Menschen und Masken - Emmanuel Bove - E-Book

Menschen und Masken E-Book

Emmanuel Bove

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Beschreibung

Paris, Hotel Gallia, ein festlich geschmückter Saal. Einen triumphalen Einzug hat sich Andre Poitou, arrivierter Schuhfabrikant im Ruhestand, schon im Voraus in den glühendsten Farben ausgemalt: Hier soll ihm das Kreuz der Ehrenlegion verliehen werden, und hier will er vor allem einen Neuanfang in seinem Leben feiern. Schuhproduktion und Bienenfleiß hinter sich lassend, plant er nun, endlich seine "Jugend" zu genießen. Doch statt freudiger und stimmungsvoller Feierlichkeiten stehen schonungslose Entlarvung und Peinlichkeiten vom Feinsten auf dem Programm. Maske um Maske wird gelüftet. Mit virtuoser Konsequenz und Sprachgenauigkeit entlarvt Bove die trügerische Idylle einer Gesellschaft, die sich vornehmlich durch ihre Kleinheiten und Begehrlichkeiten definiert. "Wenn der Satz gilt, dass in der poetischen Literatur vor allem die Struktur eines Werkes über sein Gelingen entscheidet, dann ist ›Menschen und Masken‹ auf meisterhafte Weise gelungen und ein nur vom Umfang her kleines Stück großer Literatur." [Quelle: Süddeutsche Zeitung] Zum Weiterlesen: "Emmanuel Bove. Eine Biographie" von Raymond Cousse und Jean-Luc Bitton ISBN 9783860347096

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Über dieses Buch

Paris, Hotel Gallia, ein festlich geschmückter Saal. Einen triumphalen Einzug hat sich Andre Poitou, arrivierter Schuhfabrikant im Ruhestand, schon im Voraus in den glühendsten Farben ausgemalt: Hier soll ihm das Kreuz der Ehrenlegion verliehen werden, und hier will er vor allem einen Neuanfang in seinem Leben feiern. Schuhproduktion und Bienenfleiß hinter sich lassend, plant er nun, endlich seine »Jugend« zu genießen. Doch statt freudiger und stimmungsvoller Feierlichkeiten stehen schonungslose Entlarvung und Peinlichkeiten vom Feinsten auf dem Programm. Maske um Maske wird gelüftet. Mit virtuoser Konsequenz und Sprachgenauigkeit entlarvt Bove die trügerische Idylle einer Gesellschaft, die sich vornehmlich durch ihre Kleinheiten und Begehrlichkeiten definiert.

»Wenn der Satz gilt, dass in der poetischen Literatur vor allem die Struktur eines Werkes über sein Gelingen entscheidet, dann ist ›Menschen und Masken‹ auf meisterhafte Weise gelungen und ein nur vom Umfang her kleines Stück großer Literatur.« (Süddeutsche Zeitung)

Mehr zum Autor und seinem Werk unter www.emmanuelbove.de

Der Autor

1898 als Sohn eines russischen Lebemanns und eines Luxemburger Dienstmädchens in Paris geboren, schlug sich Emmanuel Bove mit verschiedenen Arbeiten durch, bevor er als Journalist und Schriftsteller sein Auskommen fand. Mit seinem Erstling »Meine Freunde« hatte er einen überwältigenden Erfolg, dem innerhalb von zwei Jahrzehnten 23 Romane und über 30 Erzählungen folgten.

Nach seinem Tod 1945 gerieten der Autor und sein gewaltiges Œuvre in Vergessenheit, bis er in den siebziger Jahren in Frankreich und in den achtziger Jahren durch Peter Handke für den deutschsprachigen Raum wiederentdeckt wurde. Heute gilt Emmanuel Bove als Klassiker der Moderne.

Die Übersetzerin

Uli Aumüller lebt als Übersetzerin und Filmemacherin in Berlin. Aus dem Französischen übersetzte sie u. a. Werke von Simone de Beauvoir, Jean-Paul Sartre, Albert Camus, Milan Kundera, aus dem Englischen Siri Hustvedt und Jeffrey Eugenides.

Menschenund Masken

Roman

Aus dem Französischenvon Uli Aumüller

Edition diá

1. Kapitel

An einem milden Winterabend war André Poitou mit langsamen Schritten unterwegs zum Hotel Gallia. Auf den Terrassen der Cafés saßen viele Gäste. Sie erblickten durch einen gelblichen, hin und her wabernden Nebel die kahlen Bäume des Boulevards, die unsteten Lichter der Reklameschilder und jene Menge, in der selbst der hellgekleidete Spaziergänger untergeht. Weihnachten stand vor der Tür. Hinter den beschlagenen Fensterscheiben der Restaurants, an den Stangen der Gardinen, die nicht aus unschuldiger Spitze, sondern aus Samt waren, hingen Plakate aus satiniertem Karton, auf denen die Wirte in Druckbuchstaben die Vorzüge ihres Festessens anpriesen.

André Poitou hatte allein ins Hotel Gallia gehen wollen, wo seine Verwandten und Freunde an diesem Abend ein Bankett ausrichteten, um seine kürzliche Aufnahme in die Ehrenlegion zu feiern. Aber es war gar nicht so leicht gewesen, seinen Bruder Maurice loszuwerden, der sich schon seit mehreren Tagen so etwas wie einen triumphalen Einzug in den Bankettsaal an der Seite des neuen Legionärs wünschte.

André Poitou beeilte sich nicht. Dieser Augenblick des Alleinseins vor einem Auftrieb, wie er noch nie einen erlebt hatte, erschien ihm köstlich. Überdies trug alles dazu bei, seine Freude zu bestärken. Der bevorstehende Neujahrstag einte die Welt der Straße. Die Autos bewegten sich hin und her in einer gewaltigen Choreographie, an deren Seite es keinen leeren Raum gegeben hätte. Die Zeitungsverkäufer riefen ihre Blätter in einem ungewohnten Tonfall aus. Es waren keine unter Kälte und Hunger leidenden armseligen Zeitungsjungen mehr, sondern Zeitungsverkäufer, die Möbelpackern, Kohlenträgern und Schutzmännern glichen, wie es Kinder gern einmal werden wollen.

Obwohl André Poitou keine Verspätung hatte, musste er sich zwingen, seine Schritte nicht zu beschleunigen. Mochte er sich auch einreden, dass bestimmt erst wenige Gäste dort waren, so schien es ihm doch mitunter, dass alle da waren, dass sie sich über seine Abwesenheit wunderten und dass einige sogar schon nach ihm Ausschau hielten. Dann zog er besorgt seine Taschenuhr hervor, und die auf zwanzig vor acht weisenden Zeiger beruhigten ihn ebenso schnell, wie er sich im Moment zuvor aufgeregt hatte.

Der Name von Monsieur André Poitou hatte auf einer Liste des Handelsministeriums gestanden, und zwar, um genauer zu sein, einen Tag nach Veröffentlichung der Liste neben zwei anderen Namen, die wie der seine vergessen worden waren.

André Poitou verdiente dieses Kreuz der Ehrenlegion. Er erfüllte alle nötigen Voraussetzungen. Sein Alter, seine Position, seine Verdienste um den nationalen Handel, die zahlreichen Vereine, Körperschaften und Verbände, denen er angehörte, hatten ihn zu dieser Würde geführt. Doch das Glück hatte ihm ein wenig beigestanden, denn tausend andere Kandidaten, mit ebenso großem Anrecht wie er, waren ausgeschieden.

Als Direktor einer der angesehensten Schuhfabriken Frankreichs beschäftigte er dreitausend Arbeiter. Allein in Paris trugen sieben oder acht Läden seinen Namen. Er war ein fast sechzigjähriger Mann, dessen Aufstieg nach dem Krieg plötzlich geendet hatte. Die langen Jahre des Kampfes hatten ihn ermüdet. Jetzt wandte er sich von seiner Tätigkeit ab, und die ihm Nahestehenden sahen verwundert mit an, wie dieser bescheidene, fleißige Sechzigjährige sich zunehmend um ein jugendliches und sportliches Aussehen bemühte. Mit dem Geschäftsrückgang seiner Fabrik in den Jahren 1920 und 1921 hatte er sich allmählich verändert. Die plötzliche Ruhe nach der Überproduktion des Krieges hatte ihn zum Nachdenken gebracht. Die Freuden des Lebens, die langsam aus dem Nebel aufstiegen, der sie bis dahin verhüllt hatte, waren ihm vor Augen getreten.

Eine zweite Jugend folgte auf das reife Alter. Die Auswirkungen einer weit zurückliegenden Bildung begannen sich zu zeigen. Plötzlich wollte er leben, reisen, lieben, wollte sich überstürzt alles nehmen, was er verschmäht oder nicht gekannt hatte. Er rechnete sich aus, dass er noch zehn gesunde Jahre vor sich hatte. Vor der Vergangenheit graute ihm. Er unterdrückte sie wie der Mann, der ein Haus meidet, in dem er mit seiner Geliebten lebte und das ihn daran erinnert, dass er in der Liebe versagt hat, dass er ungerecht gewesen ist. Er beobachtete sich selbst, um nicht mehr daran zu denken. Sein Blick richtete sich nach vorn. Die Erinnerungen des Jünglings, dessen Augen von der Lebensfreude vergrößert über die Zukunft schweifen, sind von außergewöhnlicher Klarheit und Reinheit. Er kann nicht glauben, dass das Glück ihm schon genommen ist. Durch diese Ungläubigkeit bewahrt er es so lebendig, so leuchtend in sich wie jenes, das er voraussieht. In André Poitous Geist sah es nicht so aus. Seine Vergangenheit war wirklich tot. Er meinte, er müsse ihre vollständige Aufhebung wünschen, damit das Leben morgen schön werde, er müsse alles vergessen, sowohl seine mühsamen Anfänge wie seinen langsamen Aufstieg, damit die Zukunft nicht verdorben werde.

Seine Situation war jetzt ganz ausgezeichnet. Einer Art gesundem Menschenverstand gehorchend, hatte André Poitou lange Zeit nichts getan, um sie anders zu sehen als zu Beginn seiner Karriere. Es war ihm übrigens keineswegs schwergefallen, diesen Entschluss zu fassen. Jeder Schritt voran war so mühsam vollbracht worden, dass es einer kleinen Anstrengung seinerseits bedurft hätte, um den zurückgelegten Weg zu beurteilen. Diese Art und Weise, seinen Aufstieg gleichgültig zu betrachten, hatte sich jedoch mit dem Alter geändert. Schon seit mehreren Jahren fand André Poitou Gefallen daran, in seiner Phantasie von seinen Besitztümern Abstand zu nehmen und sie sich als etwas Endgültiges vorzustellen. Manchmal, wenn er allein war, murmelte er gleichsam abwesend: »Das ist mein Leben! Es hat bescheiden angefangen. Allmählich habe ich mich nach oben gearbeitet. Seine Kurve ist die eines jeden normalen Lebens.« Ein wenig war es die Gewissheit, dass sein Abstandnehmen sie nicht verändern würde, die zu diesem Lebenshunger geführt hatte, gegen den er sich nicht mehr wehrte.

Kürzlich hatte er sich seinen Schnurrbart abnehmen lassen. Doch man ahnte, selbst jene ahnten es, die ihn zum ersten Mal sahen, dass in seinem glatten Gesicht lange ein Schnurrbart gestanden hatte. Die Partie über dem Mund schien, plötzlich der Luft ausgesetzt, nachdem sie fast vierzig Jahre verdeckt gewesen war, aus zarterer Haut zu bestehen. Es war, als wäre André Poitou aus dem Haus gegangen mit einem Riss in seiner Jacke, durch den man ein wenig Haut sah. Und das übrige Gesicht, von der herbeigeführten Veränderung nichts ahnend, blieb das mit dem Schnurrbart, das heißt, die Nase schien etwas zu weit oben, die Wangen etwas zu voll und die Augen sogar etwas zu hell, da sie ja den Schatten des Schnurrbarts eingebüßt hatten.

Er ging ins Theater, manchmal aß er sogar in irgendeinem Restaurant zu Abend. Er, der sich bis dahin nie gebunden hatte, fing an, Freunde zu haben. Seinen Angestellten gegenüber wurde er nachsichtiger und litt weniger unter der Schwierigkeit, seine Filialen zu beaufsichtigen. Nachmittags kam es sogar vor, dass er sich von irgendeiner jungen Frau mitnehmen ließ. Er wurde auf manche seiner Verkäuferinnen aufmerksam, erinnerte sich, in welchem Laden sie angestellt waren, und fand häufig Mittel und Wege, sie zum Abendessen einzuladen.

Kurz nachdem er seinen Führerschein gemacht hatte, kaufte er ein Automobil. Er fuhr steif, ruckartig und derart vorsichtig, dass man an seiner Seite errötete, weil er so sichtlich fürchtete, seinen Wagen zu beschädigen. Er, der nie Bekannte gehabt hatte, bekam plötzlich Einladungen und manchmal, was ihn vor Freude hinriss, Theaterkarten. Er war glücklich wie ein Kind, auf diese Weise ins Leben zu treten, sich unter die Leute zu mischen. Jeden Augenblick überraschten ihn Details. Um seine Unwissenheit zu vertuschen, derer er sich erst jetzt schämte, täuschte er in seiner Umgebung so etwas wie Gleichmut vor. Sprach man mit ihm über die Pawlowa, so bemühte er sich, diesen seltsamen Namen nicht zu deformieren und die Silben genau zu wiederholen.

»Die Pawlowa hat einen angeborenen Sinn fürs Tanzen«, sagte man ihm.

Mit leiser Stimme, als wollte er sie sich deutlicher vorstellen, erwiderte er:

»Die Pawlowa.«

Das war alles. Es unterlief ihm jedoch, Eigennamen zu entstellen.

»Wenn Sie de Max gehört hätten«, sagte man ihm einmal.

Da wiederholte er mit dem immer gleichen Ausdruck: »Max.«

Wieder sah er auf seine Uhr. ›Jetzt wird es aber Zeit‹, dachte er. Er ging schneller. Er war ausgelassen. Diese Aufnahme in die Ehrenlegion war einer der seltenen Anlässe in seinem Leben, Abstand zu bekommen. In diesem Augenblick der Weihe wandte er sich wie an einem Haltepunkt um. Der zurückgelegte Weg verlor sich hinter ihm in einer immer verschwommeneren Entfernung. Die Jahre des Stillstands verschmolzen mit denen des rasanten Fortschritts. Das Ganze bildete eine gerade, stetig ansteigende Linie.

›Soll ich ein Gläschen trinken gehen?‹, fragte er sich. Er ging in eine Bar und bestellte sich an der Theke einen Anis.

›Das wird mir Mut machen. Schließlich bin ich ja an der Reihe.‹

Es gefiel ihm, ganz für sich der Würde des Banketts die Geste eines müßigen Spaziergängers entgegenzusetzen, zumal diese Geste zu den Freiheiten gehörte, die er sich seit kurzem genommen hatte. Er zündete eine Zigarette an. Bis vor einigen Wochen hatte er mit außerordentlicher Sturheit nie geraucht und alle Zigaretten abgelehnt, die ihm angeboten worden waren. Jetzt kaufte er ägyptischen Tabak. Er war nicht so linkisch wie die Frauen. Er rauchte wie ein richtiger Mann, aber so pedantisch, so behutsam, dass man jedes Mal, wenn er sich eine Zigarette ansteckte, dies für ein Ereignis halten konnte.

»Ich trinke diesen Anis und gehe wieder …«, sagte er lächelnd zum Kellner.

Er war blass. Die Aufregung, die er empfand, nahm ihm den Atem.

»Es wäre doch lächerlich, wenn man mich vorher hier sähe«, murmelte er. »Außerdem ist es Viertel nach acht. Jetzt oder nie.«

Seine Hände waren feuchtkalt. Bisweilen überlief ihn ein Schauer.

›Hübsches Gesichtchen!‹, dachte er beim Hinausgehen, als ihm eine Passantin über den Weg lief.

Zweihundert Meter weiter wurde die rote Leuchtreklame des Hotel Gallia sichtbar, die den Boulevard erhellte. Mit glühendem und von einer feuchten, lauen Luft benetztem Gesicht ging er darauf zu. Bald erkannte er die hell erleuchtete große Fensterfront der Hotelhalle. Vorhänge verhüllten sie, durch die man jedoch die wie mit Gaze umgebenen Kronleuchter erblickte.

2. Kapitel

Als André Poitou den riesengroßen Saal betrat, dessen neue Parkettdielen und Kristallspiegel glänzten, blieb er einen Augenblick wie geblendet stehen. Seine Gestalt vervielfachte sich in den Spiegeln bis ins Unendliche. Eine große Zahl von Gästen ging hin und her. Ein Gemurmel, das für den Geschäftsmann immer mehr anzuschwellen schien, vibrierte in der Luft.

Das Hotel Gallia war gerade fertiggestellt worden. Daher war in diesem für Bankette vorgesehenen langen Saal auch für alles gesorgt, damit Bedienung und Komfort nichts zu wünschen übrigließen. Keine Tür war versperrt. Wegen der Deckenhöhe hatte das Hotel keinen ersten Stock. Die Zimmer befanden sich erst in der zweiten Etage. Man spürte, dass alles mehrere Jahre lang neu, komfortabel und praktisch bleiben würde. Später, wenn die Leute den Raum mieden, würde der weitläufige Saal vielleicht in einzelne, kleine Salons unterteilt und die heute in frischen Farben gestrichene Holztäfelung mit schweren Vorhängen verkleidet sein.

Ganz hinten im Saal, in einer Art Raucherabteil, standen Männer, die tranken und sich unterhielten. Man hörte das etwas zu laute Rattern der Aufzüge, die in die Küchen unter dem Untergeschoss fuhren, das einem Billardzimmer, den Garderoben und Telefonkabinen vorbehalten war.

Dieses Aufzugssystem war eine der Besonderheiten des Hotel Gallia. Da die Zimmer genau übereinanderlagen, versorgte ein und derselbe Aufzug, in dessen Schacht man zugleich Lachen, Gespräche, Eifersuchtsszenen, Weinen, Bestellungen der Kellner hörte, ebenso viele Räume, wie es Stockwerke gab. In jedem Zimmer brauchte man nur zu klingeln, und eine Minute später zeigte eine rosa Glühbirne an, dass das bestellte Frühstück in dem als Grammophon getarnten Aufzug bereitstand.

Der Geschäftsmann ging einige Schritte vorwärts. Die Gäste hatten ihn bemerkt, aber keiner rührte sich oder unterbrach sein Gespräch. So ist es fast immer, wenn der Erwartete erscheint. Obwohl er von allen gesehen worden ist, dauert das Stimmengemurmel einen Moment an, als wäre nichts gewesen.

Die Geladenen standen teils in Gruppen herum, andere saßen zu zweit oder zu dritt in demselben Sessel. Wieder andere lasen die Karte mit der Speisenfolge. Kellner legten geschäftig letzte Hand an die Tischgedecke. Die lange Tafel war mit Blumen und Früchten überhäuft. Eine über die ganze Wandlänge gespannte Stoffbahn, wie man sie an Werbeverkaufstagen sieht, verkündete, dass die Direktion des Gallia sich für das Neujahrsfest die Mitwirkung einer Jazzkapelle und die des Geigers Carré, bester Absolvent des Conservatoire de Paris, gesichert hatte. Durch die Glastüren, die in die Halle führten, sah man die Hotelgäste, die die Neugier fast bis auf die Schwelle zum Saal zog, die sich aber hüteten, einen Schritt mehr zu tun, aus Angst, einen verbotenen Ort zu betreten.

Dieser Festabend war vielleicht der schönste, den André Poitou bisher erlebt hatte. Er machte seinen Erfolg greifbarer. Gegen Ende seines Lebens war dies ein so unvermuteter Neubeginn, dass der Geschäftsmann meinte, jeder darauffolgende Tag werde davon gleichsam begünstigt. Er verbarg seine Rührung unter einem Ausdruck von Genugtuung und bewegte sich ungezwungen vorwärts. Ein kleiner alter Mann, zur Feier des Tages in einem mit schwarzer Seide verbrämten Cutaway, kam ihm sogleich entgegen. Er wollte der erste Gratulant sein, damit sich der Geschäftsmann deutlicher daran erinnerte. Durch diesen Austausch von Worten, die, weil sie die ersten waren, noch dem Alltag anzugehören schienen, würde er eine Art stillschweigendes Einvernehmen schaffen, das so lange wie das Essen anhalten würde und das er beim Weggehen auffrischen wollte.

»Da bist du ja endlich, mein lieber Poitou!«, sagte er. »Diese grandiose Kulisse ist für dich. Deinetwegen sind wir alle hier versammelt. Wie glücklich du sein musst!«

»Sprich mich nicht an, Lorieux«, sagte der Geschäftsmann. »Ich bin im Augenblick zu gerührt, um dir so zu antworten, wie du es verdienst.«