Monsterland - Manfred Theisen - E-Book

Monsterland E-Book

Manfred Theisen

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Beschreibung

Fanni ist die Tochter des berühmten Geisterjägers Mark van Helsing. Sie lebt mit ihrem Vater im Freizeitpark Monsterland, in dem Geister und Monster die Besucher erschrecken. Was keiner weiß: Diese Monster sind echt! Zu ihrem zehnten Geburtstag erhält sie von ihrem Papa ein geheimnisvolles Geschenk, das ihr Leben verändern wird...

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Manfred Theisen • MonsterlandEin Geist auf der Flucht

Manfred Theisen

MonsterlandEin Geist auf der Flucht

Mit Illustrationen vonFréderic Bertrand

© 2018 Manfred Theisen

Alle Rechte vorbehaltenUmschlagbild, Karte & Innenillustrationen: © Fréderic BertrandUmschlaggestaltung: init | Kommunikationsdesign, Bad Oeynhausenhe ·Herstellung: kwSatz: KompetenzCenter, Mönchengladbach

Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 HamburgISBN Taschenbuch: 978-3-7469-5978-8ISBN Hardcover: 978-3-7469-5980-1ISBN e-Book: 978-3-7469-5979-5

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autorsunzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstigeVervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentlicheZugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sindim Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Emilia, Valeria und Jen:Sie haben monstermäßig viele Ideen gehabt!

Fanni van Helsing

Angehende Geisterjägerin. Mag Geister und liebt die Gefahr. Manchmal ein bisschen zu mutig.

Finn von Friedefels

Burggeist ohne Burg und Eltern, aber mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Wird Fannis bester Freund.

Mark van Helsing

Liebevoller Vater, Top-Geisterjäger und Besitzer des Freizeitparks Monsterland.

Mister Mumie

Lehrte einst die Pharaonen in Ägypten. Arbeitet heute als Hausdiener und ist Lehrer von Fanni.

Raubritter Otto & Ratte Raff

Raubritter Otto ist kein lieber Kerl. Durchtrieben, verfressen und jederzeit bereit, jeden zu verraten. Ratte Raff lebt auf dem Haupt von Raubritter Otto. Doch wenn es sein muss, fällt er auch seinem Raubritter in den Rücken.

Zwerg Nase

Will seine lange Nase endlich loswerden. Kann sehr gut kochen. Denkt stets an sich, auch wenn es mal anders scheint.

Dracula

Geboren in Transsilvanien. Derzeit ohne Eckzähne, aber mit ErsatzPlastikbeißerchen. Sein einziges Ziel: die Flucht aus Monsterland.

Wölfi

Ein Werwolf, einst der bucklige Diener auf Schloss Dracula. Hundetreu, tut alles, was sein Herr von ihm verlangt.

Professor Frankenstein

Ein Gelehrter durch und durch. Arbeitet in der Achterbahn mit seinem Monster und forscht in einem geheimen Geheimlabor.

Frankensteins Monster

Wo andere Hirn haben, hat er Schrauben. Trotz seiner Kräfte und seiner Eisenschuhe ist er tief in seiner Seele ein liebes Monster.

1

Der Freund aus der Kiste

Es ist ein ruhiger Morgen. Der frische Duft von Kastanien und Gräsern erfüllt die Luft im Freizeitpark Monsterland. Die Vögel zwitschern, Piraten steigen aus ihren Betten, klettern müde an Deck und polieren verschlafen die Säbel, während die Neandertaler aus den Höhlen kriechen und sich hoch oben auf dem Berg versammeln. Die Geister im Park sind stets als Erste wach. Gleich werden sich die Monster und Zombies erheben und sogar Graf Dracula drückt in seiner bescheidenen Hütte den Deckel vom Sarg zur Seite. Alles scheint wie immer in Monsterland.

Doch in der Villa am Freizeitpark tut sich etwas. Der Geisterjäger und Parkbesitzer van Helsing versucht mit seinem Hausdiener Mister Mumie eine hübsch verpackte Kiste auf ein Rollbrett zu heben. Es klappt nicht. Immer wieder rutscht die schwere Kiste ab. »Pass doch auf! Du versaust den ganzen Boden!« Tatsächlich rieselt zwischen Mister Mumies Mullverbänden Sand aufs Parkett.

»Entschuldigen Sie, Herr van Helsing. Ich sauge das gleich weg.«

»Jetzt nicht«, meint Geisterjäger van Helsing und wischt sich mit seinem Halstuch den Schweiß von der Stirn. »Du schwitzt halt Sand und kannst ja auch nichts dafür, dass die Kiste so schwer ist.«

Zur gleichen Zeit und nur wenige Schritte entfernt liegt van Helsings Tochter Fanni im Bett. Das Rumpeln und Reden auf dem Flur haben sie geweckt. Sie schlägt die Augen auf. Neben ihrem Kissen liegt noch aufgeschlagen das Schulbuch Geister, Monster und Gruselwesen. Fanni ist gestern darüber eingeschlafen, denn morgen schreibt sie bei Mister Mumie einen Test in Gruselkunde. Als sie nun sieht, wie ihr Papa von außen die Klinke herunterdrückt, tut Fanni so, als würde sie schlafen. Sie hört ein Knirschen und dann Schritte, die näher kommen.

Eine Stimme flüstert liebevoll: »Fanni, aufwachen! Liebling!«

Sie drückt ihre Augen fester zu. Doch gleichzeitig steigt ihr ein Duft in die Nase, ein Duft von … frischen Schokomuffins! Sie liebt Schokomuffins! Sie schlägt die Augen auf. Da steht er auf dem Nachtschränkchen: ein Riesenschokomuffin in Totenkopfform.

»Trara! Trara! Dein Geburtstag ist da!«, ruft ihr Vater und zieht schwungvoll seinen Hut. Und Mister Mumie schiebt ächzend das Geschenk mit der Schleife herein.

Fanni strahlt. »Das ist ja riesig!« Ehe ihr Vater etwas sagen kann, klopft es in der Kiste und eine Stimme dringt daraus hervor: »Hallo? Hallo!?«

Fanni traut ihren Ohren nicht. Vergangenes Jahr hat sie von ihrem Vater einen Geistersucher bekommen, und davor eine Vampirbarbie. Aber ein Geschenk, das sprechen kann, das hatte sie noch nie.

»Höhöm.« Ihr Vater räuspert sich. »Liebe Fanni. Heute ist dein zehnter Geburtstag und …«

Wieder dringt ein »Hallo!« aus der Kiste.

Mister Mumie tritt kurz dagegen und zischt: »Ruhe!«

»Ist da einer drin?«, fragt Fanni.

»Nein, nein, mein Kind. Ich habe nur gemurmelt«, erklärt Mumie. »Denn ich musste soeben lesen, dass ein russischer Milliardär Draculas Schloss gekauft hat.«

»Also, Fanni«, unterbricht ihn van Helsing und setzt den Hut wieder auf. »Du wünschst dir doch schon so lange einen Spielkameraden und Freund. Heute sollen zu deinem zehnten Geburtstag …«

Weiter kommt er nicht, denn nun hämmert und rumort es noch lauter in der Kiste. Irgendetwas will unbedingt raus. Und dann geht alles ganz schnell: Die Kiste wackelt, die rote Schleife fällt herunter, Holz splittert und KRAAAAAACKS fliegt das ganze Geschenk auseinander. Mit erhobenem Schwert springt ein junger Burggeist daraus hervor. Er trägt einen geringelten Pulli, grüne weite Hosen, rote Schuhe, hat blonde Haare und ein mächtiges glänzendes Schwert.

Fanni ist geschockt: Soll das etwa ihr Geschenk sein? Was ist das denn für eine doofe Idee? Freunde verschenkt man nicht! Egal wie süß dieser Geist auch aussieht, so einen Freund kann ihr Vater gleich wieder einpacken.

Van Helsing greift sich einen Stuhl und hält ihn wie ein Schutzschild vor sich: »Nimm das Schwert herunter, Finn! Beruhige dich.«

Der junge Geist wundert sich. Woher kennt der Mann seinen Namen? Wie ist er überhaupt hierhergekommen? Und wie soll er sich beruhigen? Schließlich hält ihm der Mann einen Stuhl vor die Nase und dieses Mädchen trägt einen Schlafanzug mit lauter Gespenstern und Monstern in Käfigen. Und was sucht der Kerl mit den Mullverbänden neben ihm? Der sieht aus wie eine ägyptische Mumie. Das sind ihm zu viele Verrückte vor dem Frühstück. Er hat Hunger, gespenstisch gigantischen Hunger.

Finn packt das Schwert fester und sagt laut: »Buhuhu!«

Doch ein Buhuhu schreckt weder Fanni noch van Helsing. Schließlich ist Finn im Haus eines Geisterjägers gelandet.

»Leg deine Waffe ab«, befiehlt Fannis Vater. »Ich bin Mark van Helsing. Wir wollen dir nichts Böses.«

Der Geist starrt auf die Narbe des Geisterjägers. Sie sitzt wie ein Haken auf seiner Wange. Im selben Moment springt Fanni vom Bett, reißt das Geisternetz von der Wand und will es dem Geist überwerfen. Doch der hechtet zur Seite und angelt sich, schwuppdiwupp, mit der Schwertspitze den Schokomuffin.

»Hey, lass das!«, ruft Fanni entrüstet. »Lass sofort …!«

Mit nur drei Bissen verschwindet haps, haps, haps ihr Muffin in Finns Mund. Fanni ist stinksauer. Die Sommersprossen auf ihrer Nase glühen: »Du verfresse ner … «

»Tut mir leid! Musste sein! Mehr passt sowieso nicht rein«, reimt Finn. Die Krümel sprudeln dabei aus seinem Mund wie aus einem Springbrunnen. Dann rennt er zur Tür hinaus.

»Geisteralaaaarm!«, schreit van Helsing. Fanni zieht ihren grün gepunkteten Rock an, wirft sich noch einen Pulli über und folgt ihrem Vater. Der rutscht prompt vor der Tür auf Mumies Sand aus und schliddert auf dem Hosenboden wie auf einer Schlittschuhbahn. Dabei kommt er Finn immer näher. Gerade will er ihn am Hosenbein packen, da biegt der Geist scharf nach links in den Gang ab und van Helsing prallt mit voller Wucht gegen die Wand. Reglos bleibt er liegen.

Finn hat das aus dem Augenwinkel gesehen. Er stoppt, lässt sein Schwert fallen und will dem Geisterjäger zu Hilfe eilen. Doch jetzt schießt schon Fanni um die Ecke. Van Helsing hat sich mühsam aufgerichtet und spornt seine Tochter an: »Los, hol ihn dir!«

Finn macht auf dem Absatz kehrt und flieht durch eine Tür und eine steile Treppe hinunter in den Keller.

2

Das Land der lebenden Puppen

Der Keller der Villa van Helsings ist riesig.

Fanni folgt dem Geist durch die Ahnengalerie mit Bildern von Fannis Vorfahren, läuft hinein ins Mu- seum mit den Geisterjägerwaffen von Spukschreck & Schleichdichweg, hinüber ins Vampirzimmer, wo Vampirfangnetze hängen und die original Eckzähne von Graf Dracula in einer Vitrine liegen. Fanni schwitzt. Der Schweiß beißt ihr in die Augen. Zu allem Überfluss kündigt sich auch noch Seitenstechen an, als sie in die Galerie mit den Rüstungen gelangt. Sie kann nicht mehr und bleibt stehen. Die Hände auf ihre Knie gestützt schnauft sie wie eine Dampflok.

Ansonsten ist es still. Nur ihr Atem ist zu hören. Wo ist dieser Geist hingerannt? Vielleicht hat er sich ja in einer der Rüstungen versteckt. Fanni schaut durch die Seeschlitze des Ritter von der dunklen Gestalt (1781 – 1834). Keiner drin! Auch in der des Ritter von der unterbelichteten Gestalt (1687 – 1721) hat er sich nicht verborgen. Genauso wenig in der nächsten und übernächsten.

Ihr Vater kommt. Sein Gesicht ist rot vor Anstrengung. »Wo ist dein Freund hin?«

»Mein Freund?« Fanni schaut ihren Papa vorwurfsvoll an. Der hustet verlegen und erklärt sich: »Ich weiß doch, wie sehr du dir einen Freund gewünscht hast. Und dann kam dieses Paket.«

»Paket?«

»Ja, sein Onkel hat ihn mir geschickt. Hier, lies.« Van Helsing streckt ihr einen Brief entgegen, der das Wappen der Familie von Friedefels trägt, ein Schwert über einem Schild, auf dem ein Löwe gemalt ist.

Sehr geehrter Herr Mark van Helsing, zunächst einmal möchte ich mich entschuldigen, dass ich Ihnen diese Kiste samt ihres Inhalts einfach so schickte. Aber ich sehe keinen anderen Ausweg. Der Inhalt des Pakets ist ein junger Geist namens Finn.

Er spukte bisher mit seinen Eltern friedlich auf Burg Friedefels im Süden des Landes, wo ich zu Gast bei der Familie war.

Nun wurde die Burg jedoch verkauft und soll zu einem Luxushotel umgebaut werden. Deshalb hat der neue Burgverwalter den berüchtigten Geisterjäger Eliminato kommen lassen. Ganz im Gegenteil zu Ihnen will dieser ja bekanntlich nicht mit den Geistern und Monstern in Einklang leben, sondern sieht sie als seine Feinde an.

Fanni blickt von dem Brief auf. »Eliminato? Ich denke, er ist tot.«

Van Helsing nickt. »Dachte ich auch. Aber lies weiter.«

Wovon Eliminato nichts wissen konnte, war meine Anwesenheit. Nachdem er Finns Eltern bereits gefangen hatte, konnte ich den Jungen in letzter Sekunde retten. Ich habe ihn in einen tiefen Schlaf versetzt und ihn in die Kiste verfrachtet.

Wo seine Eltern jetzt sind, weiß ich nicht. Ich weiß nicht einmal, ob sie überhaupt noch leben.

Ich hoffe, dass Sie in Ihrer Güte Finn aufnehmen. Falls es nicht zu unverschämt von mir erscheint, möchte ich Sie höflichst darum bitten, ihn in den grundlegenden Tätigkeiten eines Geistes auszubilden. Er ist ein aufgeweckter Junge.

So kann er später einmal meinen Platz auf Burg Hausrecht einnehmen. Und vielleicht wird er eines Tages mit dem Schwert der Familie von Friedefels seine Eltern wieder aufspüren. Die Klinge hat unglaubliche Kräfte. Aber noch ist er nicht reif für dieses Schwert, das ich ebenfalls in die Kiste gelegt habe.

Ich bitte Sie daher, es vorerst von ihm fernzuhalten und es ihm später zu überreichen.

In der Hoffnung auf Ihr gutes Herz verbleibe ich hochachtungsvoll,

Ihr Sebastian Carl von Burg Hausrecht

(Onkel von Finn!)

»Na, das mit dem Schwert ist ja schon mal gründlich schiefgelaufen«, meint Fanni. »Aber warum ist Eliminato wieder aufgetaucht? Und wo lebt er jetzt?«

Van Helsing weiß es auch nicht. Noch immer außer Atem erzählt er Fanni, dass der gefürchtete Geisterjäger früher in den unterirdischen Katakomben der Engelsburg mitten in Rom hauste. »Später hat er auf der Friedhofsinsel von Venedig gelebt. Aber wo er sich jetzt verkrochen hat? Er kann überall sein.«

Rums, donnert es!

»Das muss die Tür zum Tunnel sein!«, sagt Fanni.

»Den haben wir doch seit Jahren nicht mehr benutzt. Ist er nicht verschlossen?«