Via Vita I - Joe Valdez - E-Book

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Joe Valdez

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Beschreibung

Die Schwestern Celia und Iulia werden kurz vor der Hochzeit mit einem Franken und einem Römer von sächsischen Piraten entführt. Während Iulia dem verrückten Anführer verfällt, trifft Celia auf den jungen Sachsen Wido. Gemeinsam gelingt die Flucht aus der Siedlung der Piraten. Der fränkische Söldner Marius unterstützt sie auf der Suche nach Celias verschwundenem Vater. Sie finden ihn in einem Verlies eines gallischen Geheimbundes und töten dessen Anführer. Auf der Flucht vor den gallischen Kriegern fliehen sie in Widos Heimat nach Saxonia und finden Aufnahme bei Bele, einer Frau mit vielen Fähigkeiten. Im Land der Sachsen fühlen sie sich sicher, doch ihre Feinde haben anderes im Sinn.

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Kapitel

I. Mai 495 bis September 495

II. September 495 bis März 496

III. März 496 bis September 496

IV. September 496 bis Mai 497

V. Mai 497 bis Mai 498

I. Mai 495 bis September 495

„Celia, komm endlich.“ Der Schrei einer jungen Frau hallte über die Ebenen. Sie saß auf einem Pferd und wirkte ungeduldig. Ihre roten Haare wehten im Wind, der aus dem Norden vom Meer kam. Dort lag der Oceanus Britannicus. Die junge Frau hieß Iulia, die Tochter eines römischen Landbesitzers und Beamten der Stadt Cortoriacum, die weiter im Süden lag. Die Angesprochene ritt langsam näher. Es handelte sich um ihre jüngere Schwester Celia. Stirnrunzelnd beobachtete Iulia das Bild der langsam heranreitenden Celia.

„Du musst schneller reiten, Celia. Ich muss ständig auf dich warten. Wir wollen heute noch ein Stück nordwärts schaffen.

Mit deinem Tempo schaffen wir es nicht einmal von hier bis nach Hause, bevor es dunkel wird“, sagte Iulia vorwurfsvoll.

Celia hielt ihr Pferd an. Die beiden Schwestern waren grundverschieden, im Äußeren wie im Wesen. Iulia erwies sich als wild, sie besaß eine blasse Haut und trug ihre roten Haare gerne offen, obwohl ihre Mutter nichts davon hielt. Sie hielt sich ungern an Regeln, vor allem störten sie die gesellschaftlichen Nachteile einer Frau. Dies sprach sie offen an, ihre Mutter verzweifelte manchmal. Obwohl bereits zwanzig Jahre alt, fand sie bis jetzt keinen geeigneten Ehepartner.

Keiner der Männer aus dem Kreis der gehobenen gallo-römischen Bevölkerungsschicht entsprach ihren Ansprüchen.

Sie wollte frei sein, liebte es zu Reiten und zu Kämpfen. Vater Antonius entstammte einem alten römischen Beamtengeschlecht, auch ihre Mutter Tizia war Römerin. Die Römer waren nicht mehr Herr über diese Gebiete, aber römisches Denken und die Verwaltung funktionierten. Cortoriacum lag in der ehemaligen römischen Provinz Belgica. Diese wurde seit langem von den salischen Franken besiedelt, die vom Rhenus kommend in die ehemalige römische Provinz einwanderten. Zuerst lebten sie als Verbündete und leisteten Kriegsdienste für die römischen Herren. Doch die Zeiten wandelten sich. Die Franken unter ihrem König Chlodwig übernahmen die Macht. In Italia wurde der letzte römische Kaiser vor langen Jahren abgesetzt, danach regierte Odoaker. Dieser musste seine Herrschaft vor zwei Jahren an The- oderich, dem König der Ostgoten, abgeben und wurde von diesem getötet. Der letzte römische Kaiser saß in Byzanz, weit im Osten. Die große Stadt Rom wurde in Italia durch die Residenzstadt Ravenna ersetzt. Der Glanz Roms verblasste, trotzdem funktionierte das römische System noch immer. Die römischen Straßen erwiesen sich als befahrbar, obwohl sich keiner mehr um sie kümmerte, auch die Wasserleitungen blieben zum Großteil intakt. Die neuen germanischen Herrscher annektierten ehemalige römische Provinzen und nutzten die Errungenschaften und das Wissen der Römer. Die Städte standen teilweise unter der Verwaltung römischer Magistrate. Die gallo-römische Bevölkerung wurden von den fränkischen Herrschern nicht ausgebeutet, sondern benutzt, um sich selbst als Erben des Imperium Romanum zu präsentieren. Das Christentum präsentierte sich als die vorherrschende Religion. Der fränkische Herrscher Chlodwig unterhielt gute Beziehungen zu den katholischen Bischöfen, obwohl die Franken nicht konvertierten. Chlodwig besiegte den letzten römischen Machthaber in Gallia, Syagrius, vor knapp zehn Jahren in der Schlacht von Soissons und stellte das letzte römische Gebiet auf dem Gebiet Gallias unter die Herrschaft germanischer Könige. Im Südwesten Gallias regierten die Westgoten, Feinde der Franken.

In Germania und in anderen Gebieten Gallias entstanden die Reiche der Burgunder, der Alemannen, der Thüringer und der Sachsen. Die Franken erwiesen sich als der mächtigste Stamm und Chlodwig als der machtgierigste und brutalste unter den derzeitigen Herrschern. Er kannte keine Gnade mit seinen Gegnern und ließ Syagrius nach dessen Niederlage hinrichten. Der Ostgote Theoderich stand dem nicht viel nach. Dieser tötete seinen Erzfeind Odoaker samt Gefolge nach einer Verständigung auf dem nachfolgenden Festmahl eigenhändig. Die germanischen Herrscher erwiesen sich als nicht zimperlich, dies ließen sie ihren ursprünglichen römischen Herren spüren, aber sie verhielten sich weitsichtig genug, das Wissen der gebildeten Schicht zu nutzen. Deshalb arbeitete Antonius, der Vater von Celia und Iulia, noch immer in der Stadt Cortoriacum als hoher Beamter. Er zeichnete sich durch eine hohe Intelligenz aus und konnte sich mit den neuen fränkischen Herren verständigen. Antonius besaß einige Ländereien, die einen guten Ertrag abwarfen. Er betrieb Fischfang und züchtete Pferde, seine Besitztümer grenzten an das nördliche Meer. Celia und Iulia hatten gute Eltern. In anderen Familien wurden Töchter standesgemäß verheiratet, wobei man in diesen Zeiten die Söhne der neuen Herren in die Auswahl einbeziehen musste. Iulia weigerte sich bis jetzt standhaft, einen Mann zu heiraten, den sie nicht mochte. Antonius konnte seiner wilden Tochter nicht lange böse sein und beruhigte die Familien der heiratswilligen Männer mit Geschenken. Iulia wollte die Welt sehen und Abenteuer erleben, deshalb bestand sie von Kindheit an darauf, das Reiten und Kämpfen wie ein Mann zu erlernen. Da aus der Verbindung zwischen Antonius und Tizia kein Sohn entsprang, stimmte Antonius schlussendlich der Ausbildung zu. Iulia beherrschte die Spatha sehr gut. Bei dieser handelte es sich um ein zweischneidiges, vorwiegend als Hiebwaffe konstruiertes, einhändig geführtes Schwert. Diese gab es in verschiedenen Ausformungen betreffend Länge, Breite und den Griffen. Sie zeigte sich als die vorherrschende Schwertwaffe in diesen Zeiten. Die germanischen Franken verwendeten als Hauptwaffe eine Wurfaxt, die Franziska. Der Stamm der Sachsen verwendete den Sax, ein einschneidiges Schwert. Die Franken nutzten eine kurze Form davon als zusätzliche Bewaffnung. Iulia wurde im Umgang mit Speer und Pfeil und Bogen geschult und erwies sich als sehr geschickt. Celia war vier Jahre jünger und empfand für das Kämpfen und Reiten nicht die gleiche Begeisterung wie ihre Schwester. Die Schwestern blieben als einzige Kinder der ganze Stolz von Antonius und Tizia. Als Celia älter wurde, versuchte Iulia mit allen Mitteln ihre jüngere Schwester zu motivieren, das Interesse am Kampf zu steigern. Diese zeigte sich mehr in sich gekehrt, obwohl sie sehr resolut sein konnte, aber sie erwies sich als die Nachgiebige und tat schlussendlich, was die ältere Schwester wollte. Als Konsequenz musste sie immer wieder üben und mit Iulia ausreiten, obwohl sie lieber zu Hause verbrachte und ihren Leidenschaften, dem Lesen und Schreiben, frönte. Sie las gerne alte Schriften und Bücher und wusste bereits in jungen Jahren sehr viel über die römische Historie. Die „Germania“ des römischen Geschichtsschreibers Tacitus bildete ihr Lieblingswerk. Die wilden, germanischen Völker faszinierten sie, obwohl sie lieber darüber las als Kontakte zu pflegen. Im Gefolge von Antonius standen vorwiegend Gallier, aber auch einige Germanen und einfache Römer. Er besaß etliche Sklaven. Bis vor zwei Jahren fungierte Marius als oberster Aufseher und Anführer der Bediensteten. Nach seinen Angaben stammte er von den Franken, aber der Name war römisch. Marius zeigte sich als Hüne, der als ehemaliger Söldner viel Kriegserfahrung besaß. Antonius lernte ihn auf einer seiner Reisen in das Innere Gallias kennen. Marius befand sich fünf Jahre im Dienst von Antonius und beteiligte sich maßgeblich an der Ausbildung von Iulia und Celia. Doch aus unerfindlichen Gründen verschwand er plötzlich. Es wurde gemunkelt, dass Tizia und er sich nahestanden, aber es handelte sich um Gerüchte. Die Schwestern besuchten eine römische Schule und wurden von ihrer Mutter in alle weiblichen Pflichten eingearbeitet. Beide zeigten sich sehr interessiert und studierten die Aufzeichnungen der Geschäfte ihres Vaters. Iulia wollte an diesem Tag ihrer Schwester einiges sagen, aber sie ließ davon ab. Celias Augen wirkten ernst und sahen direkt in Iulias Augen. Diese kannte den Blick, mit Celia war in diesem Moment nicht zu reden. „Wir reiten schon einige Stunden, Iulia. Es wird langsam Zeit, umzukehren. Mein Hintern tut weh“, sagte sie mit fester Stimme.

Normalerweise gab sie nach, aber wenn der Körper vom Reiten schmerzte, schien eine Grenze erreicht zu sein. Celia war dunkelhaarig mit braunen Augen, sie strahlte eine innere Schönheit aus. Beide Frauen besaßen eine schlanke Figur.

Iulias rote Haare und die grünlichen Augen ließen sie wild erscheinen, ihr Aussehen ähnelte ihrem Wesen. Celia verhielt sich of ruhig und nachdenklich. Trotz ihrer Gegensätzlichkeit verstanden sich die Schwestern sehr gut, gelegentlich stritten sie, wobei Iulia meistens die Oberhand behielt. Sie blieb die dominante Persönlichkeit. Celia mit ihren sechzehn Jahren erhielt bereits zwei Angebote für eine Ehe. Iulia redete ihr Zusagen aus, sie wollte die Schwester nicht verlieren.

Tizia verzweifelte des Öfteren wegen der Starrsinnigkeit ihrer Töchter. Celia zeigte sich bereit, beim zweiten Angebot einer römischen Familie zuzustimmen. Der Kandidat war der zweitälteste Sohn Marcus. Er gefiel ihr, denn der vier Jahre ältere Marcus erwies sich als ein stattlicher junger Mann. Doch sie blieb unschlüssig, sie kannte ihn nur vom Sehen. Schlussendlich blieb Iulia mit ihrer Methode der Beeinflussung erfolgreich. Celia wartete zu lange mit der Zusage. Marcus wurde mit einer fränkischen Adeligen verehelicht. Die römischen Familien versuchten, familiäre Kontakte zu den herrschenden, fränkischen Familien herzustellen Antonius reagierte mit einem Wutausbruch, er betrank sich und schimpfte auf den Frauenhaushalt. Der Mann konnte seinen Frauen nicht lange böse sein, so regelte er die peinliche Angelegenheit auf andere Art und Weise. Doch irgendwann mussten sie eine Ehe eingehen, sie konnten es nicht ewig aufschieben. Iulia sprach davon, fortzugehen und Abenteuer zu erleben. Sie wusste, dass Frauen in diesen Zeiten nicht viele Rechte besaßen. Es gab vereinzelt Kämpferinnen, aber die meisten Frauen führten das traditionelle Leben im Haus und in der Familie. Angeblich lebten die Frauen bei den wilden Stämmen im Osten freier, aber keiner kannte den Wahrheitsgehalt dieser Gerüchte. Zudem genoss Iulia die Annehmlichkeiten ihres privilegierten Daseins, deshalb erwies sich die Sehnsucht nach Abenteuern nicht so groß, dass sie dieses Leben aufgab. Sie wollte einen Mann, der ihr Wohlstand und Freiheit bot, vielleicht einen von den jungen fränkischen Adeligen. Bis jetzt gefiel ihr keiner, deshalb war sie noch nicht vergeben. Sie liebte ihre Schwester und vergönnte ihr das größte Glück, trotzdem beeinflusste sie Celia ständig zu ihren Gunsten. Celia gab zu, dass ihr die bisherigen Antragsteller nicht gefielen, auch Marcus erwies sich schlussendlich nicht als der Auserwählte. Die beiden Schwestern redeten oft über Männer und die Liebe. Celia war unberührt und sehnte sich immer mehr nach einem Mann.

Sie ging davon aus, dass die Situation bei Iulia ähnlich lag, aber ihre ältere Schwester erzählte ihr nicht alles. Iulia sah vom Rücken des Pferdes nach Norden, dort lag das bekannte Meer. Im Sommer hielten sie sich oft am Strand auf. Ansonsten präsentierte sich der Abschnitt als sehr stürmisches Meer mit kalten Winden. Celia sah ihre Schwester lange an. Diese nickte plötzlich. „Kehren wir um. Es ist zwar Frühjahr, aber wir sollten nichts riskieren.“ Iulia konnte sehr überlegt handeln, wenn sie sich Zeit zum Nachdenken gab. Celia nickte erleichtert. Beide wendeten die Pferde und ritten an. Sie wurden begleitet von vier Männern aus dem Gefolge von Antonius, der Anführer hieß Kian. Dieser übernahm vor zwei Jahren den Posten als oberster Aufseher vom verschwundenen Marius. Der dreißigjährige Kian verfügte über eine stattliche Größe mit einer athletischen Statur. Er trug rötliche Haare. Einer der drei anderen Männer hieß Busso, ein junger Mann vom Stamm der Sachsen. Dieser tauchte letztes Jahr auf, niemand wusste, wo er genau herkam. Er erzählte, dass er einer Sippe am Fluss Visurgis entstamme. Sein Haar war blond gefärbt und zu einem Zopf gebunden. Busso wirkte sehr arrogant, wie ein Fürstensohn, und setzte sich unter den Männern durch. Er erwies sich als ein guter Kämpfer, nur Kian und einige ältere Männer schienen ihm gewachsen zu sein. Celia fühlte sich manchmal unbehaglich, wenn Busso sie ansah. Es handelte sich mehr um ein Fixieren. Irgendwie schmeichelte ihr das Interesse, aber er wirkte unheimlich. Sie hörte nichts Gutes von den Sachsen. Diese traten seit langem als Seeräuber auf, die die nördlichen Küstengebiete überfielen. In letzter Zeit blieb es ausnahmsweise ruhig an den Küsten Belgicas. Sächsische Krieger stellten nichts Außergewöhnliches im Land der Franken dar, sie arbeiteten als Söldner. Trotzdem herrschte ein ständiger Streit zwischen den mächtigen Franken und den wilden Sachsen, die Konflikte würden eines Tages unweigerlich zu einem großen Krieg führen. Die Sachsen dienten bereits unter den Römern, ein Teil von ihnen eroberte mit dem verwandten Stamm der Angeln vor langer Zeit die ehemalige römische Provinz Britannia, zumindest einen größeren Teil davon. Kian ritt heran.

„Wir sollten umkehren, Herrin“, sagte er zu Iulia. Diese nickte und sah ihn an. Obwohl er das Wort „Herrin“ verwendete, drückte sein Verhalten nichts Unterwürfiges aus.

Celia sah die beiden an. Kian lächelte, während Iulia ihn provokant anblickte. Manchmal glaubte Celia, dass sich die beiden mochten, aber es wurde ihnen strikt verboten, mit Untergebenen Beziehungen zu beginnen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Iulia sich mit Kian einließ. Diese erzählte zwar ständig von Abenteuern und Freiheit, aber sie kannte ihre Schwester. Iulia liebte das angenehme Leben, dass sie als Tochter eines Gutsbesitzers führte. Irgendwann würde sie einen Mann nehmen, aber nur einen Römer oder fränkischen Adeligen. Die Gallier blieben keltischen Ursprungs, doch in den letzten Jahrhunderten vermischten sie sich mit dem römischen Teil der Bevölkerung, sowohl sprachlich als auch kulturell. Die lateinische Sprache des Imperiums wurde noch verwendet, aber sie befand sich unter dem steigenden Einfluss der germanischen Dialekte. Fast alle Menschen gebrauchten in diesen Zeiten die lateinischen Begriffe für die Städte und die geographischen Gegebenheiten, aber es gab viele Dialekte, die Sprachen mischten und verwandelten sich durch den Alltag der Menschen. „Lass uns Reiten, Kian“, sagte Iulia laut, dann ritt sie los, zwischen den vier wartenden Männern hindurch. Kian schüttelte den Kopf und lachte. Er sah Celia auffordernd an, diese nickte und ritt ebenfalls an.

Sie kam knapp an Busso vorbei, der sie offen musterte. Celia reagierte unsicher, trotzig hob sie ihr Kinn, sie war die Herrin. Mit erhobenem Kopf ritt sie ihrer davoneilenden Schwester hinterher, diesmal in höherem Tempo. Sie wollte von diesem unheimlichen Sachsen weg. Busso blickte ihr nach. Kian wies die beiden anderen Männer an, den beiden jungen Frauen zu folgen. Dann sah er auf Busso. „Ich habe Dir schon öfter befohlen, die jungen Frauen nicht so unverschämt zu betrachten wie ein Stück Fleisch. Sie sind deine Herrinnen und ihr Vater zahlt deinen Lohn.“ Busso blickte ihn an. Obwohl Kian einige Jahre älter und sein Anführer war, sah er diesen offen an. Er zeigte keine Angst vor Kian.

Dann lächelte er, er wirkte unheimlich dabei. Kian kannte die Sachsen, es handelte sich um wilde Krieger. Er kämpfte vor fünf Jahren unter der Führung von Marius mit sächsischen Piraten, schlussendlich wurden diese vertrieben. Marius erwies sich als unüberwindbarer Hüne im Kampf gegen die wilden Krieger, die Sachsen zogen sich mit schweren Verlusten zurück. Doch sie würden wiederkommen. Er stellte Busso vor einem Jahr ein, aber nur wegen Tizia, die sich für den jungen Sachsen einsetzte. Dieser kam aus dem Norden und wirkte halbverhungert. Laut seiner Geschichte flüchtete er von einem Schiff, dass Piraten überfielen, aber Kian glaubte ihm nicht. Dies sprach er offen an, doch Busso reagierte ständig mit einem Schulterzucken. „Wenn du sie angreifst, werde ich dich töten, Sachse. Du bist noch hier, weil Tizia aus mir nicht bekannten Gründen immer für dich eintritt und dich als Leibwächter auserkoren hat.“ Kian vermutete die Gründe. Die fast vierzigjährige Tizia verhielt sich verständnisvoll gegenüber ihrer Familie, aber sie erwies sich als die ältere Version von Iulia, wild und leidenschaftlich.

Antonius war über zehn Jahre älter als seine Frau. Kian kannte die Geheimnisse seiner römischen Herrenfamilie. Er begleitete Antonius oft auf Reisen in das Innere Gallias, dieser vergnügte sich gerne mit jungen Frauen, die gegen Bezahlung ihre Körper anboten. Aber auch die römischen Frauen fanden ihr Vergnügen, deshalb erschienen die Gründe offensichtlich, warum Tizia den jungen Sachsen unbedingt behalten wollte. Er arbeitete als ihr Leibwächter und stellte ihren Favoriten dar. Die Lasterhaftigkeit und Bequemlichkeit der römischen Gesellschaft stellte sich als ein wesentlicher Grund für das Zerbrechen des Imperiums heraus.

Nur in Byzanz existierte noch eine kaiserliche Autorität, dem sich auch die germanischen Herrscher ehemaliger römischer Provinzen im Westen nach außen hin unterwarfen. Sie ließen sich ihre Herrschaftsansprüche gerne vom Kaiser bestätigen.

Die Römer und Römerinnen konnten das Leben genießen, viele germanische Adelige übernahmen gewisse Gepflogenheiten in der Art der Feiern. Kian mochte diese Familie, sie zahlten gut und erwiesen sich als gute Herren. Nach dem Tod seiner jungen Frau vor ein paar Jahren wollte er keine Ehe mehr eingehen. Der Schmerz wirkte nach, sie verstarb während ihrer Schwangerschaft. Er wurde in seinen Gedanken unterbrochen, die beiden Männer ritten nebeneinander.

„Ich glaube nicht, dass du mich töten kannst, Gallier“, sagte Busso hart. Seine Augen besaßen einen wilden Glanz und starrten Kian an. Es stellte eine unverhohlene Drohung und Herausforderung dar. Ständig gerieten die beiden Männer aneinander. Kian glaubte, dass Busso seinen Posten begehrte. „Das werden wir sehen, Sachse“, sagte Kian hart.

„Halte dich von Celia fern!“ Dann erhöhte er das Tempo.

Busso ritt ihm nach. „Wir sollten uns alle von den Töchtern fernhalten“, rief Busso und überholte Kian. Dieser schüttelte den Kopf und blickte nachdenklich hinterher. Die Gruppe kam rechtzeitig vor der Dunkelheit beim Landhaus an. Es handelte sich um eine große Villa, die von einigen Wirtschaftsgebäuden und Ställen umgeben war. Celia und Iulia ließen ihre Pferde stehen, diese wurden von den Männern versorgt. Busso nahm die Zügel von Celias Pferd. „Ich werde es übernehmen, junge Herrin“, sagte er lächelnd. Doch das Lächeln erreichte die Augen nicht, er starrte Celia provokant an. Diese wollte etwas erwidern, aber Kian trieb ihn an.

Busso verschwand, Celia sah ihm nach, auch Iulia bemerkte die Szene Sie legte die Hand auf die Schulter ihrer Schwester.

„Vergiss diesen Wilden, Celia.“ Diese sah Busso nach, dann blickte sie auf Iulia. „Er ist mir unheimlich“, sagte sie leise.

Iulia lächelte. „Diese wilden Männer aus den Wäldern Germanias sind alle unheimlich, das ist ihre Art. Sie wollen angeben und den Frauen zeigen, wie hart sie sind, aber es sind auch nur Männer.“ Celia sah ihre Schwester an. „Du weißt manchmal sehr viel über Männer, obwohl du keinen hast.“

Iulia lachte, wild und laut. Dann zuckte sie mit den Schultern.

„Was soll ich Dir sagen? Ich lese viel und habe eine blühende Fantasie.“ Das Lachen wirkte ansteckend. Die beiden Frauen beraten das Haus. Dort trafen sie ihre Mutter. Tizia trug ihre roten Haare, deren Farbe durch Färben noch stärker hervorkam, hochgesteckt. Sie war eine elegante, schlanke Frau, die auf ihr Äußeres und Bildung Wert legte. Dies vermittelte sie auch ihren Töchtern. Nur mit der Kampfausbildung wirkte sie nicht zufrieden, aber Antonius entschied, die Töchter darin zu unterrichten. Das Interesse ließ aber nach. Iulia übte öfter, immer mit Kian. Celia fand immer weniger Gefallen am ständigen Kämpfen. Sie praktizierte es nur mehr mit ihrer Schwester. „Einen guten Abend, ihr Schönen“, sagte Tizia heiter. Sie befand sich oft in einer guten Stimmung, bewies aber bisweilen Härte, auch gegenüber Sklaven. Celia und Iulia umarmten ihre Mutter. Die Frauen waren unter sich. Der Vater verbrachte einige Tag in Cortoriacum, um seiner Tätigkeit als städtischer Beamter nachzukommen. Tizia wusste, was das hieß. Sie kannte ihren Mann lange. Er erwies sich als sehr gewissenhaft in seinen Geschäften, dies schätzte sie an ihm, sein Vermögen sprach für ihn. Antonius liebte seine Familie über alles, er schätzte seine Frau. Tizia mochte ihren Mann ebenfalls, seine Intelligenz und Umsichtigkeit. Manchmal kamen sie ihren ehelichen Pflichten nach, aber die Regelmäßigkeit sank in den letzten Jahren. Tizia wusste, dass sich Antonius von jungen Frauen holte, was er von ihr nicht mehr bekam. Es störte sie nicht mehr. Sie entwickelte ein eigenes Leben und besuchte Freundinnen. Manchmal ließ sie sich an einen schönen See in der Nähe des Landhauses bringen. Dort stand ein kleines Haus, wo sie sich entspannte.

Dies inkludierte den Besuch junger Männer, die sie verführte. Sie mochte dieses Spiel. Der derzeitige Favorit war der junge Sachse Busso, ein wahres Geschenk, wenn sie an seine körperlichen Vorzüge und seine Wildheit dachte. Aber alles im Leben hatte seine Zeit, diese Regel befolgte sie strikt.

Das Hauptaugenmerk lag in der Unterrichtung und Erziehung ihrer Töchter. Sie wollte beide demnächst verheiraten, die Zeit drängte. Zumindest wollte sie Verträge abschließen, es gab bereits Gespräche mit Antonius und zwei Familien.

Eine adelige, fränkische Familie und eine römische Bürgerfamilie stellten die Vertragspartner dar. Dies wollte sie ihren Töchtern mitteilen. Es gab kein Ausweichen mehr, die Familie musste Kontakte herstellen mit führenden Familien der Region. Celia und Iulia konnten sich glücklich schätzen, bei den Auserwählten handelte es sich um junge Männer. Diesmal wollte Tizia nicht nachgeben, dies teilte sie Antonius mit.

Die Frauen aßen zusammen. Sie blickte auf ihre beiden Töchter. „Ich muss etwas mit euch besprechen, meine Hübschen“, sagte Tizia langsam. Die beiden Angesprochenen sahen sich an, sie ahnten das Thema. „Mit wem willst du uns diesmal verheiraten, Mutter?“ Iulia lächelte süffisant. Tizia kannte diese Art, ihre ältere Tochter präsentierte sich als ihr Ebenbild, im Wesen und im Äußeren. Celia wirkte zurückhaltend, das Thema verunsicherte sie. Sie wollte einen Mann heiraten, den sie liebte, aber sie wusste, dass das in den meisten Fällen nicht vorkam. Trotzdem hielten die Ehen lange.

„Ich habe Kontakte zu zwei angesehenen Familien geknüpft.

Beide sind interessiert, die Kontakte zu vertiefen, dies beinhaltet eine Heirat.“ Celia sah ihre Mutter an, diese wirkte diesmal sehr entschlossen, sie kannte sie gut. Wenn sie sich in diesem Zustand befand, gab es nicht mehr viel zu diskutieren. Resignierend hob sie die Schultern, irgendwann musste sie heiraten, dies war ihre Bestimmung. Ganz anders reagierte Iulia. Sie hob die Augenbrauen, sah ihrer Mutter in die Augen und sagte:“ Vielleicht will ich nicht heiraten, Mutter. Es stellt sich die Frage, was du dann machst?“ In Tizias Augen stand ein gefährlicher Glanz, als sie ihre Tochter anblickte. „Du bist die älteste Tochter. Die meisten Frauen sind in deinem Alter schon länger verheiratet, haben Kinder und führen ihren eigenen Haushalt. Ich habe lange zugesehen, wie du deinen Vater an der Nase herumgeführt hast. Du hast auch Celia negativ beeinflusst. Es ist Schluss damit!“ Die letzten Worte sprach sie hart und laut. Iulia zuckte zurück, aber sie gab nicht auf. Trotzig hob sie das Kinn und blickte ihre Mutter angriffslustig an. Diese wollte lächeln, ihr gefiel das Verhalten. Iulia konnte sich durchsetzen, bei Celia machte sie sich Sorgen. Diese würde einen anständigen Mann benötigen. Trotzdem wollte sie hart bleiben. „Wer sind deine Auserwählten, mit denen wir uns ein Leben lang quälen müssen?“ Iulias Frage erzürnte Tizia, diese verhielt sich respektlos, sie blieb aber nach außen hin ruhig. „Ich habe mit der Familie des Franken Gundolf gesprochen. Sie gehören zu den mächtigen Familien der ansässigen Franken und besitzen einiges Land an der Scaldis. Ein Zusammenschluss beider Ländereien würde den Franken mehr Land bringen und unserer Familie eine bessere Stellung in der Region.“ Iulia sah sie an. „Wir sind Römer und reich. Wer sind diese Franken, dass wir sie hofieren müssen?“ Iulias Zorn kam hoch. Sie spürte, dass ihr bisheriges freies Leben als Tochter wohlhabender Eltern zu Ende ging, das machte sie wütend. Sie sprang auf, stampfte mit dem Fuß auf. „Setz dich nieder, Tochter, ansonsten lasse ich dich einsperren, bis du zur Vernunft kommst!“ Tizia war ebenfalls aufgesprungen und schrie ihre Tochter an. Diese kam ob der aggressiven Haltung ihrer Mutter wieder zu sich. Mit verbissenem Gesicht setzte sie sich. Celia beobachtete die Unterhaltung, sie fühlte sich sehr unbehaglich. Sie benötigte eine Atmosphäre des Wohlfühlens, um sich sicher zu fühlen. Die beiden anderen Frauen konnten sich in allen Situationen behaupten, beherrschten die Spiele der aufgesetzten Höflichkeit und der Intrige genauso wie eine direkte Konfrontation. Sie stellten starke Persönlichkeiten dar. Tizia atmete aus, sie beruhigte sich schnell, und wandte sich an Iulia. „Gisbert, der jüngste Sohn von Gundolf, ist zwei Jahre älter als du. Er ist ein stämmiger, junger Mann, strotzt vor Kraft und wäre der ideale Mann für dich.“ Iulia sah sie an, die beiden Frauen setzten ihre verbale Konfrontation fort. Celias Anwesenheit erschien nicht störend. Sie wollte gehen, aber sie wusste, dass ihre Mutter darüber sehr erzürnt wäre. Das wollte sie nicht riskieren, sie liebte ihre Mutter, obwohl sie manchmal ihre Arroganz missbilligte. Sie verstand nicht, warum jemand andere Menschen arrogant behandelte. Einmal zwang sie ihre Mutter, bei der Bestrafung eines Sklaven anwesend zu sein, der Mann wurde des Diebstahls bezichtigt. Er wurde ausgepeitscht. Sie erinnerte sich an das Blut und die Schreie des Mannes, die anderen Sklaven standen daneben und mussten die Qual mitansehen. Beim Diebstahl handelte es sich um ein Stück Brot, das der Mann zusätzlich an sich nahm, um seinen Hunger zu stillen. Antonius und Tizia behandelten ihre Sklaven sehr streng, sie handelten in der Tradition ihrer römischen Vorfahren. Doch die Zeiten änderten sich. Die Franken stellten die herrschende Macht dar. An der Spitze stand ihr König, dann kam der Adel, die Herzöge und Grafen. Die fränkische Bevölkerung bestand aus Freien, Halbfreien und Sklaven. Die meisten Römer zogen nach dem Einfall der Franken weg, aber einige blieben. Viele der Geflohenen schlossen sich Syagrius an, doch die letzte römische Herrschaft in Gallia brach unter dem Druck der Franken zusammen. Diese bedienten sich der römischen Verwaltung und der Beamten, gestalteten die Hierarchien aber komplett neu.

Die Römer wanderten von der Oberschicht in die mittlere und untere Schicht der ansässigen Bevölkerung. Die Familie des Antonius verzichtete auf eine Flucht. Dies nutzte sie zu ihrem Vorteil und eignete sich große Ländereien an. Doch die Zeit der großen römischen Besitztümer schien vorbei zu sein. Antonius stellte den größten römischen Landbesitzer in der umliegenden Region dar, einige fränkische Familien blickten mit Neid und Missgunst auf seine Besitztümer. Deshalb erschien es an der Zeit, sich Verbündete unter den Franken zu suchen, sie bildeten die Oberschicht. Celias Gedanken wurden unterbrochen, als Iulias Stimme erklang. „Ich kenne diesen Gisbert. Der Mann wirkt strohdumm, mit dem kannst du dich über Pferde und Waffen unterhalten. Es kann nicht dein Ernst sein, Mutter. Er besitzt keine Bildung und ist einfach ekelhaft. Wenn ich nur an diese gebundenen Schuhe denke, die wickeln sich Felle um die Füße.“ Iulia geriet in Rage. Celia fand dies amüsant, aber sie zeigte es nicht.

Derzeit war nicht zu spaßen mit ihrer Schwester. Tizia ließ ihre Tochter austoben. Diese setzte sich wieder auf ihren Platz. Sie wurde still. Die Aussicht mit einem Franken verheiratet zu werden, erschien nicht als das Schlimmste in diesen Zeiten, aber diese Familie gehörte nicht zur elitären Schicht der Franken in Gallia. Doch die Hochzeit einer Römerin mit einem Sohn des hohen fränkischen Adels schien in diesen Zeiten unerreichbar zu sein. In dieser Schicht blieben sie unter sich. Der hohe Adel prolongierte die jahrhundertelange Arroganz der Römer und wurde ebenso vom Machtgefühl ihrer herrschenden Stellung durchdrungen wie ihre Vorgänger. Der Sieger gab die Strukturen vor und bestimmte, welchen Platz eine Person einnahm. Doch die Familie des Gundolf erwies sich als mächtig genug, um ein gutes Leben zu führen. Sie benötigten das Wissen der gallorömischen Bevölkerung. Eine Heirat mit dieser Familie brachte der Familie des Antonius Sicherheit, dies wussten die Töchter. Iulia erinnerte sich an Gisbert. Er war nicht so groß wie andere Franken, aber stämmig, vielleicht zu stämmig, man konnte es auch als leicht dicklich bezeichnen. Der Gedanke, mit diesem Mann ins Bett zu gehen, ließ sie erzittern. Tizia sprach weiter. „Meine geliebte Iulia. Du bist eine sehr intelligente und selbstbewusste Frau. Setze deinen Verstand und deine körperlichen Reize ein, um diesen Mann für dich zu gewinnen. Wenn du Einfluss auf ihn besitzt, kannst du bestimmen, wie sich alles entwickelt. Er ist vielleicht der Zugang zum hohen Adel, diese schätzen gebildete Frauen.“ Sie beendete ihre kurze Ermunterung. Iulia sah sie an, ihre Mutter lächelte arrogant. Tizia wusste, dass die Römer nicht mehr die Oberschicht bildeten, aber sie hielt sich für besser als die Obersten der herrschenden Franken. Sie schien überzeugt zu sein, dass sie aufgrund ihrer Bildung einen wesentlichen Vorteil besaß. „Der Mann versteht vielleicht nicht, was ich will. Aber möglicherweise liegst du richtig, Mutter“, antwortete Iulia. Sie wurde nachdenklich, einen Mann konnte man loswerden. Das passierte meistens durch andere Männer. Sie hielt sich für sehr intelligent und wusste sich der Männer zu bedienen. Ihre Mutter würde sich nicht umstimmen lassen, deshalb wollte sie das Beste aus der Situation machen. Iulia musste darüber nachdenken. „Möglicherweise gefällt es Dir. Der stämmige Franke bereitet Dir vielleicht große Freude“, sagte Tizia mit gehobenen Augenbrauen.

Celia wusste, was sie meinte und errötete leicht. Iulia sah ihre Mutter an und stand auf. „Ja, möglicherweise bringt mich dieser stämmige, ungewaschene Franke zu ungeahnten Freuden.“ Dann lachte sie plötzlich, auch Tizia lachte. Alle dachten, dass damit alles besprochen war, auch Celia stand auf.

„Wo willst du hin, Celia? Auch für dich habe ich eine Heirat arrangiert“, sagte Tizia und deutete den beiden Schwestern, sich zu setzen. Neugier erfasste die Schwestern, vor allem natürlich Celia. „Ein guter römischer Bekannter hat bei deinem Vater angefragt, auch hier geht es um den jüngsten Sohn. Du kennst vielleicht Iulius, es geht um seinen Sohn Lucius. Dieser arbeitet in der Verwaltung der Stadt.“ Iulia sah Celia an, plötzlich lachte sie. „Diesen dürren Mann, da ist mir der stämmige Franke lieber.“ Celia sah ihre Mutter erschrocken an. Lucius war einige Jahre älter als sie, aber alles andere als ein Krieger und sein Vater kein Gutsbesitzer. Sie würde in der Stadt wohnen und ihre geliebte Umgebung verlassen müssen. Dann dachte sie an Marcus, dessen Angebot aufgrund ihrer Unschlüssigkeit verstrich. Der Einfluss ihrer Schwester erwies sich zurückblickend als schädlich. Sie traf Lucius vor längerer Zeit während eines Besuches bei seinen Eltern. Er war belesen, aber langweilig, sein Haar zeigte sich bereits in jungen Jahren als sehr schütter. Sie richtete den Blick auf ihre Schwester. „Ich hätte Marcus nehmen sollen“, sagte sie mit ernstem Ton. Iulia hob die Schultern und blickte entschuldigend. „Fängst Du jetzt an wie deine Schwester?

Du wirst Lucius heiraten, damit die römischen Familien sich weiterhin verbinden. Hast du mich verstanden, junge Dame?“, rief Tizia mit barscher Stimme. Celia erschrak ob des Tons und versank in sich. „Natürlich, Mutter“, sagte sie leise, während sich ihre Augen mit Tränen füllten. Als sie sich nicht mehr zurückhalten konnte, sprang sie auf und lief aus dem Raum. Tizia rief ihr nach, aber sie verschwand schnell. „Gut gemacht, Mutter. Du hast tatsächlich den langweiligsten, hässlichsten Römer gefunden, der in der näheren Umgebung zu finden ist. Celia ist sensibel, dass hättest du einfühlsamer machen können“, sagte Iulia vorwurfsvoll. Tizia wusste, dass der Fehler bei ihr lag, aber die vorherige Diskussion mit Iulia strapazierte ihre Geduld. „Lucius mag langweilig sein, aber er ist nett und belesen. Celia liest gern“, sagte sie entschuldigend. Iulia schüttelte den Kopf. „Das kann es doch nicht sein. Der Mann weiß vermutlich nicht, wie er Kinder zeugen soll. Eine gewisse Freude sollte eine Frau in ihrem Leben haben, das solltest du am besten wissen, Mutter.“ Tizia sah sie an, ihre Augen bekamen wieder einen gefährlichen Glanz, aber Iulia hielt den Blick stand. Trotzig und provokant saß sie Tizia gegenüber. „Übertreibe es nicht, meine Schöne, ansonsten werfe ich dich aus dem Haus, bevor du heiratest“, sagte Tizia gefährlich leise. „Vielleicht laufe ich weg, gemeinsam mit Celia, dann kannst du deine Heiratspläne vergessen, Mutter!“, rief Iulia. Sie stand auf und ging weg. Tizia blickte hinterher. „Bleib stehen und lass mich nicht so zurück, du respektloses Miststück“, schrie Tizia und sprang auf. Plötzlich drehte sich Iulia um, sie lächelte. „Mach Dir keine Sorgen, Mutter. Ich nehme diesen dämlichen Franken, vielleicht macht er mir tatsächlich Freude. Ich gewöhne mich langsam an den Gedanken, vielleicht bringt er mich an den Hof Chlodwigs.“ Sie wollte bereits gehen und eine verdutzte Tizia zurücklassen, als sie sich noch einmal umdrehte.

„Du solltest mit Celia reden, das hat sie sich verdient, Mutter.“ Dann ging sie weg. Tizia hörte sie lachen. „Ein Beamter, dazu ein hässlicher.“ Iulias Stimme drang zu Tizia. Diese hörte ihre ältere Tochter lachen. Sie besaß gute Seiten, vor allem die Verbindung zu ihrer kleinen Schwester erwies sich als stark, aber sie blieb ein egoistischer Mensch, der den eigenen Vorteil über alles stellte. Tizia lächelte, sie stellte tatsächlich ihr Ebenbild dar. Iulia würde erfolgreich sein. Sie erinnerte sich an Celia und folgte ihr. Celia lag auf dem Bett.

Sie weinte nicht. Tizia setzte sich an das Bett und strich Celia über den Kopf. Sie fühlte sich schuldig. Ihre jüngere Tochter besaß ein sehr gefühlsbetontes Wesen und stellte den Liebling von allen in der Familie dar. „Es tut mir leid, mein Schatz. Ich habe mich umgehört und zugewartet, aber dein Vater ist an mich herangetreten. Er schätzt Iulius, den Vater von Lucius, und hält viel von den Fähigkeiten von Lucius.

Dieser mag zwar langweilig sein, aber er ist intelligent und gebildet. Möglicherweise bist du es, die mehr aus ihm herausholt. Schönheit vergeht, manche Männer wirken erst mit zunehmendem Alter männlicher.“ Sie strich über den Rücken von Celia. Diese hob den Kopf, dann setzte sie sich auf.

Tizia umarmte sie und gab ihren einen Kuss auf den Kopf, der an ihrer Schulter weilte. „Ich werde ihn heiraten, Mutter.

Möglicherweise ist er interessanter, wenn man ihn näher kennenlernt.“ Tizia hob den Kopf, sie dachte an den jungen Lucius mit den schütteren Haaren. Auch ihr Mann Antonius besaß schütteres Haar, aber er verhielt sich nicht langweilig.

Ein aktiver Mann, der Chancen im Leben nutzte und mit dem sie ein zufriedenes Leben führte, in jeder Hinsicht. Lucius stellte einen Befehlsempfänger dar und das würde er bleiben, aber vielleicht würde ein Wunder geschehen. Die Frauen erhoben sich. Celia blickte auf ihre Mutter, nichts erinnerte mehr an das Geschehene. „Ich weiß, dass du selbst von Lucius nicht viel hältst, auch Iulia und sicher auch Vater nicht. Vielleicht ist er aber ein besserer Mann wie alle, die du kennst. Wir werden sehen, möglicherweise habe ich das bessere Los gezogen“, sagte Celia bestimmt. Sie zeigte sich komplett verwandelt, irgendetwas geschah in den Minuten, in denen sie allein darüber nachdachte. Tizia nickte und war froh über die Wandlung. Celia erwies sich manchmal als sehr stur, aber diesmal wirkte sie entschlossen, als ob sie über einen Plan verfügte. Vielleicht unterschätzte sie ihre jüngere Tochter und Lucius, ihren zukünftigen Ehemann, aber sie irrte sich selten in der Einschätzung von Menschen. Schlussendlich war sie froh über die Einsicht ihrer Töchter. Antonius würde sich freuen, obwohl die beiden Hochzeiten einiges Geld kosteten, vor allem die Hochzeit mit dem Franken, dazu kam der Verlust von Ländereien. Celia und Lucius würden ebenfalls ein Stück Land erhalten, aber in der Nähe von Cortoriacum. Mutter und Tochter umarmten einander, trotz aller Diskussionen standen sie sich sehr nahe. Tizia verschwand und Celia blieb allein im Raum. Sie dachte an Lucius, doch in diesem Moment verspürte sie keine Emotionen, diesen Mann musste sie erst kennenlernen. Ein anderes Bild drängte sich in ihre Gedankenwelt. Der Sachse Busso, der sie ständig provokant fixierte, den sie als unheimlich empfand. Trotzdem mochte sie sein Interesse, er wirkte animalisch und wild und verfügte über einen muskulösen Körper. Er faszinierte sie. Sie wusste, dass sie mit diesem gefährlichen Sachsen nie körperlich verkehren würde, aber sein Bild regte ihre Fantasie und Lust an. Celia versuchte, das Bild von Lucius in ihre Gedanken zu bringen, doch es gelang nicht. Es würde eine schwere Aufgabe werden, einen Mann nach ihren Wünschen zu formen, denn sie wollte als Frau auch geliebt werden. Sie las gerne, aber sie wollte auch das reale Leben auskosten, mit einem Mann. Dann drängte sich wieder Busso in ihre Gedanken. Sie dachte plötzlich an einen strammen Sklaven. Wenn ihr Mann außer Lesen nichts im Sinn hatte, würde vielleicht ein strammer Sklave helfen. Celia kicherte ob ihrer Gedanken. Sie blieb eine gehorsame, brave Tochter und ein nachgiebiger Mensch, aber Gedanken waren frei und sie verfügte über eine große Fantasie, wenn es um Männer ging. Doch sie würde es nicht wagen, tatsächlich mit einem anderen Mann als dem Ehemann das Bett zu teilen. Zu viele Konsequenzen gab es bei Ehebruch der Frauen.

Die Männer konnten eigentlich machen, was sie wollten, aber die Frauen besaßen nicht dieselben Rechte. Vor allem die Kirche predigte das keusche Verhalten der Frauen. Celia war sich nicht sicher, ob sich die Bischöfe selbst an ihre Worte hielten. Sie hörte von den Gerüchten über ihre Mutter. Diese sollte sich mit jungen Männern vergnügen. Dies erfuhr sie, als sie Gespräche einiger Bediensteten belauschte.

Sie glaubte nicht daran und wollte es noch immer nicht glauben. Doch der Prozess des Erwachsenwerdens schritt voran und sie kannte ihre Mutter. Diese wusste, was sie wollte und ihr Vater war oft abwesend. Er arbeitete viel. Trotzdem verdrängte sie diese Gedanken, auch bei Iulia, denn diese ließ sich gerne auf verbale Konfrontationen mit Männern ein. Sie wirkte erfahren, obwohl sie das nicht sein sollte. In ihren Gedanken versunken, schlief sie bald ein. Am nächsten Tag kam Antonius nach Hause. Seine Frau unterrichtete ihn von den Gesprächen mit ihren Töchtern. Er wirkte erleichtert, denn er kannte die nutzbringenden Vorteile der Eheschließungen. Vor allem die Franken machten Druck. Es gefiel ihnen nicht, dass ein Römer ein großes Vermögen besaß.

Seine Familie brauchte Schutz einer fränkischen Verwandtschaft, deshalb erwies sich vor allem diese Verbindung als sehr wichtig. Iulia würde sich in der fränkischen Gesellschaft durchsetzen, sie ähnelte im Wesen seiner Frau. Celia bekam einen braven Beamten, er passte zu ihr. Das Ereignis wurde gefeiert. Antonius feierte gerne, diesmal mit seiner Frau, seine Töchter zogen sich bald zurück. Die Feier endete mit körperlicher Liebe im Bett, nach der beide verschwitzt und erschöpft nebeneinander lagen. Tizia küsste ihren Mann, er führte sie zu einem langen nicht erlebten Glücksgefühl. Antonius trug zwar schütteres Haar, aber er besaß einen strammen Körper. Er ritt viel und übte ständig mit Waffen, dies hielt ihn in einem guten körperlichen Zustand. Sie drängte sich an ihn. „Ich danke Dir, dass du alles vereinbart hast.

Deshalb liebe ich dich, schöne Tizia, deshalb habe ich dich immer geliebt. Deine Intelligenz, deine Redekunst und dein begnadeter Körper sprechen für dich, meine Liebe.“ Tizia küsste ihn auf die Wange. Natürlich liebst du mich, aber auch junge Frauen, die ständig wechseln, dachte sie bei sich. Aber Antonius erwies sich als ein besonderer Mann, sehr intelligent und durchsetzungsfreudig. In früheren Jahrhunderten, als die Welt von den römischen Legionen beherrscht wurde, wäre er möglicherweise Statthalter einer Provinz oder vielleicht Senator in Rom geworden. Doch die römische Herrschaft in diesem Teil der bekannten Welt endete, sie mussten sich mit den fränkischen Herrschern arrangieren, um einen Rest der von ihnen geschätzten römischen Welt zu retten.

„Celia ist zuerst unglücklich gewesen, aber sie hat sich rasch erfangen. Sie hat richtig entschlossen gewirkt, unsere Kleine“, sagte Tizia. Antonius nickte. „Vielleicht macht sie aus Lucius einen richtigen Mann, unsere Celia.“ Dann lachten beide und schüttelten den Kopf. Tizia stand auf und holte Wein. Beide tranken langsam. „Ich hoffe, unsere Iulia schafft es, über ihren eigenen Schatten zu springen und diesen Franken dahin zu bringen, dass wir langfristig Sicherheit haben“, sagte Antonius. Er sah seine Frau an. Diese nickte.

„Darüber mache ich mir die wenigsten Sorgen. Iulia ist stark, sie setzt sich überall durch.“ Antonius wiegte den Kopf hin und her. „Diese Franken mögen teilweise nicht sehr gebildet sein, aber sie sind verschlagen und brutal, wenn es um ihre Interessen geht. Nicht umsonst wird der ursprüngliche Name mit „Die Mutigen“ übersetzt, das sind sie. Deshalb sind sie gefürchtet. Diesem Gundolf ist nicht zu trauen, vielleicht will er uns nach der Hochzeit töten oder einige Jahre später. Dann wird unser gesamter Besitz seiner Familie zufallen.“ Tizia hob die Schultern. „Wir können nur das veranlassen, was in unserem Bereich liegt und auf unsere höhere Intelligenz setzen. Sie können ihren einfachen Leben in den tiefen Wäldern, aus denen sie kommen, noch nicht entfliehen, diese wilden Franken. Deshalb brauchen sie uns. Mit der Eheschließung von Iulia haben wir verwandtschaftliche Beziehungen zu einer Familie, die nach meiner Einschätzung in der Hierarchie aufsteigen wird.“ Antonius nickte zu ihren Worten, in der Einschätzung der Lage sprachen seine Frau und er oft die gleiche Sprache. Das verband sie seit ihrer Hochzeit vor über dreiundzwanzig Jahren. Tizia war damals siebzehn Jahre alt gewesen und wunderschön, Antonius neun Jahre älter. Er stellte ihren ersten Mann dar und blieb es lange. Sie führten viele Jahre eine leidenschaftliche Ehe, aber in den letzten Jahren kühlte die intime Beziehung ab.

Beide kannten die Gründe. Antonius machte sich nichts vor, seine Gattin kannte seine Vorliebe für junge Gallierinnen. Sie wusste davon und sprach nicht darüber. Tizia erwies sich stets als eine entschlossene, starke Frau, gemeinsam vergrößerten sie den Besitz der Familie. Zuerst musste er den Besitz mit seinem älteren Bruder teilen. Er erinnerte sich, er beklagte sich oft über seinen Bruder, der den größten Anteil am Besitz erhielt, während er meistens als Beamter arbeitete.

Tizia nahm die Sache mit seinem Wissen in die Hand. Der Bruder und dessen Familie wurden Opfer eines Überfalls sächsischer Söldner. Die Bezahlung der Sachsen übernahm Tizia. Seine Eltern verstarben zwei Jahre später, beide litten an derselben Krankheit. Diese konnte auf das Gift zurückgeführt werden, das Tizia besorgte. Sie ließ ihn nie im Unklaren über die Vorgänge und weihte ihn anschließend ein.

Jedes Mal verhielt er sich überrascht und außer sich, aber die Beziehung vertiefte sich dadurch. „Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen“, nannte Tizia dies. Er erinnerte sich über die Intensität der körperlichen Liebe, nachdem sie die Nachricht vom Tod des Bruders erhielten. Als seine Eltern verstarben und er vom Gift erfuhr, ergriff ihn ein Wutanfall. „Ich bin der Nächste auf deinem Weg.“ Damals wollte er sie schlagen, doch Tizia sah ihn an und sagte:“ Du weißt genau, dass ich ohne dich alles verlieren werde.

Deswegen solltest du dich wieder einkriegen, mein Lieber.

Wir sind auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen.“

Danach senkte er seine erhobenen Hände, riss sie an sich und sie liebten sich wie zwei Verrückte. Seit diesen Zeiten gab es keine Toten mehr in der Familie, sie führten eine gute Ehe. Antonius gewährte seiner Frau die Liebschaften. Doch seine Töchter ließ er zu lange selbst entscheiden. Wieder griff Tizia ein und arrangierte die Ehen. Kein Vergleich zu früheren Handlungen, aber notwendige Maßnahmen. Beide ergänzten sich sehr gut und würden zusammenbleiben, was auch immer passierte. Frauen übten auf ihre Weise oft einen starken Einfluss auf ihre Männer aus. Es kursierten Gerüchte, dass der fränkische König Chlodwig damit spekulierte, sein Volk zum christlichen Glauben zu bekehren und sich taufen zu lassen. Vor zwei Jahren heiratete dieser die burgundische Prinzessin Chrodechild, die ihn drängte, der katholischen, römischen Reichskirche beizutreten. Dies würde den Franken auf eine Stufe mit den vorherigen römischen Cäsaren stellen, wenn die Kirche ihn anerkannte und krönte. Die Franken erwiesen sich als sehr lernfähig. Ein gefährliches Volk, dass aus verschiedensten Stämmen, die am Rhenus und in Toxandria lebten, vor langer Zeit entstand.

Sie würden auf lange Zeit die beherrschende Macht im Norden Gallias sein, vielleicht auch in anderen Gebieten. Der Mut ihrer Krieger eilte ihnen voraus, zudem setzten sie für ihren erfolgreichen Vormarsch im Norden Gallias ehemalige römische Soldaten ein, die sich ihnen anschlossen. Jetzt nutzten sie das Wissen der gallorömischen Bevölkerung, ohne darauf zu vergessen, diesen spüren zu lassen, wer die wahren Herrscher waren. „Iulia wird ihren Weg machen, den Franken kleinkriegen und auf ihre kleine Schwester aufpassen. Zudem sind wir noch da, diese Franken zurechtzubiegen“, sagte Tizia. Sie stand vor ihrem Mann. Er saß auf dem Bett. „Natürlich schafft sie das, weil sie das gleiche Miststück ist wie ihre Mutter“, antwortete Antonius. Tizia lachte hell auf. Der Umhang, der ihren Körper umhüllte, fiel zu Boden.

Nackt stand sie vor ihm. Sie war schön und besaß einen großartigen Körper. Er zog sie an sich, sie setzte sich auf ihn und das Liebesspiel begann von Neuem. Lange und intensiv genossen sie die körperliche Nähe, bis sie sich erlösten und entspannt auf dem Bett einschliefen. Dieses Feuer der Leidenschaft hielt nicht lange an, bereits am nächsten Tag gingen beide ihren alltäglichen Pflichten nach. Antonius wollte für die Eheschließungen seiner Töchter die Verträge mit den Familienoberhäuptern Iulius und Gundolf abschließen. Mit seinem römischen Landsmann stellte dies eine formelle Angelegenheit dar. Dieser freute sich, dass sein Sohn eine vermögende Frau bekam. Mit den Franken erwies sich die Angelegenheit als viel komplizierter. Antonius verspürte immer ein ungutes Gefühl, wenn er zu Gundolf kam. Dieser war in seinem Alter, aber um Einiges größer. Das ergraute Haar konnte nicht über seine körperliche Robustheit hinwegtäuschen. Es wurde vereinbart, dass die Ehe nach dem germanischen Recht einer Muntehe vollzogen wurde. Schlussendlich schlossen sie einen rechtsgültigen Vertrag, mit dem gleichzeitig die Verlobung zwischen Gisbert und Iulia ausgesprochen wurde. Antonius verlor ein Drittel seines Besitzes, innerlich zähneknirschend stimmte er dem Vertrag zu, der von Gundolf diktiert wurde. Es handelte sich um keinen fairen Vertrag, der auf Augenhöhe und mit Respekt geschlossen wurde. Gundolf bildete als kleinadeliger Franke einen Teil der herrschenden Oberschicht. Die Römer wurden geduldet, wegen ihres Wissens und ihrer Erfahrung in der Verwaltung von Städten und Ländern. Römische Landbesitzer, vor allem mit derartigen großen Ländereien wie Antonius, wurden argwöhnisch betrachtet. Am Ende der Gespräche zeigte sich Gundolf um einige Ländereien reicher, dazu erhielt er Pferde und einen Anteil am Fischfang an der Küste.

Gundolf wollte den Vertrag feiern, aber Antonius gab vor, etwas Dringendes erledigen zu wollen. Er wollte nach der Demütigung durch Gundolf dessen Haus so schnell als möglich verlassen. Dieser lächelte, der Römer war ihm egal. Mit dem Vertrag erwarb seine Familie einen Rechtsanspruch, der auf römische Vorbesitzer zurückführte, kein Raub und keine widerrechtliche Aneignung. Dies war unter den Franken wichtig, da es möglicherweise andere gab, die den Landbesitz von Gundolf in Frage stellen würden. Zufriedenheit erfüllte ihn und er wollte ebenfalls, dass der Römer sein Haus verließ. Trotzdem wollte er seine Macht demonstrieren, bevor dieser ging. „Willst du meine Einladung ausschlagen, werter Antonius?“, sprach Gundolf in gutem Latein. Seine Stimme besaß einen höhnischen Klang, seine Krieger lächelten grimmig. Die Römer erfreuten sich keiner großen Beliebtheit unter den Germanen. Doch Gundolf entschied, sich nachhaltig Gebiete zu sichern. Der bindende Vertrag erwies sich als zukunftsweisend. Er verzichtete auf Landraub. „Die Hochzeit meiner zweiten Tochter ist zu planen. Deshalb muss ich dringend weg, die Wege sind lang“, antwortete Antonius.

Gundolf lächelte. Er wusste, dass dies nicht stimmte, denn er ließ Antonius überwachen. Trotzdem akzeptierte er die Aussage, es war ihm egal. Antonius verneigte sich, drehte sich um und wollte gehen. Die Stimme Gundolfs erklang von Neuem. „Du weißt, dass deine Tochter rein sein muss bei der Eheschließung.“ Antonius drehte sich um, Zorn ergriff ihn. Einige Krieger nahmen eine bedrohliche Haltung ein, als sie seinen Blick sahen. „Was willst du damit sagen, Franke?“ Antonius Stimme klang fest, der Stolz des Römers kam hoch. Er ging auf Gundolf zu, dieser wirkte von der Reaktion überrascht. Die Römer erwiesen sich normalerweise als unterwürfig, sie verhielten sich wie Kaufleute. Die beiden Männer blickten sich in die Augen. „Ich lasse meine Tochter nicht beleidigen, du kannst den Vertrag wieder zerreißen. Wenn du mein Land willst, musst du es Dir eben mit deinen Kriegern holen, Franke. Möglicherweise sind andere fränkische Familien daran interessiert.“ Laut hallte die Stimme von Antonius durch den Saal. Gundolfs Zorn erwachte. Seine Krieger wirkten angespannt, keiner belächelte den Römer mehr. Der Franke sah auf seine Frau Botilde, diese stellte das beruhigende Element dar. Sie blickte ihn eindringlich an, denn sie sprachen darüber, dass die anderen Franken den Vertrag anerkennen würden. Beim Landraub galt das Recht des Stärkeren. Gundolf sah einen stolzen Mann vor sich, Antonius zeigte eine andere Seite seiner Persönlichkeit. Gundolf beruhigte sich und hob die Hand zum Zeichen der Entspannung. „Ich entschuldige mich. Römerinnen gelten bei uns als lasterhaft, aber deine Tochter gehört sicher nicht dazu. Der Vertrag bleibt aufrecht.“ Nach seinen Worten trafen sich die Blicke der beiden Männer. Antonius hielt dem harten Blick Gundolfs stand. Dieser sah keine andere Möglichkeit, Tizia und er besprachen alles genau. Der Vertrag erschien als die beste Möglichkeit, um seine Familie vor Übergriffen der Franken zu schützen. Dies wusste auch Gundolf. „So soll es sein, werter Gundolf, wie wir es vereinbart haben“, sagte Antonius, verneigte sich und verschwand nach einer schnellen Drehung aus dem Haus. Gundolf erhob sich nach ein paar Minuten und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Ich kann diese arroganten, römischen Bastarde nicht leiden. Die glauben noch immer, dass sie uns überlegen sind.“ Seine wilde Stimme durchdrang den Raum, die Krieger verhielten sich zurückhaltend. Seine Frau Botilde legte ihren Arm auf seine Schulter. „Wenn wir geduldig sind und auf den richtigen Zeitpunkt warten, wird uns alles gehören.“

Ihre Stimme wirkte beruhigend auf den aufgebrachten Gundolf. Dieser schätzte seine Ehegattin. Sie gebar ihm drei Söhne, sie stellten eine aufstrebende Familie dar. Der Vertrag mit dem Römer würde ihnen Einkommen und Vermögen rechtmäßig sichern. Das Ziel lag in der vollständigen Übernahme des gesamten Besitzes von Antonius. Die Eheschließung von Iulia mit Gisbert kam als erster Schritt, im Anschluss sollte die restliche Familie beseitigt werden. Damit wäre Gisbert der Erbe des Vermögens von Antonius. Doch die Franken blieben vorsichtig. Ein Landraub mit offensichtlichen Morden an der Familie würde Unruhe unter der gallorömischen Bevölkerung verursachen. Sein König Chlodwig galt als brutal, aber er wollte sich der Unterstützung der breiten Masse, nicht nur der Franken, sicher sein.

Zudem sollte es ein Regelwerk geben, das von allen eingehalten werden sollte. Nur eine gesetzliche Grundlage sicherte die Herrschaft der Franken nachhaltig. Derzeit arbeiteten die Berater des Königs daran, auf Basis der bisherigen römischen Gesetze und den alten Stammesgesetzen eine vernünftige gesetzliche Regelung zu finden, in der klare Verhaltensregeln definiert wurden. Die Franken erkannten die Notwendigkeit und Wichtigkeit solcher Gesetze. Deshalb neigten sie zur Vorsicht, eine Unruhe unter der ortsansässigen Bevölkerung erschien kontraproduktiv. Wenn es nicht funktionierte, konnten sie immer noch Gewalt anwenden. In ihren Gebieten gab es keinen ernstzunehmenden Gegner, aber die wilden Sachsen unterstützten vielleicht eine Widerstandsbewegung. Gundolf blickte auf seinen anwesenden Sohn Gisbert.

„Nun, mein Sohn, hoffen wir, dass sie rein ist, deine Römerin.“ Der stämmige Gisbert lächelte. Er wurde unterschätzt, war etwas kleiner als seine älteren Brüder, aber er erbte die Verschlagenheit und Grobheit seines Vaters. „Sie ist eine Schönheit und wild. Ich werde sie zähmen. Aber es gibt Gerüchte unter ihren Bediensteten, dass sie ihre Wildheit bereits mit anderen Männern ausgelebt hat.“ Gundolf und Botilde sahen ihn an. Gisbert fuhr fort. „Vielleicht sollten wir es überprüfen. Ich kenne jemanden, der einen Vertrauten der Familie kennt.“ Seine Eltern nickten. Gundolf mochte seinen jüngsten Sohn, er würde aufsteigen mit der richtigen Frau an seiner Seite. „Was machen wir, wenn die Gerüchte stimmen?“, fragte Botilde. Gisbert hob die Schultern. Er überlegte, dann lachte er plötzlich. „Da es einen rechtsgültigen Vertrag mit Verlobung gibt, wäre dies Treuebruch. Ich würde sie und den Mann töten, der sie bestiegen hat.“ Gundolf lachte. Botilde runzelte die Stirn. „Es wäre rechtlich problematisch, deshalb hoffe ich, dass diese Iulia rein ist.“

Gisbert legte den Arm um die Schultern seiner Mutter. Innerhalb der Familie existierte eine starke Bindung. „Ich würde die Hochzeit einfordern, aber mit der zweiten Tochter. Diese ist jünger, hübscher und sicher rein.“ Botilde wies auf die Hochzeit von Celia mit Lucius hin. Gisbert lachte.

„Du denkst zu kompliziert, Mutter. Dieser römische Verwaltungsbeamte wird auf seine Hochzeit freiwillig verzichten, dessen bin ich mir sicher, ansonsten …“ Er brach ab und deutete mit seinem Daumen einen Schnitt über die Kehle an.

Gundolf lachte. „Das ist mein Sohn, das gefällt mir. Man muss immer mehrere Möglichkeiten haben, damit man sein Ziel erreicht.“ Er schlug seinem stämmigen Sohn auf die Schulter. Dieser spürte es kaum, obwohl sein Vater noch sehr kräftig wirkte. Gisbert wollte alles in die Wege leiten. In der Zwischenzeit entfernte sich Antonius mit seinen beiden Begleitern vom Haus Gundolfs. Kian ritt an seiner Seite.

Dieser erwies sich seit längerem als Vertrauter. „Ich mag diesen Franken nicht, er ist verschlagen und falsch. Aber wir brauchen seine Familie und ihn zur Sicherung unserer Interessen und dem Schutz unseres Lebens.“ Kian nickte zu Antonius Worten. „Nach der Hochzeit müssen wir vorsichtig sein. Wenn Iulia bei den Franken ist, besteht Gefahr für Celia und die restliche Familie.“ Antonius blickte ihn an. Kian erwies sich als ein verlässlicher und vertrauenswürdiger Mann und guter Kämpfer, der loyal zu seiner Familie stand. „Wir werden aufpassen, die Sicherheitsvorkehrungen verstärken und die Familie von Lucius warnen. Römer und Gallier müssen zusammenstehen gegen die Eroberer. So leicht lassen wir uns nicht töten.“ Kian sah es ähnlich wie Antonius. Innerhalb der gallorömischen Bevölkerung, einer jahrhundertelangen Gemeinschaft, existierten Verbindungen, um sich vor Repressalien und Gewalt der herrschenden Franken zu schützen. Der kleine Trupp erhöhte sein Tempo, Antonius präsentierte sich als guter Reiter. Er besaß ebenso Talente im Kampf. Kian zeigte sich immer wieder beeindruckt von den Fähigkeiten seines Herrn. Antonius stellte für Gundolf einen schwierigen Gegner dar. Zu Hause angekommen wartete bereits Tizia auf ihn, er ließ Iulia rufen. Celia erschien ebenfalls.

Er berichtete vom Vertrag und dem Termin der Hochzeit im Monat Iuli. Iulia hörte mit stoischer Miene zu. „Ich weiß, dass diese Ehe notwendig ist, um uns zu schützen. Aber es widerstrebt mir innerlich, diesen Wilden zu ehelichen. Diese Franken glauben, dass sie sich mit den Römern vergleichen können.“ Die Eltern nickten zu ihren Worten, aber die Zeiten änderten sich. „Vielleicht ist er nicht so schlimm und wir verstehen uns alle gut“, sagte Celia. Die anderen drei blickten einander an. Antonius ergriff das Wort. „Ich liebe dich, mein Schatz, aber du musst langsam aus deiner Naivität aufwachen. Diese fränkische Familie bedient sich uns, um Landbesitz und regelmäßiges Einkommen gegen andere Franken zu sichern. Iulia ist unsere vorläufige Sicherheit, aber das wird nicht ewig währen. Diese Franken wollen alles von uns und dabei sind Morde eine willkommene Variante, um die restliche Familie zu beseitigen.“ Seine Stimme klang härter, als er ansonsten mit Celia sprach. Sie war romantisch veranlagt, glaubte an die Liebe zwischen Frau und Mann. Celia errötete ob des Tons ihres Vaters und zuckte leicht zurück.

Iulia schüttelte den Kopf, auch Tizia sah ihre jüngere Tochter vorwurfsvoll an. „Du musst erwachsen werden, Celia.

Deine Schwester opfert sich für uns, damit wir zumindest eine Zeitlang Schutz haben vor der Gier der Franken. Die einzige Möglichkeit ist, dass Iulia rechtzeitig einen Zugang zur Oberschicht der Franken bekommt, um Verbindungen herzustellen, die uns tatsächlich langfristig schützen. Deshalb höre jetzt zu und vergiss deine Träumereien.“ Tizias Stimme klang bestimmt. Sie wollten Celia nicht mehr vor der Realität in Schutz nehmen, diese musste lernen, mit den Gegebenheiten umzugehen. Celia glaubte zu viel an das Gute im Menschen. Deshalb wurde in den nächsten Stunden darüber gesprochen, wie sich die Familie gegen die Willkür der Franken schützen konnte. Am Ende wussten alle, was sie in den nächsten Jahren erwartete. Sie wollten kämpfen, um ihrer Familie das Leben in dieser Umgebung zu sichern. Celia erschrak, als sie erfuhr, dass sie möglicherweise ein Opfer eines fränkischen Attentäters darstellte. „Alles klar, auch bei Dir, Celia?“, fragte Antonius am Ende. Celia nickte, sie konnte nichts sagen, die Neuigkeiten erschwerten ihr bisheriges, harmonisches Leben erheblich. „Vorerst wird nichts passieren, sie werden zuwarten, aber nach der Eheschließung von Iulia und Gisbert erhöhen wir die Sicherheitsvorkehrungen. Es reitet keiner mehr in kleinen Gruppen aus. Vielleicht schafft es Iulia, ihren Mann zu überzeugen, uns in Ruhe zu lassen und sich mehr auf seine Brüder und Eltern zu konzentrieren. Du solltest dein Bestes geben, Liebes“, sprach Antonius seine ältere Tochter an. Diese nickte und lächelte.

„Dieser wilde Franke wird mir aus der Hand fressen wie eine Kuh“, sagte sie laut. Antonius lächelte, Iulia zeigte sich als starke Persönlichkeit. Danach trennte sich die Familie, Tizia und Iulia blieben sitzen. „Die Franken legen Wert auf Jungfräulichkeit, meine Tochter. Die Hochzeitsnacht findet vor Zeugen statt, sie wollen dein Blut nach dem Akt auf den Laken sehen“, sagte Tizia ruhig. Sie wusste, dass Iulia ihre Jungfräulichkeit nicht mehr besaß. Diese opferte sie bereits vor vier Jahren. Iulia erwies sich als zu wild und leidenschaftlich, um das Leben nicht zu genießen. Sie verstand nicht, warum die Männer vor der Ehe Geschlechtsverkehr haben durften und F rauen nicht. Aber sie lebten in einer Gesellschaft, die von Männern dominiert und für die Bedürfnisse von Männern ausgerichtet war. Tizia ließ ihre Tochter zwar nicht überwachen, aber sie machte sich nichts vor. Iulia stellte ihr Ebenbild dar, auch sie genoss die Freuden der Liebe. Doch sie arrangierte sich mit ihrem Ehemann, für Iulia konnte es gefährlich werden, wenn die Franken erfuhren, dass sie keine Jungfrau darstellte. Iulia verzichtete auf eine Lügengeschichte gegenüber ihrer Mutter. „Ich habe bereits vorgesorgt und ein kleines, unscheinbares Gefäß besorgt, in dem ich Blut von mir aufbewahre. Wenn dieser Franke seinen Akt vollzieht, dann ist sein Gehirn abgelenkt, das ist bei Männern so. Es werden Blutstropfen zu sehen sein, das schaffe ich.

Ich will selbst leben, Mutter.“ Tizia schüttelte den Kopf und umarmte ihre Tochter. Stolz erfüllte sie über die Intelligenz ihrer Tochter. „Du bist wie ich. Ich rate Dir aber, deine Liebesabenteuer einzustellen und sich auf diesen Gisbert zu konzentrieren. Die Franken werden dich überwachen, denen ist nicht zu trauen, sie sind verschlagen.“ Iulia lachte wild.

„Diese Franken werden mich nicht unterkriegen. Ich hoffe, er schafft es überhaupt, seinen Akt vor Zeugen zu vollziehen, dieser dämliche Gisbert.“ Die beiden Frauen lachten.

Sie wirkten entschlossen, ihrer zukünftigen Verwandtschaft mit allen verfügbaren Mitteln und Talenten gegenüberzutreten. Es handelte sich um keine ungefährlichen Gegner, mit denen sich die Familie des Gundolf anlegte. In den nächsten Wochen erfolgten die Vorbereitungen für die Hochzeit von Iulia und Gisbert, die Hochzeit von Celia und Lucius fand einen Monat später statt. Es herrschte Langeweile. Celia blieb oft zu Hause. Iulia ritt öfter aus, gemeinsam mit einigen Begleitern. Sie saß abseits der Männer an den Stränden, die ihren Vater gehörten und bald im Besitz ihres neuen Mannes standen. Sie fühlte sich stark, aber die Vorstellung diesen Mann zu heiraten, erschütterte sie innerlich mehr, als sie zeigte. Wenn sie auf den Horizont blickte, stellte sie sich vor, einfach zu verschwinden, wegzugehen aus diesem Leben.

Nach der Hochzeitsnacht würde sie ein Leben führen, dass nur mehr aus Haushaltsführung und Kindern bestand.

Manchmal überkam sie ein Gefühl der Freiheit, dass ihr die Enge ihres zukünftigen Lebens veranschaulichte. Sie weinte, die Tränen rannen über das Gesicht, aber sie fing sich wieder. Dann erwachte die Kämpferin, sie erbte die Talente ihrer Mutter und war bereit zu töten, um sich durchzusetzen.

Iulia wusste, wie sie Männer beeinflussen konnte. Sie benötigte Vertraute in der Familie ihres Mannes und wollte rücksichtslos ihre Vorteile nutzen. Dies hatte sie sich geschworen. Sie konnte nicht weggehen, ihre Familie würde leiden, wenn sie verschwand. Dies stellte nur einen Grund dar. Der wichtigste Grund lag darin, dass sie nicht wusste, wohin und zu wem sie gehen sollte. Die Franken lebten überall, daneben gab es die Sachsen und Alemannen. Die germanischen Stämme machten sich breit auf den ehemaligen Boden des römischen Imperiums. Das einzige, erstrebenswerte Ziel stellte Byzanz dar, dort regierten römische Kaiser. Rom verlor seine hohe Wertigkeit, in Italia bildete Ravenna die Residenzstadt. Italia wurde von den Ostgoten beherrscht, ebenfalls ein wilder germanischer Stamm. Byzanz erschien zu weit weg, sie gab sich keinen Illusionen hin. Zudem würde sie ein gutes Leben als Frau eines fränkischen Kleinadeligen führen.

Wenn sie das Vertrauen der Franken besaß, wollte sie diese mit Intrigen und Maßnahmen gegeneinander ausspielen.

Vorher musste sie aber deren Welt kennenlernen, dabei erschien Vorsicht geboten bei ihrer zukünftigen Schwiegermutter Botilde. Diese stellte nach ihres Vaters Meinung eine wichtige und beratende Kraft in der Familie von Gundolf dar. Sie musste sich daher vor allem auf diese Frau konzentrieren. Iulia wusste nichts davon, dass ihre Mutter Tizia entscheidend bei der Erbfolge ihrer Familie eingriff und sich der römischen Restfamilie entledigte. Doch sie war bereit, alles einzusetzen, damit sie am Ende als Gewinnerin stand, egal wie lange es dauerte. Als sie daran dachte, spürte sie ein Kribbeln. Sie liebte das Risiko, es gab ihrem Leben einen Sinn.