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Marcus Valerius wächst als Kind eines Römers und einer Keltin mit germanischen Wurzeln gemeinsam mit seiner Schwester am Fluss Danuvius auf. Der Mord an seinem Vater zwingt die Familie, ihre Heimat zu verlassen. Marcus wird von seiner Mutter und Schwester getrennt und muss nach einer Blutrache flüchten. Er begibt sich auf eine Reise, die ihn über Aquileia, den Ufern des Mare Nostrum an die Grenzen des Imperiums an den Fluss Rhenus führt. Nach einer Zwangsrekrutierung marschiert er als Teil der Legionen des Varus Richtung Osten, um die rebellischen Germanen zu befrieden. In den unendlichen Wäldern kommt es zur Schlacht und einer schicksalshaften Begegnung.
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Seitenzahl: 570
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I.
15. v. Chr. bis 3. n. Chr.
II.
3. bis 6. n. Chr.
III.
6. bis 8. n.Chr.
IV.
9. n. Chr.
V.
10. bis 13. n. Chr.
VI.
14. bis 16. n. Chr.
VII.
17. bis 18. n. Chr.
Ein sonniger Tag im Mai brach an. Nach der später folgenden Zeitrechnung war es das Jahr 15 vor Christus. Occhius Valerius lag auf seinem Lager. Er überlegte und grübelte. Sein Abschied aus der römischen Armee stand im nächsten Jahr bevor. Fünfundzwanzig Jahre betrug die Dienstzeit eines römischen Soldaten, er hatte es fast geschafft. Die Armee war sein Leben gewesen. Bereits im Alter von fünfzehn Jahren war er eingetreten und absolvierte sämtliche Stationen eines römischen Legionärs vom Probatus bis zu seinem jetzigen Dienstgrad. Er war Centurio und befehligte achtzig Mann.
Seine Soldaten waren gut trainierte Männer, die sich in vielen Schlachten bewährt hatten. Seine Centurie war Teil der dritten Kohorte der Legio XV Apollinaris. Eine Kohorte bestand aus sechs Centurien, eine Legion aus zehn Kohorten. Dies waren die regulären Truppen der römischen Armee, die Soldaten stammten aus dem römischen Mutterland. Dazu kamen Unterstützungstruppen unterworfener Völker, die Auxiliartruppen, die ungefähr über die gleiche Anzahl an Soldaten wie die Legion verfügten. Momentan war die Hauptmacht der Legion in Emona, nur die Kohorte von Occhius befand sich zur Sicherung der römischen Interessen im kleinen Militärstützpunkt an der Gabelung der Flüsse Danuvius und Anisus. Die keltische Festung Lauriakon lag in der Nähe der kleinen Garnison. Occhius war nicht sicher, ob der große Fluss Danuvius die Grenze der römischen Expansion darstellte. Er kannte die Geschichten der großen römischen Führer Julius Cäsar und Octavianus, deshalb glaubte er nicht an das Ende der römischen Eroberungsfeldzüge. Die römischen Legionen hatten in ihrer Geschichte bis jeden Krieg gewonnen. Es wurden Schlachten verloren, aber nie ein Krieg. Sein letzter Feldherr war Drusus, der gemeinsam mit seinem Stiefbruder Tiberius im letzten und heurigen Jahr das keltische Königreich Noricum dem römischen Reich einverleibte. Obwohl die keltischen Stämme (Alaunen, Ambidraven, Ambilinen, Ambisonten, Laianken, Noriker, Saevalen, Uperaken, Taurisker) des Königreichs, das sich über den gesamten Alpenraum erstreckte, bereits seit langem mit den Römern kooperierten, wurde das Gebiet dem römischen Reich hinzugefügt. Da dies erst vor kurzem passierte, befand sich die römische Verwaltung erst im Aufbau, Straßen mussten befestigt werden. Um dies abzusichern, waren entlang des Danuvius mehrere Militärstützpunkte errichtet worden. Diese zogen sich bis zum Gebiet der Boier im nördlichen Illyricum. Da die Kelten keine Gefahr mehr darstellten, war es vor allem die Bedrohung der Germanen aus dem Norden, die die Römer fürchteten. Immer wieder überquerten Horden wilder Krieger den Danuvius, um Ansiedlungen und Gehöfte zu überfallen. Occhius keltischer Dolmetscher berichtete, dass es diese Überfälle seit langem gab. Der Dolmetscher glaubte nicht, dass die Römer dieses Problem lösen konnten. Occhius, als geborener Römer, war überzeugt davon, dass römische Soldaten jede Situation in den Griff bekamen. Sein Geburtsort lag in der Nähe von Aquileia, dem Ausgangspunkt der römischen Expansion nach Illyricum. Er war als Kind eines ehemaligen Soldaten von seinem Vater hart erzogen und oft geschlagen worden. An seine Mutter erinnerte er sich gerne. Sie weinte bei seinem Abschied, als er zur Armee ging. Leider waren Heimatbesuche innerhalb der römischen Armee nicht erlaubt. Diese befand sich ständig auf Eroberungsfeldzügen. Occhius gelang es trotzdem, nach Hause zu gelangen. Sein damaliger Vorgesetzter erlaubte es, weil Occhius dessen Leben in einer Schlacht rettete. Leider war er zu spät gekommen, beide Eltern waren verstorben. Der Tod des gewalt-tätigen Vater ging nicht sehr nahe, aber der Tod seiner Mutter war sehr schmerzhaft gewesen. Seine Geschwister hatte er nie mehr gesehen. Er wusste nicht, wo sie sich aufhielten. In der römischen Legion erkannte er, dass sein Vater mit seinen harten Erziehungsmethoden nicht immer im Unrecht gewesen war. Römische Soldaten waren raue Männer, die zusätzlich zum Kriegshandwerk viele Arbeiten erledigen mussten. In der römischen Armee gab es kein Erbarmen, man musste sich durchsetzen. Zudem besaß Rom viele Feinde.
Keines der angrenzenden Völker wollte sich den Römern freiwillig anschließen. Die überlegene Militärtaktik, die harte Ausbildung und das disziplinierte Auftreten der römischen Soldaten waren die Gründe der Triumphe. Oft verfügten die Feinde über eine größere Anzahl von Kriegern, aber diese scheiterten trotz dieses Vorteils. Die Römer bezeichneten ihre Gegner nicht als Soldaten. Nach siegreichen Schlachten spotteten sie gerne über die führungslosen Ansammlungen von Einzelkämpfern, die disziplinlos agierten und an der Stärke der römischen Legionen zerbrachen. Trotzdem waren die Nerven vor einer Schlacht sehr angespannt. Es starben viele römische Soldaten in den Schlachten. Vor allem die Kelten oder Gallier, wie Cäsar sie nannte, waren über Jahrhunderte gefürchtete Gegner. Cäsar löste die Keltenfrage mit dem Sieg über den gallischen Führer Vercingetorix in der Entscheidungsschlacht bei Alesia trotz vierfacher Unterlegenheit. Die Unterwerfung der freien, keltischen Stämme war eine Folge dieser Schlacht. Vor dem Feldzug in Noricum verbrachte Occhius lange Jahre in Hispania. Er diente unter Octavianus, anschließend unter Marcus Vipsanius Aggripa, dem großen Feldherrn des derzeitigen Princeps. In Hispania gab es einen mehrjährigen Krieg gegen die Kantabrer und Asturer. Die römischen Legionen blieben in dieser Auseinandersetzung siegreich und wateten im Blut ihrer Feinde. Die Feldherrn erlaubten den Soldaten, die Städte und Dörfer besiegter Völker zu plündern. Wehr-hafte Völker und Städte wurden gnadenlos bestraft, auch Frauen und Kinder fielen den Schwertern der Soldaten zum Opfer. Occhius stellte keine Ausnahme dar. Römischen Soldaten und Bürgern erging es bei einer Niederlage ähnlich. Diese Zeit kannte keine Gnade, es galt das Gesetz „Vae Victis – Wehe dem Besiegten“. Hispania wäre ein schönes Land gewesen. Octavianus siedelte einige verdiente Legionäre in Hispania an. Auch Occhius erhielt dieses Angebot, aber er wollte die Kameraden in der Armee nicht im Stich lassen. Die Legion war seine Familie. Damals war er nicht bereit gewesen für einen Abschied. Der Feldzug in Noricum gestaltete sich einfach.
Das Gebiet wurde dem römischen Reich ohne Widerstände einverleibt. Seit der Beendigung des Feldzugs verblieb seine Kohorte in diesem Stützpunkt, um den ansässigen keltischen Bewohnern und den germanischen Spähern auf der anderen Seite des Flusses den römischen Anspruch zu verdeutlichen.
Der germanische Stamm der Markomannen forderte Rom heraus, es würde nicht lange dauern bis zum nächsten Feldzug. Die Stiefsöhne von Octavianus, Drusus und Tiberius, planten bereits die nächsten Feldzüge. Die Offiziersränge wurden oft von adeligen Söhnen bekleidet.
Occhius schaffte es bis zum Centurio, kurze Zeit führte er den Rang des Centurio Prior. Dieser war Centurio der ersten Centurie und Kohortenführer. Eine Meinungsverschiedenheit mit dem Primus Piles, dem höchsten aller Centurios, beendete seinen Aufstieg. Seitdem verrichtete er wieder als normaler Centurio den Dienst. Er war glimpflich davongekommen, denn die römische Armee verfügte über eine strenge Hierarchie. Diese beinhaltete keinen Widerspruch der unteren Ränge. Seine Verdienste in den Schlachten Roms und sein Ruf als gefürchteter Kämpfer gaben den Ausschlag für seine Vorgesetzten auf eine weitere Degradierung zu verzichten.
Octavianus und Drusus hatten ihn persönlich belobigt. Bei einem glücklichen Verlauf wäre er vielleicht Legat geworden.
Dies war der oberste, militärische Führer einer Legion. Normalerweise wurden diese Funktionen durch adelige Statthalter besetzt. Es war bei Legionen in der Provinz im Zuge von längeren Feldzügen aber vorgekommen, dass Soldaten nichtadeliger Eltern in der Funktion des Legaten eingesetzt wurden. Occhius hatte seine militärische Karriere zurückgestellt, er war zufrieden. Seine Soldaten sprachen mit großem Respekt über ihn, er war bekannt als Kämpfer und umsichtiger Führer der Einheit. Er hatte sämtliche Kriegszüge überlebt und war sich dieser glücklichen Fügung bewusst.
Viele seiner Freunde waren gestorben. Occhius empfand dies als Teil des Schicksals. Jeder Soldat musste rechnen, in der nächsten Schlacht zu sterben. Der mögliche Tod verursachte keine Angst, er war Teil seines Soldatenlebens. Trotzdem waren die Nerven jedes Soldaten vor einer Schlacht sehr angespannt. Wenn eine Schlacht losbrach, verflogen sämtliche Gedanken und die gestaute Energie bündelte sich in der Umsetzung der gelernten Fähigkeiten. Über diese Erfahrung verfügten viele ältere Soldaten, nur jüngere, unerfahrene Soldaten wurden durch die Angst manchmal gelähmt.
Occhius verstand diese Gefühle. Jeder lebte gerne und nicht jeder konnte mit Angst umgehen. In solchen Situationen waren die Führungs-qualitäten eines Centurio gefragt. Optio seiner Einheit war Linius Diaz. Ein sehr erfahrener, loyaler Soldat von knapp dreißig Jahren. Linius meldete sich an diesem Morgen standesgemäß bei seinem Centurio. Sie verstanden einander gut, arbeiteten seit einigen Jahren zusammen. Lin, wie er von Occhius genannt wurde, war etwas kleiner als er. Schwarze Haare und die dünklere Hautfarbe zeugten von seiner Herkunft aus Hispania. Er wollte nach Ablauf seiner militärischen Laufbahn in seine Heimat zurückkehren. Dies hatte er Occhius in vielen Gesprächen erzählt. Vermutlich würde Linius die Centurie nach dem Abgang von Occhius übernehmen. Linius erzählte, dass der Kohortenführer die Entsendung einer zusätzlichen Patrouille befohlen hatte. Sie sollte entlang des Danuvius prüfen, ob es jenseits des Flusses verdächtige Ansammlungen von Germanen gab. Occhius schüttelte verständnislos den Kopf.
„Das ist typisch für gelangweilte Römer. Kriege erfinden, wo es keine gibt.“ Er schätzte die derzeitige Lage als ruhig ein, diesbezüglich konnte er auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Linius meinte, dass der gute Aulus einen Krieg suche, er dürste danach. Alle in der Kohorte kannten die Ambitionen des jungen Kohortenführers Aulus Philippus, der seinen Vorgesetzten unbedingt beweisen wollte, dass er sich für höhere Aufgaben eignete. Er hatte sich in Gefechten als guter Soldat erwiesen, aber jeder Soldat wusste, wie gefährlich karrieresüchtige Vorgesetzte für das eigene Leben waren. Als römischer Soldat war man es gewohnt zu kämpfen, aber jeder halbwegs vernünftige Mann genoss das Leben in den Kampfpausen. Es gab im Lager und an den Straßen Einiges zu tun.
Die Soldaten besuchten in Friedenszeiten örtliche Tavernen, um ihre Lust auf Frauen und Wein auszuleben. Im Zuge von Kriegshandlungen wurden Frauen der geschlagenen Feinde oft geschändet. Occhius war keine Ausnahme, er war ein Kind seiner Zeit. Geschlagene Feinde und ihre Familien waren den Siegern ausgeliefert. Viele Überlebende wurden versklavt. Der Reichtum des römischen Imperiums basierte auf der Arbeit von vielen Sklaven. Derzeit schien die Lage am Fluss ruhig zu sein. Die ansässigen Kelten machten keine Sorge, die jenseitigen Markomannen hielten sich zurück. Die weiblichen Bewohner waren bei den römischen Soldaten sehr beliebt.
Keltische Frauen galten als sehr leidenschaftlich und lebenslustig. Frauen verfügten bei den Kelten über eine bessere Stellung als jene in der römischen Gesellschaft. Sie wirkten selbstbewusster, dies stellten sie bisweilen offen zur Schau. Im keltischen Lauriakon war immer etwas los, die Soldaten nutzten Patrouillen in der Siedlung für eigene Zwecke. Wenn sie es übertrieben, wurde der Drill verschärft. Ständige Patrouillen und Märsche sollte die Soldaten disziplinieren.
Dazu gab es schwere Arbeiten bei der Befestigung der Straßen und Latrinendienste. Occhius und Linius meldeten sich bei Aulus Philippus. Er war kleiner als Occhius, der in seiner Kohorte alle überragte. Occhius verfügte für einen Römer über ein echtes Gardemaß. Trotzdem waren viele keltische und germanische Männern größer als er. Grundsätzlich waren die Männer dieser Völker oft einen Kopf größer als der normale römische Mann. Occhius und Aulus Philippus verstanden einander. Dieser schätzte die Erfahrung seines Centurio und hörte auf seinen Ratschlag, wenn es notwendig war. Trotz abfälliger Bemerkungen der Soldaten war Aulus nach Occhius Meinung ein guter Kohortenführer, der mit etwas Glück Karriere in der römischen Armee machen konnte. Manchmal nutzte er seine Stellung als Vorgesetzter und teilte die Soldaten für unnötige Dienste ein. Heute war so ein Tag. Aulus unterrichtete ihn vom Auftrag. Sie sprachen über die notwendige Anzahl der Soldaten für die Patrouille.
Schließlich setzte sich Occhius mit seinem Vorschlag durch, eine Gruppe von sechzehn Leuten unter seiner Führung entlang des Flusses Richtung Osten auszusenden, um etwaige Feindaktivitäten zu beobachten. Linius meinte anschließend, dass er mitkommen wolle, er brauche Entspannung. Occhius lachte. „Dies ist ein Militärdienst, Lin, Entspannung gibt es nur bei den Adeligen.“ Linius zuckte mit den Schultern.
„Momentan ist es dasselbe.“ Occhius beauftragte seinen Optio mit der Bildung der Patrouille, denn es betraf nicht die ganze Centurie. Dies konnte er verhindern, seine Männer brauchten Ruhe. Binnen kurzer Zeit war die Abmarschbereitschaft hergestellt. Occhius und Linius waren beritten.
Ruhig zog die kleine Patrouille den Fluss entlang, der von kleinen Inseln gesäumt war. Der Danuvius war kein Fluss mit einem Flussbett, es war eine Flusslandschaft mit vielen kleinen Inseln und Seitenarmen. Ansässige Bewohner waren ständig vom Hochwasser betroffen, wenn der Fluss viel Wasser führte. Die kleinen Inseln wurden von den jenseitigen Markomannen benutzt, um mit kleinen Flössen und Booten auf die keltische Seite überzusetzen. Dies wollten die Römer verhindern, aber derzeit war die römische Besatzungsmacht nicht stabilisiert, um alle Bereiche am Fluss zu sichern. Man half sich mit Patrouillenbooten und ständigen Patrouillen am Fluss, um bereits übergesetzte Germanen aufzu-greifen und zu bekämpfen. Occhius gefiel die Landschaft am großen Fluss. Er überlegte, ein Landstück zu erwerben. Dies würde er als Abschiedsgeschenk erhalten, wenn er sich entschloss, sich in dieser Gegend niederzulassen. Es gab als andere Variante das Entlassungsgeld, dass ein Vierzehnfaches seines Jahressoldes betrug. Die Küsten des Mare Nostrum waren ein anderes, mögliches Ziel. Er mochte die dalmatinischen Gebiete. Da er auf seinen Feldzügen mit Octavianus, der als Princeps den Beinamen Augustus trug, viel gesehen hatte, war es schwer für ihn, sich zu entscheiden. Linius unterbrach seine Gedanken mit einem Zuruf. Auf der anderen Seite des Flusses versuchten einige langhaarige Germanen ein Floss in den Fluss zu schieben. Nachdem sich die Römer lautstark äußerten, zogen sich die Germanen in die sicheren Wälder zurück. Die Patrouille lagerte an der Stelle. Occhius wollte sicherstellen, dass die Germanen zu-mindest an diesem Tag verzichteten, den Fluss zu überqueren. Nach einiger Zeit befahl Occhius den Aufbruch. Linius erzählte von Hispania und dessen schönen Frauen. Nach seinen Worten musste es sich um ein Paradies für Soldaten handeln. Linius nervte Occhius ständig damit. Im Zuge eines Alkoholgelages hatte ihn dieser einmal niedergeschlagen, weil die Geschichte nervig war. Es war nicht unüblich unter Soldaten, bei diversen Feiern zu kämpfen. Dies entsprach ihrer Mentalität. Einige seiner Männer hatten mit seinen gefürchteten Fäusten Bekanntschaft gemacht, wenn sie disziplinlos wurden. Die Patrouille bewegte sich gemächlich. Plötzlich erklangen Schreie.
Occhius ließ anhalten, zwei Soldaten sondierten die Lage, der Rest hielt sich bedeckt. Es handelte sich um vier germanische Männer, die eine junge Frau bedrängten. Die Römer erkannten, dass die Germanen kurz vor dem Ende ihres Spiels standen, denn die junge Frau trug keinen Oberteil. Doch sie wehrte sich mit der Wildheit keltischer Frauen, denn eine solche war sie nach ihrem Aussehen. Ein Germane bekam einen Schlag und einen Tritt zwischen die Beine. Er krümmte sich vor Schmerzen. Die anderen lachten wild. Der hünenhafte Anführer der Gruppe näherte sich der jungen Frau mit gierigem Blick. Sie waren sich ihrer Sache sicher.
Normalerweise griffen die Römer in ähnlichen Fällen nicht ein, aber Occhius gefiel der Mut der jungen Frau. Die Römer traten vor, erst jetzt bemerkten die Germanen, dass sie bereits umzingelt waren. In ihrer Gier nach der Frau wurden sie unvorsichtig. Einer schwang seine Axt. Sein Leben wurde durch einen geschleuderten Pilum, dem römischen Wurfspeer, beendet. Occhius beherrschte einige Wörter der gebräuchlichen germanischen und keltischen Dialekte, aber der Anführer der Gruppe sprach Latein. „Wir sind auf der Durchreise und wollten uns etwas gönnen.“ Occhius antwortete, dass die Frau offensichtlich anders darüber denke.
Der Hüne lachte und meinte, dass ein Römer bei solchen Sachen Bedenken habe, halte er für einen guten Witz. Linius verpasste ihm einen Schlag mit der Peitsche, sofort nahm der Germane eine drohende Haltung ein. „Du solltest ruhig bleiben und verschwinden.“ Occhius Stimme klang ruhig. Der Hüne forderte ihn mit lauten Worten heraus und Occhius nahm an. Linius wollte seinen Centurio zurückhalten, aber in dessen Augen war zu erkennen, dass dies zwecklos war.
Langsam näherte sich Occhius dem Germanen. Dieser eröffnete den Kampf mit einem wilden Schrei und schnellen Angriff. Occhius besaß viel Kampferfahrung, aber er musste aufpassen, dass ihn der Hüne mit dem Schwert nicht erwischte. Bei einem weit ausgeholten Schlag duckte sich Occhius und hieb dem Hünen seinen Gladius, das römische Kurzschwert, in den Rücken. Dieser stolperte, holte zu einem Schlag aus, den Occhius auswich. Er beendete mit einem Stich ins Herz das Leben des Hünen. Die beiden überlebenden Germanen griffen zu den Waffen, der römischen Übermacht waren sie aber nicht gewachsen. Binnen kurzer Zeit folgten sie ihren beiden toten Kameraden ins Jenseits. Die Römer entsorgten die Toten in den Fluss. Occhius übergab der jungen Frau einen Umhang eines der Germanen, um ihre Blößen zu bedecken. Einer der Soldaten meinte, dass dies schade wäre. Sie war rothaarig und eine wilde Schönheit, ihre Brüste waren makellos. Occhius und sie standen sich gegenüber. Keltische Frauen verfügten über eine ähnliche Größe wie viele römische Männer. Sie sahen sich in die Augen. Die Frau besaß eine Ausstrahlung, die ihn magisch anzog. Spöttisch fragte sie, ob jetzt die Römer über sie herfallen würden. Sie sprach die lateinische Sprache besser als mancher Römer. Die Soldaten wären auf ein solches Angebot eingegangen, aber der Centurio interessierte sich für die Frau, dies war offensichtlich. „Keiner wird dich angreifen.“ Seine Stimme klang hart. Sie erkannte die Ehrlichkeit in seinen Augen. Dieser Römer war ein beachtlicher Mann und ein ausgezeichneter Kämpfer. Sie kannte den toten, germanischen Hünen. Er war als großer Kämpfer bekannt. Sie besaß Verwandte bei den Markomannen mütterlichseits. Dieser Römer hatte den Hünen mit einer Leichtigkeit bezwungen, die nur große Kämpfer in sich trugen. Er war mindestens zehn Jahre älter, doch ihr gefiel dieser Römer. Sie hieß Stilla, diesen Namen nannte sie jedenfalls, bevor sie verschwand. Dieser Name verfolgte Occhius in seinen Gedanken, noch nie hatte eine Frau einen so großen Eindruck hinterlassen. Linius bemerkte dies und fragte, warum er sie nicht gleich mitgenommen habe, wenn sie ihm gefalle. Occhius antwortete, dass sie dies nicht gewollt habe. Linius schüttelte den Kopf und meinte, dass dies keinen interessiere. „Mich schon“, sagte Occhius. Linius lachte und erläuterte die Geschichte vom Pfeil des Amor, der Occhius anscheinend getroffen habe. Die Keltinnen seien bekannt, in der Liebe über große Fähigkeiten zu verfügen. „Ich schlage dich vom Pferd, Lin, wenn du weiter nervst.“ Linius hörte den drohenden Unterton seines Freundes. Occhius Valerius war bekannt, seine Versprechen einzuhalten. Linius verbiss sich jeden weiteren Kommentar. Im Lager angekommen, erstattete Occhius dem Kohortenführer Bericht. Dieser zog ob vier getöteter Feinde zufrieden Bilanz. In den nächsten Wochen beschäftigten sich die Gedanken von Occhius sehr viel mit der jungen, geheimnisvollen Keltin Stilla. Der Stolz, mit dem sie den Angreifern entgegengetreten war, beeindruckte ihn. Er dachte an ihren schönen Körper und spürte eine Erregung. Einige Frauen hatten seinen Weg gesäumt, aber noch nie war er dermaßen beeindruckt gewesen. Bis jetzt gab es keine, für die er die Armee verlassen hätte. Einem Soldaten war es verboten vor seinem Dienstende zu heiraten.
Es gab aber viele, die bereits mit Frauen liiert waren. Er hatte nie einen Gedanken daran verschwendet. Nun trat diese Frau in sein Leben. Er kannte nur ihren Namen und war fasziniert von ihrer Ausstrahlung und ihrem selbstbewussten Auftreten.
Ihre fast blauen Augen erinnerten an die Germanen. Meistens siedelten die römischen Soldaten in jener Provinz, in der sie zuletzt diensten. Viele waren an einheimische Frauen gebunden. Es wäre nichts Ungewöhnliches, sich hier niederzulassen und eine keltische Frau zu haben. Linius bot an, ihn bei der Suche nach Stilla zu unterstützen, aber Occhius winkte ab. Möglicherweise stammte sie nicht aus dieser Gegend. Im Monat Iuli war Markttag in Lauriakon. Occhius führte eine Patrouille in die keltische Siedlung. Diesmal hatte er die ganze Centurie mitgenommen. Er konnte Aulus überzeugen, in der Stadt nach dem Rechten zu sehen. Üblicherweise gab er seinen Soldaten die Möglichkeit, etwas zu trinken und sich nach Frauen umzusehen, die den Soldaten käuflich ihre Liebe anboten. Am Marktplatz beobachtete er mit einigen Soldaten die Aktivitäten der ansässigen Bevölkerung und der Besucher. Die Markomannen erkannte man aus der Entfernung an der Kleidung und dem Aussehen. Die Völker mischten sich in diesen Grenzorten. Latein wurde als Sprache zur besseren Kommunikation verwendet, aber viele Menschen in den Grenzregionen beherrschten vorherrschende Dialekte. Die Menschen handelten viel, es erfolgte ein Austausch an Gütern und Kultur. Occhius wollte den Marktbetrieb nicht stören. Die ansässigen Kelten waren den Römern seit langem freundlich gesinnt. Er empfand es nicht als notwendig, ständig die Macht des römischen Reiches zu demonstrieren und als Herren aufzutreten. Dies entsprach nicht seinem Wesen. Die Leute respektierten die römische Oberhoheit. Er wusste, dass sie dafür viel zahlen mussten. Die Provinzen wurden vom jeweiligen römischen Statthalter mit hohen Steuern belegt, da dieser davon profitierte. In Noricum war die römische Verwaltung noch in ihrer Entstehung. Bald würden die Leute die Gier der Römer nach Geld und Macht verspüren. Occhius fand das römische System berechtigt, der Sieger machte die Regeln. So lebte die Menschheit seit Urzeiten und dies würde sich nicht ändern. Stilla war ebenfalls an diesem Tag in Lauriakon. Sie wohnte in der Nähe der Siedlung, einige Meilen vom römischen Stützpunkt entfernt.
Ihr Vater hielt Distanz zu den römischen Eroberern. Er befürchtete Übergriffe auf seine Tochter. Nach Meinung von Stilla waren alle Männer für Frauen zu fürchten, nicht nur die Römer. Der Vater kannte ihre Meinung. Er war ein guter Mensch, der seine Kinder liebte, und entstammte den Tauriskern. Der keltische Stamm siedelte in der näheren Umgebung. Die meisten Bewohner waren Teil der Taurisker.
Stillas Mutter entstammte dem Volk der germanischen Markomannen. Der Vater hatte sie von einem Raubzug am jenseitigen Ufer mitgenommen. Zuerst war sie seine Sklavin, doch sie wurde seine Frau und wollte nicht mehr in ihre Heimat zurück. Acht Kinder waren das Ergebnis ihrer Liebe, nur Stilla blieb vor Ort. Die meisten schlossen sich den Markomannen an, die nicht im römischen Einflussbereich lebten. Stilla und ihre Mutter waren öfter auf Besuch bei ihren germanischen Verwandten gewesen. Sie sprach beide Sprachen, auch die lateinische Sprache der Römer beherrschte sie mittlerweile sehr gut. Die Mutter verstarb letztes Jahr an einer Lungenkrankheit, auch der Vater wirkte sehr gealtert.
Stilla war Mitte Zwanzig. Sie war nicht verheiratet. Normalerweise heirateten Frauen früher. Doch sie hatte sich immer gewehrt, diese grobschlächtigen Burschen zu heiraten, die Kämpfen als favorisierten Lebenszweck betrachteten. Sie wollte einen Mann heiraten, der imstande war, etwas Nachhaltiges aufzubauen. Bei den Markomannen waren die Männer oft mit Kämpfen beschäftigt, die ganze Arbeit zu Hause lag bei den Frauen. Sie hatte ihren Vater überzeugt, aber der eigentliche Grund ihrer bisherigen Nichtheirat bestand darin, dass sie als Heilerin bekannt war. Diese verfügten unter den Kelten über eine Ausnahmestellung, deshalb wurde sie von den Männern nicht mehr bedrängt. Am Markttag war sie immer mit ihrem Vater in Lauriakon, dort wurde getrunken und getanzt. Stilla mochte diese Atmosphäre. Als sie um eine Straßenecke bog, sah sie den römischen Soldaten, der ihr nicht mehr aus dem Sinn ging. Er hatte Eindruck auf sie gemacht, denn er hatte sie gut behandelt. Wäre es nach den anderen römischen Soldaten gegangen, wäre sie bestimmt missbraucht worden. Sie beherrschte die lateinische Sprache, dies kam bei den Römern gut an. Diese waren die herrschende Macht in diesen Zeiten und keiner konnte sie aufhalten. Ihr Vater war der Meinung, dass die Römer in einer offenen Schlacht aufgrund ihrer Ausbildung nicht zu schlagen wären. Bei den Kelten gab es keine derartige Ausbildung. Möglicherweise waren sie im dichten Wald zu schlagen, dies war aber noch keinem gelungen. Krieg interessierte Stilla nicht, er war zu schrecklich.
Sie hoffte, dass es irgendwann eine Zeit gab, in der kein Krieg stattfand. Viele Männer mussten ihr Leben lassen. Sie hinterließen Frauen und Kinder, aber auch diese wurden von den Siegern in keinster Weise geschont. Die Römer waren ein Volk mit vielen Regeln. Sie kultivierten eroberte Gebiete nach ihren Vorstellungen. Gut befestigte Straßen und imposante Bauwerke waren entstanden. Die Römer waren sehr eingebildet und betrachteten die restlichen Völker als unzivilisierte Barbaren. Stilla hatte mehrere Tage in Aquileia verbracht, einer großen römischen Stadt im Süden des Illyricum. Diese Stadt hinterließ einen guten Eindruck, wie die Römer die Welt sahen. Jedenfalls waren sie unter den Einheimischen nicht besonders beliebt. Die Kelten wussten nicht, was nach der Eingliederung in das römische Reich auf sie zukam. Es wurde von hohen Steuern erzählt, die alle zahlen mussten. Das Geld gelangte nach Rom, diese sollte eine riesige, endlose Stadt sein. Keltische Kaufleute, die sie besucht hatten, erzählten von gewaltigen Palästen aus Gold und Marmor, riesigen Kampfarenen und von der Prunksucht der Römer. Stilla dachte, dass eine Verbindung mit einem Römer Vorteile brachte. Es kam eine neue Zeit ins Land. Sie war eine offene Frau, fasste eine Entscheidung und ging wie zufälligerweise in Richtung Occhius. Wenn er sie wiedererkannte, war es gut, ansonsten ging das Leben weiter.
Occhius erkannte sie sofort. Stilla blieb stehen. Sie sahen sich an, beide freuten sich, dies war ihnen anzumerken. „ So sieht man sich wieder, Römer.“ Occhius nickte zu ihren Worten und fragte, ob sie in der Nähe wohne. Stilla beschrieb die Lage des Gehöfts in der Nähe des Danuvius. Occhius kannte die Gegend. Sie führten eine längere Unterhaltung. Occhius fragte, ob sie sich wiedersehen würden. Stilla nickte und beschrieb den Treffpunkt. Sie wusste nicht, ob er tatsächlich kam, denn er war Soldat. Noch dazu ein römischer Hauptmann. Einige Male wartete Stilla vergeblich. Sie erzählte ihrem kranken Vater nichts von ihrer Absicht, sich mit einem Römer zu treffen. Es wäre nicht gut gewesen in seinem Zustand.
Eines Abends kam Occhius zum Treffpunkt. Er hatte das Lager heimlich verlassen, nur Linius wusste Bescheid. Diesmal trug er keine Rüstung, dies gefiel ihr besser. Es war noch hell, die Sommertage waren länger. Ohne viele Umstände kam sie in seine Arme. Es wurde ein inniger, leidenschaftlicher Kuss.
Bald lagen sie auf dem Boden ihres Verstecks. Occhius küsste alles an ihrem Körper, die Leidenschaft der jungen Frau war überwältigend. Bereitwillig empfing sie ihn und war glücklich, dass die Römer in der Relation zu ihrer Körpergröße unten anscheinend besser gebaut waren. Sie liebten sich lange und intensiv, es war für beide ein sehr gefühlsbetontes Erlebnis.
Danach lagen sie zusammen und sprachen über die Zukunft.
Sie kannten einander fast nicht, wussten aber, dass sie zusammengehörten. Stilla erzählte aus ihrem Leben auf dem ein-samen Gehöft. Es war wohltuend, einem Mann mit Verständnis für ihre Situation neben sich zu haben. Interessiert hörte Occhius zu. Er besaß einen seltsamen Namen, wie alle Römer. „Ich werde dich „Oci“ nennen.“ Occhius lachte.
„Aber nicht vor meinen Soldaten.“ Sie drängte sich an ihn, dieser Mann gab Sicherheit. Es war Liebe, er war der Mann, den sie wollte. Occhius und Stilla trafen sich öfter in den nächsten zwei Monaten. Sie wusste von seinem bevorstehenden Abschied aus der Legion. Stilla bot nicht an, ein gemeinsames Leben nach seinem Dienstende zu führen.
Diese Entscheidung lag bei Occhius und Stilla hoffte auf eine gemeinsame Zukunft. Nur Linius wusste von den beiden.
Occhius entschied sich rasch und informierte Stilla gegen Ende des Jahres über seinen Verbleib in dieser Gegend. Er liebte diese Frau und baute auf ein gemeinsames Leben am Fluss Danuvius. Sie sahen sich einige Monate nicht. Ende März schied er aus der Armee aus. Er erhielt Kleidung, Ausrüstung, ein Pferd und ein hohes Entlassungsgeld.
Occhius verabschiedete sich von seinem Freund Linius, der ihm als Centurio nachfolgte. Er verspürte keine Trauer, als er die Armee verließ und freute sich auf die Zukunft. Die ersten Anzeichen des kommenden Frühlings waren zu spüren, als er am Gehöft von Stilla eintraf. Sie hörte etwas und trat aus dem Haus. Sie lächelte und umarmte ihn lange. Die Zukunft lag strahlend vor den beiden. Ihr Vater war vor einem Monat verstorben. Er hätte die Entscheidung nicht verstanden, deshalb war es besser für ihn, ohne dieses Wissen gestorben zu sein. Sie hatten sich viel zu erzählen, aber zuerst musste Einiges nachgeholt werden, dass sie in den letzten Monaten versäumten.
Stilla und Occhius waren nicht die ersten Menschen ihrer Völker, die ein Paar wurden. Doch wurde ihre Beziehung sehr misstrauisch von beiden Seiten beäugt. Die Römer befanden sich erst im Aufbau ihrer Strukturen. Die Region war Teil des römischen Reiches, aber Noricum besaß den Status eines autonomen Fürstentums. Die kleine römische Handelsniederlassung und das Militärlager befanden sich in der Nähe der Mündung des Flusses Agista in den Danuvius. Occhius verwendete sein Entlassungsgeld zum Aufbau einer Landwirtschaft, zudem errichtete er eine Fähre und betrieb Pferdezucht. Er war Soldat gewesen, aber er verfügte über Talent im Handel und bei Geschäften. Stilla war seine gleichwertige Partnerin. Sie war sehr intelligent und sprach mittlerweile Latein fließend. Neben ihrer Muttersprache beherrschte sie verschiedene keltische und ger-manische Dialekte, was für erfolgreiche Geschäfte mit diesen Völkern entscheidend war. Stilla übte einen großen Einfluss auf Occhius aus, der bisweilen sehr starrsinnig war. Sie schaffte es oft, dass er seine Vorstellungen überdachte und korrigierte.
Occhius merkte dies manchmal grimmig an, war aber nicht nachtragend. Die junge Frau hatte ihren Griesgram fest im Griff. Er liebte diese Frau mit ganzem Herzen. Stilla war ihren Römer, wie sie ihn nannte, mit gleicher Innigkeit verbunden.
Nach einem Jahr wurde die Ehe vollzogen. Die Zeremonie veranschaulichte die beiden Welten. Stilla mochte die römischen Sitten und die zivilisierte Form des Umgangs.
Andererseits nahm sie als Frau bei den Kelten eine wichtigere Stellung ein, als dies römische Frauen für sich beanspruchen konnten. Da sie lange Jahre unter den einheimischen Kelten und angrenzenden Markomannen als Heilerin bekannt war, und Occhius römischer Herkunft war, erbat sie den Segen der Götter aller Völker. Das Fest für ihre Hochzeit dauerte drei Tage. Es kamen römische Freunde von Occhius, unter anderem Linius Diaz, der Centurio geworden war. Stilla lud keltische und markomannische Verwandte zur Feier ein, die auf dem neu gebauten kleinen Landsitz stattfand. Die Feier fand unter der Patronanz von Juno, der römischen Göttin der Ehe und Belenus, der keltischen Heilgottheit, statt. Der höchste germanische Gott Wodan wurde mit einem Schrein geehrt. Occhius gab auf Götter nicht viel, es waren zu viele.
Er kannte nicht alle römischen Götter, zudem verfügten alle Völker über sehr viele verschiedene Gottheiten, die sie anbeteten. Da er mit den Markomannen kriegerisch wenig zu tun hatte, war ihm über dieses Volk nichts bekannt. Es interessierte ihn nicht. Für sein Leben war der römische Gottvater Jupiter ausreichend, er mochte den Kriegsgott Mars und Bacchus, den römischen Gott des Weines und der Ekstase. Die dreitägige Feier bewies, dass Menschen gut miteinander aus-kamen, wenn sie dazu bereit waren.
Anfänglichem Misstrauen wich zunehmende Neugier unter den Gästen, bis die Anwesenden zu einem fröhlichen Auskommen fanden. Es schien, dass Bacchus die Kontrolle über die Feier übernommen hatte, denn es wurde Wein getrunken, als wäre der letzte Tag im Leben angebrochen.
Stilla war eine sehr gute Gastgeberin. Die römischen Frauen fanden, dass sie dies für eine Barbarin gut erledigte. Sie vermittelte bei beginnenden Streitgesprächen unter den betrunkenen Männern, ihre natürliche Ausstrahlung zeigte Wirkung. Es wurde viel gelacht. Seine römischen Bekannten fragten Occhius, ob sie bei der Zeugung von Kindern Hilfe leisten sollen, denn bis jetzt gäbe es kein positives Ergebnis.
Vor allem Linius ärgerte seinen Freund, aber Stilla beruhigte die Männer und meinte, es wäre alles in Ordnung. In dieser Situation half ihre Unterstützung wenig. Die Männer lachten noch mehr. Stilla sah am Gesicht ihres Mannes, dass ihre gut gemeinten Worte in einer Männerrunde anders aufgefasst wurden. Es war ein fröhliches und lebhaftes Miteinander aller Beteiligten, ein gelungenes Fest, wie Occhius danach feststellte. Es wurden neue Kontakte geknüpft. Die Kelten und die markomannischen Verwandten waren an guten Beziehungen zu den Römern interessiert. Es verlief eine uralte Handelsstraße an Lauriakon vorbei, die nördlich über den Danuvius in das freie Germania führte. Gute Handelsbeziehungen waren wichtig. Stilla und Occhius waren sehr an einem friedlichen Umfeld in-teressiert. In den nächsten Monaten baute Occhius seine Geschäfte aus. Er beschäftigte Leute in der Landwirtschaft, sein Fährbetrieb weitete sich aus.
Occhius war mit der wachsenden Größe seiner Geschäftstätigkeiten konfrontiert und beschäftigte immer mehr Menschen, die in der Umgebung von Lauriakon wohnten. Er verfügte über eine schnelle Auffassungsgabe für das Neue und ein Organisationstalent, dass ihn bereits während seiner Zeit als Centurio ausgezeichnet hatte. Occhius bewunderte seine junge Frau, die mit Hingabe und Ehrgeiz an ihrer gemeinsamen Aufgabe hing. Stilla entwickelte sich zur Römerin. Sie mochte die Eleganz der römischen Frauen und holte sich Ratschläge von ansässigen Römerinnen. Diese trugen Unterwäsche, dies war bei den Frauen der Kelten und Germanen nicht üblich. Im Haus wurden Schreine für die Hausgötter errichtet. Sie einigten sich auf Mercurius, dem römischen Gott des Handels und Epona, die keltische Pferde- und Fruchtbarkeitsgöttin. Wodan behielt seinen Schrein. In den Sommermonaten sahen die Menschen an der Wölbung des Bauches von Stilla, das Nachwuchs kam. Die Beschäftigten wurden gut behandelt. Occhius besaß einige Sklaven. Stilla achtete darauf, dass diese Menschen ebenfalls gut behandelt wurden. Ein strenger Winter hielt Einzug, aber sie waren gut vorbereitet. Vorräte waren angelegt, die Beschäftigten verbrachten die Wintermonate mit kleinen Arbeiten im Haus und in den Pferde-ställen, die sich im ehemaligen Haus von Stilla befanden. Dieses Jahr war sehr arbeitsintensiv und erfolgreich gewesen. Sie glaubten selbst kaum, was alles passiert war. Ihre Ehe war offensichtlich von den Göttern aller Völker gesegnet. Es war gelungen, alles erfolgreich umzusetzen, was sie sich vorgenommen hatten.
Noch nie in seinem Leben war Occhius glücklicher gewesen.
Die Entscheidung für Stilla war die beste in seinem Leben gewesen, seitdem lief alles wie von selbst. Die Krönung erfolgte mit der Geburt ihres ersten Kindes. Occhius konnte sein Glück kaum fassen, als er von der Geburt eines Sohnes hörte. Stilla war zufrieden, für Männer waren Söhne wichtig.
Sie empfand jedes Kind als Geschenk. Ein Sohn stand über der Wertigkeit einer Tochter, dies war in allen bekannten Gesellschaften normal. Ein Stammhalter war für die weitere Entwicklung der Familie wichtig. Normalerweise erhielt der Sohn bei den Römern den Namen des Vaters, aber Occhius wollte nicht, dass sein Sohn denselben Namen trug. Er erhielt den Namen Marcus und war ein kräftiger Junge, der bereits kurz nach seiner Geburt sehr laut das Stillen seines Hungers einforderte. Occhius war stolz auf seinen Sohn und seine Frau. Er feierte ausgelassen mit seinen Freunden aus der römischen Handelsniederlassung und ehemaligen Kameraden aus der Legion. Linius beglückwünschte ihn laut und trank sehr viel. Zu späterer Stunde offenbarte er Occhius, dass er eine großartige Frau gefunden habe. Obwohl sie keine Römerin wäre, stelle sie einen Glücksfall für einen Mann dar.
Occhius nickte. „Du wirst die Frau für ein gemeinsames Leben in deinem Hispania finden. Du hast immer davon gesprochen.“ Linius war ziellos. Es brannte eine heimliche Liebe zu Stilla in seinem Innersten. Die stolze Keltin hatte auch ihn beim gemeinsamen Kennenlernen beeindruckt. Seit er sie näher kannte, ging ihm diese Frau nicht mehr aus dem Kopf. Occhius hatte die Gelegenheit ergriffen und Stilla geheiratet. Sie waren lange Jahre befreundet. Er kannte Occhius als begnadeten Kämpfer, der im Schlachtengetümmel den Überblick behielt. Seinen Erfolg als Geschäftsmann hatte Linius seinem ehemaligen Centurio nicht zugetraut. Dies war sicherlich dem Einfluss von Stilla geschuldet.
Er hatte lange Monate innerlich gekämpft, keinen Neid aufkommen zu lassen, angesichts des Erfolges und des familiären Glücks von Occhius. Irgendwann erfüllte das schlechte Gefühl sein Innenleben. Das Bild von Stilla mit nacktem Oberkörper verfolgte Linius in seinen Träumen.
Manchmal glaubte er, besessen von dieser Frau zu sein. Doch die freundschaftlichen Bande zu Occhius waren ebenfalls stark. Linius würde mit seiner Kohorte im kommenden Jahr ein anderes Militärlager am Danuvius beziehen, dieses lag an der Grenze zu Noricum im Land der Boier. Dies teilte er Occhius während der Feier mit. Occhius bedauerte dessen Weggang. Linius war stets ein treuer Freund gewesen. Stilla freute sich insgeheim über die Nachricht, sie bemerkte die begehrlichen Blicke von Linius. Er war nicht mehr der ehrliche Freund, der er vorgab zu sein. Linius war nach dessen Weggang bald vergessen, denn der kleine Marcus stellte den Mittelpunkt ihres Lebens dar. In den kommenden zwei Jahren baute Occhius im Gebiet zwischen Danuvius und Anisus eine große Landwirtschaft auf, auch die Pferdezucht ging voran.
Der Fähr-betrieb am Fluss brachte gute Einnahmen, denn der Handelsverkehr zwischen den Römern und den angrenzenden Völkern funktionierte gut. Die Germanen waren zwar misstrauisch, aber sie handelten gerne. Derzeit tobte weiter nördlich Krieg zwischen den Legionen des Nero Claudius Drusus, dem Lieblingsstiefsohn von Augustus, und den germanischen Stämmen westlich des Rhenus. Das Ziel von Drusus war die Albis, der nächste große Fluss östlich des Rhenus. Die Grenze des römischen Territoriums sollte weiter nach Osten verschoben werden, auch die ständigen Einfälle germanischer Stämme in Gallia waren ein Grund für die Kriegszüge des Drusus. An der Grenze am Danuvius war es ruhig geblieben. Einzelne Beutezüge von Markomannen beunruhigten die Römer nicht weiter. Die einheimischen Kelten, die bereits seit langem die Koexistenz mit den Römern bevorzugten, begannen sich auf die geänderten Ver-hältnisse einzustellen. Sie unterstützten die Römer und halfen, die Grenze zu sichern. In diesem Jahr gebar Stilla eine Tochter.
Die Geburt im Monat Iuni war schwierig, das Kind lag verkehrt im Körper der Mutter. Stilla wollte es aber unbedingt haben. Sie schrie ihre großen Schmerzen hinaus in die Welt und nach langem Kampf gebar sie Iulia, die Schwester von Marcus. Stilla wäre bei der Geburt fast gestorben, nur eine ihr bekannte keltische Hebamme rettete ihr Leben. Jede weitere Geburt wäre ein großes Risiko. Dies teilte die Hebamme der unglücklichen Stilla mit. Sie erholte sich und widmete sich ihren Kindern. Occhius führte sämtliche Geschäfte nun allein, nur bei den Büchern half seine Frau. Stilla beherrschte Latein in Wort und Schrift. Keiner erkannte die Keltin, der sie nicht näher kannte. Sie wirkte wie eine Römerin, bildete sich weiter, vergaß aber ihre keltische Herkunft nicht. Nach ihrer Einschätzung würden die Römer sehr lange in diesem Gebiet bleiben. Sie bewunderte die römischen Errungenschaften in der Bautechnik und Literatur, ihr Volk kannte dergleichen nicht. Keiner würde in Zukunft viel über die Taurisker wissen, andererseits würden die Römer prägend werden. Diese hielten ihre Geschichte und Lebensform schriftlich fest. Auch die markomannischen Verwandten waren in ihrer Entwicklung weit hinter den Römern zurück. Dies erkannte Stilla und legte auf eine römische Erziehung ihrer Kinder wert, ohne dabei ihre keltisch-germanischen Wurzeln zu vergessen. Occhius legte Wert darauf, dass sein Sohn im Kampf ausgebildet wurde. Bereits im zarten Kindesalter von Marcus übte er spielerisch den Kampf. Der Junge liebte die Einheiten mit seinem Vater. In den nächsten drei Jahren ging das Leben friedlich dahin am großen Fluss. Einmal besuchte Stilla ihre germanischen Verwandten jenseits des Danuvius. Diese befanden sich in hellem Aufruhr, die römische Expansionspolitik setzte ihnen zu. Sie wurde nicht sehr freundlich empfangen. Es war bekannt, dass sie einen Römer geehelicht hatte. Die Gastfreundschaft war ein hohes Gut bei den Germanen, viele kannte sie seit ihrer Kindheit. Arbogald, der Führer der Sippe, unterhielt ein gutes Verhältnis zu ihr, er war einer der Gäste bei ihrer Hochzeitsfeier gewesen. Deshalb gab es keine Unmutsäußerungen gegenüber Stilla. Occhius hatte vor der Reise gewarnt und einige kampferprobte keltische Krieger als Begleitung mitgeschickt. Stilla trug die übliche Kleidung der Markomannen, gewandete sich nicht als römische Gutsherrin. Trotzdem spürte sie die starke Abneigung. Dies war sie nicht gewohnt. Sie blieb kürzer als vorgesehen. Arbogald riet ihr, den Aufenthalt abzubrechen und nicht mehr zu kommen. Unter den freien germanischen Stämmen war der Hass auf die Römer zu groß. Arbogald konnte nicht mehr für ihre Sicherheit bürgen. Sie kannten sich lange. Arbogald war ein Neffe ihrer markomannischen Mutter. Sie umarmten einander, bevor sie sich trennten. Stilla wusste, dass sie nie mehr in die Wälder des Firgunna, wie die Germanen den Hercynischen Wald bezeichneten, zurückkehren durfte. Sie wurde als Feindin erkannt. Die wilden Krieger Germanias würden sie als Sklavin behalten oder Lösegeld fordern. Ihre keltischen Begleiter drängten auf eine rasche Rückkehr über den Danuvius. Die Autorität Arbogalds hielt die markomannischen Krieger zurück. Stilla überreichte ihm zum Abschied ein neu geschmiedetes Schwert, das Occhius ihr mitgab. Unbehelligt erreichten sie ihre Fähre.
Occhius wartete ungeduldig auf die Rückkehr seiner Frau. Er kannte die Anzeichen für einen nahenden Krieg. Die Kinder freuten sich sehr, als sie ihre Mutter wiedersahen. Die kleine Iulia war zwei Jahre alt und hatte die roten Haare ihrer Mutter geerbt. Sie war der Liebling des Vaters, aber er machte bei seinen Kindern keine Unterschiede. Die Kinder wuchsen mehrsprachig auf. Stilla lehrte ihnen alles, was sie über Römer, Germanen und Kelten wissen mussten. Vor allem die römische Schule war ihr wichtig. Occhius befasste sich mit seinem Sohn und übte ständig mit ihm. Er wollte seine Fertigkeiten als Kämpfer weitergeben. Stilla erzählte Occhius von Arbogald und seiner Sippe. Occhius hatte von den Feldzügen gehört. Er kannte Drusus, der fähigste Feldherr seit Agrippa. Deshalb gab er den germanischen Stämmen keine Chance, einen Kriegszug gegen die römischen Legionen erfolgreich zu gestalten. Stilla musste ihm unwillig recht geben.
Die Überlegenheit der Römer in militärischer Kriegsführung war riesengroß, seit Alesia war dies jedem Kelten bekannt.
Doch Germania war ein anderes Schlachtfeld, unendliche Wälder und Moore bedeckten die Fläche dieses Raumes.
Keiner wusste, wie weit es tatsächlich nach Osten ging. Das erste Ziel war die Albis, um die germanischen Stämme östlich des Rhenus unter römische Kontrolle zu bringen. Es sah gut aus für die Römer. Im Jahre 8. vor Christus schlug Tiberius die Stämme, auch die Markomannen, vernichtend. Die restlichen Teile des Markomannen-stammes wurden vom selbsternannten König Maroboduus vereint und nach Bohemia geführt, einem von den Boiern verlassenen Landstrich, der geschützt hinter einem natürlichen Höhenzug lag.
Seit diesem Zeitpunkt erhielt Stilla keine Nachrichten von Arbogald, er war mit seiner Sippe mitgezogen. Der Stamm entzog sich den Zwangsumsiedlungen des Tiberius unter den suebischen Stämmen. Tiberius war zu diesem Zeitpunkt der alleinige Stiefsohn des Augustus, da sein Bruder Drusus ein Jahr vor der vernichtenden Niederlage der Germanen an den Folgen eines Sturzes vom Pferd verstorben war. Nach der Niederlage der germanischen Stämme beherrschten die Römer das Gebiet bis zur Albis, aber sie misstrauten den Germanen. Sie schätzten diese als falsch und hinterlistig ein.
Der dichte Wald war nicht das Terrain, auf dem die Römer gerne kämpften. Sie konnten das Gebiet trotz ihrer Präsenz nie befrieden. In den kommenden Jahren stabilisierte sich die Lage trotz einiger Unruheherde. Am Danuvius wurde an der Grenze fleißig gearbeitet, um diese gegen Einfälle zu sichern.
Das römische Gesicht von Noricum und Illyricum nahm Formen an. Den Kelten waren die Römer lieber als wilde Germanenhorden, die ständig versuchten, bei Überfällen Menschen und Wertsachen zu erbeuten. In diesen Jahren wurden die beiden Kinder größer. Sie wuchsen unter der Obhut der Eltern auf, spielten mit keltischen und germanischen Kindern der Bediensteten und aus Lauriakon.
Es waren ruhige, goldene Jahre am Fluss, die Geschäfte von Occhius liefen gut. Ein weiterer Kinderwunsch blieb dem Paar versagt, da Occhius das Leben seiner Frau nicht gefährden wollte. Marcus wurde unter der Lehre seines Vaters bereits in jungen Jahren ein ausgezeichneter Kämpfer, er stach unter den anderen Jungen hervor. Die vererbten Fähigkeiten seines Vaters als Kämpfer vereinten sich mit der Körpergröße seiner keltischen und germanischen Vorfahren. Er sah nicht aus wie ein typischer Römer aus dem Mutterland, braune Haare umrahmten sein Gesicht, das dem seiner Mutter ähnelte. Occhius erzählte Stilla, dass es gut sei, dass Marcus sein Aussehen nicht geerbt habe. Stilla lachte. Sie empfand starke Gefühle für ihren Mann. Obwohl er einige Jahre älter war, konnte sie sich nicht vorstellen, einen anderen Mann zu haben. Er machte sie glücklich. Das Leben und die Liebe war schön mit ihm. Stilla sah wie das blühende Leben aus. Das rote Haar war nach römischem Vorbild gestaltet, sie war eine aufregende Frau. Ihre Bediensteten schätzten ihre Herrin, sie behandelte sie gut. Occhius behandelte seine Leute korrekt.
Die beiden Kinder wurden in diesem Umfeld groß. Stilla schärfte ihnen ein, dass sie andere Menschen, woher sie auch kamen, immer mit dem nötigen Respekt behandeln sollten.
Occhius erinnerte manchmal seine Familie genüsslich daran, dass die Römer die bekannte Welt beherrschten und die römischen Errungenschaften weit über allen anderen standen.
Ansonsten sollten sie auf ihre Mutter hören, meinte er immer abschließend. Er wusste um die Intelligenz seiner Frau und er liebte sie dafür. Es war ein Glück gewesen, diese Frau zu treffen. Seine Tochter Iulia ähnelte ihrer Mutter, aber sie wies eine gewisse Wildheit auf, die Occhius Erbe war. Er war immer ein einfach denkender Mensch gewesen und hatte seine Kämpfe ausgetragen, wenn sie angefallen waren. Marcus und Iulia hatten diesen Wesenszug geerbt, er war stolz auf beide.
Auf Geheiß von Stilla musste er seiner Tochter das Kämpfen beibringen. Occhius genoss diese Phase seines Lebens. Die Zeit, in der sie lebten, war zu schnelllebig und unruhig, um den Frieden über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten. Vorerst gaben sich die Römer mit dem Erreichtem zufrieden und hielten sich mit großen Eroberungsfeldzügen zurück, auch die Germanen blieben ruhig. Occhius war mit seinen Geschäften zufrieden und seiner Familie ging es gut.
Es hätte so bleiben können, aber im Jahre Null nach heutiger Zeitrechnung änderte sich Einiges. Im fernen Bethlehem wurde ein Mann geboren, der mit seiner Lehre die Welt und die Ansichten der Menschen revolutionieren würde. Dies veränderte das Leben in Noricum nicht. Aber in diesem Jahr kehrte Occhius alter Freund Linius Diaz zurück, nachdem er seine Legionärsjahre absolviert hatte. Er war nicht gestorben auf den Feldzügen Roms, obwohl er es zeitweise erhoffte. Die letzten beiden Jahre verbrachte er in seiner Heimat Hispania, aber er fand dort kein Glück. So entschloss er sich, nach Noricum zurückzukehren, an jenem Ort, wo sich Stilla befand. Er hatte diese Frau nie vergessen und wollte sehen, was aus Occhius und ihr geworden war.
Stilla saß auf der Terrasse des Hauses, als Linius am Anwesen eintraf. Sie hatte ihn bereits länger erblickt und sofort erkannt.
Linius war etwas kleiner als ihr Mann und besaß eine dünklere Hautfarbe. Sie fragte sich, warum er wieder nach Lauriakon gekommen war. Occhius war nicht anwesend, er befand sich am Fluss, kontrollierte den Fährbetrieb. Die schwarzen Haare von Linius waren an den Seiten ergraut, auch er musste vierzig Lebensjahre hinter sich haben, bereits näher zum Fünfziger.
Sie kam ihm entgegen, begrüßte ihn, indem sie die Hand hob.
Linius sah vom Pferd hinunter. Er wirkte müde, als ob er einen sehr langen Ritt hinter sich hatte. Seine Augen musterten sie eindringlich. Es war ihr unangenehm, deshalb lud sie ihn ins Haus, um davon abzulenken. Ein Diener führte das Pferd weg, um es zu versorgen. Stilla ließ Wein und Essen auftischen. Sie erzählte, dass Occhius erst gegen abends zurückkomme, er könne aber gerne bleiben. Linius nickte.
„Ich bin lange geritten, um meinen alten Freund zu sehen.“
Stilla war sich nicht sicher, ob sein Interesse nur Occhius galt.
Sie hoffte darauf, dass es der Wahrheit entsprach. Occhius sprach immer in höchsten Tönen von seinem ehemaligen Kameraden und Freund. Stilla fragte, wo er überall gewesen sei. Linius erzählte von seiner Heimkehr nach Hispania. Seine Heimat lag in der Nähe von Tarraco, dem Sitz des Statthalters der Provinz Hispania Citerior, einer von Augustus geschaffenen römischen Provinz. Er errichtete ein Haus. Das Anwesen lag am Meer. Obwohl er heimgekehrt war, konnte er keine Ruhe finden. Linius sprach kurz über seine junge Frau, die er nach seiner Heimkehr kennenlernte. Er erzählte nichts weiter. Stilla hatte den Eindruck, dass in Hispania etwas Schlimmes passiert war. Linius wechselte das Thema, fragte nach Occhius und ihrer Familie. Stilla erzählte von den Kindern und dem guten Leben, das sie führten, aber Linius wirkte abwesend. Marcus und Iulia kamen in den Hof geritten, sie waren mit Kindern ihrer Bediensteten unterwegs gewesen.
Beide waren gut gewachsen. Iulia war elf Jahre alt, sie wirkte älter und reifer. Es würde nicht mehr lange dauern und die ersten Heiratsanträge würden einlangen. Im Römischen Reich durfte ein Mädchen mit zwölf Jahren heiraten, die Jungen ab dem vierzehnten Lebensjahr. Die Männer sollten laut dem Princeps Augustus bis zum Ablauf des fünfundzwanzigsten Lebensjahres und die Frauen mit dem Ablauf des zwanzigsten Lebensjahres verheiratet sein. Seine Vorstellungen unterstrich er im Gesetz mit Verlusten bei Erbrechten, sollten sich seine Untertanen nicht daranhalten. Augustus war beliebt in der römischen Bevölkerung, aber den unbedingten Gehorsam gab es nicht. Das eigene Leben wurde nach Möglichkeit selbst gestaltet. Occhius und Stilla vereinbarten, dass ihre Kinder die notwendige Reife besaßen, wenn sie diesen wichtigen Schritt setzten. Es sollte keine Zwangsehen geben. Marcus und Iulia genossen eine sehr gute Ausbildung. Sie besuchten die römische Grundschule. Diese lag in der römischen Handelsniederlassung. Zusätzlich wurde das Wissen durch zwei gebildete Sklaven vertieft, die Occhius aus Aquileia holte.
Stilla unterrichtete ihre Kinder in den Traditionen und Sprachen ihrer Herkunftsvölker. Beide waren sehr wissbegierig und eigneten sich das umfangreiche Wissen mühelos an. Occhius war stolz auf seine Kinder. Sie würden das Lebenswerk der Eltern weiterführen, dessen war er sich sicher. Er unterrichtete beide in der Waffenkunst und im Nahkampf, sie sollten wehrhaft sein. Marcus war ein Naturtalent. Wenn Occhius keine Zeit hatte, wurde er von Edwin unterrichtet. Der hünenhafte Aufseher entstammte dem Stamm der Cherusker. Im Training war er hart, aber der Hüne mochte den Jungen. Edwin empfand großen Respekt vor der Familie seines Herrn. Sie behandelten ihre Beschäftigten gut. Iulia wurde von Craeg ausgebildet, einem Kelten vom Stamm der Taurisker. Sie war ehrgeizig und lernte rasch. Marcus besaß mehr Talent und verfügte für sein Alter über eine beachtliche Körpergröße. Die Geschwister liebten sich innig, sie verstanden einander sehr gut. Bisweilen kam es zu Streitigkeiten, da beide manchmal das aufbrausende Temperament, das sie von ihrem Vater geerbt hatten, nicht zügeln konnten. Die ruhige Führung der Mutter ließ in der Familie keinen Zwist aufkommen. Dies war ungewöhnlich für die wilde Zeit, in der sie lebten. Occhius war in seiner Legionärszeit als temperamentvoll bekannt. Dies endete für den Gegner meistens nicht gut. Die Ehe und die Liebe zu Stilla verschafften ihm Ruhe, ganz selten kam seine Wildheit zum Ausdruck. Einmal schlug er einen keltischen Bediensteten nieder. Dieser griff ihn an, weil er sich ungerecht behandelt fühlte. Edwin und Craeg waren erstaunt über die Schnelligkeit und Härte, mit der ihr alternder Herr die Aktion ausführte.
Doch sie wussten von seiner Legionärsvergangenheit. Er hatte ihren Respekt, er behandelte seine Bediensteten gut. Stilla wurden von allen verehrt, sie behandelte alle Menschen ruhig und tolerant. Mit ihrem ausgeglichenen Wesen löste sie zwischenmenschliche Probleme auf eine eigene Art und Weise. Marcus und Iulia wurden in diesem Geiste erzogen, sie fühlten sich nicht als etwas Besseres. Jeder Mensch erledigte seinen Teil für das funktionierende Ganze, deshalb verdiente jeder Respekt, wenn er dies gut machte. Die Menschen auf dem Anwesen der Familie Valerius waren zufrieden mit ihrem Schicksal, auch die Sklaven hatten es gut getroffen. Iulia und Marcus begrüßten den alten Freund ihres Vaters, dieser war beeindruckt von der Entwicklung der Kinder. Marcus war für sein Alter und für einen Römer sehr groß, auch Iulia war größer als römische Mädchen. Sie war eine heranwachsende Schönheit, deren Körper bereits sehr weibliche Formen besaß. Sie ähnelte ihrer Mutter sehr stark. Linius drückte seine Bewunderung aus. Iulia bedankte sich. Die beiden Kinder verließen Linius und Stilla nach kurzer Zeit. Sie wollten nach ihren Pferden sehen. Stilla war froh, als Occhius am späten Abend von seiner Inspektionstour zurückkam. Linius war seltsam, manchmal bekam er während der Gespräche einen starren Blick und wirkte geistesabwesend. Sie empfand kein gutes Gefühl in seiner Anwesenheit, er war nicht ehrlich. Stilla spürte, dass er sie begehrte. Sie hatte gehofft, dass er nie wieder in das Leben ihrer Familie zurückkehren würde. Aber Linius war Gast und ein guter Freund ihres Mannes. Occhius war in guter Stimmung. Er hatte alles überprüft. Seine Leute mussten kontrolliert werden. Er vertraute ihnen, aber ohne laufende Kontrolle funktionierte ein System nicht. Manche Menschen neigten zu Bequemlichkeit. Er erinnerte sie an das gute Leben, das sie führten. Manche Menschen benötigten Hilfe, um das Gute im Leben zu erkennen. Occhius lächelte.
Er war zufrieden, seine Beschäftigten funktionierten. Er freute sich laut, als er Linius erkannte. Die Männer umarmten einander, viele Schlachten hatten sie zusammen erlebt und überlebt, weil sie sich aufeinander verlassen konnten. Stilla wurde mit einem Kuss begrüßt, sie holte Wein. Es war klar, was heute bevorstand. Deshalb überprüfte sie im Keller, ob genügend frischer Wein vorhanden war. Sie kehrte zurück und informierte ihren Mann, dass sie die Männergesellschaft nicht stören wolle. Sie hätten sich Einiges zu erzählen. Occhius nickte und Stilla war froh, diesen undurchsichtigen Linius zu verlassen. Dieser sah ihr nach. „Deine Frau sieht noch immer gut aus, mein Freund.“ Occhius lachte. „Das liegt an meiner Mannesstärke, ich halte sie in Form.“ Linius verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. „Das glaubt Dir kein Mensch. Vermutlich helfen deine strammen Sklaven, Centurio“, antwortete er grinsend. Linius Grinsen verbarg seine Wünsche betreffend Stilla. Occhius bemerkte nichts und Linius gab sein Geheimnis nicht preis. Die beiden Männer erzählten aus ihren Leben. Sie waren der Meinung, dass die Legionen von den germanischen Stämmen nicht aufzuhalten und es nur eine Frage der Zeit wäre, wann diese Gebiete römische Provinz wurden. Occhius meinte, dass es keinen praktischen Nutzen für Rom gebe, diese bewaldeten und sumpfigen Gebiete zu erobern. Es mache aber Sinn, diese Gebiete zu befrieden. Germanen waren wild. Sie mussten ähnlich den gallischen Stämmen gebrochen werden, damit sie den römischen Herrschaftsanspruch anerkannten. Es war lange nach Mitternacht, als beide Männer ihre Gemächer aufsuchten. Stilla war froh, dass Occhius gleich in den Tiefschlaf verfiel. Sie mochte es nicht, wenn er betrunken war und möglicherweise seine ehelichen Rechte einforderte. Am nächsten Tag gab es ein späteres Frühstück für beide Männer, denen der getrunkene Wein einiges Kopfzerbrechen verursachte. Die Milch half, Hungergefühl wollte sich keines einstellen. Occhius eröffnete Stilla, dass er Linius als Verwalter der Pferdezucht eingestellt habe, diesbezüglich bräuchte er jemanden. Sie wusste, dass dies nicht stimmte, aber ihr Mann wollte seinen ehemaligen Kameraden offensichtlich helfen.
Linius war heruntergekommen, irgendetwas war passiert in Hispania, da er vollkommen mittellos war. Sie wollte Occhius vor dem Freund nicht widersprechen und nickte zustimmend.
Occhius bemerkte ihren Widerwillen nicht. Linius spürte die Ablehnung. Ärger kam hoch. Er dachte daran, dass sie Barbarin und keine Römerin war. Diese Gedanken gaben ihm ein Gefühl der Überlegenheit. Ohne Occhius wäre sie eine Wilde geblieben. Trotzdem begehrte er sie, sie war eine großartige Frau. Linius Entschluss zur Rückkehr hatte diese Situation heraufbeschworen, er war selbst schuld. Insgeheim hatte er gehofft, dass Occhius ähnlich glücklos wäre wie er in Hispania. Doch dieser besaß ein prachtvolles Anwesen mit einträglichen Geschäften, Dienern, Bediensteten und Sklaven mit einer großartigen Frau, die ihm zwei Kinder schenkte.
Linius würde in der Nähe von Lauriakon in einem kleinen Haus sein Quartier beziehen. Der Ort war vorteilhaft für seine Tätigkeit als Verwalter der Pferdezucht, da die Stallungen und Weiden der Pferde in unmittelbarer Nähe lagen. Occhius und Linius besichtigten in den nächsten drei Tagen alle Ländereien. Es war beeindruckend, was dieser Mann geschaffen hatte. Marcus beteiligte sich daran, sein Vater hatte ihm oft von Linius und der Zeit in der Armee erzählt. Obwohl Marcus den Kampf liebte, wollte er nicht zur Armee, sie war ihm zu hierarchisch. Er liebte die Freiheit, in einer Armee musste er sich unterordnen. Occhius war sich lange Zeit nicht klar, ob er seinem Sohn die Pflichten eines Soldaten auferlegen sollte.
Stilla war strikt dagegen. Es gab keine Wehrpflicht im römischen Reich, die Legionen bestanden aus Berufssoldaten.
Daher bestand keine Notwendigkeit, dass Marcus der Legion beitrat. Occhius erkannte letztendlich, dass Marcus Anwesenheit für den Fortbestand ihres Besitzes besser wäre. Er hatte es nicht anders gekannt, die Armee war sein Leben gewesen.
Marcus musste dies nicht tun, er verfügte über bessere Möglichkeiten, um sein Leben zu fristen. Aufmerksam hörte Linius den Ausführungen von Occhius zu. Marcus erneuerte seine ablehnende Haltung gegenüber der Armee. Linius nickte am Ende zu ihren Worten. „Es ist ein hartes Leben als Soldat Roms. Wir haben es nicht besser gekannt, aber dein Sohn hat andere Möglichkeiten.“ Marcus grinste. Beim Abendessen wurde das Thema noch einmal besprochen. Stilla erzählte von den Möglichkeiten für die Kinder und der guten Entwicklung der ganzen Region. Es bestand die Möglichkeit, beide nach Rom zu schicken, um ihre Ausbildung zu verbessern. Marcus konnte Prokonsul oder Magistrat werden, ein Eintritt in die Armee war nicht notwendig. Für Iulia bestand die Möglichkeit einer Heirat mit einem römischen Aristokraten. Diese hielt von den Plänen ihrer Mutter nicht viel, sie liebte ihr freies Leben am Danuvius. Linius bewunderte Stilla für ihre Weitsicht. Occhius Glück mit dieser Frau war offensichtlich.
Er spürte den Neid und die Eifersucht, aber er verdrängte die aufkeimenden Gefühle. In den nächsten Monaten entwickelte sich alles bestens. Linius erwies sich als Glücksgriff, er verfügte über tiefe Kenntnisse von Pferden und deren Aufzucht. Stillas Befürchtungen, dass Linius Anwesenheit einen schlechten Einfluss auf die Familie hätte, bewahrheiteten sich nicht. Dieser gab sich große Mühe, seine Empfindungen zu kontrollieren und Occhius ein guter Freund zu sein. Iulia erzählte ihrer Mutter, dass sie dieser Mann manchmal seltsam anstarrte. Dies erzeugte wieder Zweifel in Stilla, sie wollte die Situation weiter beobachten.
Occhius war mit der Entwicklung zufrieden. Marcus verstand sich ebenfalls gut mit Linius. Dieser war beeindruckt von den Kampfkünsten des Vierzehnjährigen. Er war unglaublich schnell und verfügte über beeindruckende Reflexe. Sein Kampflehrer Edwin hatte ihn gut geschult. Es wurde täglich geübt, außer wichtige Arbeiten standen an. Noch beeindruckender waren die Erfolge des jungen Mannes bei den Frauen. Er war Liebesabenteuern nicht abgeneigt. Im Alter von dreizehn Jahren verführte ihn eine junge Tauriskerin. Sie war älter als er und führte Marcus in das Liebesleben ein. Er fand rasch Gefallen an der Abwechslung. Einige Mädchen und junge Frauen waren nicht abgeneigt, ihm seinen Willen zu lassen. Er war sehr groß für sein Alter und konnte sich überall durchsetzen. Sein jugendlicher Frohsinn und sein gewinnendes Lachen erleichterten ihm die Aufgabe bei den jungen Frauen. Iulia kritisierte seine Triebhaftigkeit und zeigte kein Verständnis für die jungen Frauen, die seinen Wünschen nachkamen. Stilla machte sich Sorgen. Iulia und Marcus wussten, wie Kinder gezeugt wurden. Sie wies Marcus daraufhin, dass eine schwangere Frau ohne Vater schlecht von allen behandelt wurde. Sie ermahnte ihn, vorsichtig zu sein und auf die Mädchen Rücksicht zu nehmen. Occhius wischte alle Bedenken beiseite, der Stolz über seinen Sohn war riesig.
Marcus war ein junger Mann, mit vierzehn Jahren durften römische Männer heiraten. Er genoss das Leben. Occhius und Linius verstanden die Umtriebigkeit des jungen Mannes. Mit Linius besuchte er manchmal eine Taverne in Lauriakon, dabei verkosteten sie den Wein und gesellten sich zu den Menschen. Seine Eltern bestanden auf die Erfüllung seiner Pflichten. Marcus vernachlässigte seine Aufgaben nicht. Seine Eltern und seine Schwester konnten dem jungen Mann nicht lange böse sein. Seine lebenslustige Art war ansteckend. Iulia erhielt nach Erreichen ihres zwölften Geburtstags ihren ersten Heiratsantrag, besser gesagt, es sollte eine Heirat vereinbart werden. Gnaeus Verus Praedius war auf Besuch gekommen.
Dieser war vor sieben Jahren ins Land gekommen und war ein benachbarter Gutsbesitzer. Sein Besitz vergrößerte sich ständig, auch in der römischen Niederlassung. Er belieferte ebenfalls die Armee. Sein ältester Sohn mit gleichen Namen war mittlerweile fünfzehn Jahre alt geworden. Sein Vater versuchte, eine gute Heirat für ihn zu vermitteln. Das Anwesen der Familie Valerius war schon länger in sein Blickfeld geraten. Dieses verfügte über bessere Anbauflächen und Weidegründe als sein Gut. Praedius war ein dicklicher Mann.
Er besaß unter den Bürgern des keltischen Lauriakons und der wachsenden römischen Siedlung Lauriacum nicht den besten Ruf. Praedius war ein geschickter Geschäftsmann, der seinen Besitz und Reichtum stetig erweiterte. Im Gegensatz zu Occhius behandelte er seine Sklaven nicht gut. Er entsprach dem gängigen römischen Gutsherrn, die sich als die Herren der Welt fühlten. Es war bekannt unter den Römern am Danuvius, dass Occhius Valerius seine Sklaven gut behandelte. Praedius bot Stilla und Occhius eine Heirat seinen Sohnes Gnaeus mit Iulia an. Es sollte die gemeinsamen Interessen festigen. Das Angebot kam überraschend, da Iulia erst vor kurzem ihr zwölftes Lebensjahr vollendet hatte. Trotzdem war sie laut römischem Recht im heiratsfähigem Alter. Sie waren dem Angebot von Praedius nicht abgeneigt. Sein Vorschlag hörte sich gut an. Eine Verbindung der beiden Familien würde die nachbarschaftlichen Beziehungen stärken.
Praedius gehörte zu den einfluss-reichsten Persönlichkeiten der Region. Iulia wusste von dieser Idee. Gnaeus, der Sohn des Praedius, hatte ihr süffisant mitgeteilt, dass er sie heiraten würde. Iulia mochte diesen eitlen Menschen nicht, der sie bereits als sein Eigentum betrachtete. Sie lehnte die Ehe lautstark ab. „Ich ziehe die Wälder Hercynias einer Ehe mit Dir vor. Vergiss diesen Plan!“ Gnaeus war erzürnt über die schroffe Abweisung des Mädchens. Er wurde zudringlich.
Iulia setzte ihn mit einem Tritt zwischen die Beine außer Gefecht. Marcus musste nicht eingreifen. Er hielt sich in der Nähe auf. Viele junge Männer fanden Gefallen an seiner Schwester. Marcus hielt sich grundsätzlich heraus, es war Iulias Entscheidung. Die Abreibung hatte sich Gnaeus ver