Millennium III - Joe Valdez - E-Book

Millennium III E-Book

Joe Valdez

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Beschreibung

Der abenteuerlustige Asturier Ramon verlässt sein Heimatdorf Esperanza, um für den kastilischen König als Kundschafter im Gebiet der Mauren zu arbeiten. Er wird entdeckt, inhaftiert und als Sklave verkauft. Im Gefängnis von Tunis trifft er auf den Etrusker Carlo. Nach einer erfolgreichen Flucht gelangen die Abenteurer nach Konstantinopel, der Hauptstadt des Reiches der Römer. Dort treffen sie auf Menschen aus Ramons Heimat, die die Männer gastlich aufnehmen. Gemeinsam mit dem Waräger Oleg begeben sie sich in das Land der Rus und der wilden Steppenvölker im Norden. Ramon lernt Tofa kennen, die arrogante und stolze Schwester des Warägers. Nach der Ermordung ihrer Familie wird diese entführt. Ramon folgt mit Oleg der Spur der wilden Horde nach Osten. In den weiten und unendlichen Ebenen des wilden Feldes kommt es zu dramatischen Ereignissen.

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Seitenzahl: 543

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Kapitel

1. Juni 1044 bis Oktober 1044

2. November 1044 bis Juni 1045

3. Juli 1045 bis Oktober 1045

4. November 1045 bis Jänner 1046

5. Februar 1046 bis Juli 1046

6. August 1046 bis Juli 1047

1. Juni 1044 bis Oktober 1044

Ein Mann lag auf einem mit spärlichen Strohresten bedeckten Steinboden. Ein wuchernder Bart umrahmte sein ausgezehrtes Gesicht, der obere Teil der Kleidung hing in Fetzen, auch die Hose wirkte sehr ramponiert. Er trug keine Schuhe, die Füße lagen in Ketten. Der Körper wirkte ausgemergelt, aber die Augen besaßen einen harten Glanz. Teilweise lagen getrocknete Exkremente herum, in einem Holzkübel befand sich fauliges Wasser. Der Mann setzte sich auf und nahm einen kurzen Schluck. Sein Blick streifte herum, anschließend lehnte er den Kopf gegen die Wand der kleinen Zelle in einem der Gefängnisse der Stadt Tunis. Diese lag an einer flachen Lagune, im Norden befand sich die Insel Chikli. Die Bucht stellte einen Teil des mittelländischen Meeres dar. Das Gefängnis lag innerhalb der Stadt, es gab mehrere mit vielen Zellen. Tunis lag südlich der antiken Stadt Karthago, deren Überreste dem Bau anderer Siedlungen dienten. Als Teil des Reiches der Berberdynastie der Ziriden stand sie im Schatten der mächtigen Städte Mahdia und Kairouan, die südlich an der Küste und im Hinterland lagen. Die Ziriden residierten unter ihrem Herrscher Al-Muʿizz ibn Bādīs az-Zīrī in der Stadt Kairouan. Er repräsentierte den vierten Herrscher der Dynastie. Eine verwandtschaftliche Beziehung gab es zu den herrschenden Ziriden im Taifakönigreich Granada in Hispanien. Trotz einiger Gebietsverluste in Tripolitanien und zunehmender Abhängigkeit zum Kalifengeschlecht der Abbasiden in Bagdad herrschte lange Jahre ein wirtschaftlicher Wohlstand, der erst in den letzten Jahren zurückging. Hungersnöte, Epidemien und hohe Tribute an die Fatimiden, dem Herrschergeschlecht in Kairo, schädigten das Land und ihre Bewohner. Der Gefangene kannte die Namen und Städte aus Schriften und Karten. Er befand sich seit zwei Monaten in diesem Gefängnis. Der Mann hieß Ramon und stammte aus Asturien. Mittlerweile war er sechsundzwanzig Jahre alt und fristete ein erbärmliches Dasein. Er kannte den Grund nicht, warum ihn die Berber am Leben ließen. Vermutlich wegen seines Verhaltens, die Wächter ständig zu attackieren. Sie schlugen ihn regelmäßig, vor allem der Kommandant, er nannte sich Ridwan. Dieser machte sich oft über den Gefangenen lustig. „Es ist gut, dass du bei mir bist, Christ. Mein Name bedeutet „Wächter des Paradieses“ und ich verspreche dir, dass du dich wohl fühlen wirst.“ Er lachte nach diesen Worten und fühlte sich als Herr über Leben und Tod. Ridwan schlug die Gefangenen bei Widerstand, manche wurden gefoltert, die anderen hörten ihre Schmerzensschreie. Ramon musste mehrere Folterungen über sich ergehen lassen, nicht nur in Tunis, aber sein Körper hielt noch stand. Er versuchte, sich immer wieder zu bewegen und den Körper zu kräftigen, trotz des schlechten Essens und fauligen Wassers. Sein Blick fiel auf das kleine Kerkerfenster, durch das spärlich Licht in das Innere strahlte. Das Gebäude lag am Rand der kleinen Stadt und verfügte über zwei unterirdische Geschosse, dazu ein Erdgeschoss, in dem seine Zelle lag. Im sechsten Monat des Jahres stiegen die Temperaturen stetig an, die Hitze nahm zu, die beiden schlimmsten Monate im Sommer standen aber noch bevor. Er erblickte den blauen Himmel, Sehnsucht überkam ihn. Seine Heimat Asturien fiel ihm ein, die er vor fünf Jahren endgültig verließ. Ramon entstammte einer Familie aus dem Dorf Esperanza, dass in der Nähe der Hafenstadt Gijon lag. Diese Region war Teil des Königreichs Leon, Galizien und Kastilien, dass von König Fernando I. und dessen Gemahlin Sancha regiert wurde. Neben den Königreichen Navarra und Aragon stellte es das mächtigste christliche Königreich in Hispanien dar. Seit Jahrhunderten tobte der Kampf zwischen den Religionen auf der Halbinsel. Nach langen Jahren der maurischen Vorherrschaft zerfiel das Kalifat von Cordoba in kleinere muslimische Königreiche, die Taifas genannt wurden. Sein Vater Rey entstammte der Stadt Oviedo und präsentierte sich als stolzer Asturier. Die Geschichte dieses Landes war eng verbunden mit dem christlichen Widerstand gegen die einfallenden muslimischen Mauren. Als letzter Herrscher aus dem Königshaus Asturien fiel Bermudo III. in der Schlacht von Taramon vor fast sieben Jahren gegen seinen Schwager Fernando I. Ein Jahr später wurde dieser zum mächtigsten König der Christen gewählt. Ramon nahm als Neunzehnjähriger an der Schlacht teil, trotz Bedenken seiner maurischen Mutter Safia. Diese entstammte einer Familie eines hohen Verwaltungsbeamten im arabischen Valencia und konvertierte vor der Hochzeit mit seinem Vater zum Christentum. Sein Großvater Tariq ibn Salman gehörte in Valencia bis zu dessen Tod zu den mächtigen Männern. Die Verbindung eines Christen mit einer arabischen Maurin entsprang einer großen Liebe, die bis heute anhielt. Ramon hoffte, dass seine Eltern noch lebten. Sein Vater Rey verlor den Großteil des linken Armes in der Schlacht, weitere schwere Verletzungen an den Beinen ließen ihn leicht hinken. Auch der Hidalgo des Dorfes Esperanza, Madoc, erlitt schwere Verletzungen. Die beiden führenden Männer von Ramons Heimatort überlebten aber die Schlacht, im Gegensatz zu vielen anderen Soldaten. Trotz ihres Alters von über Fünfzig folgten sein Vater und der Hidalgo des Dorfes mit Gefolgsleuten und Söhnen ihrem geleisteten Eid gegenüber Fernando I. Ursprünglich diente das Dorf dem Königsgeschlecht der Asturier, dessen letzter König Bermudo III. auf Hilfe verzichtete und sie schlecht behandelte. Deshalb entschied der Hidalgo Madoc, sich dessen Schwester Sancha und deren Mann Fernando I. anzuschließen, was sich im Nachhinein als richtige Entscheidung erwies. Das Dorf Esperanza konnte weiterhin existieren und seinen Wohlstand ausbauen. Es ging auf eine frühe Siedlung zurück, die vor Jahrhunderten entstand. Kinder eines Kelten und einer Römerin gründeten die erste Siedlung. Der Kelte Madoc und seine Frau Leia, eine Nachfahrin der Gründerfamilie, ließen das Dorf in altem Glanz erstrahlen. Gemeinsam mit ihren Freunden Rey und Safia, Ramons Eltern, leiteten sie Esperanza und führten es zu einem Wohlstand, auf den andere bisweilen mit Neid blickten. Aber ihre Loyalität zum König und dem Adel und ihre Fähigkeiten in Kampf und Wirtschaft wurden geschätzt und respektiert. Die Haupteinnahmen des Dorfes und der Geschäfte in den umliegenden Städten stammten aus Verkäufen des bekannten Apfelweins, aber auch anderer Waren. In der Hafenstadt Gijon führte Madocs Sohn Brios mit seiner Frau Nela die Geschäfte für die Familien in Esperanza. Auch in Oviedo, Leon und Santiago de Compostela gab es erfolgreiche Zweige. Die Schlacht von Tamaron erwies sich als sehr verlustreich für das Dorf, einige Männer kamen ums Leben, die beiden Anführer wurden schwer verletzt. Fabio, der älteste Sohn von Madoc und Leia, fiel in der Schlacht. Seine Witwe Aida lebte mit dem gemeinsamen Sohn in der Stadt Oviedo, sie heiratete nach der Trauerzeit einen anderen Mann. Rey und Madoc mussten ihrem Alter und den Nachwirkungen der Schlacht Tribut zollen. Der Hidalgo legte sein Amt zurück, aber sein Sohn Brios verzichtete auf die Übernahme des Dorfes. Er blieb in Gijon. Ansonsten gab es keine anderen Kinder, die in Asturien lebten. Die Führung von Esperanza wurde von Ramons ältestem Bruder Rafael und dessen Frau Alaia übernommen. Dies wurde vom König bestätigt. Die feierliche Zeremonie in Esperanza mit der Übertragung des Amts des Hidalgos durch einen königlichen Beauftragten erwies sich als der letzte Aufenthalt Ramons im Dorf. Es gab zuvor Vorbehalte wegen der maurischen Abstammung seines Bruders, aber diese konnten aufgrund der ausgezeichneten Referenzen der Familien und des Dorfes zerstreut werden. Geldgeschenke halfen bei der Entscheidung. Rafaels Frau Alaia entstammte einer befreundeten Familie aus der Stadt Donostia – San Sebastian. Sie war die Tochter des Basken Danel und der Wikingerin Yrsa, die langjährige Freunde und Geschäftspartner seiner Eltern und Esperanza darstellten. Ramon mochte seine temperamentvolle Schwägerin. Sie passte als neue Hidalga zum Bild der selbstbewussten Frauen des Dorfes. In Esperanza wurden die Frauen unter Leitung der Patronin Leia und Ramons Mutter Safia in Sprachen und Kampfkünsten ausgebildet, je nach Willen und Talent. Safia sprach Griechisch, Latein, Spanisch und Arabisch und verfügte über enormes Wissen über die Geschichte der Araber und Europäer. Gemeinsam mit Leia lehrte sie die Kindern viel Wissen, das in vielen anderen Dörfern nicht bekannt war. Die Männer und gewillte Frauen erhielten Kampfausbildung durch Madoc, Rey und deren Gefolgsleute. Das Erfolgsrezept des Dorfes hieß gleiches Recht für Frauen und Männer, manchmal misstrauisch beobachtet von der Umgebung, vor allem von der religiösen Oberschicht. Stolz und selbstbewusst präsentierten sich die Bewohner dem restlichen Asturien. Der Anführer des Dorfes achtete bis zu seinem Rückzug darauf, dass die geltenden Regeln der männlichen Dominanz im Austausch mit dem Adel und anderen Dörfern eingehalten wurden, um sich nicht den Unmut der Herrschenden zuzuziehen. Bis jetzt funktionierte das System Esperanza. Einige fremde Männer besuchten das Dorf, um für immer zu bleiben. Sie ehelichten stolze Frauen. Nach dem tragischen Verlust einiger Dorfbewohner in der Schlacht zeigten sich die Witwen stark und wurden von der Gemeinschaft gestützt, manche heirateten erneut. Der Tod ihres ältesten Sohnes Fabio setzte Madoc und Leia zu. Da die älteste Tochter Elena in Donostia lebte und die zweite Tochter Isabella verschwand, blieb nur Brios, der aber Gijon dem Dorf vorzog. Daher übernahm die zweite führende Familie die Leitung. Ramon freute sich für seinen Bruder Rafael. Seine Schwestern Maria und Sara lebten mit ihren adeligen Männern in Santiago de Compostela und Leon, der zweitälteste Bruder Juan diente in der Leibgarde des Königs von Navarra in Pamplona. Ramon erwies sich als der Jüngste und Umtriebigste seiner Geschwister. Er liebte den Kampf, das Abenteuer und vor allem die Weiblichkeit. Seine Mutter ermahnte ihn ständig, die Frauen im Dorf in Ruhe zu lassen und keine Kinder zu zeugen. Zum Glück wussten die weiblichen Bewohnerinnen Esperanzas dank der Patronin Leia mehr über den weiblichen Körper, als die meisten Frauen ihrer Zeit. Dieses Wissen ermöglichte ihnen, den Zeitpunkt der Fruchtbarkeit halbwegs einschätzen zu können. Ramons Triebhaftigkeit und seine Beliebtheit unter den Frauen führten zu Streitigkeiten mit eifersüchtigen Männern, auch in den Städten Gijon und Oviedo. Er erinnerte sich an die zweitälteste Tochter von Leia und Madoc, Isabella. Die rothaarige Frau erwies sich als beste weibliche Kämpferin und als sehr leidenschaftliche Frau. Nach dem Tod ihres Ehemannes führte sie ein zügelloses Leben, auch er profitierte davon in seiner Jugend. Sie verschwand vor einigen Jahren mit dem hünenhaften Basken Nael, der der befreundeten Familie aus Donostia entstammte. Die beiden führenden Familien Esperanzas und jene im Baskenland waren freundschaftlich eng verbunden, dessen Band durch gewisse Ehen verstärkt wurde. Es gab starke wirtschaftliche Beziehungen. Die Basken verfügten über Kontakte zu den Nordmännern und nutzten fischreiche Gründe der Wikinger. Niemand wusste, wo sich Isabella und Nael befanden. Ihre Reise sollte sie nach Rom führen, der Stadt des Papstes, dort verlor sich ihre Spur. Beide Elternteile schienen aber überzeugt zu sein, dass sie noch lebten. Ramons Mutter Safia pflichtete dieser Ansicht bei. „Eine Mutter spürt dies, ob ihr Kind noch lebt“, sagte sie mit Überzeugung. Ein Lächeln trat in sein Gesicht, als er an seine hochintelligente und auch im Alter noch schöne Mutter dachte. Als er mit seinem schwerverletzten Vater von der Schlacht aus Tamaron zurückkehrte, schüttelte sie nur den Kopf. „Hast du jetzt genug vom Kämpfen, Rey? Du bist und bleibst ein Dummkopf, alter Mann“, sagte sie laut, aber in ihren Augen stand die Freude über seine Rückkehr. Sie freute sich darüber, dass beide lebend zurückkehrten. Die beiden hochrespektierten Frauen von Esperanza, Leia und Safia, leiteten weiter die örtliche Schule und pflegten ihre Männer, die sich als zäh erwiesen. Ramon spürte die Liebe und das Vertrauen innerhalb dieser Paare. „Irgendwann wirst auch du diese Frau finden, die dich fordert und dein Verantwortungsbewusstsein fördert. Du bist ein schlimmerer Dummkopf als dein Vater, aber du bist mein Sohn“, sagte seine Mutter Safia einmal. Sie belehrte ihn oft, aber ihr Jüngster erwies sich als ihr Lieblingskind, vermutlich weil er dem Vater am ähnlichsten war. Nach der Einführung seines Bruders Rafael als neuer Ortsvorsteher von Esperanza verließ Ramon das Dorf. Er begab sich in den Dienst des Königs, der auf seine kämpferischen und sprachlichen Fähigkeiten zurückgriff. Dem königlichen Wunsch konnte sich seine Mutter nicht verwehren. Er erinnerte sich an das Gespräch mit König Fernando I. und dessen Berater. „Deine arabische Herkunft wird manchmal kritisch beäugt, aber es gibt viele Kinder aus solchen Verbindungen. Du bist gebildet und sprichst die Sprache unserer Feinde perfekt, dazu kämpfst du in der Tradition des großen Madoc und deines Vaters Rey. Wir brauchen dich, Ramon“, sagte der König, der sich im gleichen Alter wie er selbst befand. Er durchfuhr eine Ausbildung in der Nachrichtenübermittlung und arbeitete fortan als Spion des Königs. Dabei gelangte er in alle wichtigen Städte der Berber und Araber in Hispanien. Die kleinen Königreiche der Muslime benötigten in ihren Bürgerkriegen bisweilen die Hilfe ihrer christlichen Nachbarn aus dem Norden. Ramon suchte Albarracin, Zaragoza und Toledo auf, aber er bereiste auch Cordoba, Sevilla und Granada im Süden. Er lernte viel und konnte dem König über das Informantennetz die Lage in den einzelnen muslimischen Königreichen schildern. Einige maurische Frauen säumten seinen Weg, aber keine konnte ihn halten. Er trieb sich herum und vergnügte sich gerne in Tavernen, herrschaftlichen Häusern und Palästen. Die Frauen mochten ihn, er konnte sich gut ausdrücken und erwies sich als hervorragender Geschichtenerzähler. Einige Feinde mussten ihr Leben lassen, damit seine Tarnung nicht aufflog. Er wechselte ständig seine Identitäten. Über vier Jahre führte er ein gutes Leben, aber sein Erfolg machte ihn unvorsichtig. Sein Heimatdorf und die Ideale gerieten in Vergessenheit, in seinem Kopf gab es Abenteuer und Vergnügen. Die Tätigkeit als Spion inspirierte ihn, er mochte das Risiko und das freie Leben dahinter. In Valencia, der Heimatstadt seiner Mutter, ging seine Glückssträhne vor nicht ganz zwei Jahren zu Ende. Eine Liebschaft zu einer adeligen, verheirateten Frau, die ihn mit Informationen über ihren mächtigen Mann versorgte, erwies sich als schlecht. Er wurde während einer Liebesnacht erwischt und konnte seinen Verfolgern nicht entrinnen. Die Frau gab an, vergewaltigt worden zu sein. Ihr Gemahl ließ bei seiner vierten Frau Gnade walten, sie musste aber fortan abseits des schönen Palastes leben. Zumindest erzählte der Araber davon, als er Ramon foltern ließ. Er erinnerte sich an die Worte des rachsüchtigen arabischen Verwaltungsbeamten aus dem Geschlecht der Amiriden. „Ich will dich quälen, Christ. Danach lasse ich dich entmannen, denn du hast meine Ehre beschmutzt“, sagte er höhnisch grinsend im Kerker von Valencia. „Töte mich, aber lass mich nicht als kastrierter Mann inmitten von schönen Frauen leben. Das halte ich nicht aus“, sagte der Asturier damals, tatsächlich übermannte ihn eine große Verzweiflung. Der Araber lachte nur. „Meine Kerkermeister werden dich bearbeiten. Du sollst mit der Erkenntnis leben, dass du kein Mann mehr sein wirst. Aber den Zeitpunkt werde ich bestimmen. Bis dahin sollst du darüber nachdenken, welche Schande du über meine Frau und mich gebracht hast. Vielleicht werde ich sie doch töten, aber sie hat große Qualitäten, du kennst einige“, sagte der Mann grinsend. Er lebte seine Macht über den Gefangenen aus, danach sah ihn Ramon nie wieder. Er erfuhr, dass dieser aus wichtigen Gründen die Stadt verließ. „Nach seiner Rückkehr machen wir dich zur Frau“, sagte einer der Wächter und lachte laut. Ein interner Kampf zwischen verfeindeten muslimischen Familien erwies sich für den Asturier als Glücksfall, denn er sah sich bereits als Eunuch in einem Harem arbeiten. Anstelle des Mannes erschien dessen Frau, Ramons ehemalige Geliebte, im Gefängnis. Mit der Unterstützung von zwei Berbern organisierte sie die Flucht, einer davon erwies sich als neuer Geliebter der Frau. Gemeinsam flüchteten sie nach Süden. Der neue Mann im Leben der verheirateten Frau erwies sich als feindselig. „Sie hat für dich gesprochen, du hast Glück. Ich werde diese Frau mitnehmen, denn sie gehört weder diesem arabischen Hund noch einem Ungläubigen, sondern ganz allein mir. Verschwinde!“, sagte er beim Abschied. Die Frau verabschiedete sich mit einem Lächeln. „Es ist eine schöne Zeit gewesen. Ich finde, du hast genug gelitten, deshalb habe ich dich befreien lassen. Hier trennen sich unsere Wege, mein christlicher Freund. Ich werde ein neues Leben beginnen, mit dem Geld meines Mannes.“ Provokant lächelte sie ihn an. Ramon kannte ihre Gefährlichkeit, diese Art von Frau spielte gerne mit den Männern. Offensichtlich konnte sie den Berber überreden, ihn zu befreien, aber dieser schien davon nicht restlos begeistert zu sein. Der zweite Mann führte Befehle des anderen aus. Ramon verabschiedete sich, ein Bedauern lag im Blick der jungen Araberin, aber sie wählte ihr kulturelles Umfeld. Das Ziel lag angeblich in Malaga, dort herrschten die Hammudiden, eine Berberdynastie. Sie schien den eifersüchtigen Berber im Griff zu haben, aber dessen Rache ließ nicht auf sich warten. Nach der Trennung von der Gruppe wurde Ramon von drei Männern überrascht, als er sich auf dem Weg zur Küste befand. Diese erwiesen sich als bezahlte muslimische Söldner. Leider fehlten ihm Waffen zur Verteidigung, er bekam von den beiden Fluchtgehilfen keine ausgehändigt. Die drei Söldner präsentierten sich als kampferfahren und nahmen ihn bei passender Gelegenheit gefangen. Sie lachten ihn aus, weil er ihnen in die Falle ging. „Hast du tatsächlich geglaubt, dass dich unser Anführer ziehen lässt? Er hat gewartet, bis seine neue Frau endlich nachgegeben hat. Sie kann störrisch sein, aber er will sie unbedingt haben, daran ist er selbst schuld. Wir sind euch ständig gefolgt und sollen dich töten oder als Sklaven verkaufen. Die zweite Variante ist ergiebiger, du wirst einen guten Ruderer abgeben. Viele arabische Seeleute suchen kräftige Männer“, führte einer aus. Ramons Pechsträhne hielt danach an. Sie verkauften ihn in Cartagena an einen arabischen Seefahrer, gemeinsam mit anderen christlichen Sklaven musste er Ruderdienste leisten. Einige starben an den Strapazen des harten Dienstes, die Narben von Peitschenhieben am Rücken zeugten von dieser Zeit. Aber er erwies sich als zäh, trotz der Erniedrigungen und Qualen wartete er auf die Gelegenheit zur Flucht. Er erinnerte sich an die Ausbildung in Esperanza, der Kelte Madoc erwies sich als Vorbild. Dieser zeichnete sich nach den Erzählungen seines Vaters durch Überblick, Intelligenz und Geduld aus. „Du musst warten können, länger als dein Gegner. Solange du lebst, ergibt sich eine Möglichkeit, Junge“, erzählte der alternde Anführer oft. Er griff auf eine bewährte Methode zurück. In seinem rechten Stiefel befand sich ein Metallstück, dass sie im Zuge der Durchsuchung nicht fanden. Mit diesem gelang es ihm, die Ketten zu öffnen und den schlafenden Wächter zu töten. Dieser erwies sich als einer der Schlimmsten während seiner Zeit am Schiff. Das Schiff lag zu diesem Zeitpunkt in der Nähe der Stadt Mahdia vor Anker. Gemeinsam mit einigen Sklaven wagte er die Flucht, andere schienen durch die Torturen bereits am Ende zu sein. Leider wurden sie zu früh entdeckt, aber Ramon gelang es, mit einem zweiten Mann den unmittelbaren Verfolgern zu entkommen. Der Fluchtgefährte trug einen großen Hass auf die Muslime in sich und erwies sich als ungeduldiger Mensch. Unbedacht griff er eine Berberfamilie an und tötete den Mann. Als er sich an der Frau und den Kindern vergreifen wollte, griff Ramon ein und tötete seinen tobenden Kameraden. Leider alarmierte der Vorfall seine Verfolger, die sich als zäh und konsequent erwiesen. In der Nähe von Tunis konnten sie ihn schließlich einfangen, erschöpft und ausgebrannt ergab er sich seinen Verfolgern. Nur die Fürsprache der Witwe rettete ihn vor dem schnellen Todesurteil. Dankbar dachte er an die anständige Berberfrau, die trotz des Todes ihres Mannes die Wahrheit über den Vorfall aussagte. Das änderte aber nichts an seinem weiteren Schicksal, seit zwei Monaten lag er in dieser Zelle und vegetierte vor sich hin, den Launen von Ridwan ausgeliefert. Ramon kannte die Gnadenlosigkeit im Umgang mit Menschen der anderen Religion. Der Berber war kein Sadist. Die Behandlung von ungläubigen Gefangenen erwies sich stets als gleich hart für die Betroffenen, auch die Christen gingen mit den Muslimen ähnlich oder noch schlimmer um. Er schlich mit den nackten Füßen durch die mannshohe Zelle und versuchte, seine verkrampften Muskeln zu bewegen. Es schmerzte sehr stark, die Wächter schlugen ihn erst vor zwei Tagen. Derzeit schienen seine Knochen noch zu halten, selbst seine Zähne hielten allen Widrigkeiten bisher stand, aber sein Widerstand erlahmte langsam. Die Wachposten in diesem Gefängnis erwiesen sich als sehr diszipliniert und untersuchten ihn gründlich bei der Einlieferung. Sie fanden das Metallstück im Stiefel und nahmen ihm dieses ab. „In diesem Paradies benötigt ein Mann keine Schuhe, Christ“, sagte Ridwan höhnisch. Ramon verdrängte die Gedanken, lange ging er auf und ab. Er musste sich bewegen, obwohl es schmerzte. Immer wieder fielen ihm die Worte Madocs ein. „Solange du lebst, besteht eine Möglichkeit zur Flucht geben. Sie wird kommen. Versuche stets, konzentriert zu bleiben, egal was passiert und wie hart es ist. Du musst die Gelegenheit ergreifen, wenn sie da ist.“ Auch sein Vater sprach ähnlich. Die Dunkelheit brach an. Ramon setzte sich an die Wand. Das faulige Wasser schmeckte ekelhaft, erwies sich aber als Lebensspender. Er dachte an seine Liebschaften. „Wie es aussieht, wird es wohl nichts mehr werden mit einer schönen Frau“, sagte er laut auf Arabisch. In der Nachbarzelle erklang eine Stimme. „Das ist schade, denn es gibt sehr viele davon“, antwortete eine männliche Stimme. Die beiden Zellen lagen gemeinsam mit einer dritten im linken Teil des Erdgeschosses und wurden von einem Wachposten kontrolliert. Es gab eine Zugangstür vom Gang. Der Zellennachbar wurde vor ungefähr einem Monat eingeliefert, fiel bis jetzt aber nicht durch Redseligkeit auf. Die Wachposten schätzten es nicht, wenn sich die Gefangenen unterhielten. Derzeit befand sich kein Wächter innerhalb des Zellenbereichs. Die Stimme des Mannes klang nicht verzweifelt. „Wer bist du, mein Freund?“, fragte Ramon. Lange Zeit gab es keine Antwort, er zuckte mit den Schultern. Der Wächter erschien und überprüfte alles genau, die Gefangenen machten keinen Ärger. Sie antworteten nicht auf Bemerkungen des Mannes, den dies konnte sich als nachteilig erweisen. Ramon spürte die Nachwirkungen der letzten Schläge mit dem Knüppel am Rücken. Nach der Überprüfung verließ der Wächter den Bereich. Plötzlich ertönte die Stimme des Zellennachbarn. „Ich heiße Carlo, stamme aus einem Dorf in der Nähe der Stadt Pisa im schönen Italien und habe keine Freunde.“ Er sprach ruhig. Der Asturier schüttelte ob der seltsamen Worte den Kopf, aber er wollte die Gelegenheit nutzen, um sich zu unterhalten. Er mochte es, sich mit Menschen auszutauschen. Ramon nannte Namen und Herkunft. „Du bist der zweite Mensch aus Asturien, den ich kennenlerne. Der Erste ist eine rothaarige Frau gewesen, eine Kriegerin“, antwortete der Mann. Ramon riss die Augen auf, die Beschreibung passte auf Isabella, die rothaarige Tochter von Leia und Madoc. Er fragte nach und erfuhr, dass sein Zellengenosse Isabella und den Basken Nael vor einigen Jahren in Italien traf. „Ich habe ihnen geholfen nach Konstantinopel zu flüchten, gemeinsam mit ihren neuen Partnern, einem Mann namens Bartholomäus und der schönen Emilia. Sie haben ihr Glück gefunden.“ Plötzlich kamen sie ins Gespräch, trotz ihrer misslichen Lage. Carlo erzählte von seinem Heimatland. „Die Normannen werden den Süden meines geliebten Italiens okkupieren, die Überreste der langobardischen Herrschaft sind zu schwach.“ Sie beendeten ihr Gespräch sofort, als der Wächter auftauchte. „Haltet den Mund, ihr Bastarde!“, rief er laut, aber er schien nicht gewillt zu sein, sie zu bestrafen. Er wirkte betrunken, die Männer feierten. Ridwan schien sich außerhalb der Stadt zu befinden. Als der Wächter verschwand, kehrte Stille ein.

Der Rest des Monats Juni verlief ruhig. Die steigenden Temperaturen besänftigten die Wächter, sie ersparten sich zu viel Kraftaufwand in der Hitze. Kommandant Ridwan erschien mit zwei anderen Männern. Ramon hörte, wie sie Carlo schlugen. „Für den Mord am großartigen und respektierten Brahim Abu Atif at-Tawil werden wir dich langsam töten, du mieser Bastard. Du wirst leiden wie kein Zweiter!“, schrie der Oberaufseher. Ramon hörte die Schläge und schloss die Augen. Bevor Ridwan mit seinen Folterknechten verschwand, suchte er den Asturier auf. „Du hast Glück, Christ. Dein Zellennachbar ist ein bösartiger Mann, er verdient unsere Aufmerksamkeit. Aber ich will dir eine gewisse Zuneigung nicht verweigern“, sagte der Mann mit dem Kinnbart lächelnd. Dann warfen sie ihn auf den Bauch und Ridwan stellte seinen Fuß auf eine frische Wunde am Rücken. Ramon stöhnte auf, der Berber lachte. „Nicht so empfindlich, Christ. Auch dein Erlöser musste leiden, bevor er gestorben ist.“ Sie lachten, aber sie machten nicht weiter mit der Tortur. „Ich muss leider bis Ende des Monats in den Süden reisen, aber danach werde ich mich um euch kümmern. Die Geschichte mit der geretteten Frau kann ich nicht glauben. Sie ist froh gewesen, dass ihr Mann gestorben ist, er hat sie geschlagen. Leider kann ich dich nicht verkaufen. Du wirst mit deinem Nachbarn sterben, auf dessen Hinrichtung sich bereits alle freuen. Es liegt einfach daran, dass ich dich nicht leiden kann. Du hast mich zweimal angegriffen und geschlagen, das kann ich nicht dulden. Bis zu meiner Rückkehr werden euch meine verbliebenen Männer das Paradies bereiten“, sagte er höhnisch und verschwand. Ramon atmete schwer, der Schmerz überkam ihn, keuchend setzte er sich auf. „Du musst ruhiger werden, Asturier“, ertönte die Stimme des Zellennachbarn. „Ich habe gehört, als du ihn letztes Mal angegriffen hast. Das ist sehr mutig, aber dumm.“ Carlos Stimme klang ruhig. Ramon zeigte sich überrascht. „Ich habe gedacht, du bist bewusstlos“, sagte er leise. Lange Zeit blieb es still. „Du musst dich auf etwas anderes konzentrieren, wenn sie dich schlagen, deinen Körper beherrschen. Lernt ihr das nicht in Asturien?“, fragte der Zellennachbar süffisant. Es schien unglaublich zu sein. Der Mann wirkte, als ob es die Schläge zuvor nicht gegeben hätte. „Vermutlich steht dir Gott persönlich bei, Römer“, antwortete Ramon. „Ich bin Etrusker und werde deshalb nicht zuwarten, bis dieser Bastard wieder auftaucht.“ Der Asturier hob den Kopf. „Was hast du vor, Carlo?“ Der Zellennachbar gab vorerst keine Antwort. „Ich werde fliehen, Asturier. Leider kann ich diesen Bastard nicht töten. Aber manche seiner Männer neigen zu Disziplinlosigkeiten, wenn Ridwan abwesend ist. Sie werden sich betrinken, dann werde ich sie töten und dieses Land verlassen“, sagte er flüsternd. „Was hast du vor?“, fragte Ramon, erhielt aber keine Antwort. Der Asturier versuchte erneut, ein Gespräch zu beginnen. Plötzlich spürte er, dass dieser Mann wusste, wovon er sprach, und er schien überzeugt zu sein, aus dem Gefängnis zu entkommen. „Wer ist dieser Brahim Abu Atif at-Tawil gewesen?“ Die Antwort ließ auf sich warten. „Er hat vor langen Jahren meine Familie bei einem Überfall mit seinen Männern getötet, dieser Bastard. Ich habe ihn erst jetzt gefunden, in der Nähe von Tunis, auf seinem Landsitz. Er ist gerade mit einer jungen Frau beschäftigt gewesen. Ich habe sie verschont, das ist mein Fehler gewesen, aber ich töte keine Frauen, wenn sie mich nicht bekämpfen. Das würde mir meine geliebte Pia nicht verzeihen.“ Diesmal klang die Stimme nicht mehr so ruhig, offensichtlich sprach er von seiner verstorbenen Frau. Er schien noch immer eine starke Verbindung zu ihr zu haben. Weitere Informationen behielt er für sich. In den nächsten beiden Tagen schien nichts zu passieren. Ridwan blieb abwesend, offensichtlich war er bereits unterwegs. Ramon merkte es am Verhalten der Wächter, sie betranken sich. Zwei Männer erschienen. Sie hielten Wache in diesem Teil des Erdgeschosses. Es gab zwei weitere Bereiche mit Zellen, der Kommandant saß in einem Zimmer neben dem Eingang. Sie öffneten die Nachbarzelle. „Wir sollen dich täglich bestens behandeln“, meinte einer höhnisch und lachte. Ramon hörte die Geräusche. Offensichtlich schlug einer der Wächter mit einer kurzen Lederpeitsche zu. „Du schlägst wie ein Weib“, erklang die provokante Stimme Carlos. Plötzlich signalisierten Ramons Instinkte, dass sich in der Nachbarzelle Entscheidendes anbahnte. Leise erhob er sich und schlich zur Zellentür, die wenigen Fackeln beleuchteten die Szenerie. Im Nebenraum wurde es lebendig. Der Schmerzensschrei eines Wächters ertönte, dem ein kurzer Kampf folgte, ein röchelnder Laut stellte das Ende dar. Der zweite Wächter taumelte heraus, Blut strömte aus seinem Hals. Als er an Ramons Zelle vorbeikam, griff dieser durch die Stäbe und zog den Mann heran. Sein Arm lag um dessen Hals, mit der Hand hielt er den Mund zu. Im Gürtel des Wächters steckte ein Messer, dieses zog der Asturier heraus und stach mehrmals zu. Bevor er den Mann losließ, nahm er den Zellenschlüssel an sich, der Bund hing an dessen Gürtel. Langsam ließ er den Mann nach unten gleiten, anschließend öffnete er seine Fußketten und die Zellentür. Plötzlich stand er einem kleineren Mann gegenüber. Dieser wies dunkle Haare mit einigen grauen Strähnen an den Schläfen auf. Das Gesicht wies Schlagspuren auf, aber der Mann wirkte unaufgeregt. „Gut gemacht, Asturier. Auch die rothaarige Isabella konnte kämpfen.“ Die Stimme klang ausdruckslos, im Grunde genommen wirkte der Mann unscheinbar. „Das Schicksal hat uns zusammengeführt, Etrusker. Wir sollten unsere Flucht gemeinsam fortsetzen“, schlug Ramon vor. Carlo nickte nach kurzem Überlegen. Sie zogen sich das Oberteil der Wächter über, bei Ramon wurde es eng, zumindest die Stiefel passten. Trotz der monatelangen Torturen und mangelnder Ernährung wirkten die beiden Männer sehr entschlossen. „Du machst, was ich sage, Asturier. Ansonsten muss ich dich töten“, sagte Carlo. Ramon blickte den unscheinbaren Mann an, er schien es ernst zu meinen. „Du bist ein gefährlicher und intelligenter Mann, Etrusker. Ich bin dir etwas schuldig und werde dir folgen. Wenn alles erledigt ist, können wir noch immer über alles reden“, antwortete Ramon leise. Carlo nickte und deutete zur Zugangstür. Vorsichtig blickten sie in den Gang, nichts deutete auf die Anwesenheit von Wachposten in diesem Bereich hin. Sie kannten den Weg zum Eingang. Langsam und vorsichtig schlichen sie zum Hauseingang, aus dem Zimmer des Kommandanten ertönten verdächtige Geräusche. Dieser schien sich mit einer jungen Frau zu vergnügen. Der Etrusker deutete zum Eingang, Ramon nickte. Plötzlich ging die Türe auf und ein Mann kam herein. Sie fanden in einer dunklen Nische Platz, aber er entdeckte sie. Bevor er Alarm geben konnte, stand Carlo bei ihm und stach zu. Der Wachtposten kam zu keinem Wort, der Etrusker zog den Toten in eine Ecke. Ramon erkannte die Schnelligkeit, mit der dieser mysteriöse Mann handelte. Sie verschwanden nach draußen und blieben vorsichtig. Leider wurden sie von einem Wachtposten entdeckt. Er konnte Alarm schlagen, aber Ramon tötete ihn kurz danach. Die Männer verließen den Schauplatz und liefen durch die Straßen der Stadt. Die Randlage des Gebäudes kam ihnen entgegen. Dazu öffnete sich Tunis teilweise zum Inland hin, es gab nicht überall eine Mauer. Hinter sich hörten sie Schreie und Geräusche, aber vermutlich verdächtigten ihre Verfolger andere Menschen und dachten an einen Überfall. Die Flüchtigen liefen in der Dunkelheit um ihr Leben, beide atmeten schwer, aber sie mussten leise sein. Die Strapazen der letzten Monate wirkten nach. Ramon bewunderte den kleineren Mann, der stetig und unbeirrt seinen Weg in der Dunkelheit fand. An einer Wasserquelle löschten sie ihren Durst, anschließend setzten sie ihre Flucht fort. Im Westen lag das Reich der Hammadiden, die in ständigen Konflikten mit den Ziriden von Ifrikija lebten. Der Etrusker schien das Gebiet zu kennen, denn er wandte sich von der Küste weg in das Landesinnere, während ihre Verfolger sich noch sammeln mussten und erst in diesem Moment den erfolgreichen Fluchtversuch bemerkten. Die beiden Männer nutzten die Dunkelheit und den harten felsigen Untergrund, um ihre Spuren zu verwischen, aber sie kannten die Zähigkeit und Ausdauer der Berber. Sie zogen durch das Innere des Ziridenreiches Richtung Westen. Der Etrusker kannte die Örtlichkeiten und erzählte, dass im Süden nach dem Küstenland das Gebirge begann, der Tellatlas, Teil des Atlasgebirges, dass den gesamten Maghreb durchzog. Nach dem Gebirgsstreifen kam ein Hochland, danach noch einmal ein Teil des Atlasgebirges, anschließend folgte die große Sandwüste. „Wir müssen das Gebiet der Hammadiden erreichen. Unter ihrem Herrscher al-Quaid ibn Buluggin trotzen diese den Herrschern von Ifrikija. Aber es ist ein weiter Fußmarsch. Diese Bastarde werden uns wie Hunde verfolgen. Ich hoffe nicht, dass sie Beduinen zu Hilfe nehmen.“ Ramon hörte bereits von den unruhigen Wüstenstämmen, teilweise stammten sie aus dem arabischen Raum. Sie fanden auf ihrem Weg zum Glück Wasserstellen, da sie sich am Rand des Gebirges hielten, aber der Hunger meldete sich immer stärker. Die Zähigkeit und der Wille der Flüchtenden erwiesen sich als einzige Waffe gegen ihre Verfolger. „Sie werden es im Norden versuchen, bei Bizerta. Aber wir müssen vorsichtig bleiben. Unser Ziel liegt im Westen, die Hafenstadt Beleb el-Anab“, sagte Carlo. Der Mann wirkte ruhig, aber der stundenlange Marsch forderte seinen Tribut. Beide spürten die Nachwirkungen ihrer Gefangenschaft, sie sprachen in den nächsten Tagen fast nicht miteinander. Der Hunger entwickelte eine übermächtige Präsenz, auch die Erschöpfung erwies sich als immer nachhaltiger. Die Schmerzen vergangener Torturen machten sich bemerkbar, die Männer reagierten gereizt. „Ich hoffe, du weißt, was du tust, Etrusker“, sagte Ramon wütend. Dieser drehte sich um, seine Augen verengten sich. „Du kannst gehen, wohin du willst. Ich kann dich aber auch töten“, sagte er ausdrucklos, seine Augen glitzerten gefährlich. Beide verfügten über die arabischen Säbel der Wächter. Doch die Angriffslust verflog, als sie in ihrer Nähe Pferde hörten. Schnell suchten sie ein Versteck auf. Ein Wagen mit einer Familie kam vorbei, plötzlich tauchten dahinter Reiter auf. Es handelte sich um sechs schwerbewaffnete Männer. Sie fragten den Bauern, ob er Fremde gesehen hätte, zwei entlaufene, christliche Sklaven. Die Flüchtigen befanden sich derzeit in der Nähe der Küste, nachdem sie das Hinterland durchquerten. Der einfache Mann transportierte Gemüse und Früchte, ein Junge half ihm dabei. Carlo und Ramon lagen gut versteckt, aber die Reiter beobachteten misstrauisch die Umgebung. „Woher wissen diese Bastarde, wo wir hin wollen?“, fragte der Asturier leise. Carlos Blick erfasste ihn, er schüttelte ärgerlich den Kopf. Tatsächlich blickte einer der Reiter in ihre Richtung. Er konnte sie nicht sehen, aber es sah aus, als ob er Witterung aufnehmen würde. Sie hörten das Gespräch, offensichtlich wurden sie im gesamten Küstenstreifen gesucht. Die Sonne brannte unbarmherzig auf die Flüchtigen, aber sie konnten sich nicht bewegen. Zu ihrem Glück wurde dieser Weg oft benutzt, er führte zur Küste. Die Menschen kamen aus dem Hinterland, um ihre Früchte zu verkaufen. Die Reiter forderten den Bauern auf, aufmerksam zu bleiben, denn die Ungläubigen wären Mörder, dann ritten sie weiter Richtung Küste. Der Mann folgte mit seinem Sohn und den vollbeladenen Wagen, ein Esel zog den Karren. Ramon blickte auf die Früchte, er erkannte Proviantsäcke. Carlo deutete Richtung Westen. Der Asturier schüttelte den Kopf. „Wir müssen essen, Carlo. Der Mann hat Proviant, wir werden ihn fragen.“ Bis jetzt vermieden sie den Kontakt zur Bevölkerung und hofften, ihr Hungergefühl bis zur Küste zu unterdrücken, aber der vollbeladene Wagen verursachte Sehnsüchte und Schmerzen im Bauch. Der Etrusker nickte. „Der nächste Hafen liegt in Tabarca. Vielleicht kommen sie aus Bizerta und suchen in dieser Richtung nicht mehr.“ Ramon blickte ihn an. „Sie brauchen uns nicht zu suchen. Jede Hafenstadt wird kontrolliert, dazu kommen die Patrouillen. Der gelungene Fluchtversuch nagt an ihrem Stolz.“ Carlo blickte ihn lange an. „Die Asturier sind offensichtlich nicht so dumm, wie sie aussehen“, antwortete er grinsend. Ramon deutete mit dem Finger auf ihn und nickte. Dann folgten sie dem Wagen des Bauern in gebührendem Abstand, immer wieder kamen kleine Fuhrwerke oder Menschen auf Eseln entgegen. Der Durst meldete sich, sie stillten diesen an einem kleinen Fluss, der aus dem Gebirge kam. Als die Dunkelheit anbrach, näherten sie sich dem Lager des Bauern und seines Sohnes. Vorsichtig überprüften sie die Umgebung, sie mussten mit ihren Verfolgern rechnen. Diese lagen möglicherweise auf der Lauer. Carlo wandte sich an Ramon. „Sie werden in Tabarca warten. Ich denke, wir können den Mann aufsuchen.“ Vorsichtig näherten sie sich dem kleinen Feuer in der Nacht. Doch auch andere Männer visierten den einfachen Mann an, es handelte sich um örtliche Räuber. Drei finster blickende Männer erwiesen sich als schneller als die Flüchtigen und stürmten das Lager. Die Männer beobachteten die Wegelagerer, die sich am Wagen zu schaffen machten. Sie aßen von den Früchten und verlangten Geld vom Bauern. Dieser stritt ab, etwas zu besitzen außer seinen Produkten, die er am Markt in Tabarca verkaufen wollte. Einer der Männer packte den knapp zehnjährigen Sohn und hielt ihm ein Messer an den Hals. „Bitte, tötet meinen Sohn nicht! Er ist noch jung. Meine Frau ist gestorben, ich muss vier Kinder ernähren, drei warten zu Hause. Ich brauche das Geld aus dem Verkauf!“, rief der verzweifelte Bauer. Das Messer ritzte den Hals des Jungen, der mit erschrockenen Augen auf seinen Peiniger sah, aber kein Wort hervorbrachte. In Carlo und Ramon veränderte sich sofort etwas. Beide verurteilten Angriffe auf Frauen und Kinder. Vor allem der Etrusker wurde in solchen Situationen an seine tote Familie erinnert. Plötzlich lag ein gegenseitiges Einverständnis in den Blicken der Flüchtigen. „Holen wir uns diese Bastarde“, sagte Ramon leise. Sie trennten sich und näherten sich dem Lager von verschiedenen Seiten. Der Bauer lief einstweilen zum Wagen und holte aus einem Sack ein paar Münzen. „Bitte, nehmt mein letztes Geld, aber verschont den Jungen.“ Der Anführer der Wegelagerer lächelte plötzlich und gab dem Mann ein Zeichen, dieser ließ ihn los. Er blickte auf die paar Münzen und schüttelte den Kopf. „Ich habe Lust auf Fleisch“, sagte der Dritte grinsend und näherte sich dem Esel. Der Junge rannte zum Tier, stellte sich davor und hob die Hände. „Bitte, tötet ihn nicht! Er ist mein Freund!“, rief er verzweifelt. „Halt den Mund, du kleine Ratte, und geh mir aus dem Weg. Ansonsten werde ich dich vielleicht töten“, antwortete der hagere Räuber. Plötzlich trat Carlo hinter einem Baum hervor und stellte sich vor dem Jungen. „Du kannst es mit mir versuchen“, sagte er auf Arabisch. Der Räuber wich zuerst zurück, dann griff er mit dem Messer an. Carlo wich dem Angriff mit einer blitzschnellen Bewegung aus, blockte dessen Messerhand und stach selbst mehrmals zu. Röchelnd fiel der Mann auf die Knie und hauchte sein Leben aus. Der Esel wurde unruhig, aber der Junge beruhigte ihn. Carlo wandte sich dem Anführer zu. Dieser drehte sich in diesem Moment zu seinem anderen Mann, aber in dessen Rücken tauchte Ramon auf, der sich ähnlich mitleidlos zeigte wie der Etrusker. Der zweite Räuber fiel ebenfalls zu Boden, der Anführer wollte weglaufen, aber Carlos Messer erwies sich als schneller. Plötzlich ragte dessen Griff aus dem Hals des Räubers. Ungläubig blickte er auf den unscheinbaren Mann, der ihn mit einem Tritt zu Boden beförderte. „Man tötet oder bedroht keine Kinder, du Mistgeburt“, sagte er hart und drehte das Messer im Hals. Der Körper des Mannes zuckte, dann lag er still. Carlo nahm sein Messer und reinigte es, danach steckte er es in den Gürtel. Der Bauer blickte auf die beiden Männer, die ihn vor den Räubern retteten. Sein Sohn stand beim Esel und blickte sie verängstigt an. „Ich grüße euch, meine Herren. Ihr habt uns gerettet, wie kann ich euch danken?“, fragte der Bauer höflich. Er lebte in einer harten Welt und schien mit den Toten kein Mitleid zu haben. Ramon kratzte sich am Kopf. „Wir haben Hunger, mein Freund. Deshalb sind wir eigentlich gekommen. In diesem Fall hat der Zeitpunkt gepasst“, antwortete er lächelnd. Der Mann nickte und winkte seinem Sohn. „Ridha, komm her! Unsere Retter haben Hunger und sind eingeladen“, sagte er laut. Dieser näherte sich ängstlich. „Du brauchst keine Angst mehr zu haben, Junge. Die bösen Männer haben es hinter sich“, sagte der Etrusker ruhig. Er lächelte, als er den Jungen ansah. Scheu erwiderte der Zehnjährige das Lächeln. Anschließend durchsuchten Ramon und Carlo die Toten. Deren Waffen erwiesen sich als brauchbar. Beim Anführer fanden sie einen Beutel mit Münzen. Einer der Toten wies die Größe von Ramon auf. Beide Männer wechselten die Kleidung. Danach brachten sie die Leichen in eine nahegelegene Einbuchtung eines Felsens und legten sie dort ab. Sie versperrten diese mit Sträuchern und Steinen, anschließend kehrten sie zurück. Der Bauer stellte zuvor ein Kochgeschirr auf das Feuer und schnitt verschiedene Früchte und Gemüsesorten hinein, dazu kam getrocknetes Fleisch. „Warum habt ihr die Kleidung der Toten genommen?“, fragte der Junge neugierig. Sein Vater reagierte ungehalten. „Lass die Herren in Ruhe, sie haben uns gerettet.“ Carlo winkte ab. „Es ist in Ordnung, du hast einen guten Sohn“, sagte er zum Bauer, der sich als Tafsut vorstellte. Stolz nickte der Mann. Der Etrusker nahm eines der Messer der Toten aus dem Gürtel und warf es dem Jungen zu. „Es ist ein gutes Messer. Lerne, damit umzugehen, damit du dich verteidigen kannst, Ridha.“ Gekonnt fing es der Junge auf und strahlte plötzlich. Carlo nickte seinem Vater zu, der den Blick dankbar erwiderte. Der Junge lief zum Esel und zeigte ihm stolz sein neuestes Geschenk. „Es ist schön, einen Sohn zu haben“, sagte der Etrusker nachdenklich. Anschließend teilte Tafsut das Essen aus. Ramon aß gierig, der Hunger verursachte Schmerzen. Tafsut fragte nach, ob es auch gut wäre. „Es ist das beste Essen aller Zeiten, mein Freund“, antwortete der Asturier und schob sich den nächsten Holzlöffel hinein, er konnte sein Gier fast nicht bremsen. Carlo schüttelte den Kopf, er aß ruhig und in kleinen Portionen. „Es tut mir leid, aber mein Freund besitzt kein Benehmen, er frisst wie ein Tier“, sagte der Etrusker. Der Bauer winkte ab und holte einige Datteln vom Wagen, dankbar griff Ramon danach. Das Essen wirkte wahre Wunder. Tafsut verfügte auch über einen Saft, den er mit Wasser mischte. Danach saßen die Männer schweigend vor dem Feuer, der Junge spielte mit seinem Messer. Er setzte sich zum Feuer und blickte Ramon und Carlo an. „Ihr seid die beiden Christen, die die Männer gesucht haben“, sagte er in die Stille hinein. Der Asturier hob den Kopf. Carlos Blick fiel auf den Vater, der erschrocken seine Hände hob. „Was redest du für einen Unsinn, Ridha?“, fragte er laut. Ramon wandte sich an Tafsut. „Du hast einen intelligenten Sohn, wie Carlo gesagt hat, ein guter Junge. Aber du musst dich nicht verstellen. Wir reden zwar Arabisch, aber nicht im Dialekt dieser Region, dazu unsere Bewaffnung.“ Tafsut hob die Hände. „Es tut mir leid. Wir werden euch nicht verraten, ihr habt uns gerettet. Das ist ein Versprechen“, sagte er ernst. Carlo nickte zu seinen Worten. „Es ist gut, Tafsut. Wir werden euch nichts tun, denn wir haben nur Männer getötet, die es auch verdienen.“ Ernst blickte der einfache Mann dem Etrusker in die Augen, dann nickte er. „Es ist egal, ob Christ oder Muslim, die Ehrlichkeit und Anständigkeit ist wichtig“, sagte er ruhig. Ramon aß die nächste Dattel. „Du hast ein großartiges Obst. Ich kenne Datteln, aber diese sind vorzüglich, du musst eine gute Lage haben“, sagte er anerkennend. Der Bauer nickte stolz und erzählte von seinem Heimatdorf, dass nicht unweit von hier lag. Als die Sprache auf seine Frau kam, stockte er kurz und blickte auf den Jungen. „Meine Frau ist vor zwei Jahren am Stich eines giftigen Tieres gestorben. Mein ältester Sohn passt derzeit auf seine beiden jüngsten Geschwister auf. Ich werde bald eine neue Frau heiraten, sie hat ihren Mann verloren. Sie ist gut für die Kinder und mich.“ In der nächsten Stunde erwies sich der einfache Mann als redselig, auch der Junge erzählte gerne. Sie fühlten sich sicher im Umfeld ihrer Retter. Aber die Männer zogen sich bald zurück und wählten in der Nähe des Feuers einen verdeckten Schlafplatz. Beide mussten Schlaf nachholen und wechselten sich in der Wache ab. Ramon hielt diese, als der Morgen graute. Tafsut und sein Sohn erwachten ebenfalls. Sie aßen Brot und teilten es mit den Männern. „Wir bedanken uns bei dir“, sagte Carlo und übergab dem Bauern einen kleinen Beutel voller Münzen. Ungläubig blickte der Mann hinein. „So viel kann ich am Markt nicht verdienen, das ist ein ganzer Jahreslohn.“ Er wollte es zurückgeben, aber der Etrusker winkte ab. „Das ist für deine Gastfreundschaft, mein Freund.“ Dankbar nickte Tafsut und zog mit seinem Sohn und der Fuhre weiter Richtung Tabarca. Ridha winkte lange, nachdenklich blickte der Etrusker hinterher. „Ich hoffe, du hast auch für uns ein paar Münzen aufgehoben, guter Mann“, sagte Ramon. Carlo winkte ab. „Natürlich! Wir werden aber nicht dazu kommen, sie auszugeben, denn unsere Verfolger warten auf uns.“ Der Asturier nickte. Gemeinsam folgten sie ihren neuen Freunden Richtung der Hafenstadt Tabarca. Wie viele der Städte an dieser Küste konnte diese auf eine lange Geschichte zurückblicken. Die meisten wurden von den Phöniziern gegründet und waren lange Zeit Teil des Reiches der Karthager, danach folgte das Römische Imperium. Nach dessen Zusammenbruch im Westen eroberten die Vandalen unter Geiserich das Gebiet, die den sich ausbreitenden Arabern unterlagen. Seitdem gab es in diesem Gebiet, dass Maghreb genannt wurde, und von Tripolitanien bis nach Mauretanien reichte, verschiedene muslimische Herrscher. Derzeit regierten die Ziriden, bedrängt von arabischen Beduinenstämmen, die immer mehr ins Land strömten. Die Küste erwies sich als malerisch und mit dem Mittelgebirge im Hintergrund präsentierte sich der Fischerort im strahlenden Licht der Sommersonne. Eine Insel lag davor, auf der sich eine kleine Festung befand. Die beiden Männer blieben bis zum Einbruch der Dunkelheit in sicherer Entfernung, misstrauisch beobachteten sie das Leben im Ort. Sie sahen keine Pferde ihrer Verfolger, offensichtlich ritten diese weiter. Beobachtungsposten vor Ort mussten aber einkalkuliert werden. Sie vereinbarten, die Umgebung des Ortes zu prüfen und sich an der Küste in der Nähe der Insel zu treffen. Ramon wartete bereits, als Carlo auftauchte. Beide bemerkten keine Beobachter. Sie trugen die Kufiya, eine arabische Kopfbedeckung, die sie den Toten abnahmen. Aufgrund der neuen Kleidung wirkten sie wie Einheimische, nur die Größe Ramons wich vom normalen Maß der Berber und Araber ab. Carlo fiel nicht auf unter der Bevölkerung. „Du bist zu groß gewachsen, Asturier, und solltest gebückt gehen.“ Dieser winkte ab. „Mach dir keine Sorgen, alter Mann“, antwortete er grinsend. Mittlerweile gewöhnten sich die beiden unterschiedlichen Männer aneinander, obwohl sie auch einige Ähnlichkeiten aufwiesen. Ihre Art zu leben oder ihr Umgang mit Gefahr, aber allein an der Größe unterschieden sie sich deutlich. Ramon war einen Kopf größer als der Etrusker. Sie trennten sich vor dem Ort und betraten diesen aus verschiedenen Richtungen. Das Ziel stellte der kleine Hafen dar, in dem sich viele kleine Boote befanden. Das Kopftuch verbarg auch ihr Gesicht. Viele Menschen wanderten durch den kleinen Ort, es fanden Feiern statt. Ramon musste einer Gruppe Männer ausweichen, die sich lärmend in seiner Gasse bewegte. Er erkannte einen davon. Dieser befand sich unter den Reitern, die den Bauern befragten. Er setzte sich in eine Nische und hielt den Kopf gesenkt, während die Gruppe vorbeiging. Sie warfen einen kurzen Blick auf den kauernden Mann, beachteten ihn aber nicht weiter. Sein Blick folgte der Gruppe, die sich offensichtlich auf der Suche nach einer Taverne befand. Er erhob sich langsam und streifte am kleinen Hafen entlang, am Ende traf er Carlo. Er berichtete von der Gruppe, die von einem der Männer des Reitertrupps geführt wurde. „Sie wissen nicht, wo wir uns aufhalten, und verstärken die Präsenz. Zu unserem Glück nehmen es die Männer nicht immer ernst mit ihren Pflichten. Aber wir benötigen ein Schiff, dass uns nach Sizilien bringt, auf der Ostseite ist christliches Territorium“, antwortete Carlo leise. In diesem Ort gab es nur die kleinen Boote der örtlichen Fischer im Hafen. „In Bizerta befinden sich wahrscheinlich Schiffe der Römer vor Ort, die uns nach Sizilien bringen. Dort müssen wir hin“, führte der Etrusker aus. „Woher weißt du so viel über dieses Land?“, fragte Ramon. Auch er war belesen und kannte viele Geschichten seiner arabischen Mutter über Geschichte und Geografie der muslimischen Welt, aber der Etrusker verfügte über detaillierte Kenntnisse, wie die örtlichen Bewohner der Region. „Ich musste mich vorbereiten auf die Suche nach Brahim Abu Atif at-Tawil, dazu sind genaue Kenntnisse der Geografie und der Sprache notwendig. Leider habe ich ihn nicht sofort gefunden und sie haben mich erwischt.“ Ramon nickte, plötzlich kam ihm eine Idee. „Es gibt einen großen Stall am Rand des Ortes. Ich gehe davon aus, dass dort Pferde stehen. Wir sollten die Feierlaune unserer Verfolger nutzen und mit ihren Pferden nach Bizerta reiten. Ich hege die Hoffnung, dass du reiten kannst“, sagte er abschließend süffisant. „Ich bin mit Pferden verwachsen, seltsamer Mann, aber die Idee ist gut“, antwortete Carlo. Seit den Mahlzeiten bei Tafsut wirkten die beiden Männer erholt, obwohl ihre Körper noch immer schmerzten. Ihre Intelligenz und das Durchhaltevermögen erwies sich als ihr großer Trumpf in diesem Spiel. Sie umrundeten das Dorf und erreichten den genannten Stall. Der Besitzer schien nicht zu Hause zu sein. Ungehindert drangen sie in den Stall ein, in dem einige Pferde standen. Sie beruhigten die Tiere und legten ihnen Sättel auf, dann führten sie sie nach draußen und vom Stall weg. In der näheren Umgebung angekommen, saßen sie auf und umrundeten das Dorf in einem großen Bogen, anschließend wandten sie sich wieder der Küste zu. Die Männer wollten die Nacht nutzen, um einen Vorsprung herauszuholen. Sie mussten einkalkulieren, dass ihre Verfolger nach dem Diebstahl der Pferde auf die Flüchtigen schlossen und das vermutliche Ziel kannten. Aber diese mussten sich erst finden und darüber nachdenken, in der Zwischenzeit konnten sie bis nach Bizerta gelangen. Sie ritten bis zum Morgengrauen und rasteten danach einige Stunden, um den Pferden Erholung zu geben. An den vielen Wasserquellen löschten sie ihren Durst, es gab auch Dattelplantagen. Sie ritten am späten Nachmittag weiter, immer wieder führten sie die Pferde am Zügel. Da sie sich auf Wegen im Hinterland aufhielten, trafen sie meistens auf Bauern, aber auch Boten, die ihnen im Galopp entgegenkamen. Trotzdem erreichten sie in der Dunkelheit des zweiten Tages unbehelligt die Hafenstadt Bizerta. Sie stellten die Pferde in einem Stall ab und gaben dem Besitzer ein paar Münzen, um die Pferde zu versorgen. Misstrauisch betrachtete der Mann die Fremden, deren Dialekt ihm eigenartig vorkam, aber er lebte von den Einnahmen. Schnell verschwanden sie aus der Umgebung des Stalles und näherten sich der Hafenstadt von einer anderen Richtung. Sie erkannten im Mondlicht einige größere Schiffe. „Die Muslime betreiben regen Handel mit dem Reich der Römer im Osten, die Fatimiden in Kairo bezahlen meines Wissens auch Tribut an dieses Reich. Keiner wird ein Schiff des mächtigen Nachbarn durchsuchen“, sagte Carlo. Sie zogen sich zurück und holten ihren Schlaf nach, am nächsten Tag suchten sie getrennt die Stadt auf. Beide versorgten sich mit Essen und beobachteten das Treiben, manchmal unterhielten sie sich mit Bewohnern. Sie verhielten sich unauffällig. Ramon sah ein paar schöne Frauen, die ihn interessiert anblickten. „Leider habe ich keine Zeit für euch, ihr schönen muslimischen Frauen“, sprach er leise zu sich selbst. In der Menge der Menschen der Hafenstadt fiel keiner von ihnen auf, sie trafen sich am späten Nachmittag außerhalb von Bizerta. „Ridwan ist hier“, sagte Carlo kurz. Ramon riss überrascht die Augen auf. „Ich habe gedacht, er ist bis Ende des Monats im Süden. Das kann gefährlich werden.“ Die Nachricht vom Auftauchen ihres Gefängnisaufsehers beunruhigte den Asturier. „Er verfolgt uns sicher mit der Ausdauer eines Wolfes, die Flucht verletzt seinen Stolz.“ Carlo nickte. „Neben der schlechten Nachricht gibt es eine gute. Ein griechisches Schiff liegt im Hafen, der Kapitän ist Spyridon. Ich habe ihm zweimal gegen andere Männer geholfen, wir haben miteinander gefeiert. Er ist mir etwas schuldig.“ Der Asturier freute sich darüber. Sie kannten aber den Abfahrtszeitpunkt des Schiffes nicht. „Wir müssen schnell handeln. Morgen kann es zu spät sein. Ich habe das Gefühl, dass sich alle Verfolger hier sammeln“, sagte Ramon. Carlo nickte zustimmend. Er beschrieb dem Asturier das Schiff. „Wohin willst du?“, fragte dieser. „Ich kenne den Aufenthaltsort von Spyridon. Er vergnügt sich derzeit sicher mit einer Frau. Ich werde ihn in zwei Stunden in Empfang nehmen, bis dahin musst du unauffällig bleiben.“ Ramon nickte und verschwand. Carlo folgte kurze Zeit später. Während der Etrusker in einer dunklen Nische auf den Kapitän wartete, schlich der Asturier zum Hafen und fand in der Nähe des genannten Schiffes einen geeigneten Platz als Rückzugsort. Die Zeit zog sich langsam dahin. Ramons Instinkte schlugen an. Der dunkle Hafen wurde von gut bewaffneten Männern aufgesucht, die mit ihren Fackeln alle Zugänge zu den Schiffen kontrollierten. Der Asturier fluchte leise und verließ seinen Aufenthaltsort. Er tauchte in das Wasser ab und verbarg sich hinter einem Schiff. Fackelschein zog über ihn hinweg, als er kurz untertauchte. Die Männer suchten alles ab. Er hörte ihre Gespräche und die Stimme Ridwans. Sie fanden die Pferde ihrer Männer im Stall, zudem tauchten einige Verfolger aus Tabarca auf. Wachen wurden aufgestellt, die die ankommenden Seeleute untersuchten. Auch einen kleinen, hageren Mann, der sich über die ungewohnte Behandlung aufregte. „Ich bin Spyridon aus Syrakus und bin hier bekannt. Was soll das?“, rief er laut, aber die Berber interessierte dies nicht. Sie ließen den Kapitän und seine beiden Seeleute bald darauf passieren. Ramons Augen richteten sich auf den Hafen. Das Wasser setzte ihm mittlerweile etwas zu, aber in den Sommermonaten konnte er dies ertragen. Er tauchte unter und schwamm zum Schiff des Griechen. Am vom Hafen abgewandten Ende hielt er sich an. Es handelte sich um eine große Trireme, die für den Handel ausgebaut wurde. Der Mann musste vermögend sein. Er hörte Männer im Rumpf keuchen und husten und erinnerte sich an seine Rudertätigkeit als Sklave auf einem arabischen Schiff. Vorsichtig blickte er auf den Hafen, wo die Wächter unter dem Kommando von Ridwan alles genau kontrollierten. Das Schiff lag am unteren Ende des Hafens, er befand sich vorerst in Sicherheit. Er wusste nicht, wo sich Carlo befand. Irgendwie musste er auf das Schiff kommen, dies erschien risikoreich und würde vielleicht Ridwan alarmieren. Ramon fluchte leise. Plötzlich spürte er eine Bewegung hinter sich. „Hast du mich vermisst, Asturier?“, fragte Carlo süffisant. Der Etrusker tauchte unvermutet in seinem Rücken schwimmend auf. Sie beobachteten das Ufer, wo sich noch immer Männer herumtrieben. Plötzlich öffnete sich seitlich am Bug eine kleine Luke oberhalb ihrer Köpfe. „Ich grüße dich, mein Freund. Sehr feucht in diesen Tagen, meinst du nicht?“, fragte eine flüsternde Stimme süffisant. Es handelte sich um den Kapitän, dieser ließ ein Seil hinunter. Mit letzter Anstrengung gelangten beide vom Wasser in einen Raum, der sich als Rückzugsort des Kapitäns herausstellte. Dieser legte den Finger auf den Mund und führte die Männer in einen angrenzenden kleinen Hohlraum. Dort ließ er sie zurück und verschloss die Tür. „Ich hoffe, er ist ein echter Freund, denn ansonsten ist es aus. Er braucht nur zu Ridwan gehen und dieser holt uns ab“, flüsterte Ramon leise. Sie dösten in dem engen Verlies vor sich hin und erwachten durch Lärm, den einige Männer veranstalteten. Das Schiff wurde durchsucht. Sie hörten den Kapitän rufen. „Ich protestiere, mein Herr, und werde mich beschweren!“ Wahrscheinlich wollte er sie damit auch warnen, sollten sie nicht wach sein. Geräusche erklangen in unmittelbarer Nähe. Männer durchsuchten den Raum des Kapitäns, aber den engen Spalt zwischen Schiffswand und dem dahinterliegenden Raum erkannten sie nicht, da die Tür als solche nicht erkenntlich war und zugestellt wurde. Bald verschwanden die Männer. Ridwan entschuldigte sich beim Kapitän, danach verließ er das Schiff. Carlo erfuhr am Vorabend, dass das Schiff an diesem Tag in den Heimathafen nach Syrakus fuhr. Gespannt warteten sie auf die weiteren Ereignisse, aber es tat sich nichts, außer dass die Seeleute das Schiff abfahrbereit machten. Schließlich fuhren sie los, langsam atmeten die Männer aus. Das große Schiff verließ den Hafen von Bizerta und fuhr in das offene Meer hinaus. Es stellte nicht das einzige dar, das den Hafen verließ. Ridwan blickte den davonfahrenden Schiffen hinterher, ein merkwürdiges Gefühl erfasste ihn. Er erwirkte beim örtlichen Verwaltungsbeamten die Durchsuchung der Schiffe, denn die flüchtigen Mörder mussten das Land verlassen und dieser Hafen bot dazu die passende Gelegenheit. Der Aufseher schien sich sicher zu sein, aber er fand niemand vor. Die gefundenen Pferde, die Männer aus Tabarca, es passte alles zusammen. Doch die beiden Flüchtigen konnten nicht gefunden werden. Einer seiner Männer beobachtete einen Verdächtigen in der Nähe einer Taverne, aber es gab viele Männer in einer Hafenstadt. Dieser verschwand bald und wurde nicht mehr gesehen. Möglicherweise täuschte er sich und die Männer wandten sich auf ihrer Flucht nach Süden, vielleicht nach Mahdia, auch eine Flucht nach Westen zu den Hammadiden erschien möglich. Aber es gab keinen Anhaltspunkt mehr, wo sich die Männer befinden konnten. Beide sprachen Arabisch und konnten in der Menge untertauchen, es handelte sich um sehr gefährliche Männer. Leider konnte er seine Wachtposten nicht mehr bestrafen, sie bezahlten ihr Versagen mit dem Tod. Nur der eingeteilte Wachkommandant musste Einiges erdulden, aber er ließ ihn am Leben. Lange blickte er den davonfahrenden Schiffen hinterher. „Was sollen wir tun, Kommandant?“, fragte einer der Soldaten. Ridwan wandte sich ihm zu. „Wir kehren nach Tunis zurück. Zwei Männer bleiben hier, vielleicht tauchen die Flüchtigen noch auf, aber sie sollen sich zurückhalten. Der örtliche Stadtkommandant ist wütend über die erfolglose Durchsuchung. In vier Tagen sollen sie ebenfalls zurückkehren. Die Warnung vor den beiden Mördern in allen Hafenstädten bleibt aufrecht, vielleicht tauchen sie an anderer Stelle auf“, befahl er mit barschem Ton. Der Mann verneigte sich und erteilte die weiteren Befehle. Noch einmal blickte Ridwan zum Horizont, dann zuckte er resignierend mit den Schultern und wandte sich ab. Bald darauf verließ er Bizerta Richtung Tunis. In der Zwischenzeit segelte das griechische Schiff mit den beiden Flüchtigen Richtung Syrakus.

Der Kapitän beließ die beiden Flüchtigen im Versteck, nur gelegentlich brachte er Essen. Obwohl seine Mannschaft gehorchte, traute er dem Frieden nicht. „Es gibt überall Spione, die Welt ist derzeit in Unordnung, nur unser Reich im Osten ist stabil“, flüsterte der hagere Mann leise, wenn er mit Carlo sprach. Ramon wurde immer mit misstrauischen Blicken bedacht. Die Überfahrt dauerte länger als erwartet, trotz Trinken und Essen wurde die Lage im engen Versteck immer ungemütlicher. „Gegen dieses Loch ist die Gefängniszelle ein Palast gewesen“, flüsterte Ramon zähneknirschend. „Übe dich in Geduld, Asturier. Spyridon verkehrt geschäftlich mit den Berbern und Arabern. Wenn sich herumspricht, dass er zwei Mördern geholfen hat, kann dies fatale Folgen für ihn haben. Wir verlassen dieses Schiff, wie wir es betreten haben, unauffällig, und sind nie an Bord gewesen“, antwortete der Etrusker leise. Obwohl die Geräusche auf dem Schiff aufgrund der Schreie und Befehle aus dem Raum der Ruderer sehr laut waren, vermieden sie lange Gespräche, um nicht aufzufallen. Sie verloren das Zeitgefühl, irgendwann erreichten sie den Hafen von Syrakus. Die Männer vernahmen die Geräusche von außerhalb, die auf Ladetätigkeiten und Vorgänge im Hafen zurückzuführen waren. Langsam wurde es ruhiger, auch im Schiff. Nach Einbruch der Dunkelheit warteten sie auf Spyridon, dieser ließ sich Zeit. „Wo bleibt dieser Mann?“, fragte Ramon leise. Ringsum erklangen typische Geräusche aus einem Hafenviertel, es wurde gesungen und gefeiert, Schreie waren zu hören. Plötzlich öffnete sich die Zugangstür, der hagere Kapitän deutete mit dem Kopf. Er verschloss das Versteck wieder und führte die beiden Männer in seine Kabine. „Wir haben uns nie getroffen, Schattenmann“, sagte der Kapitän leise. Carlo nickte, dann erschien ein Lächeln in seinem Gesicht. „Ich habe bereits gedacht, du lieferst mich den Berbern aus. Es tut mir leid, dass ich dir misstraut habe.“ Der hagere Kapitän zuckte mit den Schultern. „Ich habe daran gedacht, denn du bist der verkommenste Bastard, der unter dieser Sohne wandelt. Aber ich kann diese arroganten Berber noch weniger leiden.“ Der Etrusker nickte zu seinen Worten. „Es ist schön, dass du dich daran erinnerst, dass ich dir zweimal das Leben gerettet habe.“ Spyridon blickte ihn abschätzig an. „Meine Schuld ist getilgt, beim nächsten Mal betrachte ich dich als Handelsware. Und jetzt verschwinde von meinem Schiff und nimm diesen ungewaschenen Bastard mit. Ihr stinkt zum Himmel. Es ist ein Wunder, dass keiner meiner Männer euch bemerkt hat, dieser Geruch kann töten.“ Arrogant deutete der Kapitän auf die bereits offene Luke, durch die sie in seinen Raum einstiegen. Ramons Augen verengten sich, aber er blieb ruhig. Carlo ließ ihn am Seil ins Wasser hinunter. Dieses tat gut nach dem stickigen, engen Versteck. Er verbarg sich im Wasser, die Wächter befanden sich am anderen Ende des Schiffes. Der Etrusker wollte ihm folgen. Spyridon hielt ihn zurück und gab diesem einen Beutel mit Münzen. „Ich bleibe nie etwas schuldig, das widerspricht meiner Ehre. Wenn ihr an Land seid, besorgt euch neue Kleidung und geht in ein Bad. Das ist das Letzte, was ich für dich tun kann. Leb wohl, Schattenmann“, sagte der hagere Kapitän. Carlo nickte langsam, nahm den Beutel und verstaute ihn in seiner Kleidung. Dann seilte er sich ab, das Wasser kühlte angenehm nach den letzten Tagen. Das Seil wurde hochgezogen, die Luke geschlossen. Die beiden Männer nutzten die Dunkelheit und die vielen Schiffe, um am Ende des Hafens unbemerkt das Wasser zu verlassen. Sie