Lebenskrisen als Entwicklungschancen - Ruediger Dahlke - E-Book
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Lebenskrisen als Entwicklungschancen E-Book

Ruediger Dahlke

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Beschreibung

Der Klassiker zu den Umbruchphasen des Lebens von Bestsellerautor Ruediger Dahlke in einer aktualisierten und erweiterten Fassung

Geburt, Pubertät, Abnabelung vom Elternhaus, Heirat und Midlifecrisis stellen aufwühlende Einschnitte im Leben dar. Wenn wir diese natürlichen Lebensübergänge verdrängen, statt sie anzunehmen, gerät unser Leben aus dem Rhythmus und wir erleben diese Phasen als Krisen. Sichtbare Zeichen dafür sind Krankheiten und körperliche Beschwerden.

Ruediger Dahlke beleuchtet in dieser aktualisierten und erweiterten Ausgabe seines Klassikers die wichtigen Umbruchphasen des Lebens und ihre entsprechenden Krankheitsbilder und zeigt, wie wir mit Hilfe von persönlichen Ritualen an jedem einzelnen Lebensabschnitt wachsen können. Denn diese Lebensübergänge bieten die Chance, Altes hinter sich zu lassen, sich von vermeintlich Sicherem zu trennen und zukunftszugewandt selbst die nächsten Schritte zu gehen und zu handeln.

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Buch

Geburt, Pubertät, Abnabelung vom Elternhaus, Midlifecrisis und Tod sind für jeden Menschen bedeutsame und aufwühlende Einschnitte. Die meisten von uns haben heute das Bewusstsein für diese natürlichen Phänomene verloren und können besser mit dem technischen Fortschritt als mit unserer eigenen Entwicklung umgehen. Diese Umbruchphasen werden negativ erlebt und als Krisen angesehen, was in seelischen und körperlichen Beschwerden zum Ausdruck kommt. Ruediger Dahlke weist mit seinem Buch den Weg aus dieser Sackgasse, indem er moderne Rituale des Übergangs entwirft, die helfen, Umbruchkrisen zu meistern und sie als eine Chance zu begreifen. Mit hilfreichen Anregungen für jede Station der Lebensreise webt der Autor ein Netz, das uns in jedem Alter trägt.

Autor

Dr. Ruediger Dahlke ist Mediziner und ausgebildeter Arzt für Naturheilwesen sowie Psychotherapeut. Er praktiziert als Arzt und Therapeut an dem von ihm und seiner Frau gegründeten »Heilkunde-Zentrum Johanneskirchen«, leitet Seminare über Psychosomatische Medizin und gibt Fasten- und Meditationskurse.

Inhaltsverzeichnis

Über den AutorEinleitung - Be-Deutung und Macht der ÜbergängeTEIL I
1. Die Krise2. Das Mandala als Lebensmuster3. Rituale als Schlüssel zu neuen Lebensabschnitten
Rituale und ihr WirkenIntakte RitualweltenHeilungsritualeEinweihungsritualeZeitqualität für Rituale und Feste
4. Das Jahr und seine Feste
Jahres- und Lebenslauf im Spiegel der SonneDer Mondzyklus als Mandala der Entwicklung
TEIL II
1. Empfängnis und Schwangerschaft
Begrüßungsrituale kontra LebensmissachtungSchwangerschaftsprobleme
GeruchsempfindlichkeitGenussmittelÜbelkeit und ErbrechenSchwindel und SchwächeVorzeitige Wehen
Rückblick auf den LebensbeginnFragen zu Empfängnis und Schwangerschaft
Praktische Erfahrungsräume
2. Geburt
GeburtsproblemeGeburtskomplikationen
SteißlageQuerlageKaiserschnitt
Andere Geburts- und Loslassprobleme
Vorzeitiger BlasensprungFrühgeburtVorzeitige PlazentalösungNabelschnur um den Hals
ZusammenfassungFragen zur Geburt
Therapeutische Möglichkeiten zur Lösung des Geburtstraumas
3. Nachgeburtliche und Kleinkinderkrisen
Nach der Geburt
Wochenbettdepression und StillpsychoseLustverlustKindliche UmstellungsproblemeStillproblemeDas eine und das andere BettZahnenAbstillen
Kleinkinderkrisen
Von Krabblern, Leseratten und LegasthenikernDer Aufstand für die AufrichtigkeitErstes Nein und TrotzphaseKlassische MachtkämpfeDas eine (obere) Töpfchen: Probleme mit dem EssenDas andere (untere) Töpfchen: Probleme mit dem SauberwerdenZapfenstreich: Die BettstundeKleine Rituale statt großer Machtproben
Fragen zum Baby- und Kleinkindalter
4. Kindheitskrisen
Von Kinderkrankheiten und ImpfkampagnenKindergartenspaß oder Vorschulstress?Erster Schultag
Fragen zur Kindheit
Übungen für Kinder
5. Die Pubertät
Probleme und Krankheitsbilder
Die erste PeriodeStimmbruchPubertätsaknePubertätsmagersuchtBulimieTherapievorschläge
Pubertätsrituale
Traditionelle RitualeModerne »Riten«Moderne KindergesellschaftenBedrohliche Kinderwelt: Die SuchtgesellschaftRituale des Frauwerdens
Auf der Suche nach Ersatzritualen
Rituale der SucheRituale der Suchtvermeidung
Notwendige AufständeEkstaseFragen zur Pubertät
Übungen in der Pubertät
6. Adoleszenz
Fragen zur Adoleszenz
7. Heirat
Fragen zur Heirat
Ideen für ScheidungsritualeIdeen für Hochzeitsrituale
8. Beruf
Fragen zum Beruf
9. Spirituelle Krisen10. Wechseljahre oder Midlifecrisis
AblenkungsmanöverKrankheitsbilder der Midlifecrisis
DepressionInvolutionsdepressionProstataschwellungHaarausfallMyomeGebärmutterentfernungWechselbeschwerden
Der Östrogenwahn
Auswirkungen auf die FrauenAuswirkungen auf die Welt – Umweltbelastung der neuen Art
Animus und AnimaFragen zur Midlifecrisis
Übungen
11. Alter
Krankheitsbilder des AltersDie Archetypen des AltersFragen zum Alter
Meditationen als Vorbereitung auf das große LoslassenÜbungen
12. Tod
Sterben in modernen ZeitenBewusster Umgang mit dem TodFreitodNachtodkrisenMöglichkeiten der Annäherung an den Tod
Neuere Ansätze zur Annäherung an den Tod
Totenrituale bei unsDer Tod aus spiritueller Sicht
Übungen für den Umgang mit dem Tod
TEIL III
1. Der Tag als Spiegel des Lebens2. Vom richtigen Zeitpunkt und der rechten Reihenfolge3. Perspektiven
Kriterien für den Zeitpunkt individueller ÜbergängeHandwerkszeug und Bausteine für eigene ÜbergangsritualeDie Phasen des Übergangsrituals
4. Ausblick
ANHANG
AnmerkungenLiteratur
RegisterVeröffentlichungen von Ruediger DahlkeCopyright

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe, Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern. Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe Bereit zum Abschied sein und Neubeginne, Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern In andre, neue Bindungen zu geben. Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, Der uns beschützt und der uns hilft zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten An keinem wie an einer Heimat hängen, Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, Er will uns Stuf’ um Stufe heben, weiten. Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen, Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen. Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde Uns neuen Räumen jung entgegensenden, Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden… Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde

Hermann Hesse, Stufen

Einleitung

Be-Deutung und Macht der Übergänge

In dem Maße, wie wir immer besser lernen, mit technischen Problemen umzugehen, scheinen wir zunehmend die Fähigkeit zu verlieren, mit natürlichen Phänomenen zurechtzukommen. Insbesondere mit den Übergängen von einer Lebensphase zur nächsten werden wir kaum noch fertig. Wir hetzen durchs Leben, sparen Zeit, wo immer es möglich erscheint, und haben doch keine mehr, um uns den wesentlichen Stationen unserer eigenen Entwicklung zu widmen.

Das Phänomen der Entwicklungsbeschleunigung lässt sich auf den verschiedensten Ebenen verfolgen. Hat der Übergang von der Jagd- zur Agrargesellschaft noch tausende von Jahren in Anspruch genommen, verlief der Übergang zur Industriegesellschaft innerhalb eines Jahrhunderts sehr rasant. Und doch vollzog sich die industrielle Revolution wiederum langsam im Vergleich zum Übergang in die Informationsgesellschaft, der sich so schnell ereignete, dass ihn viele gar nicht registrierten und im gesellschaftlichen Zusammenhang zurückfielen. Der nächste Übergang zur Bewusstseinsgesellschaft verläuft in solch fliegendem Wechsel und so unbemerkt, dass die wenigsten dabei bewusst mitkommen.

Die Übergänge zwischen den Lebensphasen im individuellen Leben, die durch Empfängnis, Geburt, Pubertät, Abnabelung vom Elternhaus, Heirat, Krise der Lebensmitte und Tod markiert sind, erleben auch immer weniger Menschen ganz bewusst. Bei Empfängnis und Geburt wird dem Neuankömmling sowieso noch kein oder jedenfalls »kein richtiges« Bewusstsein zugestanden. Die Pubertät wird mehr oder weniger übergangen. Die Älteren hoffen, durch diese Jugendkrise wenig gestört und gefordert zu werden. Die endgültige Abnabelung von den Eltern mit Ende der Adoleszenz fällt nicht selten aus, oder man versucht, sie aus pragmatischen und anderen Gründen möglichst lange hinauszuschieben. Die Ehe wird zunehmend zu Gunsten des vermeintlich bequemeren Singledaseins verweigert oder gerät zur Fortsetzung einer problematischen Mutter- bzw. Vaterbeziehung. Der Beruf ist von der Berufung zum Job verkommen, der immer mehr Menschen immer weniger befriedigt, was sich unter anderem im häufigen Wechsel niederschlägt. Die Wechseljahre der Lebensmitte überspielt die weibliche Hälfte der Bevölkerung mit Hormongaben, die männliche ignoriert sie, so gut es geht. Nach so viel Verdrängen und Überspielen ist es wenig verwunderlich, wenn auch die letzte große Krise, der Tod, in einer Atmosphäre von Verdrängung und Missachtung unter zumeist erbärmlichen Umständen stattfindet.

Als hätten wir nicht genug Schwierigkeiten mit diesen großen, klassischen Lebenskrisen, treten zudem dauernd neue Herausforderungen dazu, mit denen große Teile der Betroffenen nicht oder nicht befriedigend fertig werden und die ihre Wurzeln in den gescheiterten großen Krisen haben. Fast könnte man sagen, mit dem Ignorieren der großen Übergänge des Lebens handeln wir uns eine Fülle kleinerer Dauerkrisen ein. Wo die Linie fehlt, gerät Sand ins Getriebe des Lebens und lässt auch geringe Anlässe zu ansehnlichen Krisen heranwachsen. Statt das Krisenpotenzial in bestimmten Übergangszeiten konzentriert zu bewältigen, verdienen wir uns kollektiv einen krisenhaften Alltag.

Die Fülle von Verlustkrisen vom Partnerverlust bis zum Verlust eines geliebten Haustieres zeigt, dass wir mit dem Loslassen Probleme haben. Die Rentenkrise verrät, dass auch der große Feierabend nach einem harten Berufsleben nicht wesentlich besser verläuft als der alltägliche kleine nach einem anstrengenden Arbeitstag. Wo anderen Generationen offenbar zum Feiern zu Mute war, schaffen wir uns Elend. Das Leere-Nest-Syndrom beklagt überraschenderweise die von seelisch gesunden Menschen ersehnte Situation, dass die Jungen flügge geworden sind und die Alten wieder frei wären zu fliegen, wohin sie wollen. Viele »Alte« aber haben heutzutage offenbar das Fliegen verlernt oder keine Lust mehr dazu. Sie bleiben im leeren Nest hocken und versuchen, den Gang der Geschichte umzukehren und die »Jungen« wieder zurückzulocken. Oder sie werden, wo das scheitert, depressiv und selbst pflegebedürftig. Aber auch das Gegenteil wird heute gern krisenhaft in so genannten Anforderungskrisen durchlitten. Der Umzug in eine neue Umgebung kann hier ebenso als Auslöser dienen wie ein Arbeitsplatzwechsel. Im Grunde handelt es sich immer um ein Nicht-loslassen-Wollen des alten Vertrauten und dadurch bedingt um ein Nicht-akzeptieren-Können des Neuen. Das Muster dieser Krisen entspricht dem der großen Lebenskrisen. Ob man am alten Beruf festhält oder am alten Thema, zum Beispiel der Pflege und Versorgung der Familie – man ist nicht frei und offen für das anstehende Neue. So gut das alte Muster in der Vergangenheit funktioniert haben mag, in der neuen Situation ist es unangemessen und führt zu Leid.

Wir haben offenbar angefangen, uns so schnell zu entwickeln, dass wir selbst nicht mehr recht mitkommen. Für die Wechselfälle des Lebens fehlt uns zudem ein sicheres Netz von Ritualen, dem wir uns anvertrauen könnten. Daraus ergeben sich massive Probleme auf allen möglichen Ebenen des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens. Diese Probleme und Krisen sollen hier auf dem Hintergrund der esoterischen Philosophie beleuchtet sowie die dabei auftretenden Probleme und Krankheitsbilder in entsprechender Weise gedeutet werden. Die Tatsache, dass der Finger mitunter schonungslos auf die Schwachstellen unseres gesellschaftlichen Umgangs mit Übergängen gelegt wird, besagt noch nicht, dass der Autor jeweils bessere Lösungen anzubieten hat, und der (Rück-)Blick auf archaische Gesellschaften, die sich infolge ihrer Passageriten mit den Übergängen leichter taten, beinhaltet nicht den Rat, zu solchen Lebensformen zurückzukehren. Im Gegenteil geht es der esoterischen Philosophie immer um Entwicklung, allerdings in einem ganz anderen Sinn, als es unser moderner Fortschritt vermuten lässt.

Die Benutzung des Wortes »Esoterik« ist heute nicht mehr unproblematisch. Früher bezeichnete der auf Pythagoras zurückgehende Ausdruck »esoteros« den inneren Kreis in dessen Schule. »Exoteros« stand für den größeren äußeren Schülerkreis. Das Wissen des inneren Kreises stand traditionell nur einer kleinen Gruppe von Menschen offen, die es sorgsam hüteten, nicht um es den anderen vorzuenthalten, sondern weil es für rein weltlich gesinnte Menschen keine Vorteile, dafür aber eine Reihe von Gefahren barg. Daran hat sich bis heute kaum etwas geändert. Die Geheimhaltung geschah weniger durch Ausschluss anderer als durch die Tendenz dieses Wissens, sich selbst zu schützen. Es bewahrte sich vor der Profanisierung zum Beispiel durch absichtliche Profanisierung, etwa wenn das geheime ägyptische Tarotwissen auf ganz normalen Spielkarten zwar jedermann zugänglich gemacht wurde, aber dem großen Publikum dennoch unverständlich blieb. Ähnlich ist es mit dem Johannesevangelium. Indem es den allermeisten Menschen unverständlich ist, wird es schlicht ignoriert und ist so vor Missbrauch geschützt. Auch Bücher über Astrophysik bleiben ohne großes Zutun geheim, weil ihre mathematischen Grundlagen zu anspruchsvoll für die Mehrheit der Menschheit sind.

Durch die Esoterikwelle der letzten beiden Jahrzehnte hat sich jedoch einiges grundlegend verändert. Um das Wissen vielen Menschen schmackhaft zu machen, ist es einerseits zum Teil auf grobe Weise vereinfacht und damit auch verfälscht worden. Andererseits wurde es – mehr oder weniger unbeabsichtigt – sogar ins Gegenteil verkehrt und auf lächerliche und häufig peinliche Weise angepriesen. In solchen vieltausendfach verbreiteten Büchern werden die Angstthemen unserer Gesellschaft mit einer Prise Esoterik versetzt und je nach Marktlage vertrieben. Geistige Überlegenheit im Berufs- und Partnerbereich wird ebenso versprochen wie materieller Reichtum durch richtiges Beten, ewige Jugend und Unbesiegbarkeit. Die Folge ist, dass sich Menschen mit ernsthaftem Anspruch an die Thematik zunehmend scheuen, den Begriff »Esoterik« weiter zu benutzen. Allerdings wäre bei dieser verständlichen Reaktion zu bedenken, dass weder die Esoterik für den Missbrauch verantwortlich ist, dem sie momentan unterliegt, noch Medizin und Religion für all das anzuklagen sind, was in ihrem Namen verbrochen wurde und immer noch verbrochen wird. Deshalb sollen diese drei Begriffe hier in ihrer ursprünglichen Bedeutung weiterverwendet werden, so wie sie in dem Buch Krankheit als Sprache der Seele eingeführt sind, das in seinem allgemeinen Teil eine verlässliche Grundlage für den Umgang mit dem esoterischen Weltverständnis und seiner Deutung im Speziellen liefert.

Da Krankheitsbilder auch häufig zu Lebenskrisen werden oder diese begleiten und generell eine enge Beziehung zwischen beiden Themenkreisen besteht, ist in den Büchern Krankheit als Weg, Krankheit als Sprache der Seele und den entsprechenden Veröffentlichungen zu speziellen Krankheitsbildern1 generelle Vorarbeit geleistet worden. Umgekehrt bilden nicht bewältigte Lebenskrisen die Grundlage vieler Krankheitssymptome. Bei einigen wird es schon im Namen deutlich, so bei der Pubertätsakne und -magersucht, der Involutionsdepression oder der Todesangst. Andere Gesundheitsstörungen lassen sich nur auf der Basis des Lebensmusters verstehen, wie die Alzheimerkrankheit, die Parkinsonsche Schüttellähmung und andere Krankheitsbilder des Alters.

TEIL I

1. Die Krise

Das griechische Wort »crisis« bedeutet neben Krise auch Entscheidung, Scheidung, Zwiespalt, Trennung, Urteil, Wahl und Erprobung. Das chinesische Schriftzeichen für Krise ist identisch mit dem für Gefahr und Chance. Wenn wir die Krise auf ihren negativen Aspekt begrenzen, wie es im deutschen Sprachgebrauch weitgehend geschieht, bleibt unsere Sicht des Geschehens beschränkt. Allerdings kennen wir in der Medizin den Begriff »Heilungskrise« und bezeichnen allgemein mit »Krisis« den Entscheidungspunkt im Krankheitsgeschehen. Von hier aus geht es im positiven Fall Richtung Genesung, und so ist die Krisis auch der Umkehrpunkt zur Besserung. Indem wir unter dem Begriff auch »Entscheidung« verstehen, wie es im Altgriechischen der Fall ist, haben wir einen Schlüssel zum Wesen aller Krisen. Mit der Anleihe aus dem Chinesischen und dem Einbezug des Begriffes »Chance« erhalten wir den Ausblick auf die Perspektiven. Die Definition von Karl Jaspers geht ebenfalls in diese Richtung: »Im Gang der Entwicklung heißt Krisis der Augenblick, in dem das Ganze einem Umschlag unterliegt, aus dem der Mensch als ein Verwandelter hervorgeht, sei es mit neuem Ursprung eines Entschlusses, sei es im Verfallensein.« Für unseren Zusammenhang wichtig fährt Jaspers fort: »Die Lebensgeschichte geht nicht zeitlich ihren gleichmäßigen Gang, sondern gliedert ihre Zeit qualitativ, treibt die Entwicklung des Erlebens auf die Spitze, an der entschieden werden muss. Nur im Sträuben gegen die Entwicklung kann der Mensch den vergeblichen Versuch machen, sich auf der Spitze der Entscheidung zu halten, ohne zu entscheiden. Dann wird über ihn entschieden durch den faktischen Fortgang des Lebens. Die Krisis hat ihre Zeit; man kann sie nicht vorwegnehmen und sie nicht überspringen. Sie muss wie alles im Leben reif werden. Sie braucht nicht als Katastrophe zu erscheinen, sondern kann, im stillen Gang äußerlich unauffällig, sich für immer entscheidend vollziehen.«

Tatsächlich konfrontiert uns jede Krise zumindest mit der Wahlmöglichkeit, sie bewusst anzunehmen oder sich nach Kräften zu wehren. Hier entscheidet sich bereits, ob sie zur Gefahr oder Chance wird. Das alte chinesische Denken, das um die Polarität von Yin und Yang kreist, kann noch die Einheit hinter diesen beiden gegenläufigen Möglichkeiten sehen.

Dieselbe Entscheidung erzwingt auch jedes Krankheitsbild. Es wird entweder in seiner Botschaft angenommen und so in eine Chance verwandelt, oder es wird abgewehrt und damit zur Gefahr. Schon die Entstehung von Krankheitsbildern läuft über diesen Weg der Entscheidung. Sobald eine Herausforderung im Bewusstsein nicht angenommen wird, muss die Energie ins Unbewusste ausweichen. Häufig verkörpert sie sich später als Krankheitsbild. Die ursprüngliche Thematik wird dann von den einzelnen Symptomen symbolisch dargestellt. Wir entscheiden uns also ständig zwischen bewusster Auseinandersetzung oder Aufschub und späterer Bearbeitung unter erschwerten, weil verschlüsselten Bedingungen. Auch wenn wir diese Entscheidung kaum mehr bewusst registrieren, weil wir schon aus Gewohnheit den vermeintlich einfacheren Weg des Verdrängens wählen, werden sie doch ständig getroffen.

Sobald wir ein Thema aus dem Bewusstsein drängen und damit dem Körper allein überlassen, entsteht automatisch eine Kluft zwischen Körper und Seele. Wird diese unerträglich, weil sich beide zu weit voneinander entfernen, kommt es zu einem Selbsthilfeversuch des Organismus. Entweder der Mensch erkrankt, oder er gerät in eine anders geartete Krise mit der Chance einer neuen Entscheidung bezüglich des anstehenden Themas. Beides sind Versuche, über das verkörperte oder im sozialen Umfeld inszenierte Geschehen Körper und Seele wieder zusammenzubringen. Das aber geschieht am einfachsten durch bewusstes Verstehen des auf der Gesellschafts- oder Körperbühne aufgeführten Dramas. Aus der Nähe von körperlichen, seelischen und sozialen Krisen ergibt sich die Möglichkeit, alle drei unter denselben Gesichtspunkten ihrer Bedeutung auf dem Boden der esoterischen Philosophie zu betrachten. Um die Krisen im zeitlichen Zusammenhang einzuordnen – Jaspers sprach davon, dass jede Krisis ihre Zeit hat –, ist es notwendig, sich vorher mit dem Grundmuster des Lebens schlechthin, dem Mandala, zu beschäftigen.

2. Das Mandala als Lebensmuster

Ein Mandala ist eine kreisrunde Struktur, die in ihrem Aufbau überall auf den Mittelpunkt bezogen ist. Wissenschaftler würden sie als rotationssymmetrisch bezeichnen. Die östliche Vorstellung geht davon aus, dass das Mandala aus der Mitte entstanden ist und das Ganze in seinem Mittelpunkt enthält. Tatsächlich kann man sich vorstellen, dass ein Mandala dadurch entsteht, dass man einen Punkt gleichsam aufbläst und damit Raum und Zeit in ihn hineinfließen lässt.

Die Abbildung zeigt die Südrose der Kathedrale von Chartres

Unter den Symbolen und Bildern hat das Mandala insofern eine Sonderstellung, als es alle anderen Symbole und letztlich alles Geschaffene in sich integriert. Von den kleinsten bis zu den größten Strukturen finden wir überall Mandalas. Jedes Atom, gleichgültig ob wir das alte Atommodell von Niels Bohr oder das neue der Quantenphysik wählen, bildet mit seinem wirbelnden Tanz der Elektronen um den ruhenden Kern ein Mandala. Da aber alles in dieser Schöpfung aus Atomen besteht, bilden Mandalas die Grundstruktur aller Materie. Das Prinzip des Tanzes um die Mitte ist verbindlich für alle Atome, wobei sich die Mitte dadurch auszeichnet, dass sie sich unserem Verständnis weitgehend entzieht. Selbst nach der Vorstellung der Mathematik ist die Mitte nicht von dieser Welt; der Mittelpunkt hat keine Ausdehnung im Raum und darf per Definition keine haben. Wenn wir ihn als Punkt zeichnen würden, wäre dies schon zu viel, denn unsere Darstellung geht in den Raum und damit über den Punkt hinaus. Der Punkt ist eindimensional und damit auch, geometrisch betrachtet, der Einheit zugehörig. Das Tao Te King beschreibt die Nabe des Rades bzw. die in ihr herrschende Leere als das entscheidende Zentrum, um das sich alles dreht. Der mythologische Tanz um das Nichts wird durch unser Wissen um das Innere atomarer Strukturen bestätigt. Der Kern ist von seiner Ausdehnung winzig im Vergleich zur Elektronenhülle. Hätte diese das Ausmaß des Petersdomes in Rom, der größten Kirche der Christenheit, käme der Kern im Verhältnis dazu auf die Größe eines Staubkornes. Und doch dreht sich alles um diesen Kern, dieses Nichts.

Bei der Zelle, dem Grundbaustein des organischen Lebens, stoßen wir wieder auf die Mandalastruktur. Alles dreht sich auch hier um den zumeist ruhenden Kern; alle Information für das Leben der vielfältigen Zellstrukturen kommt aus ihm. Da alles organische Leben auf Zellen aufbaut, ist auch auf dieser Ebene das Mandala die Basis des Lebens. Selbst im anorganischen Bereich beruhen viele Kristalle auf der Mandalastruktur, um deren Zentrum sich der Kristall aufbaut.

Wechseln wir zu den größten Strukturen, die wir erkennen können, treffen wir wieder auf Mandalas. Die Erde selbst, aber auch alle anderen Planeten und Himmelskörper entsprechen dem Mandalamuster, indem sie sich um ihre ruhende Mitte drehen, in der die Schwerkraft wirkt. Das gesamte Sonnensystem stellt ebenso ein Mandala dar wie auch jeder Spiralnebel und das Universum als Ganzes.

Die Spirale, selbst Mandala, bringt noch eine spezielle Betonung der Mandalaform, indem sie das ihr innewohnende Bewegungselement betont. Alles kommt aus der Mitte, bleibt darauf bezogen und tendiert dorthin zurück. Das Universum ist aus der Mitte der Spirale entstanden und wird irgendwann dorthin zurückkehren, wie uns der indische Schöpfungsmythos verrät und seit neuestem auch einige Astrophysiker behaupten. Das Leben spendende Licht der Sonne erreicht uns nicht etwa auf geradem Weg, sondern auf einer Spiralbahn. Auch im Mikrokosmos, wo Materie entsteht, ist die Spirale gegenwärtig. Subatomare Teilchen, wie sie Physiker in ihren Blasenkammern beobachten, folgen oft Spiralbahnen. Und dort, wo das organische Leben seine Grundlage hat, im Erbgut im Innern der Zellkerne, steht die Doppelspirale der DNS im Zentrum. An allen entscheidenden Punkten des Lebens wird das Spiralmuster erkennbar. So ist es nicht verwunderlich, dass es auch bei Empfängnis und Tod eine tragende Rolle spielt. Wenn die Seele sich in den Körper senkt, wird das oft als spiralige Wirbelbewegung erlebt, und auf dieselbe Art verlässt sie ihn beim Sterben wieder, wie wir aus der Reinkarnationstherapie wissen.

Von der größten Dimension des Makrokosmos bis in die kleinste des Mikrokosmos treffen wir auf das Mandala. Aber auch in den Zwischenbereichen, in denen sich unser Leben abspielt, ist das Mandala immer nah. Aus Blütenkelchen blickt es uns ebenso entgegen wie aus den Augen der Tiere und Menschen. In jedem Wasserstrudel dreht es sich mit, aber auch in Wirbelstürmen und Taifunen. Es findet sich in Muschelschalen und Schneckenhäusern und in jeder Schneeflocke. Bedenkt man, dass es keine zwei gleichen Schneeflocken oder Eiskristalle gibt, alle aber nach dem Sechssternmuster eines Mandalas geformt sind, kann man seine vielfältigen Möglichkeiten und seine Rolle im Rahmen der Schöpfung ermessen. Alles kommt aus dem Mandala oder ist auf dem Weg zu ihm, denn auch der Urknall, wie ihn uns die Wissenschaft beschreibt, bildet ein Mandala. Und selbst das gewaltigste Felsmassiv zerfällt mit der Zeit in Sandkörner und damit in Mandalas. Aus den Mandalas der Atome entsteht alles, und zu ebendiesen Mandalas wird alles zurückkehren. Es ist immer nur die große Täuscherin Zeit, die uns vom Mandala trennt.

Wenn sich alles auf dem Weg des Mandalas befindet, so ist es nicht verwunderlich, dass auch wir Menschen diesem universellen Muster folgen. Das Leben in der polaren Welt nimmt in der Mitte des Mandalas im befruchteten Ei, wiederum einem Mandala, erste Form an. Aus der Ungebundenheit des freien Raumes wird die Seele in die Enge des Körpers gesogen, der sich zuerst wie ein Gefängnis anfühlt. Der Mittelpunkt des Mandalas entspricht der Einheit, dem Paradies, wo noch keine Gegensätze bestehen. Dem biblischen Auftrag gemäß, sich die Erde untertan zu machen, wird das Kind nun immer weiter hinaus aus der Mitte streben. Im Mutterleib ist es der Mitte und damit der Einheit noch sehr nahe. Über die Nabelschnur mit der Mutter aufs Engste verbunden, ist die Versorgung in dieser Schlaraffenlandsituation jederzeit gewährleistet. Durch sein stetiges Wachsen entrückt das Kind unwiderruflich und Schritt für Schritt diesem Paradies und gerät mit jeder Entwicklungsstufe tiefer in die Polarität. Bald wird sein Nest zu eng. Unter Schmerzen und ob es will oder nicht, wird die Mutter das Kind mit mächtigem Wehendruck hinaustreiben. Mit dem ersten Atemzug bindet es sich an die Polarität des Ein- und Ausatmens. Das eine Herz teilt sich in der Mitte, und linke und rechte Kammer entstehen. Ist das Kind bisher von der Mutter mitbeatmet worden, muss es nun selbst Luft holen. Ist ihm bisher die Nahrung zugeflossen, muss es nun selbst saugen. Zwar wird es noch gestillt, aber auch das hört bald auf. Mit dem Abgestilltwerden vollzieht sich noch ein weiterer Schritt nach draußen in Richtung Polarität. Noch wird es gefüttert, aber schon bald muss es selbst essen und schließlich sich selbst ernähren. Es wird die sichere Mutter Erde, die es bisher vor allem bäuchlings kennen gelernt hat, verlassen müssen, um sich auf die Hinterbeine zu stellen. Dadurch gerät es in ein labiles Gleichgewicht und noch weiter in die Unsicherheit der Polarität. Mit seinem ersten »Nein!« fährt es auf diesem Weg fort und beginnt Dinge auszuschließen, wodurch letztlich Schatten entsteht und die Gegensätze der Polarität noch schroffer hervortreten.

Mit der Pubertät ist es schon ein gutes Stück aus der Mandalamitte hinausgeraten und beendet die immer noch relativ neutrale Kinderexistenz. Das Kind muss sterben, damit die Frau oder der Mann leben kann. Mit der Abnabelung von den Eltern nach geglückter Adoleszenz ist ein weiterer Schritt in die Eigenständigkeit getan, und die Spannung des Lebens nimmt laufend zu. Mit der Suche nach der besseren Hälfte, wie der Partner im Volksmund so ehrlich heißt, werden die Spannungen oft noch größer, und mit der Heirat und der Gründung einer eigenen Familie wachsen Verantwortung und Belastung, aber auch Chancen. Die Polarität ist nun sehr deutlich spürbar. Es geht lange nicht mehr alles so, wie man will, und immer häufiger kommt der Schatten bei noch so gut gemeinten Unternehmungen ins Spiel. Alle weiteren Anstrengungen, das Leben in den Griff zu bekommen und sich die Erde untertan zu machen, erhöhen Spannung und Verantwortung. Gelingt es, große Reichtümer aufzuhäufen, müssen diese verwaltet und letztlich bewacht werden, was wiederum die Anspannung noch verstärkt.

Schließlich kommt in der Peripherie des Mandalas der Punkt der unwiderruflichen Umkehr. Der einzig mögliche Fortschritt ist hier der Rückschritt. Auch wenn wir sie heute zu ignorieren und manchmal sogar zu überschreiten suchen, bleibt diese äußere Grenze des Lebensmusters unüberwindbar. Noch nie ist ein Mensch oder Wesen anders aus diesem Muster herausgekommen als durch den Mittelpunkt. Alle Versuche, sich in der Peripherie festzuklammern und sich dem Muster des Lebensweges zu verweigern, scheitern auf die eine oder andere spektakuläre bis simple Art. Ab diesem Punkt gilt der Christussatz: »Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen« (Mt 18,3). Alle Wege führen jetzt nur noch zurück, heim in Richtung Mittelpunkt des Mandalas und zum Abschied von der Polarität im Tod. Alles Festhalten in der Lebensmitte am Mandalarand ist ein hoffnungsloses Gegen-das-Leben-Arbeiten und verbraucht sinnlos Energie in ebenso krampfhaften wie chancenlosen Aktionen.

Da das Ziel des Weges die Mitte und damit das Sterben ist, haben Menschen, die nicht an den Rhythmus von Leben und Sterben und Leben glauben, davor die größte Angst und tun alles, um diesen Punkt zu vermeiden. Da das offensichtlich nicht möglich ist, vermeiden sie wenigstens die Erkenntnis dieser Tatsache, und so geschieht es, dass bei uns der Tod zu einem unwürdigen Schauspiel verkommt. Kulturen, die das Mandala in den Mittelpunkt ihrer Existenz stellen wie etwa die tibetische, erkennen in Tod und Empfängnis dieselbe Tür, die lediglich von zwei verschiedenen Seiten benutzt wird.

Dieses Grundmuster allen Lebens wird von den großen Religionen zur Veranschaulichung des Weges benutzt. Auch die christliche Religion kennt es und hat es in den Rosenfenstern der Gotik verewigt. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn bezieht sich darauf. Der Vater, Symbol Gottes und der Einheit, lebt mit seinen beiden Söhnen auf seinem Hof. Als einer der beiden aufbegehrt, sein Erbe verlangt und sich von ihm lossagt, lässt er ihn widerwillig in die Welt hinausziehen. Der Sohn verlässt die Mitte des Mandalas und wendet sich zielstrebig nach draußen. Er gerät in alle denkbaren Schwierigkeiten, verspielt und verprasst das Erbe, und als er schließlich zum Schweinehirten herabgesunken ist, erinnert er sich an den Vater und die Einheit, kehrt um und wird vom Vater mit offenen Armen empfangen. Der Vater richtet für den verlorenen Sohn jenes große Fest aus, das den zu Hause gebliebenen, vermeintlich braven Sohn so erregt. Dieser hatte nie ein Fest bekommen. Aus der Perspektive des Mandalas ist das verständlich: Warum sollte ein Nesthocker für seinen Mangel an Mut auch noch belohnt werden? Es gilt, hinauszugehen und das Leben zu wagen. Das Beruhigende an diesem Gleichnis ist, dass wir es offenbar nur versuchen müssen und dabei auch scheitern dürfen – Hauptsache, wir erinnern den Weg und kehren irgendwann in die Einheit zum Vater zurück.

Buddhismus und Hinduismus verehren das Mandala noch viel ausdrücklicher. Sie bauen ihre Tempel auf Mandalagrundrissen und beschreiben den Lebensweg bewusst als Mandala. In der klassischen Gestalt stellen sie es mit vier Eingangstoren in den vier Himmelsrichtungen dar und mit einem Symbol der Einheit in der Mitte. Damit drücken sie aus, dass es viele Wege zu dem einen Ziel in dem einen Muster gibt. Die östliche Wegbeschreibung »von hier nach hier«, die für viele Missverständnisse sorgt, weil manche sie für einen Freibrief halten, sich nicht zu entwickeln und stehen zu bleiben, findet im Mandala Sinn und Erklärung. Der Weg führt aus der Mitte in die Mitte oder, noch deutlicher, aus der unbewusst erlebten Mitte in die bewusst gesuchte Mitte.

Mythos und Märchen wissen ebenfalls um dieses Muster und illustrieren es auf ihre Weise. Das Leben des Helden Odysseus beschreibt eine komplette Reise durch das Mandala. Odysseus’ Fahrt nach Troja steht für den Hinweg, sein dortiger Sieg fällt in die Lebensmitte, und all die Abenteuer der eigentlichen Odyssee illustrieren den Heimweg des Helden zu seiner besseren Hälfte Penelope.

Der Gralsheld Parzival wird von seiner Mutter Herzeloide über die Zeit hinaus zu Hause, im Nest, festgehalten. Sie hat bereits schlechte Erfahrungen mit der Welt gemacht, an die sie ihren Mann, Parzivals Vater Gahmuret, verloren hat. So steckt sie ihren einzigen Sohn in Mädchenkleider und gibt ihm eine für die äußere Welt untaugliche Erziehung. Kaum aber sieht Parzival die ersten Ritter, ist er auch schon auf und davon. Allerdings muss er viel Lehrgeld zahlen und macht Fehler um Fehler: Grundlos erschlägt er den roten Ritter Itter, und als er in die Gralsburg kommt, kann er die erlösende, auf den Schatten zielende Frage »Was fehlt dir, Oheim?« nicht stellen, denn seine Mutter hatte ihm eingeschärft, nicht zu fragen. Erst am tiefsten Punkt, in hoffnungsloser Verzweiflung, tut sich der Rückweg vor ihm auf. In John Boormans Verfilmung Excalibur lautet die erlösende Antwort für das in Agonie versunkene Reich: »Der König und das Land sind eins.« Der König als Symbol der Einheit steht für die Mitte des Mandalas und ist identisch mit seinem Reich, dem Mandalafeld, das sich nur aus der Mitte entwickelt und ohne sie undenkbar ist.

Der typische Märchenheld muss sein Zuhause und damit die Mitte des Mandalas verlassen, was ihm häufig durch eine garstige Stiefmutter oder lieblose Eltern erleichtert wird. Er muss seine Aufgaben in der Welt bewältigen, um sich seine Anima, seine weibliche Seite, zu verdienen. Ist sie gefunden und erobert, kehrt der Held vereint mit ihr ins Reich des Vaters zurück, und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute. Dieser typische Schluss weist darauf hin, dass es sich hier nicht um historisches, sondern um zeitloses Geschehen handelt.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Geschichten des Mythos, die Märchen und Gleichnisse Hilfsmittel sind, das Lebensmuster zu verdeutlichen und sich an ihm auszurichten. Unsere Missachtung all dieser Hilfsmittel und das Vergessen des Mandalas als grundlegender Seelenlandkarte machen es uns Modernen schwer, unseren Weg zu finden und vor allem die Übergangsstufen, die sich auf ihm ergeben, zu nehmen.

Alle Entwicklung vollzieht sich in solchen Stufen und nicht kontinuierlich, wie Evolutionsforscher in Darwins Schatten immer noch glauben. Es ist kein Zufall, sondern hat Methode, dass ihnen so viele Zwischenglieder für ihre Evolutionstheorie fehlen. Entwicklung vollzieht sich in Sprüngen. Für diese hatten die Alten Übergangsrituale.

3. Rituale als Schlüssel zu neuen Lebensabschnitten

Der aufgeklärte westliche Mensch empfindet keinerlei Mangel an Ritualen, sondern ist im Gegenteil froh, von solchem »Aberglauben« befreit zu sein. Für ihn mag es besonders verblüffend sein, dass bei genauerer Betrachtung das moderne Leben noch ähnlich viele Rituale enthält wie das archaische. Der wesentliche Unterschied liegt in der Bewusstheit. Wir vollziehen nach wie vor verschiedenste Rituale, nur machen wir es uns nicht mehr bewusst. Wer Menschen auf einem großen Parkplatz beim Verlassen ihrer Autos zuschaut, kann eine erstaunliche Fülle von Sicherheits- und Schließritualen studieren. Auch Besitzer von Autos mit Zentralverriegelung prüfen gewissenhaft alle vier Türen, andere kehren mehrfach zurück an den Ort ihres Schließzwanges. Noch andere umkreisen ihr Gefährt, und wieder andere schauen sich zehnmal nach ihm um, um auch ja . Nicht viel anderes spielt sich beim Verlassen des Hauses vor der Urlaubsreise ab. Es wird kontrolliert und geprüft nach dem Motto: »Doppelt und dreifach hält besser«. Wer »erwachsene« Menschen in Fußgängerzonen beobachtet, kann einige erleben, die nur auf die Kreuzungsstellen der Steinplatten treten, während andere das gerade vermeiden und nur die Mitte der Platten berühren. In Zügen sieht man Menschen, die ganz verbissen die vorbeihuschenden Pfosten zählen. Andere Zeitgenossen lesen zwanghaft die Schrift auf den Reklametafeln von vorne und hinten. Wieder andere haben ihre besonderen Waschrituale, und manche machen ihren Toilettensitz zu einem Thron, um den herum sie ein beeindruckendes Loslassritual zelebrieren. Und wehe, eine Reise beschränkt die Möglichkeiten dieses Rituals, schon verweigern sie jedes weitere Loslassen. Manche haben ein besonders ausgefeiltes Säuberungsritual für sich selbst entwickelt, andere für ihr Auto. Wieder andere markieren unbewusst ihr Revier, indem sie bestimmte Ecken und Kanten mehrfach anfassen und so weiter und so fort.

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