geratenen Körper – eine Situation, die wir später im Leben Bewusstlosigkeit nennen. Kinder und selbst noch Erwachsene, die ihre Ankunft im Leben nicht bewusst miterlebten, wirken oft wie »nicht wirklich angekommen« in dieser Welt der Polarität auf dieser Erde. Sie scheinen wie zwischen den Welten hängen geblieben und entwickeln später häufig die Tendenz, zwischen alle Stühle zu geraten. Das ist die destruktiv-unerlöste Variante des christlichen Nicht-von-dieser-Welt-Seins.

Therapeutisch bewusstes Wiedererleben der Geburt führt zum Akzeptieren der Wirklichkeit und löst so den darum entstandenen Angstkomplex. Wird die mit der Urangst verbundene blockierende Energie im Rahmen einer mit der Geburt versöhnenden Therapiesitzung wieder frei, bringt das nicht nur seelische Erleichterung, sondern obendrein einen Zustrom von Lebensenergie, die sich aus der Blockade löst und anschließend zur freien Verfügung steht. Wir reparieren auf diesem Weg gleichsam den Beginn des Lebens und damit unsere Vergangenheit. Hier hat der etwas übertrieben wirkende Satz »Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit gehabt zu haben« seine Wurzeln.

Erstaunlicherweise wiederholt sich die Angst vor dem Eintritt in die Welt am Ende des Lebens, wenn es ums Sterben, um die Lösung aus der polaren Welt der Gegensätze geht. Logisch betrachtet müsste das eigentlich als Er-Lösung erkannt werden. Es braucht schon eine verblüffende Affinität zur Angst, um sich vor beidem, sowohl dem Leben als auch dem Sterben, dem Ein- wie auch dem Austritt aus der polaren Welt, so zu ängstigen.

Geburt und Tod, Anfang und Ende des Lebens, sind die Schlüssel und Schwellen – davor und danach sind wir in der Seelenwelt ohne die Enge der Ängste, ohne die Beschränkungen von Raum und Zeit. Logisch wäre es also, Angst vor dem Leben und Angst im Leben zu haben, aber nicht vor seinem Ende. Aber Logik ist ein Thema der linken archetypisch männlichen Gehirnhälfte, wir haben jedoch noch eine rechte weibliche und außerdem Herz und Bauch. Sie alle spielen im Zusammenhang mit Angst entscheidende Rollen.

Das Drama der Geburt

Die Art, wie wir die Geburt – gemessen an Geburten anderer Säugetiere – komplizieren, verrät, wie sehr wir das Enge- und Angstthema durch unser Zutun noch mutwillig verschärfen. Menschenaffen – das Erbgut von Bonobos und Schimpansen stimmt bis auf zwei Prozent mit unserem überein – erleben vergleichsweise leichte Geburten, und auch alle anderen Arten könnten sich derart lebensgefährliche Verkomplizierungen des Gebärvorganges gar nicht leisten.

Eine Schwangerschaft und die an- und abschließende Entbindung als eine Art gefährliche, auf die Techniken moderner Medizin angewiesene Krankheit zu betrachten, hat selbst schon wieder etwas Beängstigendes. Was die Geburtshilfe Frauen im vergangenen Jahrhundert zugemutet hat, ist rückwirkend kaum fassbar und noch immer nicht ganz vorbei. Weiterhin steigt die Zahl der Kaiserschnitte, obwohl dabei die Sterblichkeit bei Müttern höher ist als bei Geburten auf natürlichem Weg.

Die von Frédéric Leboyer und Michel Odent initiierte sanfte Geburtshilfe ist im Wesentlichen eine Rückkehr zu Mutter Natur. Die Geburt im warmen Wasser wurde von Odent derjenigen der Delfine nachempfunden. Eine ähnliche Rückbesinnung der Medizin auf Mutter Natur könnte auf vielen Ebenen Wunder wirken und kommenden Generationen eine angstfreiere Lebensbasis schaffen. Dem stehen vor allem die Interessen der Pharmakonzerne im Wege – aber nur genau so lange, wie wir uns das gefallen lassen. Und auch hier gibt es natürlich den Gegenpol: Als Notfall-Alternative ist die moderne Geburtshilfe ein Segen, und ich plädiere ausdrücklich nicht für eine Geburt im Meer und schon gar nicht in der Nordsee.

II. DIE ANGST DER MODERNE

In den Pandemiejahren mit ihrem breit angelegten und weltweit verbreiteten Angstfeld waren fast alle vom Thema Angst betroffen. Als jemand, der sich ein Arzt-Leben lang mit Psychosomatik, der Verbindung von Seele und Körper, beschäftigte, war mir die Be-Deutung und Macht der Seele vertraut. Doch staunte auch ich noch, welch ungeheures Leid sich mit Angst in unserer sich für aufgeklärt haltenden Zeit entfalten ließ.

Wie alle Krankheitsbilder hat auch Angst eine Botschaft und Funktion. Auch wenn die meisten sie nur loswerden wollen, wären wir tatsächlich schlecht ohne sie dran, warnt sie uns doch vor Bedrohungen und Gefahren und kann uns, wie schon angedeutet, den Weg der Entwicklung und Selbstverwirklichung weisen.

Es gibt allerdings einen großen Unterschied zwischen realer Bedrohung und daraus folgender Angst und geschürter Angst, die erst die Vorstellungen von Bedrohungen auslöst. Da müssen wir uns fragen und schließlich entscheiden, sind diese Engpässe real oder aus bestimmter Absicht kreiert, inszeniert, erfunden?

Pandemie der Ängste

Anfang 2022 – wo die Angst vor der Infektion, dem inneren Krieg zwischen Erregern und Abwehrsystemen, durch die vor äußerem Krieg zwischen Nationen ersetzt wird – ist festzustellen: Angst war und ist weiterhin das entscheidende Thema. Auf den ersten Blick sind auch gleich die Schuldigen gefunden: das Virus, das die Welt, und der Potentat, der ein anderes Volk überfallen hat. Auf den zweiten Blick sind in beiden Fällen der Tod und die Angst vor ihm mit im Spiel – und letztlich sogar spielbestimmend. Die Angst, an den Folgen der Seuche zu sterben, ob als Opfer des Virus, einer Gesundheitsdiktatur, an sogenannten Impfungen oder durch wirtschaftlichen Zusammenbruch, hat Menschen weltweit aufgebracht und umgetrieben, so wie anschließend die Angst vor einem Atomkrieg, an dem die Welt zugrunde gehen könnte. Der Ausgang ist ungewiss, aber das Thema in der Tiefe, wir ahnen es, ist dasselbe.

Das einzig Sichere ist doch generell:

1. Wir müssen alle sterben.

2. Wir wollen (das) nicht und wir haben

3. ungeheure Angst davor.

Rückblickend könnten wir aus der Pandemie gelernt haben: Das Damoklesschwert des Todes und die Angst davor drohen weiter und werden das so lange tun, bis wir uns einer Lösung stellen.

Die Angst vor dem Virus hat größere Schäden angerichtet, als wir jetzt noch wahrhaben wollen. In meinen Augen und nach meinen Quellen sogar weit größere als das Virus selbst. Das nämlich wird den Weg aller Viren nehmen und seine Bedrohlichkeit wohl weitgehend einbüßen. Auch Viren wollen leben, und das gelingt ihnen nicht, wenn sie ihre Opfer töten, sondern wenn es langfristig zu einer Kooperation kommt, wie das bei anderen Viren in der Vergangenheit zu beobachten war. Immerhin sind 50 Prozent unseres Erbgutes von Viren übernommen.

Trotzdem herrscht die Angst weiter. Die aufgerissenen Gräben zerreißen weiterhin Gesellschaften, Familien und nicht selten auch Herzen. Was können wir über die Angst lernen? Wie ist wer durch diese schweren Zeiten gekommen?

Beispiele der Hoffnung und Angstfreiheit

Ein Beispiel, wie eine ganze Bevölkerungsgruppe schadlos und in bester Verfassung durch die Angstjahre kam, ist die Glaubensgemeinschaft der Amischen in den USA. Auf dem Boden ihrer Religion verweigerten sie sich allen Social-distancing-Maßnahmen und lebten weiter ihren alten, streng religiös geprägten Lebensstil. Die Kraft dazu schöpften sie aus ihrem starken Gruppenzusammenhalt und der Tradition ihrer Religion. Zu ihren Gottesdiensten gehört es, dass sich alle Gläubigen in der Kirche inbrünstig umarmen. Die Amischen haben damit offenbar – weitgehend angstfrei – von Anfang an eine vollständige Durchseuchung mit Covid-19 provoziert und erlebt. Von der in den übrigen USA besonders schlimm wütenden Seuche haben sie keinen wesentlichen Schaden davongetragen. Ihr sehr verbundenes Gemeinschaftsleben lief einfach und in vollem Umfang weiter. Ihre Ernährung ist überwiegend gesund, ihr Lebensstil einfach und von tiefem christlichem Glauben geprägt und wurde durch die Pandemie nicht im Mindesten erschüttert.