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Erziehung mit Herz, Hirn und Humor Viele Eltern sind genervt von den zahllosen, teils widersprüchlichen Botschaften zur "richtigen" Erziehung. Dr. Jan-Uwe Rogge, seit Jahrzehnten einer der renommiertesten Bestsellerautoren und Referenten zum Thema, hat schon viele Erziehungsstile kommen und gehen sehen. Er weiß, was wirklich wichtig ist, damit das Leben mit Kindern gelingt und ist überzeugt, dass wir als Eltern die Lösungen für alle Erziehungskonflikte in uns tragen - wir müssen nur unsere Ressourcen aktivieren. In seiner "Erziehungstrickkiste" finden sich viele authentische Geschichten zu klassischen Konfliktsituationen aus dem Familienalltag, die zum Schmunzeln und Nachdenken anregen. Auf einzigartig liebevolle Weise nimmt er oft auch die Perspektive unserer Kinder ein. Wir erkennen uns so im Handeln anderer Eltern wieder und lernen die Wirkung unseres eigenen Verhaltens auf unsere Kinder besser einzuschätzen. Mit Herz, Hirn und Humor finden wir neue, oft auch überraschende Wege aus vermeintlichen Sackgassen.
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Seitenzahl: 201
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© eBook: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2019
© Printausgabe: GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, München, 2019
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Projektleitung: Reinhard Brendli
Lektorat: Anna Cavelius
Covergestaltung: independent Medien-Design, Horst Moser, München
eBook-Herstellung: Lena-Maria Stahl
ISBN 978-3-8338-6988-4
1. Auflage 2019
Bildnachweis
Coverabbildung: Shutterstock
Syndication: www.seasons.agency
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Jan-Uwe Rogge hat mit Bestsellern wie Der große Erziehungsberater, Loslassen und Haltgeben oder Kinder brauchen Grenzen pädagogische Klassiker verfasst. Seit mehr als vier Jahrzehnten schreibt der Familien- und Kommunikationsberater über den Alltag in Familien, Schulen und Kindergärten. Sein Credo: Keinedröge Besserwisser-Wortschwallpädagogik für besorgte Mütter und gestresste Väter, sondern lebensnahes, humorvolles Erzählen, damit Erziehen wieder Spaß machen kann. Jan-Uwe Rogge ist ein Anwalt der Familie: So werden Eltern gestärkt und gewinnen zugleich mehr Mut zur Leichtigkeit, Gelassenheit undUnperfektheit. Und aus kleinen, wunderbaren »Nervensägen« können selbstsichere, empathische und erfolgreiche Persönlichkeiten werden.
»Eltern sind sichtbare Leuchttürme, die am Eingang eines Hafens stehen und Kindern zeigen, wo der sichere Port ist, wenn die Stürme toben.«
JAN-UWE ROGGE
Ich erinnere mich an einen Vortrag. Eine Mutter, nennen wir sie Lena, wartete am Ausgang und lachte mich an: »Darf ich Sie kurz ansprechen?« – »Klar!« Dann schaute Sie mich etwas streng an: »Sie waren mir so was von unsympathisch! Ehrlich!« – »Was habe ich denn getan? Ich kenne Sie gar nicht!« Ich schmunzelte.
Dann erzählte mir Lena, schon ihre Mutter sei öfter bei meinen Vorträgen gewesen: »Ihre Bücher standen bei uns im Regal. Das waren ihre Heiligtümer.« Ihre Mutter habe da häufiger herumgeblättert: »Und da wusste ich, gleich kommt wieder ein schlauer Satz von ihr!« – »Und?« – »Der kam ja auch!«, meinte sie rasch. »Sie waren für sie so ein richtiger Guru: ›Aber der Herr Rogge hat gesagt … ‹ Wenn ich das schon gehört habe! Das hing mir so zum Hals raus!«
Als Lena dann in der Pubertät war, da »hat meine Mutter mein Zimmer mit einer Hummerhöhle verglichen. Das war ein Ausdruck von Ihnen! Hummerhöhle: dunkel, stickig, kaum gelüftet und unordentlich, die reinste Siff-Bude.« Sie lacht: »Und wissen Sie, warum ich jetzt da bin?« – »Ich kann’s mir denken!« – »Wirklich?« – »Wahrscheinlich haben Sie eine Tochter oder einen Sohn in der Pubertät, die es sich in einer Hummerhöhle gemütlich gemacht haben!«
»Genau!« Ein breites Grinsen zieht sich über ihr Gesicht: »Ganz genau!« Wobei, der Begriff »Höhle« sei für das Zimmer ihrer Tochter noch eine Untertreibung. Dagegen wäre ihre eigene damals aufgeräumt gewesen.
»Und was möchten Sie heute hören?« – »Dass meine ›Hummerine‹ normal ist und sie auch mal aus der Höhle rauskommt!« Kurze Pause. »Ich habe es ja auch geschafft!«
Es sind diese Geschichten, die so spannend und voller (Selbst-)Erkenntnis sind, die mir Eltern gerne erzählen – mal lustige, mal traurige Episoden, mal nachdenklich machende, voller Lebensweisheit und Lebensmut.
Deshalb erzähle ich Ihnen in diesem Buch viele (Alltags-)Geschichten, in denen sich die eine Mutter und der andere Vater wiederfinden kann, über die Sie vielleicht lachen können und die Ihnen dabei helfen, dann auch über sich selbst und die eigenen Kinder zu lachen, weil Sie schnell merken: »Auch anderswo wird nur mit Wasser gekocht!«
Vor allem sind es solche Berichte aus dem Erziehungsalltag, die Sie hoffentlich gelassener machen und den eventuell selbst auferlegten Druck nehmen, perfekte Eltern zu sein. Vielleicht gelingt es, und wenn nicht sofort, dann irgendwann. Es gibt ja diesen so leicht dahin gesagten Satz: »Am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht zu Ende!«
Ihr Kind weiß davon. Und Sie als Eltern können es auch selbst erfahren, – von Ihrem Kind/Ihren Kindern, diesen unnachahmlichen, praktischen Lehrern, die sich nur durch wenig entmutigen lassen. Auch ich habe von ihnen gelernt, manche Geschichten Müttern und Vätern immer und immer wieder zu erzählen, verbunden mit der Hoffnung: Das eine oder andere Bild bleibt doch hängen und wird zum Leuchtturm, wenn die Stürme des Erziehungsalltags mal wieder heftig toben.
Alles Gute wünscht Ihnen und Ihren Kindern
Ihr Jan-Uwe-Rogge
Geschichten bleiben im Gedächtnis, Bilder verschwinden nicht, sie graben sich ein, man erinnert sich an sie. Sie sind ein Rohstoff, aus dem man seine Gewissheiten, seine Fähigkeiten entwickelt.
»Erzieh mich doch, wenn du kannst!« »Nichts leichter als das!«
Eine ganz bestimmte Situation ergibt sich immer wieder im Anschluss an meine Vorträge oder Seminare: Während sich viele Teilnehmer und Teilnehmerinnen zum Abschied noch kurz für die eben gehörten Anregungen bedanken und sich auf den Heimweg machen, bleiben zwei, drei oder vier Mütter und, – ja, auch Väter –, stehen und lächeln mich freundlich an. Ich lächle zurück und höre den wohlbekannten Satz: »Ich habe da mal eine kleine Frage!« Wobei mit dieser Erkundigung in aller Regel eine kurze, prägnante Beschreibung eines ständig wiederkehrenden Problems mit dem eigenen Nachwuchs verbunden ist.
»Unser Sohn trödelt morgens! Er kommt einfach nicht in die Gänge! Wir müssen aber pünktlich in den Kindergarten.«
»Unsere Tochter lügt uns an, dass sich die Balken biegen. Ihr kann man nichts mehr glauben!«
»Unser Kind räumt nicht auf! Es lebt in einem Saustall!«
»Unsere beiden Jungen streiten sich wie die Raben!«
»Unser Sohn sagt zu allem und jedem nur noch ›Kacka‹. Bei dem ist alles Scheiße!«
»Unsere Tochter ist schon fünf Jahre und kommt noch jede Nacht zu uns ins Bett!«
Und so weiter und so weiter.
Knappste Schilderungen der verschiedensten Situationen in zwei, drei kurzen Sätzen und dann kommt sie, die kurze Frage: »Was soll ich/was sollen wir da nur machen?«
Auf eine kurze Frage möchte man normalerweise auch eine kurze, ganz schnelle Antwort, die das Problem löst – ein für alle Mal! Man möchte als Mutter oder Vater den Trick wissen und den Zauberspruch oder das passende Werkzeug an die Hand bekommen, die jedes Erziehungsproblem mit einem Klein-, Kindergarten- oder Schulkind sofort und auf der Stelle beseitigen. Aber so wie der Schlosser Zeit und Erfahrung braucht, um eine ins Schloss gefallene Tür fachgerecht zu öffnen, ohne sie zu beschädigen – vor allem dann, wenn der Schlüssel innen noch steckt oder vielleicht sogar abgebrochen ist –, so braucht es in der Erziehung gleichfalls Zeit und »Gewusst wie«, um das eine oder andere Problem zu beheben. Und so wie der Schlosser es immer und immer wieder geduldig mit seinem Werkzeug versuchen muss, um die verschlossene Tür zu öffnen, so gilt dies für den Erziehungsalltag und seine vielen verschiedenen Problemsituationen und Fragestellungen allemal.
Natürlich weiß jede Mutter und jeder Vater, wie die eine oder andere Erziehungsaufgabe erfolgreich gemeistert werden kann. Sie haben ja schließlich schon Erfahrungen und Erfolgserlebnisse mit ihren Töchtern und Söhnen gesammelt. Und manches Mal liegt die Lösung auch einfach auf der Hand. Sie ist einem dann – ohne viel eigenes Zutun – zugefallen: dank Liebe und Intuition, gepaart mit Selbstvertrauen, einem gesunden Bauchgefühl und eben Erfahrung.
In meiner kleinen Erziehungstrickkiste sind keine Gegenstände enthalten, die ein Zauberer braucht, um wundersame Dinge zu vollbringen. Für wiederkehrende oder neu auftretende Erziehungsprobleme gibt es keine allzeit gültigen und immer passenden Zaubertricks, so als reichte ein »Simsalabim!«, und das Kind schläft ruhig durch, räumt gerne auf, putzt sich fröhlich die Zähne oder isst das Essen, das man ihm liebevoll zubereitet hat. Vielmehr sind in fast jeder Problemsituation vonseiten der Eltern in erster Linie Geduld und Gelassenheit angesagt. Und wie Sie diese entwickeln und zielführend einsetzen können, dazu ist meine Trickkiste für Sie da.
Natürlich hört sich das oft leichter an, als es getan ist, wenn zum Beispiel das Kind morgens früh alle Zeit der Welt hat, während kostbare Minuten verrinnen, bis man den Sohn oder die Tochter ohne Schweißausbrüche endlich beim Schulbus oder im Kindergarten abgeliefert hat und selbst zur Arbeit gedüst ist. Dann herrscht Stress in Reinform, der Blutdruck ist am Anschlag und das frische Hemd durchgeschwitzt.
Dabei verfügen alle Eltern, die ihre Kinder lieben, über eine Vielzahl von kleinen Helfern. Nur fallen sie ihnen oft auf die Schnelle in den aufgeheizten Augenblicken nicht ein, wenn eine rasche und souveräne Lösung gefunden werden will, weil die Hausaufgaben immer noch nicht gemacht sind, man mit dem Kind aber jetzt zum Zahnarzt muss und dann noch feststellt, dass der Winterschuh ein Riesenloch hat und es draußen aber schneit … Dann denkt man vielleicht: Was habe ich doch nur in diesem oder jenem schlauen Buch zu dem Thema Trödelei gelesen? Oder: Wenn der Herr Rogge jetzt da wäre, was würde der wohl machen oder empfehlen?
Da bin ich ehrlich: Vielleicht hätte ich in diesem Moment auch keine Idee. Oder eine, die einfach nicht passt.
Ich habe mir für dieses Buch die häufigsten »Krisenherde« vorgenommen, sie aufgeschrieben und einfach umsetzbare Ideen gebracht, wie man Konflikte aus meiner langjährigen Erfahrung am besten für Kinder und Eltern entschärfen kann.
So verständlich der Wunsch aller Eltern angesichts einer stressigen Erziehungssituation nach einer schnellen und vor allem funktionierenden Lösung nun sein mag, in vielen Augenblicken fällt einem als Mutter oder Vater eben nichts Schlaues ein.
Und dann gibt es diese Tage, an denen man keine Lust auf Erziehen hat, an denen man am liebsten nicht aufstehen mag, sondern sich im Bett einfach umdrehen, den lieben Gott einen guten Mann oder eine gute Frau sein lassen und entspannt und unbekümmert in den Tag hineinleben will. Aber das geht nicht: Die Kleine muss in die Kita, der Große in die Schule und man hat ja selber auch seine Verpflichtungen und Termine.
Also stürzt man sich schon frühmorgens in das Familienchaos, das man nicht anders erwartet hat. Die gewohnte Leier beginnt, der Tag nimmt seinen Lauf. Eigentlich hatte man sich doch vorgenommen, anders zu reagieren, wenn die Kleine um 7.00 Uhr immer noch nicht weiß, ob sie heute die rosa Socken oder die mit den Minions drauf anziehen will, und wenn der Große feststellt, dass er sein Englischbuch »verloren« hat. Man wollte gelassener sein, schreit aber rum, verdirbt die Stimmung und ist maximal gestresst. Und dann landet man auch noch bei den gewohnten, auf dem Fuße folgenden Selbstgeißelungen: »Ich bin eine Versagerin als Mutter!«, »Warum klappt es bei mir/bei uns nicht, nur bei allen anderen?«
Das Vergleichen, so hat es der dänische Philosoph Søren Kierkegaard formuliert, ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.
Dann beginnt man sich mit anderen Eltern zu vergleichen und die eigenen Kinder mit anderen. Das Problem: Die ständigen Vergleiche mit anderen zielen meist und zuerst auf jene Situationen, die im eigenen Familienalltag nicht funktionieren.
Glücksmomente, in denen man sich als Eltern stark und kompetent fühlt, übersieht oder vergisst man. Sie fallen einem nicht ein, wenn alles drunter und drüber geht. Das schwächt Mütter und Väter zusätzlich und tut damit auch ihren Töchtern und Söhnen nicht gut, weil die in aller Regel ein Spiegelbild des elterlichen Verhaltens sind.
Vergleiche lassen aber noch einen weiteren Gesichtspunkt hervortreten: die Vergleiche mit den eigenen Eltern. Da gibt es diesen einen gemeinen, diesen fiesen Satz mancher Väter und Mütter, die, als sie sauer und wütend auf ihre Kinder waren – die heutigen Väter und Mütter –, ihnen drohend sagten: »Ich wünsche dir später einmal solch ein Kind, wie du es bist!« Oh Gott, dachte man sich damals vielleicht – solche und andere Aussagen, die wirst du später nicht denken, geschweige denn deine Kinder damit konfrontieren. Erpressungen, wie »Wenn du nicht …, dann …«, kommen später nicht in meinem Wortschatz vor. Wenn mein Kind mal etwas anderes will als ich, dann bleibe ich ruhig und rede mit ihm so lange, bis es mir in die Augen schaut und verständig nickt: »Danke für deine Geduld, Mama. Natürlich beeile ich mich!«
So weit die Theorie und Wunschvorstellung, es besser machen zu wollen als die eigenen Eltern. Nun ist man aber in einer kritischen Situation, die Zeit wird knapp, die Uhr tickt und man drängt: »Nun mach schon!« Doch je hektischer man wird, umso ruhiger agiert das Kind – ganz nach dem Motto: Wenn hier alle durchdrehen, so bleibe ich in meiner Mitte ruhend. Das Ende vom Lied: Irgendeiner schreit, entweder Mutter oder Vater: »Wenn du dich jetzt nicht beeilst, gehst du zu Fuß!« Und das Kind weiß gleichzeitig: Ja, ja, ihr fahrt mich ja doch, wenn ich den Bus verpasse. Das weiß ich genau!
Das soll jetzt kein allgemeines Eltern-Bashing sein. Die meisten Mütter und Väter leisten eine hervorragende Erziehungsarbeit und bauen tragfähige Beziehungen zu ihren Kindern auf. Ihre Kinder wissen das auch zu schätzen. Sie stellen ihren Eltern, den zumeist Selfmade-PädagogInnen, ein sehr gutes Zeugnis aus. Aber sie üben auf ihre Art und Weise auch Kritik, wenn es ihnen mal zu hektisch und zu ernst wird.
Recht haben sie damit – und sie müssen es ja wissen. Erziehung ist in den letzten Jahrzehnten zu einer Art Hochleistungssportart geworden. Vor fünfzig Jahren sollten Kinder noch aufräumen, heute müssen sie »richtig« aufräumen, vor fünfzig Jahren sollten sie nach den Hausaufgaben draußen spielen, heute dürfen sie zwar spielen, müssen aber in ihrer Freizeit auch noch viele Termine wahrnehmen bei der Logopädin, in der musikalischen Früherziehung, beim Kinder-Yoga.
In einem solchen Umfeld zeigt sich der Stress, der sich in den Beziehungen zwischen Eltern und Kindern aufbaut und der sich dann in elterlichen Vorträgen im pädagogischen Konjunktiv fortsetzt: »Ich denke, du solltest!«, »Ich dachte, du wolltest!«, »Wenn ich deine Chancen gehabt hätte!«
Was vielen Eltern heute fehlt, ist die Leichtigkeit, die Gelassenheit. Also: Es muss alles so laufen, wie ich es will und am besten sofort!
Dabei geht es doch auch anders, besser und leichter: Partnerschaftlichkeit heißt das Gebot in der Erziehung! Eltern sind Autoritäten, die eine Erziehungsverantwortung haben und dieser auch nachkommen müssen. Väter und Mütter haben Erfahrungsschätze, besitzen ein Erfahrungswissen, das nur dann hemmend für ein Kind wird, wenn es als Besserwisserei daherkommt. Zur Partnerschaftlichkeit gehört das Prinzip der Gleichrangigkeit. Und dieses besagt: Kinder sind nicht nur die Empfänger von elterlichen Anweisungen und Botschaften, Kinder senden immer auch ihre eigenen Wünsche und Meinungen.
Und wenn Vater und Mutter dann noch stöhnen: »Müsst ihr denn ständig so nerven!«, dann ist den »Nervtötern« klar: »Sie haben kapiert, um was es geht!«
Dabei kommt es Kindern in ihren Botschaften auf drei elterliche Haltungen an:
das Lachen,das Überraschende tun undAusnahmen machen, Neues probieren.Denn: Kinder lachen gerne, sie finden Erziehung zum Lachen und sie sind immer schon einen Schritt weiter. Mir hat der damals neunjährige Ben einmal gesagt: »Meine Mama liest gerne deine Bücher, um klüger zu werden und irgendwelche Tricks von mir rauszubekommen. Aber ich denke mir immer neue aus. Die kapiert sie nicht sofort!«
Kinder sind Erziehungslehrmeister, – auf unnachahmliche Weise. Sie sind hartnäckig, fast penetrant und ExpertInnen der Wiederholung. Sie handeln so lange gleich, bis sie das Gefühl haben: Jetzt haben Mama und Papa es »geschnallt«!
Für ein Kind ist das Lachen ein wichtiger Bestandteil ihres Alltags: Sie lachen über alles, vor allem, wenn den Großen, den Älteren, den »großen Meistern«, ein Missgeschick passiert. Sie sind manchmal regelrecht schadenfroh, wenn den »klugen« Erwachsenen Dinge misslingen. Dann können sie sich kringeln vor Lachen. Kinder mögen den tollpatschigen Clown, der vor lauter Unvermögen nichts auf die Reihe bringt. Die Clown-Rolle erdet den »Großen«, weil es zeigt, auch im Erwachsenen steckt ein Kind, das zwar viel kann, aber manchmal auch ungeschickt ist.
Der Schweizer Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi (1746–1827) hat in einem seiner sehr vielen Bücher geschrieben: »Lache dreimal am Tag mit deinem Kind!« Wer mit Mädchen und Jungen zusammen ist, der lacht häufiger: über sich, über das Kind. Man lacht gemeinsam. Kinderlachen steckt auf eine wunderbare Weise an. Lachen verzaubert – auch den Erziehungsalltag.
Aber dazu scheint das Thema »Kindererziehung« heutzutage eine zu ernste Angelegenheit zu sein. Und das gilt nicht nur hierzulande. Man merkt das, wenn man Vorträge hält oder Seminare. Die Eltern sitzen oft die ganze Zeit stocksteif da und blicken gebannt den Vortragenden an, als wollten sie damit ausdrücken: »Womit habe ich dieses Leid mit der Erziehung unserer Kinder nur verdient?« Da ist kein Lächeln, kein Lachen, gar nichts. Ich versuche dann immer, die Mütter und Väter aufzulockern! Hierbei hilft das Lachen – Lachen über sich, Lachen mit anderen.
Verschiedene Lachforscher haben herausgefunden, dass Erwachsene etwa 20-mal pro Tag lachen, Kinder wesentlich häufiger. Manche behaupten, wohl an die 400-mal.
Ein Standardsatz nach der Beschreibung einer misslungenen Erziehungssituation, der immer zündet: »Am Lachen Ihres Nachbarn hier erkennen Sie, dem geht es noch schlechter!« So lernt man über sich selbst zu lachen und sich nicht so sehr ernst zu nehmen. Lachen erschüttert, im wahrsten Sinne des Wortes, den ganzen Körper. Freudentränen fließen, Lachen erleichtert und macht Räume frei für Neues, für andere ungewohnte paradoxe Ideen, Lachen ermutigt.
Der Psychologe Henri Rubinstein spricht vom Lachen als einer »Heilkraft« und für den Neurologen und Psychiater Viktor Frankl (1905–1997) ist Lachen eine »Trotzmacht« gewesen, mit der man sich gegen die Unbilden des Alltags wehrt und sich gegen vermeintliche gesellschaftliche Zwänge (»Aber die Gesellschaft …«) behauptet. Lachen ist eine produktive Kraft, die sich der Vernunft entgegenstemmt, wobei Lachen nichts Unvernünftiges an sich hat, sondern vielmehr die andere Seite der Vernunft darstellt. Lachen kommt aus dem Bauch, es dient der Psyche, um heil zu bleiben.
Deshalb hat Pestalozzi in einem seiner Ratgeber auch mahnend geschrieben: »Das Schlimmste für Kinder sind Eltern, die nicht lachen können!« Natürlich: Es gibt Alltagssituationen oder auch im Leben eines Kindes Entwicklungsphasen, da gibt es eher wenig zu lachen, da bleibt einem das Lachen sogar mitunter im Halse stecken.
Trotzdem sollte man sich häufiger die Frage stellen: Habe ich heute schon gelacht? Kinder lieben lachende Eltern! Und wenn diese nicht lachen, keinen Spaß haben, sich nicht freuen, dann verfügen Kinder über unzählige Tricks, ihre Väter und Mütter in den nächsten für sie spannenden Aggregatzustand zu bringen. Und das ist das Schreien. Es hat äußerlich Ähnlichkeit mit dem Lachen: aufgerissener Mund, gerötetes Gesicht, Schnappatmung, seelische Erschütterung. Aber wie gesagt: Das ist die rein äußerliche Ähnlichkeit, damit hat es sich dann auch.
Lachen ist konstruktiv, befreiend, es stellt Beziehungen her. Schreien dagegen ist kontraproduktiv, ängstigt und baut Schuldgefühle beim Kind auf: »Warum musst du immer so sein?« Wobei: Kinder sind oft schlau genug, um auch damit umzugehen. Noch ein Zitat von dem neunjährigen Ben: »Wenn meine Mama ausflippt, dann tut es ihr hinterher immer so leid. Sie entschuldigt sich. – Und dann kann ich alles von ihr haben, weil sie so ein schlechtes Gewissen hat.«
In vielen Krankenhäusern gibt es heute Klinik-Clowns, die mit ihrem Aussehen und ihren Späßen teilweise schwer kranke Kinder zum Lachen bringen. Denn nicht nur ihre Körper, auch ihre Seelen brauchen Hilfe.
Kinder wissen um die Reaktionen ihrer Eltern und anderer Erwachsener bei störendem, auffälligem Verhalten ihrerseits. Viele Mütter und Väter handeln impulsiv: Sie schimpfen, schreien, leiden mit, trösten … Meist sind solche – aus der Sicht der Erziehenden – verständliche Reaktionen nicht dazu angetan, ein problematisches in ein konstruktives Handeln zu verwandeln. Es kommt in schwierigen Erziehungssituationen vielmehr darauf an, das in diesem Moment Nicht-Erwartete, das für das Kind Überraschende, zu tun.
Man kann zwei Formen von positiven Überraschungenunterscheiden mit unterschiedlichen Zielsetzungen:
Um den Blickwinkel der Ausweg- und Perspektivlosigkeit zu überwinden – »Mein Sohn macht immer …«; »Wie oft soll ich dir das noch sagen …«; »Ich mache es nie richtig …«, hilft die Verstärkung positiver Ausnahmen. Nach dem Motto: »Mehr vom Guten« – können nach vorn gerichtete Lösungen entwickelt werden, die Eltern wie Kindern das Gefühl des »Ich kann es doch auch!« gebenUm Überraschungen in die Erziehung zu bringen, indem Sie das Unerwartete tun. Ausnahmen können so spielerisch und auf eine ganz eigene Weise mit Grenzen und Grenzüberschreitungen umgehen. Ein Beispiel:Christian und Tanja beklagen sich über das »fürchterliche Essverhalten« ihrer beiden vier und sechs Jahre alten Kinder. »Jeden Tag gibt’s abends Stress. Sie spielen mit dem Essen. Absprachen helfen nicht. Nur wenn wir sie lassen, dann ist’s okay. Aber das geht auf unsere Kosten.«
Als die Eltern mit den Kindern vereinbaren, dass diese zweimal pro Woche so futtern dürfen wie sie wollen, – »Wir nennen es Schweine-Essen« –, nehmen die Auseinandersetzungen ziemlich schnell ab.
Ein anderes Beispiel: Anke hat es satt. Ihre Tochter Lilli zieht sich fürchterlich an: »Meistens läuft sie wie ein Clown herum. Es ist nicht zum Hinsehen.«
Beide einigen sich darauf, dass es dreimal in der Woche einen »Clown-Tag« gibt, an dem sich die Tochter so anzieht, wie sie es möchte. Auch das führt rasch zur Entspannung zwischen Anke und Lilli.
Grenzüberschreitungen sind in aller Regel Versuche der Orientierung eines Kindes, der Reibung an bestehenden Normen und Werten, des Probehandelns. Sie sind aus der Kindersicht spielerisch-lustvoll, aus der Perspektive der Erwachsenen allerdings nur nervig. Die Einführung von überraschenden Ausnahmen verspricht Lösungen:
Sie zeigen Verständnis für grenzüberschreitende Aktionen, signalisieren Kindern: »Du bist okay!«Sie zeigen dem Kind zugleich die Grenzen, die Normen und Werte der Eltern an. Sie verweisen darauf, dass das Verständnis für einen Sachverhalt nicht mit dessen Akzeptanz verwechselt wird.Ausnahmen nehmen auf die Bedürfnisse und Wünsche aller am erzieherischen Prozess BeteiligtenRücksicht.Ausnahmen bauen auf der Überlegung auf, dass man Veränderungen im Handeln als Weg versteht, bei dem jeder Schritt ein Ziel darstellt.Es geht also nicht darum, jedes Erziehungsproblem sofort und alle Konflikte auf einmal zu lösen oder verbissen den Gedanken zu verfolgen: »Ich muss es doch schaffen! Alle anderen schaffen’s doch auch!« Oder krampfhaft nach der »richtigen« oder besten Lösung für eine vertrackte Situation zu suchen. Solche Wege oder Suchereien führen schnell in die Sackgasse, an deren Ende die Auffassung steht, dass man eben doch nicht gut genug ist, Kinder zu erziehen, den Erziehungsalltag zu bewältigen, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen und und und … Je häufiger man sich in diesen Teufelskreis begibt, umso öfter macht man mehr von demselben, was nicht funktioniert, funktioniert hat oder jemals funktionieren wird.
Sie werden aber durch überraschende Ausnahmen die Lösung, den passenden Schlüssel, finden. Und dann machen Sie in Zukunft einfach mehr davon, was klappt.
Es passt auch viel mehr, als man denken mag. Sich Sachen ausdenken und Problemlösungen finden, ergründen und neugierig aufeinander und das Leben sein – das sind wunderbare Eigenschaften von Kindern, die man von ihnen abschauen kann und die auch den stressigsten Erziehungsalltag bereichern.
Der Psychotherapeut und Philosoph Paul Watzlawick (1921–2007) meinte dazu: »Mache weniger desselben!« Oder, anders formuliert: »Mache es anders! Mache es wie ein Schlosser vor einer verschlossenen Tür: Probiere!«