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Dieser Band enthält folgende Romane: Geh nicht fort, wenn du mich liebst (Anna Martach) Vater zu verschenken (Anna Martach) Konrad Neukirchner hat ein Auge auf die fesche Tierärztin Bernie Brunnsteiner, Fast-Verlobte von Doktor Daniel Ingold, geworfen. Konrads Kinder leiden derweil unter der Trennung von der Mutter – und dann geschieht ein Unfall, der den arbeitswütigen, sturen Neukirchner vieles mit anderen Augen sehen lässt …
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Meine Liebe soll bleiben: Zwei Heimatromane
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Geh nicht fort, wenn du mich liebst! Bergwetter Heimatroman 13
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Vater zu verschenken
Dieser Band enthält folgende Romane:
Geh nicht fort, wenn du mich liebst (Anna Martach)
Vater zu verschenken (Anna Martach)
Konrad Neukirchner hat ein Auge auf die fesche Tierärztin Bernie Brunnsteiner, Fast-Verlobte von Doktor Daniel Ingold, geworfen. Konrads Kinder leiden derweil unter der Trennung von der Mutter – und dann geschieht ein Unfall, der den arbeitswütigen, sturen Neukirchner vieles mit anderen Augen sehen lässt …
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Alfred Bekker
© Roman by Author
COVER A.PANADERO
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
Roman von Anna Martach
Fußball ist sein Leben. Und so dribbelt sich Johnny zum Erfolg, bis ihn sogar ein Sportclub aus der Großstadt nimmt. Der Bursch ist überglücklich, während seine Verlobte Maria eher skeptisch bleibt. Zu Recht! Längst nicht alles läuft rund für Johnny, anders als das Leder auf dem Platz. Kann sein Madl ihn auf den rechten Weg zurückführen? Es scheint so … doch dann schlägt das Schicksal erbarmungslos zu und zeigt Johnny die rote Karte.
Das kleine Stadion des Ortes war bis auf den letzten Platz gefüllt, denn das entscheidende Fußballspiel gegen den Erzrivalen um die Tabellenspitze stand an. Praktisch das ganze Dorf hatte sich versammelt, um die Mannschaft zu unterstützen, dazu kamen die Fans des gegnerischen Vereins, so dass bis auf einige wenige alle Plätze ausverkauft waren.
Der Kassenwart rieb sich die Hände, denn die Einnahmen des heutigen Tages brachten viel Geld in die Kasse, Geld, das auch für die Jugendarbeit dringend gebraucht wurde.
Das Spiel wurde angepfiffen, die Burschen begannen zu laufen, eroberten sich den Ball, stürmten auf das gegnerische Tor zu. Der SV Untersteinbach würde das Rennen machen, war der Favorit, so glaubte man zumindest – der Sturm verpuffte kläglich vor dem Tor. Entweder prallten die Bälle an Latte und Pfosten, oder der Torwart streckte sich, bis er sie noch erreichte. Das Publikum trieb die Spieler an, die Fans brüllten so laut, dass man es fast im Nachbardorf hören konnte, doch es war wie verhext – das herbeigesehnte Tor wollte einfach nicht fallen.
Der Präsident und die Mitglieder des Vorstands waren von ihren Plätzen aufgesprungen und rauften sich die Haare. Doch dann bekam der Spieler mit der Nummer zehn den Ball. Er umspielte geschickt die ganze Abwehr, dribbelte die Verteidiger aus, und plötzlich herrschte lauter Tumult im Stadion. Die Anfeuerungsrufe wurden zu einem ununterbrochenen Chor, und besonders der untersetzte Mann auf der Trainerbank schrie sich förmlich heiser.
»Lauf, du Flasche! Schneller! Ja, und jetzt noch den letzten. Renn! Schieß! Tooor! Toor! Toor!«
So gellte die Stimme von Alois Neumayr, dem Trainer des SV Untersteinbach, quer über den ganzen Platz. Der junge Bursche, dem diese Worte galten, sprang jetzt gerade jubelnd einem anderen Mitspieler um den Hals, streckte dann triumphierend die geballte Faust in die Höhe, bevor er von seinen jubelnden Mannschaftskameraden umringt wurde.
Der Torwart der gegnerischen Mannschaft stand einigermaßen unglücklich in seinem Kasten, fischte den Ball heraus und wartete mit säuerlicher Miene darauf, dass der Schiedsrichter wieder freigeben würde.
Alois Neumayr strahlte über das ganze Gesicht, schlug seinem Nebenmann, dem Präsidenten des SV Untersteinbach und gleichzeitig Vater des Torschützen, auf die Schulter und rief begeistert:
»Na, wie hat der Bub das wieder gemacht? Sag net, dass die ach so großen Stars in der Bundesliga das besser könnten. Der Johnny, der dribbelt da quer durch die Abwehr, das ist eine wahre Freude. Ich sag’ dir, wir steigen dies Jahr eine Klasse höher und das verdanken wir einzig und allein deinem Sprössling.«
»Ja, ja, hast ja recht, Alois. Aber der Bub ist einfach zu oft auf dem Feld. Der weiß ja net einmal, wie mein Sägewerk von innen aussieht, und das, wo er’s einmal erben soll. Man kann net nur vom Fußball leben, Alois, glaub mir das. Es hat noch niemandem geschadet, einen ordentlichen Beruf zu lernen.«
»Was sagt denn die Maria dazu? Ich nehm’ an, die hat da auch noch ein Wort mitzureden!«
»Ach weißt«, sagte Johnnys Vater, der Sägewerksbesitzer Joseph Huber, »die Maria ist ein liebs Madl, und sie bringt viel Verständnis mit für die Leidenschaft vom Johnny, aber sie hat was Anständiges gelernt und sie meint auch, dass es ihm gewiss guttäte, mal an was Anderes zu denken als an Fußball.«
»Aber siehst denn net ein, dass das die große Chance für den Buben ist? Vielleicht wird er noch berühmt. Schau dir doch mal die großen Spieler an, was sie so im Monat einstecken. Soviel Geld kannst in deinem Sägewerk gar nimmer verdienen.«
»Da magst wohl recht haben«, gab der Huber Joseph zurück. »Aber die Mannsbilder sind mit dreißig, fünfunddreißig ausgebrannt, manche sogar durch die vielen Verletzungen zu Sportinvaliden geworden oder wie man das nennt. Da werd’ ich doch lieber in meiner Sägemühle alt und bleib’ gesund. Und das wünsch’ ich auch meinem Buben. Wie oft ist er schon mit Blessuren heimgekommen. Na, das gefällt mir net.«
Alois Neumayr gab auf. Joseph Huber war zwar Präsident des Klubs und einer der Hauptsponsoren – doch seinen einzigen Sohn sah er nicht so gern in der Mannschaft. Dabei war ausgerechnet der Huber Johnny der beste Spieler, den der SV Untersteinbach jemals hervorgebracht hatte.
Bald darauf war das Spiel zu Ende. Die Mannschaft hatte mit 1:0 gewonnen, was in erster Linie Johnny zu verdanken war. Der Bursch kam leicht hinkend vom Platz und ging durch ein Spalier von schulterklopfenden Anhängern in das Vereinshaus, um erst einmal zu duschen. Anschließend wollte er nach Rosenberg hinüberfahren, um seine Verlobte Maria abzuholen, die an der Rezeption eines großen Hotels Dienst tat.
Im Hotel >Krone< in Rosenberg bemühte sich das bildhübsche Madl am Empfang, einem Amerikaner zu erklären, wieviel er zu bezahlen hatte. Das Madl war Maria Maibacher. Sie hatte lockiges nussbraunes Haar, das von einer Spange zusammengehalten wurde. Aus ihren braunen Augen musterte sie leicht amüsiert den hartnäckigen Kunden vor ihr, doch sie wusste ihre Belustigung so geschickt zu verbergen, dass er nichts davon bemerkte und immer neue Fragen stellte.
Maria hatte das Hotelwesen von Grund auf gelernt. Als Zimmermadl, in der Verwaltung, an der Rezeption und sogar als Bedienung im Restaurant. Sie war eine sehr gut ausgebildete Hotelfachfrau und konnte sich fließend in drei Sprachen unterhalten. Sie hätte in jeder Großstadt Arbeit gefunden, doch sie liebte ihr Heimatdorf Untersteinbach und wohnte gern auf dem Hof ihrer Eltern. Sie liebte auch ihren Johnny, der eigentlich Johannes Huber hieß und der beste Fußballspieler von Untersteinbach war. Sie hätte es allerdings gern gesehen, wenn sich ihr Verlobter ein wenig mehr um seine Arbeit gekümmert hätte als nur um den Sport, doch sie hatte längst eingesehen, dass es keinen Sinn hatte, mit ihm darüber zu streiten.
Endlich ging der Amerikaner hochbefriedigt davon, nachdem er die Rechnung nachgeprüft und bezahlt hatte. Gerade, als er das Hotel verließ, sah Maria Johnny durch die Drehtür kommen, und sogleich hellte sich ihre Miene sichtbar auf.
»Gewonnen!«, rief er quer durch die Halle und strahlte sie an. Der Bursch hatte volles, fast weißblondes Haar und strahlend blaue Augen. Er war hochgewachsen und breitschultrig, und Maria sah ihm voller Stolz entgegen. Neidische Blicke waren ihr sicher, von den Kolleginnen und auch von manchen weiblichen Gästen.
Jetzt kam der Bursch auf sie zu und küsste sie leicht auf die Wange.
»Wann hast hier Schluss?«, wollte er wissen.
»In einer halben Stunde. Wenn du warten willst, kannst dich ja solange an die Bar setzen und einen Saft trinken«, gab das Madl zurück.
Manchmal war sie unglücklich darüber, dass sie sonntags arbeiten musste, denn so konnte sie nie wie die anderen Madln mit ihrem Liebsten Ausflüge machen. Aber sie tröstete sich damit, dass ihnen ja wenigstens jetzt noch ein paar gemeinsame Stunden blieben.
Um halb acht kam ihre Ablösung, und sie konnte ihren Platz verlassen. Johnny saß an der Bar, einen Tomatensaft vor sich, und unterhielt sich mit dem Barkeeper, den er mittlerweile schon gut kannte. Gerade erzählte er ihm, wie er an diesem Nachmittag das entscheidende Tor geschossen hatte, als Maria dazukam. Sie verdrehte leicht die Augen, als sie feststellte, dass er wieder einmal nur ein Thema kannte, doch dann machte sie gute Miene zum bösen Spiel. Sie hörte aufmerksam zu, während sie ebenfalls einen Saft trank. Dann aber drängte sie zum Aufbruch, denn Johnny hatte ihr versprochen, an diesem Abend mit ihr tanzen zu gehen.
Der Abend verlief dann doch nicht ganz so, wie das Madl es sich gewünscht hätte. Statt ihr Gelegenheit zu geben, von den interessanten Leuten zu erzählen, mit denen sie zu tun gehabt hatte, konnte der Bursch wieder einmal nicht aufhören, vom Fußball und von seinem großen Traum zu sprechen: Wie gern er doch in einer richtig großen Mannschaft im bezahlten Fußball spielen würde!
Schließlich wurde es dem Madl zu bunt. Energisch stellte Maria ihr Glas, aus dem sie gerade getrunken hatte, ab, fasste Johnny an der Hand und zog ihn vom Stuhl hoch.
»Jetzt ist’s aber genug mit dem Sport. Jetzt tanzen wir.«
Johnny gab nach, und als er wieder anfangen wollte zu erzählen, verschloss Maria ihm einfach den Mund mit einem Kuss, was ihm offensichtlich gar nicht so unangenehm war ...
Alois Neumayr stand am Spielfeldrand und rief den jungen Burschen in den Trainingsanzügen Kommandos zu.
»Hoch die Beine, dehnen, strecken. Rennen jetzt, na los, bewegt euch, Herrschaften. Ihr seid’s hier net zum Ausruhen. Auf, hopp, hopp!«
Die Spieler liefen einige Runden um den Platz, bis sie sich schließlich völlig ausgepumpt auf den Rasen fallen ließen.
Maria saß neben Alois Neumayr auf der Trainerbank und schaute ihnen zu. Jetzt war sie es, die auf Johnny wartete. Heut’ war ihr freier Tag, und sie verbrachte ihn auf dem Fußballplatz, weil Johnny trainieren musste. So war es fast immer. Entweder hatte er Training, oder sie hatte Dienst. Es gab nur wenige Tage, an denen sie sich frei treffen konnten, ohne eine Verpflichtung zu haben, und das geschah meist nur in der Wintersaison, wenn keine Spiele stattfanden.
Johnny kam erschöpft vom Platz.
»Du hast mich ja wieder einmal ganz schön gescheucht. Ich bin doch keine Maschine, die rund um die Uhr laufen kann«, beschwerte er sich beim Trainer.
Doch Alois Neumayr zuckte nur die Schultern.
»Wenn du irgendwann in einer großen Mannschaft spielen willst, dann musst lernen, noch mehr zu trainieren. Glaubst vielleicht, es war’ ein Zuckerschlecken, in einer Bundesligamannschaft zu spielen? Dagegen ist das hier ein Kinderspiel. Also beschwer’ dich net.«
»Ja, ja, ist ja schon gut. Ich geh’ jetzt duschen. Bis gleich, Schatzerl«, sagte er beiläufig zu Maria und verschwand im Vereinshaus. Das Madl seufzte. Gab es denn außer Fußball gar nichts anderes mehr?
Auch später, als die beiden gemütlich in einem Lokal saßen, hatte Johnny nichts Anderes im Kopf, und schließlich verlor Maria die Geduld.
»Ach, Johnny«, sagte sie leise. »Wird das immer so weitergehen? Gibt’s denn außer dem blöden Ball gar nix mehr für dich? Dann kann ich ja gleich gehen und mich einem Gast an den Hals werfen. Das würd’st vermutlich net einmal merken.«
Verdutzt schaute der Bursch auf. So hatte er seine Verlobte noch nie erlebt. Immer hatte sie geduldig zugehört, und er hatte gedacht, alles sei in schönster Ordnung.
»Ja, was hast denn nur? Ich hab geglaubt, es würd’ dich genauso interessieren wie mich. Was stimmt denn net?« Johnny verstand sein Madl nicht mehr. Der Sport war doch das Wichtigste in seinem Leben. Wie konnte Maria da nur so abwertend reden?
»Gar nix stimmt mehr. Du bist ja regelrecht besessen vom Fußball. Dein Vater sieht dich nur noch auf dem Platz, ich seh’ dich auch kaum noch, dein Trainer ersetzt dir schon die Familie. Kannst denn net mal an was Anderes denken als an deinen Sport? Gibt’s nur noch den Ball und deine Träume? Was ist denn mit unserer Hochzeit, hast dir darüber schon mal Gedanken gemacht? Ich würd’ gern im Mai heiraten.«
»Aber da sind doch die Meisterschaftsspiele«, warf der Bursch ein, verstummte aber augenblicklich, als er den bitterbösen Blick des Madls sah.
»Hast du dir schon mal überlegt, dass ich auch eigene Wünsche und Interessen haben könnte?«, fauchte sie böse.
»Natürlich«, gab er kleinlaut zurück. »Aber ich kann doch die Mannschaft net im Stich lassen, verstehst das denn net?«
»Ich versteh’ nur eines. Du bist süchtig nach Sport. Du bist nur zufrieden, wenn du dich schindest und schweißnass vom Platz kommst. Du hast nur noch diesen depperten Ball im Kopf, an mich denkst du überhaupt nicht mehr. So kann’s nicht weitergehen. Ich will dich net vor die Entscheidung stellen, aber du musst einfach mal mehr auf mich eingehen. Ich bin nämlich net nur deine geduldige Zuhörerin, ich bin auch noch ich selbst.« Marias Augen blitzten, ihre Wangen waren vor lauter Zorn gerötet und ihr ganzes Verhalten drückte Abwehr aus. Beschwichtigend legte der Bursch seine Hand auf die ihre.
»Hab’ ich wirklich so übertrieben?«, sagte er zerknirscht. »Tut mir leid. Es ist nur so, dass ich jetzt mein Ziel greifbar nah vor mir sehe. Du weißt doch, wie sehr ich mich danach sehne ...«
»O nein«, warf sie wütend ein. »Fang net schon wieder davon an. Einmal muss auch damit Schluss sein. Es kann net immer nur Fußball ...«
Sie wurde abrupt unterbrochen, als Johnny sie an sich zog und ihr den Mund mit einem langen leidenschaftlichen Kuss verschloss.
»Weißt du eigentlich, wie schön du bist, wenn du dich ärgerst? Lass uns von was anderem reden!«, sagte er, als sie sich wieder voneinander lösten. »Sei wieder gut.«
Sein Blick war so treuherzig, dass Maria ihm nicht mehr böse sein konnte.
Am folgenden Sonntag auf dem Fußballplatz war Alois Neumayr ausgesprochen nervös. Seine gereizte Stimmung übertrug sich auch auf die Spieler, die einander anschrien, sich quer über den Platz Unfreundlichkeiten an den Kopf warfen und einfach nicht ganz bei der Sache waren.
Der Trainer stand wie immer am Rand und brüllte seine Anweisungen aufs Spielfeld. Er allein wusste, warum er so nervös war: Durch Freunde hatte er erfahren, dass sich der Manager eines großen Fußballclubs im Publikum befand, der angeblich auf der Ausschau nach neuen Talenten war.
Alois Neumayr ging jedoch davon aus, dass das Interesse des Managers nicht so sehr neuen Talenten, sondern viel eher Johnny Huber galt, dem Starspieler von Untersteinbach.
Der Trainer freute sich einerseits für den Burschen, andererseits tat es ihm leid, ihn vielleicht zu verlieren. Insgeheim hoffte er, dass das Madl Johnny vielleicht überreden würde, nicht fortzugehen. Heute saß sie auf der Tribüne und schaute zu. Neumayr bewunderte ihre Geduld und Ausdauer. Sie hatte persönlich so wenig Interesse an diesem Sport, aber Johnny zuliebe machte sie alles mit. Sie ging bei jedem Wetter auf den Platz, wenn sie frei hatte, hörte sich geduldig immer wieder seine Fachsimpelei an und holte den Jungen auch ab und zu auf den Boden zurück, damit er nicht ganz den Kopf in den Wolken trug.
Der Trainer mochte Maria sehr, und das lag nicht nur daran, dass sie so blitzsauber ausschaute. Sie war vernünftig, behielt immer einen kühlen Kopf und würde schon dafür sorgen, dass er mit beiden Beinen auf der Erde blieb. Ein Madl wie sie dachte voraus.
Der Trainer riss sich von seinen Gedanken los und sah sich wieder einmal unauffällig unter all den Leuten um. Ein paar Hundert waren es schon, und alle konnte er nicht kennen. Wie sollte er nur feststellen, wer dieser >Spion< aus der Stadt war?
Das Spiel nahm seinen Lauf, und trotz des schlechten Spiels der Mannschaft gewann Untersteinbach doch noch, weil gerade Johnny sich nicht von der allgemeinen Nervosität anstecken ließ. Er übernahm die Führung und trieb seine Kameraden voran. Endlich gingen sie konzentrierter zu Werke, das Zuspiel klappte wieder und die Tore fielen.
Nach dem Spiel kam Johnny auf seinen Trainer und väterlichen Freund zu.
»Was war denn heut’ nur los mit dir? Hast ja eine Laune zum Weglaufen. Ist dir heut’ morgen eine schwarze Katz’ über den Weg gelaufen?«
»Ach, ich war nur ein bisserl nervös«, gab Neumayr knurrig zurück.
»Das hab’ ich gemerkt. Die Jungs haben gespielt wie die Anfänger. Wenn du schlechte Laune hast, dann lass die nach dem Spiel raus«, erklärte der Bursch ruhig.
Neumayr schluckte diese harsche Kritik seines Starspielers ohne Erwiderung, denn er wusste, dass Johnny recht hatte. Noch immer war er unruhig, weil er den >Spion< des fremden Clubs nicht hatte entdecken können.
Draußen auf dem Parkplatz sah er zufällig zwei unbekannte Männer heftig miteinander diskutieren. Ein Verdacht regte sich in ihm, und er machte einige Schritte auf die beiden zu, überlegte es sich dann jedoch anders und ging ins Vereinshaus, um mit den anderen den Sieg zu feiern.
Dort herrschte eine ausgelassene Stimmung, und Scherzworte flogen hin und her, als plötzlich einer der beiden fremden Männer an der Tür auftauchte. Er erkundigte sich beim Wirt nach irgendwas und kam dann auf Neumayr zu. Dieser blickte dem Fremden gespannt entgegen. Der Mann strahlte Autorität aus, ein Selbstbewusstsein, wie man es bei wohlhabenden, einflussreichen Leuten kannte. Mit einer herablassenden Geste reichte er dem Trainer die Hand.
»Greininger, Grüß Gott. Spreche ich mit Alois Neumayr?« Die Stimme klang kalt und unverbindlich, der Blick war taxierend, und Alois fühlte sich tatsächlich ein wenig unbehaglich.
»Richtig, ich bin der Trainer der Mannschaft. Was kann ich für Sie tun?« Er erwiderte den Händedruck Greiningers und sah diesen erwartungsvoll an.
»Kann ich Sie einen Moment allein sprechen?«
Neumayr führte den Mann in den Nebenraum, der heute nicht genutzt wurde. Hier waren sie ungestört. Der Trainer hatte den Namen Greininger schon gehört und wusste, wer da vor ihm saß. Dieser Mann war der Manager des großen Fußballclubs aus der Stadt. Ob Johnnys Traum wirklich in Erfüllung gehen wird?, überlegte Alois. Oder gibt es noch etwas Anderes?
Greininger räusperte sich kurz.
»Ich will net lang um den heißen Brei reden, Herr Neumayr. Es geht um den Spieler Huber. Wir haben heute, und nicht nur heute, sein Spiel beobachtet. Vor ein paar Tagen gab’s dann eine Vorstandssitzung und wir haben beschlossen, dem Burschen ein Angebot zu machen. Er kann eine echte Bereicherung für unser Team werden. Jetzt geht’s nur noch um die Modalitäten. Unser Verein wäre bereit, eine äußerst großzügige Summe zu bezahlen, wenn‘S den jungen Mann gleich ziehen lassen.«
Jetzt war Neumayr etwas verdutzt. Mit einem solch konkreten Angebot hatte er denn doch nicht gerechnet. Das ging alles ein bisserl schnell. Und auch der arrogante Ton Greiningers gefiel dem Trainer überhaupt nicht.
Er streckte behaglich seine Beine aus und lehnte sich zurück, um den Mann ein wenig zu verunsichern, und er tat so, als hätte er es gar nicht nötig, mit ihm zu verhandeln.
»Wissen Sie, Herr Greininger, so ganz einfach liegt die Sache hier net. Erst einmal wollen wir die Kreismeisterschaft gewinnen, was uns ohne den Johnny Huber gar net gelingen würde oder zumindest nur sehr schwer. Zum anderen wissen‘S doch gar net, ob der Bursch überhaupt zu Ihnen in die Stadt will.«
»Darum red’ ich ja mit Ihnen. Also, was ist nun?«
»Warum sind Sie denn so ungeduldig?«, fragte Neumayr freundlich. Er sah hier die große Möglichkeit für den Burschen und wollte für ihn die besten Bedingungen herausholen. »Ja, wie gesagt, wir wollen die Kreismeisterschaft gewinnen«, fuhr er fort, »also kann der Johnny ohnehin erst in der Sommerpause kommen. Was würd’ er denn verdienen bei Ihnen? Das wär’ ja dann auch noch wichtig. Und dann sollten Sie auch noch mit ihm selbst reden.«
»Wir zahlen ihm für den Anfang monatlich dreitausend netto. Das ist eine ordentliche Summe für einen so unerfahrenen Spieler wie Huber, mehr wird er nirgendwo verlangen können. Und ich werd’ mit ihm reden, wenn Sie ihn herholen, dann werd’ ich sehen, was er dazu sagt.«
»Der Johnny kommt aus einem wohlhabenden Elternhaus, er ist einen gewissen Lebensstandard gewohnt. Außerdem ist er verlobt.«
»Es gibt ja auch noch Sonderprämien für bestimmte Spiele, da verdient er auch noch etwas nebenbei.«
»Wenn er spielt!«, warf Alois Neumayr ein.
»Natürlich, wenn er spielt. Was ich natürlich net garantieren kann. Wir müssen abwarten, wie sich der Bursch entwickelt.«
»Und warum wollen Sie ihn dann haben, wenn Sie nicht sicher sind, dass er spielen kann?«, fragte Neumayr kühl. Er wollte vermeiden, dass Johnny als Ersatzspieler verkümmerte. Zu viele junge Burschen saßen bei großen Vereinen auf der Bank und bekamen keine Möglichkeit zum Spielen.
»Wir, wie alle anderen Mannschaften auch, brauchen frisches Blut, junge Talente, das verstehen Sie doch, oder? Natürlich sehen Sie dann auch ein, dass wir immer auf der Suche sind. Ich bin sicher, der junge Mann wird sich hervorragend einfügen und Sie werden ihn bald bei den Fernsehübertragungen bewundern können«, erklärte Greininger jovial.
Neumayr gefiel das alles nicht. Es war zwar genau das, was Johnny sich immer gewünscht hatte, und er würde sicherlich mit Handkuss zugreifen, doch den Trainer beschlich ein ungutes Gefühl. War das wirklich richtig? Würde der Bursch in der Stadt zurechtkommen, oder war er nicht noch ein wenig zu unreif?
Nun gut, er durfte Johnny diese Chance nicht entgehen lassen. Aber was würde Maria dazu sagen?
Der Trainer verließ den Raum, um den Burschen zu suchen. Johnny saß mit Maria zusammen an einem Tisch, und die beiden unterhielten sich angeregt. Alois trat dazu und begann mit leiser Stimme zu erklären.
»Hört mal her, ihr beiden. Da nebenan sitzt so ein Lackl aus der Stadt, und er will Johnny abwerben. Macht’s ihm um Gottes willen net so leicht. Maria, pass ein bisserl auf, dass die Begeisterung net mit dem Burschen durchgeht, versprichst mir das?«
Maria sah ihn ernst an und nickte.
Johnnys Kopf war bei den ersten Worten des Trainers hochgeruckt. Ein freudiges Strahlen glitt über sein Gesicht. Ungeduldig stand er auf, ohne auf die Ermahnungen des Trainers zu achten, und wollte in den Nebenraum stürmen. Maria hielt ihn am Arm zurück und sagte leise:
»Du musst ihm net gleich zeigen, dass du darauf gewartet hast. Lass ihn ein bisserl zappeln, dann geht er leichter auf deine Wünsche ein.«
Widerwillig sah der Bursch ein, dass sie recht hatte.
Gut eine Stunde später unterschrieb Johannes Huber einen vorbereiteten Vertrag, den der Manager des Stadtclubs mitgebracht hatte. Der Bursche musste nur noch seinen Namen eintragen, und er tat es strahlend und mit einem triumphierenden Leuchten in den Augen.
Alois Neumayr und Maria standen mit ernsten Mienen daneben. Sie konnten seine Euphorie nicht teilen, denn der Vertrag war für Johnny alles andere als günstig. Für fast alles, was er tat, brauchte er die Genehmigung des Vorstands, und er war gleich für zwei Jahre an den Club gebunden.
Neumayr selbst hätte einen solchen Vertrag niemals unterschrieben, und das hatte er dem Burschen auch gesagt. Doch Johnny war nicht zu halten gewesen. Da konnte auch Maria reden, soviel sie wollte, der Bursche ging einfach darüber hinweg.
Nachdem Greininger abgefahren war, gab Johnny eine Lokalrunde und verkündete stolz:
»Jungs, alle mal herhören. Ich hab’ gerade das große Los gezogen. Der FC hat mich unter Vertrag genommen. In der nächsten Saison spiele ich in der Stadt.«
Ein großes Hurrageschrei erhob sich, Johnny wurde von allen Seiten beglückwünscht. Nur Maria saß still an ihrem Tisch. Sie freute sich zwar für ihren Verlobten, überlegte aber dennoch, ob seine Entscheidung richtig gewesen war.
Viel, viel später an diesem Abend brachte Johnny sein Madl heim. Er strahlte immer noch vor Glück, seine Augen glänzten und er schwärmte ununterbrochen von der Zeit in der Stadt.
Maria fand es wieder einmal an der Zeit, ihn auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.
»Hast schon mal darüber nachgedacht, was das für uns beide bedeutet?«, fragte sie leise. »Ist dir klar, dass wir uns dann nur noch selten sehen werden?«
»Ja, aber warum denn? Du kannst doch mitkommen, und wir suchen uns eine gemeinsame Wohnung!«
»Und wovon willst du leben? Von den dreitausend, die du dort kriegst? Damit kannst keine großen Sprünge mehr machen, wenn erst mal die Wohnung bezahlt ist. Und das Leben in der Stadt ist teuer. Was glaubst du, was dann noch bleibt?«
»Meinst du wirklich?«, fragte der Bursch fassungslos. »Aber dass die Mieten dort so teuer sind, wusste ich net. Warum hat mir das denn niemand gesagt?«
»Weil du nie zuhören kannst. Wie oft hab’ ich dir schon erzählt, dass manche Leut’ sagen, wir seien preiswerter als ihre Wohnung und das Leben in der Stadt? Wir haben da Leut’, die kommen in den Winterferien zum Skilaufen und bleiben gleich sechs Wochen. Frag mich net, wie die das machen, aber viele haben mir schon erzählt, dass wär’ billiger für sie.« Das Madl hatte sich in Erregung geredet, doch Johnny winkte ab.
»Das kann ich net glauben. So teuer können die Wohnungen net sein. Und für Lebensmittel gibt’s doch in der Stadt keine anderen Preise als hier. Das glaubst doch selber net«, empörte er sich. »Ich hab’ das Gefühl, du suchst nach einer guten Ausrede, um net mitzukommen. Ich weiß, dass du die Stadt net magst, aber dann sag’ mir ehrlich, wenn du hierbleiben willst.«
»Für dich würd’ ich sogar meine Arbeit aufgeben, wenn ich wüsst’, dass es Zweck hätt’. Aber ich glaub’ einfach net, dass das gutgeht.«
»Hast denn so wenig Vertrauen zu mir?«, fragte der Bursch wie vom Donner gerührt und sah Maria forschend an.
»Nein«, sagte das Madl. »Zu dir hab’ ich Vertrauen, nur net zu diesem Greininger. Aber du hast deine Entscheidung getroffen. Wirst schon sehen, wie’s geht.«
»Bist etwa neidisch?«, wollte Johnny wissen.
»Gott bewahre. Schließlich musst du dich auch schinden für deinen Erfolg. Ich bin im Hotel >Krone< sehr zufrieden – wie sollt’ ich da neidisch sein? Ich mach’ mir nur Sorgen um dich.«
»Das brauchst wirklich net«, meinte der Bursch besänftigt, denn aus den Worten des Madls sprachen aufrichtige Sorge und Liebe. »Glaubst denn, die würden bei einem so großen Verein zum ersten Mal solch einen Vertrag aufsetzen? Die werden doch fair sein.«
Maria konnte über so viel Naivität nur den Kopf schütteln.
»Fair?«, ächzte sie. »Seit wann gibt’s denn im Geschäft Fairness? Und Fußball ist nix anderes als ein riesengroßes Geschäft. Glaubst am Ende, dass dieser Greininger nur dein Bestes will? Mach’ dir nur nix vor«, warnte sie. »Denk’ bei allem, was du tust, immer daran, dass du nur ein Teil eines Geschäftes bist, dann kannst net enttäuscht werden.«
Johnny lachte plötzlich auf. »Ich glaub’, du siehst zu schwarz. Und ich bin glücklich, weil endlich mein Wunschtraum in Erfüllung geht. Mach’ mir diesen Tag nicht kaputt«, bat er.
Maria lächelte. »Das hab’ ich auch net vor. Und jetzt lass uns über etwas anderes reden.«
Damit war der Frieden zwischen den beiden wiederhergestellt, doch auf der Stirn des Madls hatte sich eine tiefe Falte gebildet. Sie traute der ganzen Sache noch immer nicht, und es sollte sich nur allzu bald herausstellen, dass ihre Ahnung sie nicht getrogen hatte ...
»Sagen Sie, Fräulein, haben Sie net ein Stünderl Zeit für die persönliche Betreuung Ihrer Gäste?«, fragte einer der Touristen an der Rezeption, ein fescher Bursch mit leuchtend blauen Augen.
Maria lächelte ihn strahlend an. »Ich hoff’ doch sehr, dass Sie mit der Betreuung hier zufrieden sind. Zu mehr kann ich mich leider nicht bereiterklären. Aber vielleicht fragen Sie die junge Dame, die gerad’ an Ihnen vorbeigeht.«
Der Gast warf einen bedauernden Blick auf die attraktive junge Frau, die zielstrebig die Halle durchquerte. Dann seufzte er tief auf.
»Die hat mir gestern schon einen Korb gegeben.«
»Oh, das tut mir aber leid«, sagte Maria höflich. »Aber Sie bleiben ja noch ein paar Tage, und ich bin sicher, Sie werden noch einige nette Bekanntschaften schließen. Entschuldigen Sie mich jetzt bitte, es warten noch andere Gäste.«
Damit wandte sie sich dem Nächsten zu, während der so freundlich verabschiedete Gast sich enttäuscht dem Ausgang zuwandte. Marias Kollegin Carola, die die kleine Szene beobachtet hatte, lachte leise in sich hinein. In einer ruhigen Minute sprach sie das Madl darauf an.
»Ich bewundere immer wieder, wie du mit den Leuten umgehst«, sagte sie seufzend. »Da hat sich noch keiner beleidigt gefühlt, wenn du ihm einen Korb gegeben hast. Wie machst du das nur?«
»Ach, da musst nur einfach bestimmt sein und erst gar keine Unsicherheit zeigen, sonst meinen die Mannsbilder, sie hätten leichtes Spiel. So einfach ist das.«